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Wir verlassen das Gebiet der elbischen Wesen noch nicht, wenn wir zu den Wassergeistern übergehen: auch sie gehören zu ihnen. Wie Frau Holda im Brunnen ihre Wohnung hat, so bewohnen auch die nach ihr genannten Holden, guten Holden das Wasser und werden dadurch zu Wasserholden, zu Genien des Wassers, die dann den üblichern Namen von Nix und Nixe bei uns tragen; seltner hört man Nickel oder Nickelmann. In einigen Gegenden, namentlich im Südwesten Deutschlands, kommt der Name Mümmelchen vor; daher heissen mehre von diesen Genien bewohnte Seen Mummelsee, so wie die Wasserlilie nach ihnen Mümmelchen, Mummel genannt wird, anderswo Wassermännlein. Auch die Seeblume heisst nach ihnen Nixblume.
Die Nixe und Nixen erscheinen selten in Gesellschaft, meistens allein. Sie haben oft menschliche Grösse, tragen einen grünen Hut und zeigen, wenn sie den Mund blecken, grüne Zähne; oft haben sie gleich den Wasservögeln übergrosse Füsse. Zuweilen sieht man sie auch in der Gestalt eines rauhhaarigen wilden Knaben, anderemale gelbgelockt mit rothem Hut. Im allgemeinen ist die Gestalt der Nixe weniger schön als die der Nixen, die gleich den Elben- und Zwergfrauen von zauberisch verlockender Schönheit sind. Diese erscheinen oft um Mittag auf den Wellen sich wiegend und sonnen sich, während sie mit goldnem Kamm ihre langen Haare strählen. Gleich andern elbischen Wesen finden wir auch sie im Verkehr mit den Menschen, die männlichen jedoch weniger als die weiblichen. Die letztern gehen oft ans Land, nur an dem nassen Kleidersaum oder dem Zipfel ihrer Schürze erkennbar, und mischen sich gern in die heitern Tänze, die Abends unter der Dorflinde stattfinden, wie sie denn überhaupt die Freude an Musik, Gesang und Tanz mit den Elben theilen. Drei schöne Nixen finden wir in zahlreichen Sagen bei den Tänzen der Dorfjugend, aber sie verschwinden jedesmal, sobald die Uhr zwölf schlägt. Ein Jüngling, der glühende Liebe zu einer der Jungfrauen fasste, rückt die Uhr um eine Stunde zurück, um länger der Nähe der Geliebten zu geniessen; nach andern enthält er ihr einen ihrer Handschuhe vor, oder sie verspäten sich alle durch Zufall bis zum Hahnenkrat. Entsetzt eilen sie fort und sagen nur noch, man möge am andern Tage am Flusse oder am Quell zuschauen; wenn ein Milchstrahl oder ein Schwall hellen Wassers emporschiesse, dann kämen sie zurück, schösse jedoch ein Blutstrahl empor, dann sähe man sie nie wieder. Nie aber zeigt sich der Milchstrahl und nie kehren die Jungfrauen mehr zurück.
Unter dem Wasser haben die Nixen ihre prächtigen Wohnungen, in welchen sie ganz nach menschlicher Art wirthschaften. Als bei einem Sturm ein Schiff auf einen Felsen lief und trotz aller Mühe der Mannschaft fest sitzen blieb, stieg ein Mann aus dem Wasser und fragte die Schiffer barsch: ›Was habt ihr da zu thun?‹ Der Bootsmann klagte sein Unglück und sogleich sprang der Mann in das Wasser, nahm einen Haken, setzte ihn gegen den Felsen an und drückte nur einmal, da war das Schiff flott. Als der Bootsmann fragte, ob das Schiff ihm lästig gewesen sei, sprach der Nix: ›Seht doch nur zu, es sperrte mir die Hausthür, so dass meine Frau, die eben zur Kirche gehen wollte, nicht heraus konnte.‹
Gleich den Elben bedürfen sie menschlichen Beistandes, wenn ihre Frauen in Geburtswehen liegen. Einst kam der Wassermann zu einer Wehmutter und bat sie, seiner Frau beizustehn. Anfangs weigerte die Frau sich, als er aber gar flehentlich bat und sie versicherte, es geschehe ihr kein Leid, ging sie mit ihm. Am Flusse angekommen schlug er mit einer Ruthe auf das Wasser, da theilte es sich, beide stiegen eine Wendeltreppe hinab und kamen in ein schönes Gemach, worin die Wasserfrau auf einem kostbaren Bette lag. Als die Wehmutter ihre Pflicht gethan hatte, führte der Nix sie wieder herauf und gab ihr oben ein Büschlein Stroh als Lohn für ihre Mühe. Sie nahm es zwar an, warf es jedoch weg, als sie wieder festen Boden unter ihren Füssen fühlte. Zu Hause fand sie, dass ein Hälmlein an ihrem Kleide hätten geblieben war, als sie dasselbe genauer betrachtete, war es reines Gold.
Oft bezeigen sich die Wassergeister freundlich und hülfreich gegen die Menschen, aber ein andermal werden sie ihnen auch gefährlich. Die Nixen locken gern durch ihren Gesang schöne Jünglinge in die Tiefe, und eben so stellt der Nix schönen Mädchen nach.
Jedes Jahr fordert der Nix sein Opfer und zwar meist ein Menschenopfer, welches er, da es ihm nicht mehr freiwillig dargebracht wird, sich nimmt. Die alte Opferzeit war um Johanni, wesshalb man noch jetzt vielfach dies Baden an diesem und den ihm nächsten Tagen meidet. Fast von allen Flüssen und Flüsschen heisst es, dass dann einer in ihnen ertrinke. Ueberhaupt ist Blutdurst und Grausamkeit den Wassergeistern eigen, ein Zug der auch durch das Leben aller Wasserthiere geht. Das kalte, dicke Element scheint wenig Gefühl aufkommen zu lassen, darum entfliehen ihm die zartern Nixen so gern und fühlen sie sich so wohl in der feinern, reinern Luft, in den Strahlen der Mittagssonne und unter dem klaren Sternenhimmel, während der Nix gleich dem dicken, mörderischen Geschlecht der Seethiere mehr die trübe Tiefe liebt. Sie haben mit den Elben und Zwergen oft die Kunde künftiger Dinge gemein, besonders wissen sie vorher, wann ein Mensch im Wasser ertrinkt und zeigen es durch klagenden Ruf an.