Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Nirdu.♦ Myth. 229.

Fast in allen Mythologieen ist die Erde weiblich aufgefasst, im Gegensatz zu dem sie umfangenden väterlichen Himmel als gebärende fruchtbringende Mutter. Ein Theil der Germanen, namentlich die Longobarden, Reudigner, Avionen, Angeln, Varinen, Eudosen, Suardonen und Vuithonen verehrten sie unter dem Namen Nerthus.Nicht Hertha. Tacitus berichtet uns über sie in seiner Germania, wie auf einer Insel des Oceans ein unentweihter Hain liege, darin stehe ein heiliger mit Tüchern verhüllter Wagen. Nur ein Priester darf ihm nahen, er erkennt wann die Göttin ihn besteigt und folgt dem von Kühen gezogenen mit grosser Ehrfurcht. Dann sind frohe Tage und Festfreude herrscht an allen Orten, welche die Göttin der Ankunft oder Einkehr würdigt. Kein Krieg wird begonnen, die Waffen ruhen, verschlossen liegt alles Eisen, bis derselbe Priester die des Umgangs mit den Sterblichen gesättigte Göttin dem Tempel zurückgibt. Dann wird der Wagen und die Tücher in einem geheimnisvollen See gewaschen und wenn man es glauben kann, die Göttin selbst darin gebadet. Sclaven dienen dabei, welche alsbald der See verschlingt. Daher herrscht ein geheimer Schrecken und eine heilige Unkunde, was das sei, was nur dem Tode Verfallene schauen.

Diese Umfahrt der Mutter Erde hatte, wie Frieden, so zweifelsohne nach heidnischer Vorstellung auch Fruchtbarkeit im Gefolge, bei dem Umzuge wurde sie von dein Volke um Beides angerufen. Man hat Rügen für die Insel des Oceans gehalten, auf welcher der Cultus der Göttin blühte, wohl hauptsächlich, weil in der Mitte dieser Insel ein See liegt, welcher der schwarze See oder der Burgsee heisst, doch ist das allein kaum entscheidend und die andern dänischen Inseln der Ostsee haben wenigstens gleichen Anspruch darauf, ehemals der Göttin heiliger Sitz gewesen zu sein.


 << zurück weiter >>