|
Der Morgen munkelt, der Osten tagt.
Schön Hilmgard reitet zur Falkenjagd
Durchs Burgthor auf schnaubendem Pferde.
Krank lag sie drei Monden im mürrischen Schloß,
Heut schwingt sie sich wieder auf mutigem Roß
Wie der Frühling hinab auf die Erde.
O heiliger Tag! Du Genesungstag!
Gepriesen, was keimen und kommen mag,
Gesegnet, was ist und was werde!
Ihr Auge durchfliegt die strahlende Luft,
Ihr Odem weidet den Waldesduft,
Es wiehert und bäumt sich der Rappe.
Ein Reiher rauschend den Busch durchsaust,
Schnell löst sie den Falken von ihrer Faust
Und lüpft ihm die sammtene Kappe.
Hoch kreist in den Lüften das kämpfende Paar,
Da wirft sich von oben der zornige Aar.
»Hallo!« verkündet der Knappe.
Schon jagt er zur Strecke, erbeutet den Schopf,
Dann füllt er dem fauchenden Falken den Kropf
Und fesselt den Fuß ihm aufs Leder.
Zur Herrin sprengt er zurück in Eil
Und reicht' ihr mit freudigem Waidmannsheil
Die schwankende Reiherfeder.
Sie dankt seinem Eifer, sie lobt sein Geschick,
Doch innig verkündet sein Liebesblick:
Was thäte für Hilmgard nicht jeder?
Drauf pirschen sie weiter den Forst hinan.
»Mein Knappe, was blickst mich so seltsam an,
Als wolltest mir etwas klagen?«
»Mein Herz ist so voll, mein Herz ist so schwer,
Doch sagen kann ich es nimmermehr.«
»Ich will's, Du mußt es mir sagen!
Du schuldest der Herrin der Wahrheit Zoll:
Weß Leides ist Dir das Herz so voll?«
»Wohlan, so will ich es wagen:
Es blüht auf Erden ein Blümlein mild,
Der himmlischen Jungfrau ähnlich an Bild,
Das sah ich welken, erblassen.
Nun, da es erstanden aus Todesgraun,
Muß ewig das liebliche Wunder ich schaun
Und kann es nicht glauben, nicht fassen.
O Du himmlische Blume, Du minnige Maid,
O dürft' ich Dir dienen in Ewigkeit
Dich halten und nimmer Dich lassen!«
Der Mittag dämmert so süß und lind.
Was flüstern die Schatten, was säuselt der Wind?
Was zwitschern der Fink und die Meise?
Die Sonne jauchzt es durchs Blätterdach,
Die Bienlein summen's am kühlen Bach,
Die Quelle, sie lispelt es leise:
»Ein Tischlein für jeden rüstet Natur,
Allüberall triffst Du der Liebe Spur,
Entsagen ist grausam, nicht weise.«
Eine Laube winkt aus dem grünen Grund.
Drin saßen die beiden manch' selige Stund,
Sich herzend in minnigem Tande.
Die Sonne ging nieder, die Nacht brach an,
Da war verflogen der thörichte Wahn,
Da sprangen die lähmenden Bande.
»Du schnöder Bube, was hast Du gethan?
Verwegner Räuber, rühr' mich nicht an!
O wehe der ewigen Schande!
Fluch mir, der eitlen, der unnützen Magd!
Wer hieß mich reiten zur Falkenjagd?
O wäre sie nimmer gewesen!
Jüngst lag ich in Aengsten und Todesqual,
O wär' ich gestorben viel tausendmal,
Eh daß ich zum Unheil genesen.
Nie wag' ich mich fürder ans Tageslicht,
Des Vaters Antlitz ertrag' ich nicht.
Im Auge, da würd' er es lesen.«
»Dein Auge, Feinsliebchen, ist blau und rein,
Das Glück ist unser, mein Herz ist Dein.
Nichts kann uns fortan entzweien.
Uns festigt gemeinsamer Sünde Kitt,
Und gilt es zu sterben, so sterb' ich mit.
Man kann auch sterben zu Zweien.
Was ist da nun weiter für große Not?
Die schönsten Blümlein schneidet der Tod
Im knospenden, blühenden Maien.«
Zwei Rößlein steigen die Burg hinauf,
Kein Knappe führt sie, kein Reiter sitzt drauf
Und haben den Weg doch gefunden.
Sie schleichen gar traurig einher und gebückt,
Mit Blumen sind Mähne und Schweif geschmückt,
Die Zügel verschlungen, verbunden.
Und als man die Kränzlein vom Sattel wand,
Da ward von schön Hilmgards eigener Hand
Ein zierliches Schreiben gefunden.
»Wenn Ihr dies leset, dann leb' ich nicht.
Herzliebste Eltern, verdammt mich nicht!
Ich weiß nicht, es ist so gekommen.
Der heiligen Jungfrau ich mich befehl'.
Laßt Messen lesen der sündigen Seel',
Es wird im Jenseits mir frommen.
O Hochzeitstag! O du seliger Tag!
Und führ' ich zur Hölle mit Einem Schlag,
Die Minne, die hab' ich vernommen!« |