Carl Spitteler
Balladen
Carl Spitteler

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Die Weltpost.

                 

Auf einem Berg ein Posthaus steht, das keinem andern gleicht,
Das nie ein Wandrer hat geschaut und nie ein Brief erreicht.
Die Riesensäle gähnen leer, kein Wort, kein Ruf erschallt.
Statt Menschengeist und Menschenhand wirkt eiserne Gewalt.
Von selber läuft das Räderwerk und eilt der Pendel Takt.
An allen Enden schafft es leis, prickelt und pocht und knackt.
Beständig summt der Telegraph und saust Depeschenflug.
Im Hofe vor dem Fenster fährt ein Doppelschienenzug.
Die einen Wagen fahren her, die andern fahren hin,
Viel tausend Seelen sitzen stumm und totenbleich darin.

*           *
*

Nur einmal, wenn auf Mitternacht der Wanduhrzeiger steht,
Juckt durch die Wand ein Glockenspiel, ein Hahn springt vor und kräht.
Die heiligen Apostel zwölf marschieren langsam auf.
Ein Herold hebt den Botenstab und eine Thür geht auf.
Jetzt öffnet er den Stentormund und stampft mit Stab und Fuß:
»Erhebet Euch, der Meister kommt, entbietet ihm den Gruß.«
Da braust ein Aufruhr durch das Haus und hast'ger Stimmenhall,
Urplötzlich stockt das Räderwerk und die Maschinen all:
Im Hofe stemmt den Eisenfuß die Doppelschienenbahn,
Alles pausiert erwartungsvoll und hält den Atem an.
Durch schwarzes Schweigen tönen laut elf Glockenschläge nur –
Doch wenn den zwölften Glockenschlag gethan die Wunderuhr,
Da kichert's in der Gegenwand und lacht wie Teufelshohn,
Ein Klingelruf, ein Judasschrei schrillt aus dem Telephon:
»Den Meister heischet ihr umsonst, der Meister der ist krank.«
Der Herold senkt den Botenstab und knarrend in den Schrank
Verschwinden Hahn und Glockenspiel, die Wand verschlingt das Thor,
Der Seelenzug hebt wieder an die Fahrt. Und wie zuvor
Geht bei geschäft'gem Rädertakt und Telegraphensang
Die wundersame Weltenpost den geisterhaften Gang.


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