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Der Premierleutnant Horst von Sartorius saß bereits vierzehn Tage im sogenannten Klapperfeld, dem Frankfurter Untersuchungsgefängnis, in Haft, und niemand schien sich um ihn zu kümmern.
Der Polizeidirektor Dr. Schultheiß und sein Polizeidiätar Fastenrath hatten am Tage nach der Festnahme am Ostbahnhof ein eingehendes, polizeiliches Verhör vorgenommen, wobei es schon nicht ganz gesetzlich zuging, denn die Polizeibeamten sagten Sartorius zuerst überhaupt nicht, warum die Festnahme erfolgt war. Sie wollten ihn nach allen Regeln der Kunst ausquetschen, hatten aber wenig Glück. Sartorius, der wohl wußte, wessen er sich als ertappter oder gar überführter Spion in dem noch von den Österreichern besetzten Frankfurt zu versehen hatte, schwieg entweder oder gab ausweichende Antworten, und am Nachmittag fuhr Schultheiß persönlich aufs Gericht und konferierte mehr als eine Stunde mit dem Untersuchungsrichter Dr. Leyendecker.
Am Schlusse dieser Unterredung sagte der Untersuchungsrichter: »Das beste ist, wir sperren den Kerl zuerst einmal ein und lassen ihn zum Nachdenken kommen. Wir machen ihn madig, wie der Fachausdruck lautet. Die Spionagesache interessiert mich nur sehr bedingt, aber an der Aufklärung des Mordes ist mir umsomehr gelegen.«
»Haben wir das Recht, Sartorius einfach einzusperren?« wagte der Polizeidirektor vorsichtig einzuwerfen.
»Wir nehmen uns das Recht, Herr Dr. Schultheiß. Wir sind mitten im Krieg, und Kriegszeiten rechtfertigen manches, was im Frieden durch Gesetze und Paragrafen genau geregelt ist. Der Kerl soll froh sein, daß wir, die Stadt Frankfurt, die Hände über der Sache halten, denn sobald wir ihn wegen der Spionagesache, in der er ja überführt zu sein scheint, den Österreichern ausliefern, wird er glatt erschossen. Die Anklage auf Mord schützt ihm – vorerst wenigstens – seinen Kopf. –
Ich bitte nun, Herr Dr. Schultheiß, in der Mordsache die Hände nicht in den Schoß zu legen sondern durch Ihre Organe die Sache immer weiter verfolgen zu lassen. Je mehr Indizien wir zusammen bekommen, umso schlimmer steht die Sache für den Preußen.« –
Inzwischen nahmen die Kriegsoperationen in Böhmen, Hannover und Thüringen ihren Verlauf und zwar einen ganz anderen Verlauf, als man in Frankfurt und Süddeutschland gehofft hatte: Dem zielbewußten, straffen Vorgehen der preußischen Truppen stand eine unsichere Leitung der Verbündeten gegenüber. Schon unmittelbar nach Kriegsausbruch besetzten die Preußen Cassel, die Hauptstadt des Kurfürstentums Hessen, und Hannover, die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs. Die kurhessischen Truppen bogen nach Süden aus, um sich mit den anrückenden Bayern zu vereinigen und möglichst auch mit dem 8. Deutschen Bundeskorps, Hessen, Württemberger, Badener, Fühlung zu nehmen. Das Bundeskorps sollte sich in Frankfurt vereinigen. Die etwa 20 000 Mann starke hannoverische Armee hatte sich auf Göttingen zurückgezogen, in der deutlich erkennbaren Absicht, den Bayern die Hand zu reichen. – Bei Langensalza wurden die Hannoveraner von der beträchtlich geringeren Streitmacht des preußischen Generals von Fließ angegriffen. Das Gefecht endete mit einer schweren, verlustreichen Niederlage der Preußen.
Der Jubel in Frankfurt und anderen süddeutschen Metropolen läßt sich nicht beschreiben. In allen Kneipen wurde politisiert. Auf den Straßen ließ man den König Georg und seine tapferen Hannoveraner hochleben. Die Frankfurter Presse gefiel sich in Übertreibungen des Sieges und in scharfen Federkriegen gegen Bismarck, König Wilhelm und alles, was preußisch war. Etwa gleichzeitig trafen auch die ersten Nachrichten vom böhmischen Kriegsschauplatz ein, ebenfalls Siege; und als am Morgen des 25. Juni die Neue Frankfurter Zeitung eine Depesche verbreiten konnte, wonach die Österreicher unter Erzherzog Albrecht, den mit Preußen verbündeten Italienern bei Custozza eine vernichtende Niederlage beigebracht hatten, da kannte der Jubel überhaupt keine Grenzen mehr. Die wenigen noch in Frankfurt liegenden Österreicher wurden mitten auf der Straße umarmt; man stopfte ihnen Geld und Zigarren in die Taschen, traktierte sie mit Bier und Wein.
Drei, vier Tage hielten Jubel und Begeisterung an. Dann wurde es plötzlich stiller; und auf einmal sickerten auch Nachrichten durch, die für die verbündeten österreichischen Waffen nicht gerade günstig schienen.
Einer flüsterte dem anderen Hiobsbotschaften ins Ohr. Die Zeitungen mußten eingestehen, daß die Anfangssiege der Österreicher in Böhmen nicht dauerhaft waren, daß die Preußen von drei Seiten in Böhmen eindringen konnten. Bei Podol, Nachod, Trautenau kam es zu schweren, vorerst noch ›unentschiedenen‹ Gefechten, aber da sich die Österreicher immer weiter rückwärts konzentrierten, teils sich auf die Festung Olmütz, teils auf die andere Festung Königgrätz zu stützen suchten, konnte die Lage durchaus nicht so günstig sein, wie es einige Tage zuvor den Anschein hatte.
Und am Donnerstag traf wie ein Donnerschlag die Nachricht von der zweiten Schlacht bei Langensalza ein. – Niemand wollte die Unglücksbotschaft zuerst glauben, aber die Quellen waren alles andere als preußenfeindlich, und das Unglaubliche, nämlich die Vernichtung der hannoverschen Armee schien sich zu bewahrheiten.
König Georg und seine Generäle hatten, trotz des Sieges über den preußischen General von Fließ, den Ernst der Lage nicht erkannt. Statt sich energisch nach Süden durchzuschlagen und Verbindung mit den Bayern zu suchen, versäumten die Hannoveraner ihre kostbare Zeit mit unnützen Verhandlungen. Sie ermöglichten es dadurch den Preußen, von allen Seiten, aus Eisenach, aus Cassel, aus Mülhausen Verstärkungen heranzuziehen. Die Hannoverische Armee sah sich am Abend des 28. Juni von fast 50 000 Preußen umstellt und mußte – – – kapitulieren. – Die Namen der erfolgreichen preußischen Führer: Vogel von Falckenstein und Manteuffel, wurden in Frankfurt nur mit tiefstem Grimm ausgesprochen.
Dem lärmenden Enthusiasmus folgte eine lähmende Niedergeschlagenheit und vor allem auch eine scharfe Kritik an den Maßnahmen der verbündeten Truppen.
Das 8. Bundeskorps, das sich in Frankfurt sammeln sollte, kam nicht recht vorwärts. Das waren ja schöne Schlappschwänze! – Krummstiefel und Nichtskönner!! – Idioten, genau wie die selige Reichsarmee zur Zeit der Schlacht bei Roßbach!!!
Schon am 16. Juni waren übrigens in Frankfurt die ersten Bundestruppen eingetroffen, 4 000 Mann Fußtruppen und Kavallerie, meist Hessen-Darmstädter. Die Truppen, die bei furchtbarer Hitze in Frankfurt eintrafen, fanden aber nicht das Geringste zu ihrer Bequemlichkeit vor. In der Kaserne, in der Hasengasse, die kurz zuvor von den inzwischen abgezogenen Preussen geräumt worden war, gab es kein Wasser, keine Streu, kein Brot; nur Wanzen und Ratten. – Die biederen Hessen weigerten sich, in diesen Schweinestall einzuziehen. Laut schimpfend durchzogen sie die Altstadtgassen, und, da sie ihren Durst in allen möglichen Kneipen und meistens nicht gerade mit Wasser zu löschen suchten, taumelten bald zahlreiche Soldaten mit schweren Schlagseiten durch die Straßen der Stadt. Später wurden sie in Bürgerquartiere verteilt; da aber die Frankfurter auf keine Einquartierung vorbereitet waren, und ihr Patriotismus auch nur so lange vorhielt, wie er keine Unbequemlichkeiten verursachte, wurden die Hessen nicht gerade mit entzückten Mienen ausgenommen. Später erschienen in Frankfurt auch noch Württemberger, und zu den wenigen zurückgebliebenen Österreichern kam noch ein Bataillon aus Mainz. Diese Truppen zogen zwecklos im Lande umher, unternahmen Streifzüge ins Hessische, nach der Wetterau und ›suchten‹ die Preussen, die ihnen aber den Gefallen nicht taten, sich finden zu lassen.
Die Gegend von Koblenz, zur preußischen Rheinprovinz »gehörend, war natürlich mit wenigen preußischen Truppen belegt. Diese machten sich häufig genug den Spaß, in das benachbarte ›feindliche‹ Nassau einzumarschieren und öffentliche Kassen zu beschlagnahmen. Die 40 bis 50 preußischen Soldaten, die zu diesen ›Brandschatzungen‹ kommandiert wurden, saßen dann nach Erledigung dieser dienstlichen Obliegenheit noch eine Stunde in den Wirtschaften in Feindesland, tranken ihre Schoppen guten Weins, zahlten wie jeder anständige Gast, setzten sich endlich mit den ›beschlagnahmten Staatsgeldern‹ auf die Eisenbahn, um stets unbehelligt nach Koblenz zurückzukehren.
Keine Bundestruppen wehrten den Preußen diesen Spaß, dessen Zeche das Herzogtum Nassau zahlen mußte. Die Truppen des 8. Bundeskorps wurden vollkommen zwecklos und ohne jeden taktischen Grund in den Bergen der Rhön oder im Vogelsberg umhergehetzt, und – – die Preußen holten sich in Bad Ems, Herborn, Braubach, Montabaur und anderen nassauischen Städtchen die herzoglichen Kassen.
Inzwischen warteten die Truppen des 8. Bundeskorps immer noch auf die fehlenden badischen Kontingente, saß das Hauptquartier an gut besetzten Tafeln und ließ Gott einen guten Mann sein. Mit galligem Humor beobachteten die Frankfurter die mehr als gemütliche Kriegsführung, und das Wort ›Hauptquartier‹ bekam einen recht unangenehmen Geschmack. Wenn ein Frankfurter einem anderen eine recht grobe Beleidigung an den Kopf werfen wollte, da sagte er nur ›Du Hauptquartier‹ und mußte mit einer kräftigen Ohrfeige des dadurch tötlich Beleidigten rechnen. –
In den ersten Julitagen des Jahres 1866 herrschte in der Bundeshauptstadt eine furchtbare Katzenjammerstimmung, die noch durch die Siegesmeldungen der preußischen Truppen auf allen Kriegsschauplätzen genährt wurde.
Das Schlimmste aber war die Tatsache, daß die Kriegsoperationen sich nun zwar langsam, aber mit konstanter Sicherheit von Nordosten her dem Maine näherten, daß mit der Möglichkeit des baldigen Erscheinens der gefürchteten Preußen auch in Frankfurt gerechnet werden mußte.
Rund 50 000 Bundestruppen lagen um Frankfurt konzentriert, aber sie taten nichts; und die Bayern, die sich zuerst vermessen hatten, jeden Morgen zum Frühstück auf nüchternen Magen ein halbes Dutzend Preußen zu vertilgen, standen untätig am Obermain und hatten nur Vortruppen an der Kinzig und fränkischen Saale stehen. – In der Rhön bei Hünfeld und Gersfeld sollte es schon zu Zusammenstößen gekommen sein. – Schadenfrohe wollten wissen, daß ein einziger Kanonenschuß, bei Hünfeld abgefeuert, die gesamte bayerische Reservekavallerie unter dem Fürsten von Thurn und Taxis in wilde Flucht gejagt hätte.
Diese fast unglaubliche Meldung bewahrheitete sich sogar, ebenso wie die Nachricht von einem unglücklichen Gefecht der Bayern bei Dermbach, dem bald darauf eine schwere Niederlage bei Hammelberg und Kissingen folgen sollte.
Daß sich gerade bei Kissingen die Bayern brav hielten, daß die Verluste der stürmenden Preußen ungeheuere waren, nahm man in Frankfurt mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis. Jedoch an der Tatsache, daß mit einem baldigen Erscheinen der feindlichen Preußen vor Frankfurts Toren gerechnet werden mußte, änderte auch die Bravour der Bayern bei Kissingen, wo sie eigentlich reichlich spät erst in Erscheinung trat, nichts.
Gegen den 5. Juli standen in und um Frankfurt keine nennenswerten Truppen mehr. Diese waren nach Osten abgezogen, in der Richtung auf Hanau und Aschaffenburg. – In Frankfurt selbst blieb nur das eigene Linienbataillon zurück und versah den üblichen Wachdienst, wie in tiefstem Frieden. Frankfurt lebte auch äußerlich wie im Frieden; nur die Stimmung war alles andere als friedensmäßig ruhig und heiter. –
Der Untersuchungsrichter Dr. Leydendecker ordnete am 11. Juli auf 9 Uhr morgens die Vorführung des Untersuchungsgefangenen Premierleutnants Horst von Sartorius an. Als der Premierleutnant eintrat und schweigend an der Tür stehen blieb, hatte der Untersuchungsrichter das schon sehr dicke Aktenstück ›Mordsache Feldmarschalleutnant P.‹ vor sich liegen. Den Gefangenen beachtete er zuerst gar nicht.
Dieser wartete zwei Minuten. Als der Untersuchungsrichter aber immer weiter in den Akten blätterte und von Sartorius nicht die geringste Notiz zu nehmen schien, räusperte sich dieser und fragte schließlich: »Wie lange soll ich hier noch warten, bis man sich endlich zu einem Verhör bequemt –?«
Der Untersuchungsrichter sah auf und nahm ärgerlich die Brille ab. »Sie warten so lange,« erklärte er scharf, »wie es mir paßt! Verstanden?«
Ein spöttisches Lächeln ging über das Gesicht des preußischen Premierleutnants. Er zog sich ruhig einen Stuhl heran und setzte sich.
Jetzt hatte auch der Untersuchungsrichter sein Aktenstudium vorläufig beendet und klingelte nach dem Schreiber.
»Sie protokollieren!« sagte er kurz. »Und nun – – zu Ihnen! – Ihre Personalien sind bekannt, ich muß sie aber für das Protokoll nochmals wiederholen:
»Horst von Sartorius, 35 Jahre alt, geboren in Kolberg, ledig, Premierleutnant in der preußischen Armee. – Sie sind am 18. Juni hier festgenommen worden. – Wie lange waren Sie vorher in Frankfurt?«
»Drei Tage!«
»Schön! Darf ich fragen, welchen Zweck Ihre Reise nach Frankfurt hatte? Sie kamen, wie inzwischen einwandfrei festgestellt wurde, aus Hannover –!«
»Der Zweck meiner Reise war ein rein privater. Ich bedauere, darüber keine Auskunft erteilen zu können, Herr Untersuchungsrichter.«
»Was den privaten Zweck Ihres Aufenthalts hier anbetrifft, so habe ich darüber meine eigenen Gedanken, Herr Premierleutnant. Sie mußten sich doch sagen, daß Ihr Aufenthalt in Frankfurt kurz nach Kriegsbeginn schon mit Rücksicht auf Ihre Zugehörigkeit zur preußischen Armee gefährlich für Sie werden mußte!«
»Ich wüßte nicht, wodurch? – Es sind noch sehr viele Preußen unbehelligt in Frankfurt geblieben!«
Der Untersuchungsrichter überhörte diesen Einwand.
»Als man Sie verhaftete, brachten Sie eine Dame, die bekannte Sängerin Marquisette Villars zur Bahn?«
»Das stimmt! – Und nachdem Sie schon so viel wissen, kann ich jetzt auch zugeben, daß meine Beziehungen zu dieser Dame, die schon in Berlin angeknüpft wurden, den Grund zu meiner Reise nach Frankfurt gaben.«
Der Untersuchungsrichter lächelte spöttisch.
»Das mag sein; aber es bestand auch noch ein anderer Grund. Sie waren auch mit einer – na sagen wir mal – diplomatischen Mission beauftragt –?«
»Das zu leugnen, habe ich keine Veranlassung, Herr Untersuchungsrichter!«
»Schön! – Wir wissen genau, daß Ihre Mission den gewünschten Erfolg hatte. Wir haben die Beweise. – Sie gaben am Tage vor Ihrer Festnahme um abends 7 Uhr 20 eine Depesche nach Berlin auf, die im Original bei den Gerichtsakten liegt. Diese Originaldepesche ist an sich schon Beweis genug; außerdem wurden aber im Ofen Ihres Hotelzimmers im Hotel Westendhalle weitere belastende Papiere gefunden, die ebenfalls bei den Akten liegen.«
»Es war eine Dummheit von mir, diese Papiere nicht restlos zu vernichten!«
»Sicher, Herr Premierleutnant!« stimmte der Untersuchungsrichter spöttisch zu. »Aber derartige Dummheiten werden von Verbrechern häufiger gemacht, zum Glück für die Polizei und Justiz!«
Sartorius zuckte die Achseln und schwieg.
Der Untersuchungsrichter fuhr fort: »Ich erwähne diese Facta nur, um Ihnen zu beweisen, wie genau wir unterrichtet sind, und wie zwecklos weiteres Leugnen für Sie ist. An sich geht uns die Spionagesache ja gar nichts an, das ist Sache der österreichischen Militärbehörde, der die Papiere ja auch entwendet wurden. Uns interessieren ganz andere Dinge, Herr Premierleutnant. Sie wissen, daß die Papiere, deren Besitz Sie nicht leugnen können …«
»Ich gebe gar nichts zu, Herr Untersuchungsrichter!«
»… deren Besitz Sie nicht leugnen können,« fuhr der Untersuchungsrichter unbeirrt fort, »vorher in Verwahrung des damaligen Kommandanten von Frankfurt, des Feldmarschalleutnants von Poschacher waren?«
»Nein, das weiß ich nicht! Ich kenne Herrn von Poschacher überhaupt nicht!«
»Sie wissen aber, daß Herr Poschacher ermordet wurde, knapp eine Stunde, bevor der Inhalt der ihm entwendeten Papiere nach Berlin depeschiert wurde.«
»Das weiß ich, weil ich es in den Zeitungen gelesen habe.«
»Dann wissen Sie wohl auch, daß nicht nur die vox populi sondern auch die Behörden, die schließlich nicht nach den Gefühlen urteilen dürfen, Sie mit dieser Bluttat in Verbindung bringen. Sie sind dringend verdächtigt – der Mörder des Feldmarschalleutnants von Poschacher zu sein! – – Was haben Sie darauf zu antworten – – –?«
»Nichts!« erwiderte der Premierleutnant kurz.
Und als der Untersuchungsrichter schwieg und nachdenklich mit seiner Brille spielte, fuhr Sartorius mit erhobener Stimme fort. »Der Verdacht ist derart absurd, daß ich darauf überhaupt nicht antworten kann und werde!«
»Ich befürchte, daß Sie Ihre Einstellung ändern müssen, Herr von Sartorius!« erwiderte der Untersuchungsrichter ernst. »Sie tun jedenfalls in Ihrem eigenen Interesse gut daran, mir hier Rede und Antwort zu stehen. Ich gehe vollkommen sachlich und unvoreingenommen an den Mordfall Poschacher heran; ich habe hier genau abzuwägen, was zu Ihren Gunsten und auch natürlich zu Ihren Ungunsten spricht.«
Sartorius lachte bitter auf.
»Ich danke für Ihre Unvoreingenommenheit! – Fast volle vier Wochen sitze ich jetzt in Untersuchungshaft, ohne daß man es bisher für notwendig erachtete, mich überhaupt zu hören. Leute bin ich zum ersten Male zum eigentlichen Verhör geladen. Nennen Sie das unvoreingenommen, Herr Untersuchungsrichter? – Ist das die Sachlichkeit, wie sie bei hiesigen Gerichten üblich ist?«
»Ich muß mir jede Kritik an meinem Tun dringend verbitten. – Es dürften Gründe zu meiner Maßnahme genug vorhanden sein.«
»Sie werden sich dieserhalb zu rechtfertigen haben, Herr Untersuchungsrichter!« erklärte Sartorius ernst. »Ich gebe es zu, der Schein mag gegen mich sprechen; aber meine Unschuld muß sich herausstellen, und meine Regierung wird nicht dulden, daß ein preußischer Offizier ohne jedes Verhör wie ein gemeiner Verbrecher behandelt wird!«
»Ihre Regierung hat hier nicht das Geringste zu befehlen!« antwortete der Untersuchungsrichter. »Hier gelten die Gesetze der freien Stadt Frankfurt, und Rechenschaft schuldig bin ich nur dem Frankfurter Senat –.«
Sartorius lachte auf. ›» Quousque tandem??!!« sagte er. » Wielange noch??«
Der Untersuchungsrichter klappte mit einem plötzlichen Entschluß das Aktenstück zu.
»Ich danke Ihnen, Herr Premierleutnant von Sartorius!« erwiderte er gelassen kühl. »Das Verhör ist für heute beendet! – Polizeisergeant!!«
Ein Polizeisoldat erschien unter der Tür.
»Der Gefangene ist abzuführen!«
Horst von Sartorius machte dem Untersuchungsrichter eine spöttische Verbeugung und folgte dem Polizisten.