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(26. Februar 1568.)
Als ich in meiner Kindesjugend Erzogen ward zu Sitt' und Tugend, Von meinen Aeltern zu Zucht und Ehre, Dergleich hernach auch durch die Lehre Der Präceptoren auf hoher Schule, So saßen auf der Künste Stuhle, Der Grammatika, Rhetorika, Der Logika und Musika, Arithmetika, Astronomia, Poeterei, Philosophia – Ward meinem sinnigen Verstand Die Lehr' durch hohen Fleiß bekannt. Ich lernt' da Griechisch und Latein Wol reden artig, wahr und rein; Auch Rechnen lernt' ich mit Verstand, Die Ausmessung von mancherlei Land; Ich lernt' die Kunst auch der Gestirn', Die Geburt der Menschen judizir'n, Auch die Erkenntniß der Natur Und aller ird'schen Kreatur In Erd' und Feuer, Luft und Meer; Darzu mit herzlichem Begehr Begriff ich Sangeskunst subtil, Manch lieblich süßes Saitenspiel; Lernt' endlich auch Poeterei, Darin ans Licht zu geben frei So manches höfliche Gedicht. Hab' drin besonders aufgericht't Manch schöne wunderbar' Historia, Wohl zu behalten in Memoria, Macht' auch in Deutsch eine Komödie, Doch nicht ungleich einer Tragödie, Mit artigen und scharfen Lehren Für geistliche und weltliche Herren, Rein von dem klaren Gotteswort: Die hab' vollendet ich am Ort Zu Nutz der ganzen Christenheit. Auch fiel mir zu in dieser Zeit Viel Wohlfahrt in so manchem Stück, Als Reichthum, Ehr', Lob, großes Glück, Wohlgezogne Kind, ein treues Weib, Schön, stark und von gesundem Leib. Ein jeder hielt mich hoch und ehrlich, Auch hielt ich tapfer mich und herrlich. All diese Gaben nahm ich schier, Als hätt' ich selber sie von mir, Von Natur und durch Geschicklichkeit, Durch Kunst und sinnige Weisheit; Und also fiel mein Fleisch und Blut In Stolz und prahlenden Hochmuth. So ich gottlos in Hochfahrt schwebte, An pharisäischen Werken klebte, Hab' drin mein Leben zugebracht Und wenig nur an Gott gedacht, Der ich doch eine jede Gabe Von Gott allein empfangen habe. Ich hörte wol das Gotteswort Und Evangelium an dem Ort, Doch half von Gott kein freundlich Locken: Die Hochfahrt thät mein Herz verstocken, Daß es mir nicht ins Gewissen ging Und ich blind war für diese Ding'. Nicht wohnte Gottesfurcht in mir, Mein Herz war sicher und meine Gier, Hielt mich gerecht und fromm fürwahr Wie der Gleißner im Tempel gar, Mein sündig Leben, elend, schlecht, Erkannt' ich nie im Grunde recht, Bis endlich mich der Herre gar Zu sich heranzog bei dem Haar: Er stürzte mich durch schweren Fall Ans meiner Höh' herab zuthal: Von meinem sündigen Gewissen Ward erst genagt ich und gebissen, Als ob die Welt zu eng wollt' werden. In solchen ängstlichen Beschwerden Glaubt' ich auf Erden sicherlich Alle Kreatur wär' wider mich. Es war mir Freud' und Trost entschwunden, Hab' in Ehr' und Gut nicht Trost gefunden. Nicht Essen, Trinken, Saitenspiel Erfreut' mein traurig Herze viel, Die Hoffnung mein war ganz verloren, Wünscht' oft, ich wäre nie geboren. In solcher Angst bedünkte mich, Schon wär' im Höllenschlunde ich Und wär' von Gotte ganz verlassen; Verzweiflung kämpfte ohne Maßen In meinem Innern Nacht und Tag. In solcher Anfechtung ich lag, Verdrießlich war mir meine Kunst, Auch guter Freunde Lieb' und Gunst; In so großer Schwermüthigkeit Lag mein Gewissen lange Zeit; Dacht', wenn mein Fall wird offenbar, Bin ich beim Volk verachtet gar. Endlich an König David dachte, Wie Gott den auch zu Falle brachte Mit Bathseba, wie uns denn sagt Der Psalm, drin er so herzlich klagt Der Sünden, daß ihm Gott verzeih', Bis Gott ihn wieder machte frei, Den guten Geist ihm wiedergab. Da fing ich an und ließ nicht ab, Zu Gott zu beten in Reu' und Leid, Hofft', daß mich seine Güt' erfreut', Wiewol er lang' mit Gnad' verzog, Um meine Hoffnung mich oft betrog. Da hab' ich meine Schwäch' erkannt, Daß man in mir nichts Gutes fand Von Natur – nur Sünd' und Schad' und Schand', Wo Gott von mir zog seine Hand; Erkannte erst mein elend Leben: Gott hatt' mir Gaben gut gegeben, Geistlich und leiblich, doch darob Hatt' ich nicht Preis gesagt und Lob, Wie ich ihm schuldig wär' gewesen. Drum hat er mit der Strafe Besen Den stolzen Sohn gezüchtigt schwer, Daß er demüthig wieder wär'. Da erst erkannten Herz und Muth, Daß mir der Besen nütz' und gut, Weil seiner Güt' entflohn ich war. Da zog er mich zu sich beim Haar Mit Plagen, Strafen, Sünd' und Schand', Doch stets mit väterlicher Hand. Nun merk' ich seine Gnad' und Güte; Dargegen mein gottlos Gemüthe, Das ist zum Bösen nur geneigt, Wie täglich unser Wandel zeigt, Dem Fleisch und Blut ist untergeben, Thut Gottes Willen widerstreben, Und siebenmal den Tag wol fällt, Sobald uns Gott nicht oben hält. Durch Kreuz und harten Fall uns stürzt, Daß unser Stolz werd' abgekürzt, Daß wir erkennen gründlich recht, Wie alle wir unnütze Knecht' Und arme Sünder unsre Zeit, Zu denen Gottes Barmherzigkeit Vom Himmel hat herabgesandt Jesum Christum, den Heiland, Der an dem Kreuze für uns starb Und ew'ge Huld und Gnad' erwarb Uns bei dem Himmelsvater sein. Fürsprecher ist er uns allein Und Mittler auch in aller Noth Zwischen uns Sündern und auch Gott, Dieweil er täglich für uns bitt't, Versöhnt und treulich uns vertritt, Wenn herzlich man nur zu ihm schreit. Ihm sei Lob, Ehr' in Ewigkeit Und ew'ge Freude blüh' und wachs'; Das wünschet herzlich auch Hans Sachs. |