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die Zwietracht des römischen Reichs betreffend.
(3. März 1544.)
Als ich von Alter war So an die fünfzig Jahr', Lag Nachts ich einst betrübt; Druck aufs Gemüthe übt' Mir in der bösen Zeit Die Widerwärtigkeit, Die's röm'sche Reich durchwühlt'. Obgleich man täglich hielt Gar mancherlei Reichstäge, So ging doch alles träge; Nichts that man zu dem Ende, Daß doch der Zwiespalt schwände. Lang' dacht' ich hin und her, Was wol die Ursach' wär', Und über solchem Denken Zum Schlaf sich thäten senken Mir meiner Augen Lider; Ins Bett duckt' ich mich nieder Und legt' mich auf die Seite, Bis daß der Schlaf erfreute Mir den betrübten Sinn. Im Traume mir erschien Der Engel Genius. Der sprach zu mir: »Ich muß Dich etwas lassen sehen, Das diese Nacht geschehen.« Gar plötzlich nahm er mich Und trug mich hoch mit sich Durch all' die hellen Sterne In weiter Himmelsferne Hin bis zum Göttersaal. Hell glänzt' des Mondes Strahl, Der kleinen Sterne Leuchte. Ein Fenster er mir zeigte An einem dunkeln Orte, Damit ich alle Worte Könnt' hören in dem Saal. Der Götter ganze Zahl Saß dorten rings im Kreise, Sich zu berathen weise. Vom Thron Jupiter dann Mit diesem Wort begann: |
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Jupiter. | |
»Ihr Götter, alle gleich, Es hat das röm'sche Reich Und auch die deutschen Leut' Zwietracht und Widerstreit; Und wird man nicht ablenken Gütlich zu einem Denken Den Zwiespalt der Partein, Daß sie in Frieden sei'n, So muß das Reich zergehn, Kann länger nicht bestehn. Zwei mächt'ge Feind' es hat, Drum gebet heute Rath, Wie abgewendet werde Dies Unglück auf der Erde, Denn es ist hohe Zeit.« |
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Mars. | |
Gott Mars, zum Streit bereit, Stand auf mit bloßem Schwert Und sprach: »Weil auf der Erd' Das Reich nun Zwietracht hat, So geht dahin mein Rath, Ich hetze sie zum Krieg, Und wer darin den Sieg Gewinnt, die andern dränge, In seinen Willen zwänge, Und sei ihr Herr darnach.« |
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Jupiter. | |
»Das geht nicht,« Jovis sprach; »Dein Rath ist gar nicht gut, Dich dürstet nur nach Blut, Weil aus des Reiches Krieg Erfolgt ein blut'ger Sieg, Mord, Raub und darzu Brand, Vernichtend deutsches Land; Mir scheinet besser das, Wenn solchen Zank und Haß In Güte wir beilegen, Die muß das Herz bewegen. Gib, Juno, deine Kraft, Stift' neue Schwägerschaft In allen Regimenten; Die streitenden Regenten Soll'n wieder einig werden.« |
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Juno. | |
Sprach Juno drauf: »Auf Erden Hab' neulich ich geschafft Der Lilie Schwägerschaft,Anspielung auf die Vermählung Franz I. mit Eleonora, der Schwester Karls V., welche im Frieden von Cambray 1529 verabredet war; der Krieg brach dennoch bald wieder aus (1536). Daß endlich Friede werd', Doch schlecht hat sich's bewährt; Wenn recht erkannt ich's hab', So kannst du wenden ab Mit Geld der Feindschaft Schmerz, Das machet weich das Herz Und mildert's ganz und gar.« |
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Jupiter. | |
Dranf Jovis: »Das ist wahr! Pluto, den Reichthum dein, Viel Gold, das steck' dir ein, Die Fürsten zu begaben, Damit sie Frieden haben, Freundschaft und Einigkeit.« |
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Pluto. | |
Drauf Pluto: »Da fehlt's weit! Das Geld wird sie erregen, Nur mehr Zwietracht zu pflegen, Sie frech und trotzig machen Und dopplen Krieg entfachen; Denn machten die Hauptleute An Golde solche Beute, Würd's ärger als vorher; Eh' ich mein Geld verlör', Hielt' Armuth besser Frieden.« |
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Jupiter. | |
Penuria ward beschieden Und vor den Gott gebracht. Der sprach: »Schleich' mit Bedacht Und fang' in deine Band' Der Friedensstörer Hand, Zwing' sie zur Einigkeit, Daß sie zu Krieg und Streit Matt werden ganz und schwach.« |
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Penuria. | |
Penuria da sprach: »Gern will ich auf dich hören, Doch werden sie beschweren Das Land mit Steuern schwer, Damit ihr Gut wird mehr. Auch dies nur Zwist entfacht. Auf andres sei bedacht: Es bring' der Götterbot' Merkurius, der Gott, Durch seiner Rede Macht, Mit Worten, klug bedacht, Die streitenden Partein Zu friedlichem Verein. Gib nur Befehl darnach!« |
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Jupiter. | |
Hieranf Jupiter sprach: »Merkurius, flieg' sogleich Hinab zum Erdenreich, Verkünd' an jedem Ort Mir meinen Wunsch, mein Wort; Zum Richter sei bestellt. Und wer nicht Frieden hält, Dem drohe Ungnad' an; Entbeut zu mir den Mann, Damit er zahle Buß'.« |
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Merkurius. | |
Da sprach Merkurius: »Das wird sich machen schlecht, Ein jeder hat ja Recht, Will nicht Vermittlung leiden, Wie sehr dein Wort mag schneiden. Nimmt's auch der eine an, Verwirft's der andre Mann, Weil ihm wohnt kräftig bei Der Geist der Heuchelei Sammt schnellem Ohrenblasen; Er handelt solchermaßen, Als sei er blind und taub. Darum mein Wort, das glaub', Nicht Platz noch Stätte findet, Bis daß das Dunkel schwindet. Gib weiter Rath darzu.« |
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Jupiter. | |
Drauf Jupiter: »Der du Regierst der Sonne Glanz, Erhell' ihr Dunkel ganz, Mit deiner Sonne hell, Daß man das Beste wähl'; Mir ihren Geist erleuchte, Mit Güte sie befeuchte, Daß man den Zwist verhüte Und alles scheid' in Güte, Daß alle Müh' sich geben, Der Wahrheit nachzustreben. Wo Lieb' und Einigkeit, Bleibt Frieden lange Zeit.« |
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Phöbus. | |
Drauf Phöbus sprach: »Mein Licht, Das nützt auf Erden nicht; Ich seh' die Regimente, Ich sehe alle Stände In viel Partein zerspalten. Gar viele mir aufhalten Mein Licht, mit vielen Tücken Die Guten zu erdrücken; Obgleich sie wohl erkennen, Was recht, und heilig nennen Die heil'ge. ew'ge Wahrheit Mit ihrer Himmelsklarheit, Wird sie durch Lug beschmutzt. Mein Schein da wenig nutzt. Darum muß mein Gefunkel Verkehren sich in Dunkel, Denn Tugend ging verlor'n.« |
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Saturnus. | |
Saturnus sprach voll Zorn: »Gib mir in meine Hand Das ganze deutsche Land; Wer sich dann will empören, Gemeinen Frieden stören, Den will ich grausam tödten.« |
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Jupiter. | |
Drauf Zeus: »Es ist von Nöthen, Sie nicht zu vergewalten, Vielmehr muß man erhalten In Frieden sie und Ruh. Minerva tritt herzu Und gib uns Rathschlag heut', Wie man zur Einigkeit Wol bringt das röm'sche Reich.« Auf stand die edle gleich. |
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Minerva. | |
Minerva also sprach: »Mir ist zu schwer die Sach', Doch weiß ich einen Mann: Wenn der nicht stillen kann Der deutschen Fürsten Zorn, Ist unser Mühn verlor'n.« |
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Jupiter. | |
Jupiter sprach: »Sag' an, Wer ist es, dieser Mann, Der solches Ansehn hat, Zu tilgen den Unrath?« |
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Minerva. | |
Minerva sagte da: »Es ist Respublika.«Hans Sachs gebraucht Respublika männlich, weil er das Wort mit »der Gemeinnutz« übersetzt. |
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Jupiter. | |
Drauf Jovis: »Zweifelsohn' Ist der bei ihnen schon.« |
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Minerva | |
Minerva sprach: »Ach nein, Im Bilde nur allein. Vordem er leibhaft hat Mit Kraft regiert den Staat, Im röm'schen Reich, dem alten, Ordnung aufrecht erhalten. Er macht' es groß und mächtig, Die Bürger all' einträchtig; Bei'm andern jeder fand Allzeit hilfreiche Hand; Man sorgte ehrenfeste Für's allgemeine Beste Getreu in jedem Stand. Darum die Herrschaft stand So unerschütterlich, Dehnt' über die Erde sich. Bald aber Eigennutz Und Sucht nach Macht und Putz Riß ein gewaltiglich; Ein jeder sorgt' für sich; Es bildet' bei Partei Partei sich mancherlei; Die vielen Bürgerkriege Beschlossen blut'ge Siege: Man übte Tyrannei, Gemeinsinn war vorbei. Selbst der gemeine Mann Kehrt' sich nicht mehr daran; Also ward er vertrieben. Wo er seitdem geblieben, Das kann ich dir nicht sagen. Es hat seit diesen Tagen Das Reich arg abgenommen, Ist in Verfall gekommen, So daß ihm droht Empörung Und endliche Zerstörung, Wie es denn jetzund geht. Wenn man nun wieder hätt' Den alten Gemeinnutz neu, Viel Gut's entständ' dabei, Brächt' wieder mit der Zeit Frieden und Einigkeit In das römische Reich.« Der Göttin Rathschlag gleich Der Götter Beifall fand; Von allen widerstand Mars mit Saturn allein. |
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Jupiter. | |
Drauf Jupiter: »Es muß sein, Daß die Mehrheit durchdring'.« Er gab Merkur den Wink, Daß den gemeinen Nutz, Den Vater alles Gut's, Er sollt' vor ihn citiren Ohn' alles Excusiren, Daß er ihn senden könnt' Dem röm'schen Regiment, Den Zwiespalt und Unwillen Im Reiche ganz zu stillen, Daß endeten auf Erden Fortan all' die Beschwerden. |
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Merkurius. | |
Da ließ Merkur sich hören: »Doch mußt du mir erklären, Wo ich ihn finden soll.« |
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Jupiter. | |
Jupiter sprach: »Ja wohl! In den Reichsstädten such', Wo er vordem genug In Achtung stand und Werthe.« |
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Merkurius. | |
Merkur sprach: »Auf der Erde Thu' ich doch täglich wandeln Und mit den Menschen handeln, Doch hab' ich, will's gestehen, Ihn lange nicht gesehen; Ich sah nicht Stumpf noch Stiel. Ich hörte von ihm viel Gered' in Städten und Mauern, In Dörfern von den Bauern, In Schlössern, Märkten, Flecken; Das macht mir wirklich Schrecken, Daß ich ihn auf der Reis' Nirgends zu suchen weiß.« |
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Jupiter. | |
Zeus ließ vernehmen sich: »Nicht nimmt das Wunder mich, Daß es so übel geht, Das Reich zwiespältig steht, Weil der gemeine Nutz, Des röm'schen Reiches Schutz, Nicht wohnt bei Hoch und Nieder. Da wundert mich nur wieder, Daß nicht das Reich vor langen Zu Grunde schon gegangen. Ihr Götter, zeiget an, Wo man doch finden kann Den Gemeinnutz obgemeld't, Wo man in aller Welt, Jetzt seinen Fußtritt spür'?« |
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Luna. | |
Luna, die trat herfür Und sprach: »Vor langen Jahren, Sah ich einst Nachts ihn fahren Weg von Europens Lande, Nach Asien er sich wandte; Leicht auch in Griechenland, In Athen, er Wohnsitz fand.« |
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Diana. | |
Diana nahm das Wort: »Er weilet nicht mehr dort, Weil man ihn dort verjagte. Als neulich Jagd ich machte, Fand ich ihn mit den Winden Weit in dem Wald dort hinten; Er saß bei einem Bronnen, Sein Antlitz überronnen Von mancher Schmerzenszähre. Wie ich mich zu ihm kehre, Verbarg er sein Gesicht, Wollt' mich ansehen nicht, Schämt' sich des Elends so, Daß er behende floh In eine dunkle Höhle; Ich glaube meiner Seele, Daß der vertriebne Alte Sich heut' noch da aufhalte.« |
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Jupiter. | |
Jupiter sprach: »So eil' Und hol' der Menschen Heil, Daß sein Exilium ende Zu Hilf' dem Regimente.« Merkurius schwang nieder Sein tönendes Gefieder; Dieweil die Majestäten Geheim berathen thäten. Steckten die Köpf' zusamm', Daß ich kein Wort vernahm. |
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Merkurius. | |
Dann kam nach einer Weile Merkur mit Flügeleile Betrübt und traurig sehr Und sprach: »O Himmelsherr, Ich habe ihn gefunden, Doch voller Todeswunden Und mit Krankheit geplagt, Die Händ' und Füß' kontrakt; Sein Leib war ausgedorrt, Verschrumpft und eingeschmort, Daß in der Haut allein Nur noch hing das Gebein; Die Oberlipp' am Mund Die Zähn' kaum decken kunnt'; Sein Antlitz war erblichen, Die Lebensfarb' gewichen, Sein Herz allein konnt' lechzen Mit kräftelosem Aechzen; Kurz war sein Athemzug, Der Puls ganz langsam schlug. Ich mocht' ihn nicht anrühren, Mit mir heraufzuführen, Besorgt', er könnt' verderben Und unterwegen sterben, Denn er ist todesschwach.« In solchem Ungemach Jupiter Weisung gab Dem Gotte Aeskulap, Dem Meister der Arznei, Und sprach: »Gerüstet sei Und schwing' dich eilends nieder Mit dem Merkurius wieder Zum wichtigen Geschäfte; Nimm aller Kräuter Säfte, Nektar, den Göttersaft; Verwend' all deine Kraft, Rempublikam, den alten, Am Leben zu erhalten; Gib ihm ein gut Klystier, Ihn säuberlich purgir', Thu' seine Wunden heften, Bring' wieder ihm zu Kräften Die Glieder, Bein und Mark, Daß frisch er wird und stark. Bring' ihn im Augenblicke Herauf, daß ich ihn schicke Zur Erd', zu reformiren, Friedlich zusammenzuführen Die herrschenden Regenten Sammt allen den Reichsständen, Auf daß der Adler wieder Aufschwinget sein Gefieder, Den Drachen zu vernichten, Die Lilie zu richten.«Der Adler: Deutschland; die Lilie: Frankreich; der Drache: der Türke. |
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Der Beschluß. | |
Als diese beiden gingen, Da klang Sirenensingen Dort bei der Götter Thron, Ein wonniglicher Ton, Mit jubelfrohem Klang. Mein Herz vor Freuden sprang, Rempublikam zu sehen. Indeß fing an zu krähen Mit lautem Ruf mein Hahn, Daß ich erwachte dran. Daß ich das Ende nicht Geschaut von dem Gesicht, Deß tranert mein Gemüthe. Ich hoff', daß Gottes Güte Die Zwietracht läßt verschwinden Und wird in Eintracht binden Im Reiche Städt' und Fürsten, Daß sie nach Frieden dürsten, Auf daß in hohem Ruhm Das röm'sche Kaiserthum Sich wieder mehr' und wachs' Durch Gemeinnutz – wünscht Hans Sachs. |