Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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47. Schwank: Sanct Peter mit der Geiß.

(8. Oktober 1557.)

                            Als Christus noch auf Erden weilte
Und Petrus stets auch mit ihm eilte,
Aus einem Dorf er einst mit ihm ging.
Beim Kreuzweg Petrus da anfing:
»O Herre Gott und Meister mein,
Mich wundert sehr die Güte dein,
Weil du als Gott allmächtig bist
Und läßt's doch gehn zu aller Frist
In aller Welt gleich wie es geht,
Wie Habakuk sagt, der Prophet:
Gewalt und Frevel geht vor Recht,
Wer gottlos, übervortheilt schlecht
Mit Schalkheit die Gerechten und Frommen;
Auch könn' kein Recht zu End' mehr kommen.
Die Lehren gehn durcheinander sehr,
Gleich wie die Fische in dem Meer,
Wo immer einer den andern verschlingt,
Der Böse den Guten niederringt.
Drum steht es übel an allen Enden,
In obern und in niedern Ständen.
Dem stehst du zu und schweigest still,
Als kümmert' dich das Ding nicht viel,
Als hätt'st du nichts zu sagen darzu;
Doch könntest das Uebel hindern du,
Gebrauchtest du recht die Herrschaft dein.
O sollt' ein Jahr ich Herrgott sein
Und haben auch Gewalt wie du,
Ich wollte anders schauen zu,
Viel besser führen Regiment
Im Erdreich über alle Ständ'.
Ich wollte steuern mit meiner Hand
Betrug, Krieg, Wucher, Raub und Brand,
Ich wollt' herstellen ruhig Leben.«
Der Herr sprach: »Petre, sag' mir eben:
Vermeinst du besser zu regieren
Und alles baß zu ordiniren,
Die Frommen zu schützen, die Bösen zu plagen?«
Sanct Peter thät hinwieder sagen:
»Ja, 's müßt' auf Erden besser stehn,
Nicht also durcheinander gehn;
Ich wollt' viel besser Ordnung halten.«
Der Herr sprach: »So mußt du verwalten,
Petre, die hohe Herrschaft mein,
Sollst heute einmal Herrgott sein.
Schaff' und gebeut nach deinem Muth,
Sei strenge, hart, mild oder gut;
Gib aus den Fluch oder den Segen,
Gib schön Wetter, Wind oder Regen,
Du magst bestrafen oder belohnen,
Magst plagen, schützen oder schonen –
In Summa, all mein Regiment
Leg' heute ich in deine Händ'.«
Damit der Herrgott seinen Stab
Dem Petrus in die Hände gab,
Petrus war drob gar wohlgemuth,
Ihn däucht' die Herrlichkeit sehr gut!
Indem kam her ein armes Weib,
Ganz mager, dürr und bleich von Leib,
Barfüßig in zerrissnem Kleide,
Die trieb ihre Geiß hin auf die Weide.
Da sie nun auf die Wegscheid' kamen,
Sprach sie: »Geh' hin in Gottes Namen!
Gott hüt' und schütz' dich immerdar,
Daß dir kein Uebel widerfahr'
Von Ungewitter, wilden Thieren,
Denn ich kann dich nicht weiterführen,
Weil ich um Tagelohn arbeite,
Damit ich hab' zu essen heute
Daheim mit meinen kleinen Kinden.
Geh' hin, wo du thust Weide finden,
Gott hüte dich mit seiner Hand!«
Indem die Frau sich wieder wandt'
Ins Dorf, die Geiß ging ihre Straß'.
Da sagt' der Herr zu Petrus das:
»Petrus, hast du das Gebet der Armen
Gehört? Du mußt dich ihrer erbarmen,
Weil ja den Tag bist Herrgott du;
Drum stehet dir auch billig zu,
Daß gut du nimmst die Geiß in Hut,
Wie sie von Herzen bitten thut,
Und sie behütest den ganzen Tag,
Daß sie sich nicht verirr' im Hag,
Nicht falle oder werd' gestohlen,
Daß Bär und Wolf sie sich nicht holen,
Auf daß sie Abends wiederum
Zurücke ohne Schaden kumm'
Der armen Fraue in ihr Haus.
Geh' hin und richt' das Ding wohl aus.«
Petrus nahm auf des Herren Wort
In seine Hut die Geiß sofort
Und trieb zur Weide sie hindann.
Da fing Sanct Peters Unruh' an:
Die Geiß war muthig, jung und frech,
Sie eilte weit von ihm hinweg,
Lief auf der Weide hin und wieder
Und stieg die Berge auf und nieder,
Thät hin und her durch die Büsche laufen.
Petrus mit Aechzen, Prusten, Schnaufen
Mußt' immer nachtrollen der Geiß.
Die Sonne schien gar überheiß,
Daß ihm der Schweiß herniederrann.
Mit Unruh' bracht' der alte Mann
Den Tag hin bis zum Abend spat;
Ganz macht- und kraftlos, müd' und matt
Die Geiß er wieder heimwärts brachte.
Der Herr sah Petrum an und lachte
Und sprach: »Begehrst in deine Händ'
Du länger noch mein Regiment?«
Drauf Petrus: »Lieber Herre mein,
Nimm wieder hin das Scepter dein
Und deine Macht: ich begehr' mit nichten,
Forthin dein Amt noch auszurichten.
Ich merke ja, daß ich kaum weiß,
Wie ich soll lenken eine Geiß
Ohn' Angst und viel Mühseligkeit.
O Herr, vergib mir die Thorheit,
Ich will fortan der Herrschaft dein,
So lang' ich leb', nicht reden ein.«
Der Herr sprach: »Petre. also thu',
Dann lebest du in stiller Ruh',
Und vertrau' in meine Händ'
Das allmächtige Regiment.«
Der Beschluß.Ist gekürzt.
Die Fabel hier ist von den Alten
Uns zur Vermahnung fürgehalten,
Damit der Mensch in dieser Zeit
Gottes unerforschlicher Weisheit,
Mit der er alles wohl regiert,
Nach seinem Willen ordiniert
Daß er der sage Preis und Ehr'
Und forsche darnach nicht weiter mehr
In frechem, fürwitzigem Gemüth,
Warum dies oder jen's geschieht,
Warum solch Uebel Gott verhänge,
Mit seiner Straf' verzieh' in die Länge
Und Bosheit so lass' oben schweben.
All' solche Gedanken kommen eben
Geflossen her aus Fleisch und Blut,
Das aus Thorheit urtheilen thut
Und denket wol in solchen Sachen,
Es woll' ein Ding viel besser machen,
Als Gott es selber hat gethan;
Und käm' es endlich darauf an,
So könnte er mit Müh' und Schweiß
Hier kaum regieren eine Geiß.
Forsch' also nicht nach Gottes Willen
Und laß den Glauben das Herze stillen,
Daß alles Gott auf's Beste thu',
Und ohne Ursach' nichts darzu.
Dergleich urtheil' in dieser Zeit
Nicht über weltliche Obrigkeit,
Weil sie von Gott ist auserwählt,
Sein Volk zu regieren auf der Welt.
Und wenn sie seine Gebote bricht,
Wird Gott es sein, der Urtheil spricht;
Darum kein Mensch urtheilen soll.
Bitten und Beten mag man wol,
Daß Gott uns woll' die Sünd' verzeihen,
Und seine Gunst und Gnad' verleihen
Im Regiment der Obrigkeit,
Ueber deren Herzen er gebeut,
Daß Ruh' und Frieden auferwachs'
In der Christen Gemeinde, wünscht Hans Sachs.

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