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vom 1514. Jahr an bis ins 1567. Jahr.
(1. Januar 1567.)
Als man zählt' vierzehnhundert Jahr' Und vierundneunzig Jahr' fürwahr Nach Christi, unsres Herrn Geburt, Da ich Hans Sachs geboren wurd', Novembris an dem fünften Tag. Man taufte mich auch gleich darnach, Gleich eben grade in dem herben, Grausam erschrecklichen Hinsterben, Das in Nürnberg regiert', der Stadt. Die Seuche auch mein Vater hatt', Und darzu auch die Mutter mein, Gott aber schonte mich allein. Mit sieben Jahren ich anfing, In die latein'sche Schule ging, Drin lernt' ich Puerilia, Grammatika und Musika Ganz nach dem schlichten Brauch der Zeit; Doch sank's bald in Vergessenheit. Als ich neun Jahr alt, dreißig Tag' Ich in dem heißen Fieber lag. Als ich nun von der Schule kam, Fünfzehnjährig, ich mich annahm Des Schusterhandwerks, ließ mich's lehren, Mit meinen Händen mich zu nähren; Daran da lernte ich zwei Jahr'. Als die Lehrzeit vollendet war, Thät meinem Handwerk ich nach wandern Von einem Orte zu dem andern, Zuerst gen Regensburg, Passau, Gen Salzburg, Hall und gen Braunau, Gen Wels, München und gen Landshut, Gen Oettingen und Burghausen gut, Gen Würzburg und Frankfurt darnach, Gen Koblenz, Köllen und gen Ach; Wirkt' also in dem Handwerk mein In Baiern, Franken und am Rhein. Fünf lange Jahr' ich wandern thät In diese und viel andre Städt'. Des Spiels, der Trunkenheit, Buhlerei Und andrer Thorheit mancherlei Ich mich auf meiner Wanderschaft Entschlug und war allein behaft't Mit hochherzlicher Lieb' und Gunst Zum Meistergesang, der edlen Kunst, Die mir viel Kurzweil thät erwecken. Ich lernt' von Meister Nunnenbecken Der edlen Sangeskunst Anfang. Wo ich im Land hört' Meistergesang, Da lernte ich in kurzer Eil' Der Bar' und Tön' ein großes Theil. Als ich nun meines Alters war Fast eben im zwanzigsten Jahr, Da hab' zu dichten angefangen Ich in des Marners Ton, dem langen, Mein erstes BarVergl. Nr. 1, Anm. 1. von ungefähr, »Gloria patri, Lob und Ehr',« Zu München, als man zählt' fürwahr Fünfzehnhundertvierzehn Jahr, Half auch daselbst die Schul' verwalten, Thät darnach selbst auch Schule halten In den Städten, wohin ich kam – Die erste bracht' ich in Frankfurt zusamm' – Und zog zwei Jahr' darauf mit Glück Gen Nürnberg, macht' mein Meisterstück. Nach dem ward mir erwählet drin Als Gemahlin Künigunt Kreuzerin, Gleich an dem St. Aegidientag; Den neunten Tag der Hochzeit pflag, Als man grad' fünfzehnhundert Jahr Und neunzehn Jahre zählend war. Dieselbe gebar mir sieben Kind, Die all' in Gott verschieden sind. Und als man fünfzehnhundert Jahr Und sechzig Jahre zählt' fürwahr, Am sechzehnten des März in Frieden Mein erst Gemahl mir ist verschieden. Als man zählt' einundsechzig Jahr, Am zwölften des August fürwahr Ward mir zu Eh' gegeben da Mein zweit Gemahl, Frau Barbara Harscherin, und am Erichtage Nach St. Aegidien, ich sage, Hielt ich die Hochzeit schlicht und still; Mit ihr leb' ich, so lang' Gott will. Jedoch als man gezählt fürwahr Gerade fünfzehnhundert Jahr' Und siebenundsechzig, ich sag', Januarii am ersten Tag, Zählt' ich Gesäng', Gedicht' und Sprüch', Die in der Zeit gedichtet ich, Und habe fleißig sie durchsucht, Wie in den Büchern sie gebucht. Der Meistersänge Bücher zumal Befand ich sechzehn an der Zahl, Aber der Spruchbücher sind gewesen Siebzehn, die ich durchgelesen; Das achtzehnte war angefangen, Doch nicht vollendet nach Verlangen. Da ich meine Gedichte fand, Alle geschrieben mit eigner Hand. Die vierunddreißig Bücher ich nahm: Darin summirte ich zusamm' Zuerst die Meistersäng' allein, Die von mir sind gedichtet fein In diesen dreiundfünfzig Jahren: Drin schriftgemäße Bare waren Aus dem alten und neuen Testament, Auch aus den Büchern Mose vollend't, Aus Gesetz und Propheten nicht wenige, Den Richtern und den Büchern der Könige, Dem ganzen Psalter in der Summ Den Büchern Maccabäorum; Die Sprüche Salomons hernach Und aus dem Buch Jesus Sirach, Den Evangelien und den Briefen, Auch aus der Offenbarung Tiefen – Aus allem hab' ich viel gedichtet, In Meistergesänge zugerichtet Mit kurzer Glosse und Auslegung Aus guter christlicher Bewegung, Einfach ganz nach der Schrift Verstand (Die nun mit Gottes Hilf' bekannt Im deutschen Land bei Jungen und Alten), Damit viel Singschulen sei'n gehalten Zu Gottes Ruhm, Preis, Lob und Glorie; Auch manche weltliche Historie, Darin die Guten stehn erhaben, Jedoch der Argen Lob vergraben, Aus den Geschichtsschreibern zugericht't; Auch manches artige Gedicht Aus den weisen Philosophis, Darinnen deutlich ich bewies, Wie Tugend hoch zu loben sei Beim menschlichen Geschlecht, darbei, Wie schändlich sei'n die groben Laster, Die alles Unglückes Zugpflaster; Auch schrieb ich manche poet'sche Fabel, Die gleich wie in einer Parabel Mit verborg'nen, verblümten Worten Künstlich vermelden aller Orten, Wie gar hochlöblich sei die Tugend So für das Alter wie für die Jugend, Dergleich wie Laster sei'n so schändlich. Darin sind auch enthalten endlich Schulkünst', Straflehren, Logik, Ränke, Auch mancherlei kurzweil'ge Schwänke, Daß sie zur Freud' der Trauer frommen; Doch alle Unzucht ausgenommen. In einer Summe dieser Bar Im Meistersang in allem war Gerade zweiundvierzig hundert, Noch fünfundsiebzig ausgesundert;Also 4275 Meistergesänge. Waren gesetzt in zweihundert schönen Und fünfundsiebzig Meistertönen; Darunter waren dreizehn mein. Das alles sich geschrieben fein In den sechzehn Gesangbüchern fand. Dann nahm geschwinde ich zur Hand Auch die achtzehn Spruchbücher mein, Durchsucht' drin die Gedicht' allein. Da fand ich fröhlicher Komödien, Dergleichen trauriger Tragödien, Auch lust'ger Spiel', die ich gemacht, In Summa bei zweihundertacht, Von denen man die meisten hat Gespielt auch in Nürnberg, der Stadt, Auch andern Städten nah und weit, Nach denen man schickte, meiner Zeit. Nach dem fand ich darinnen frei Geistlich und weltlich mancherlei Gespräch' und Sprüch' vom Lob der Tugend, Von guten Sitten für die Jugend, Auch höflicher Sprüche mancherlei Aus der verblümten Poeterei Und auch von manchen weisen Heiden, Denen Natur thät Witz bescheiden; Auch Fabeln mancherlei und Schwänke, Lachbare Possen, seltsame Ränke, Doch nicht zu unverschämt und grob, Daß man nähm' Freud' und Kurzweil drob, Jedoch darbei das Gute verstehe Und alles Argen müßig gehe. Dieser Gedicht' von meiner Hand Ich tausend und siebenhundert fand, Doch ist nur ungefähr die Zahl Von den Gedichten überall. Bekannt gemacht drei Bücher sind Im Drucke schon, darin man find't Achtundachtzig Stück und siebenhundert – Darob sich mancher Mann verwundert; Buch vier und fünf ist zum Druck bestellt, Ein jedes ein paar hundert hält. Auch werden da gebracht ans Licht Etliche meiner Spruchgedicht'. Auch fand ich in den Büchern geschrieben Artiger Dialoge sieben, Doch ungereimet, in der Prose, Ganz klar und deutlich, ohne Glosse. Nach dem fand ich auch in der Menge Psalmen und andre Kirchensänge, Auch veränderte geistliche Lieder,Damit sind geistliche Lieder gemeint, die er nach Volksliedern gedichtet hat. Auch Gassenhauer hin und wieder, Und Lieder auch von Kriegsgeschrei, Etliche Buhllieder auch darbei, Deren Zahl, zusammengenommen, Auf dreiundsiebzig ist gekommen, In Tönen schlicht und ohne Tand. Von denen sechzehn ich erfand. Als meine Werk' ich inventirt, Mit großem Fleiße hatt' summirt Aus den Spruchbüchern um und um, Da waren Summa Summarum Sprüch' und Gesäng' mit gutem Glück Sechstausend und achtundvierzig Stück In meinen Büchern überall – Eh'r mehr als wen'ger in der Zahl –, Ohn' die, so waren kurz und klein, Die ich nicht hab' geschrieben ein. Die hier vermeldeten Gedicht' Sind allzusammen zugericht't (So viel mir ausweist die Memorie) Zu Gottes Preis, Lob, Ruhm und Glorie, Und daß sich seine Lehr' verbreit' Bei allen Christen fern und weit, Gesangsweis in gereimten Worten, Daß auch in Deutschland aller Orten, Beim Alter und auch bei der Jugend, Das Lob der Sitte und der Tugend Gerühmt werd' und gepriesen hoch; Mißachtet und verdammt jedoch Das schändliche und grobe Laster, Das alles Uebelen Zugpflaster, Wie mir darvon nach meinem Leben Meine Gedicht' auch werden Zeugniß geben, Dieweil die Zahl meiner Gedicht' Ich hab' dem Schlusse zugericht't In meinem Alter, als ich war An Alter zweiundsiebzig Jahr' Zwei Monat' und etliche Tag'; Woraus man wol entnehmen mag, Daß der Spruch von den Gedichten mein Gar wol wird mein Valete sein. Weil mich das Alter hart vexirt, Mich drückt, beschwert und karcerirt, Daß ich nun billig kann ausruhn, Und meine Gedichte lasse nun Dem gutgesinnten gemeinen Mann, Daß er mit Gott sich bess're dran. Gott preis' ich, der mir sandt' herab So mildigliche Gottesgab', Als einem ungelehrten Mann, Der nicht Latein noch Griechisch kann. – Daß seine Dichtung blüh' und wachs' Und Früchte bring', das wünscht Hans Sachs. |