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Eine klägliche Geschichte von zweien Liebenden:
Der ermordete Lorenz.Das erste Spruchgedicht von H. Sachs.
(7. April 1515.)
In Cento NovellaCento Novella von Steinhöwel († 1482), eine Uebersetzung von Boccaccios Decameron. ich las, Wie einst ein reicher Kaufmann saß In Italia, im welschen Land, Messina war die Stadt genannt. Erzogen hatt' derselbe Mann Drei Söhn', höflich und wohlgethan, Und auch eine Tochter wonniglich, Schön. wohlerzogen, adelig, Die Lisabetha war genannt, In Zucht und Tugend weit bekannt, Weshalb manch' Jüngling um sie warb. Da nun der alte Kaufmann starb, Darnach an einem Abend spat Die drei Brüder hielten Rath: Sie wollten bei einander bleiben Und ihren Handel wieder treiben In gleichem Maße wie vorhin, Auf gleichen Verlust und Gewinn. Das paßte auch der Schwester Muth. Die drei gewannen großes Gut, Ihr Handel all ging glücklich recht. Sie hatten einen treuen Knecht, Der war Lorenzo zubenannt, Geboren aus dem deutschen Land; Derselbe ihnen trieb den Handel. Er war schön, jung und grad' an Wandel. Demselben war sein Herz verwund't Durch strenge Lieb' in kurzer Stund' Zu jener holden Jungfrau schier; Sein Herz war Tag und Nacht bei ihr, Er konnt' es nicht von ihr abbringen; Viel tiefe Seufzer von ihm gingen, Er hatte Ruh' und Rast nicht mehr. Nun war das Jungfräulein auch sehr Von strenger Lieb' zu ihm versehrt, Die sich von Tag zu Tage mehrt'. Sie thäten nur ihr Herz erquicken Durch vieles freundliche Anblicken, Das sie sich heimlich theilten mit; Doch wußt' ein's von dem andern nit, Bis sie einander sich bekannten, Wie sie in strenger Liebe brannten. Da lebten sie in Lust und Glück, So oft's zuließ der Augenblick; Doch ist es wahr, wie man oft spricht, Die Liebe läßt sich bergen nicht. Sie trieben's kaum ein Vierteljahr, Da nahmen's ihre Brüder wahr. Der eine sprach: »Das Ding steht schlecht! Mich dünkt fürwahr, daß unser Knecht Buhl' Lisabetha, unsrer Schwestern, Ich hab' es wohl gemerket gestern; Darum so folget meinem Rath, So will ich heute Abend spat Mich heimlich legen unter ihr Bett; Und ist's, daß ihr der Knecht zugeht, Den Lohn er dafür nehmen soll.« Der Rath gefiel den andern wohl. Da nun des Tages Schimmer wich, In ihr Gemach der Bruder schlich Und unter ihrem Bett sich barg. Drauf Lisabetha kam ohn' Arg Und Platz in ihrem Bette nahm. Nachdem Lorenzo zu ihr kam, Und beide pflegten froher Ding'; Der Knecht früh wieder von ihr ging. Als früh erstanden Lisabeth, Der Bruder auch fort schleichen thät Zu seinen Brüdern auf den Saal, Erzählt' die Sache ihnen all Und sprach: »Wir müssen ihn bestrafen, Der Knecht hat Lisabeth beschlafen! Darum muß lassen er sein Leben! Ich will euch guten Rathschlag geben: Im Walde wollen wir spazieren Und auch den Knecht hin mit uns führen, Um dort die Schmach an ihm zu rächen.« Sie thäten nach dem Frühmahl sprechen: »Wohlauf, Lorenz, geh' mit uns bald, Spazieren wollen wir im Wald; Du, Lisabetha, bleib' zu Haus!« So gingen alle drei hinaus. Lorenz ging nach den Herren da, Nach Lisabeth sich oft umsah, Die er nicht wiedersehn sollt' mehr. So eileten sie mit ihm sehr Grausam hin zu dem finstern Wald. Da sprach der ält'ste Bruder bald: »Lorenzo, ungetreuer Knecht, Geschändet hast du unser Geschlecht, Darum mußt sterben du allhie.« Der Knecht fiel nieder auf das Knie Und bat, daß man ihn leben ließ. Mit dem Schwert der eine ihn durchstieß Und schlug ihm noch viel Wunden tief. Laut klagend da Lorenzo rief: »Maria, komm' zu meinem Ende, Rett' meine Seele vom Elende!« Damit er seinen Geist aufgab. Die drei ihm machten bald ein Grab Und den zerfleischten Leib begruben Und sich bald aus dem Walde huben. Die Schwester fanden sie im Haus. Sie fragte: »Blieb Lorenzo aus?« Der eine: »Woll' nicht darnach fragen: Viel Gut hat er uns fortgetragen, Ist heimlich darmit weggezogen.« Sie sprach: »Ich hoff', das sei erlogen.« Der Bruder sprach: »Ei, schweig darvon, Daß dir nicht auch darum wird Lohn.« Ihr Herz von solcher Red' ward schwer, Zur Kammer ging sie und weinte sehr Und klagt' mit Worten matt und trüb: »Lorenzo, du mein Herzelieb, Wie kannst du sein so lang' von mir?« So klagt' sie einen Monat schier. Als eines Nachts sie so thät weinen, Entschlief sie, und ihr thät erscheinen In einem Gesicht betrübt, unmuthig, Erblichen, tödtlich und ganz blutig Lorenz, den sie leibhaftig sah Und der ihr seufzend sagte da: »Ach, über unser Weh so schwer! Lisbetha, du siehst mich nicht mehr, Du darfst auch nicht mehr nach mir fragen: Die Brüder haben mich erschlagen, Die deinen, heut' vor dreißig Morgen; Mein Leib liegt in dem Wald verborgen, Begraben unter einer Linde, Mein Blut beflecket ihre Rinde: Darum darfst du nicht rufen mir, Denn ich komm' nimmer mehr zu dir, Du mehrst dardurch nur meine Leiden: Behüt' dich Gott, ich muß nun scheiden.« Der Geist verschwand nach diesem Wort Und Lisabeth wacht' auf sofort, Stand auf und war gar schwach und matt; Gar freundlich sie die Brüder bat, Daß sie im Garten dürft' spazieren. Ihre treue Magd thät sie mit führen, Die ihr Geheimniß wußte mit Und immer ihr das Beste rieth. Sie gingen hin in schneller Eile Im Walde eine welsche Meile Und suchten, bis sie thäten finden Das weite Laubwerk einer Linden, Die war besprengt mit seinem Blut. Als das sah Lisabetha gut, Da sank sie auf die Erde hin, Ohnmächtig ward ihr Herz und Sinn; Die Magd thät trösten sie und laben. Da, wo sie frische Erde haben Gesehn, da gruben beide ein; Allda fand Lisabeth allein Lorenzo, ihren höchsten Hort, Der lag elendiglich ermord't. Sie sank darnieder zu der Stunden Und küßte ihm die tiefen Wunden, Die alle noch von Blute roth; Da rief sie aus: »O grimmer Tod, Mach' meinem Leben doch ein Ende!« Sie rauft' das Haar und rang die Hände. Dann löste das betrübte Weib Das Haupt ab von Lorenzo's Leib Und mit sich es nach Hause trug. Hätt' sie den ganzen Leib mit Fug Mit sich wegführen können dort, Sie hätte es gethan sofort. Des Leibes Rest sie dann vergruben Und beide sich nach Hause huben; Da schloß sie zu die Kammerthür Und zog das todte Haupt herfür Und thät all' ihre Klag' erneuen Und weinte so in ganzen Treuen Und küßt' das todte Haupt zur Stund' Wol tausendmal auf seinen Mund Und balsamirt's mit eigner Hand Und darum grüne Seide wand Und drückt's an's Herz gar wonnesam. Dann sie ein Blumentöpflein nahm Und legt' hinein das Haupt so werth, Thät drein und drüber frische Erd' Und pflanzte auf das Haupt so zart Ein duftend Kraut von guter Art; So lag das Haupt im Topf verborgen. Wenn aufgestanden sie am Morgen, Sogleich sie zu dem Topfe ging, Zu weinen über ihm anfing, Bis naß er von der Thränen Flut; Auch goß sie Rosenwasser gut, So daß das edle Kraut darob Mit jedem Tag sich mehr erhob. Die Jungfrau hatt' den Topf so lieb, Den ganzen Tag sie bei ihm blieb. Als nun die Brüder nahmen wahr, Wie ihr so lieb die Scherbe war, Nahmen den Topf sie heimlich fort Und bargen ihn an geheimem Ort. Als Lisabetha nun aufstand Und ihre Scherbe nicht mehr fand, Sprach sie: »O weh, nun muß ich sterben, Hab' ich verloren meine Scherben!« Vor Leid sie zu der Erden sank Und ward von ganzem Herzen krank. Die Brüder sprachen insgemein: »Was mag nur in dem Topfe sein? Vielleicht hat ihren Schatz sie drinnen;« Und mit gar ungetreuen Sinnen Sie jene Scherbe leerten aus Und warfen Kraut und Erd' heraus: Lorenzo's Haupt fanden sie drin. Darob erschraken sie im Sinn, Denn sie erkannten an dem Haar, Daß es ihr Knecht Lorenzo war. Nachdem das Haupt sie schnell verborgen, Da nahmen sie ihr Geld mit Sorgen Und flohen über Hals und Kopf Hin nach Neapel. Doch den Topf Fand eine Frau und sagt' die Märe Lisbetha, daß er gefunden wäre. Lisbeth in ihrem Bett aufsaß, Wollt' sehen, wo die Scherbe wâs, Doch war das Haupt nicht mehr darinnen; Da sank sie mit betrübten Sinnen Hernieder und gab auf die Seel'. Da eilete viel Volk zur Stell', Und ihre Magd da gleich anfing, Erzählt' den Leuten alle Ding', Wie sich die Sache hätt' begeben In Liebe bei der beiden Leben, Und wie ermordet Lorenz sei. Da holt' man seinen Leib herbei, Auch fand sein Haupt man bald genug. Der beiden Leib man zur Kirche trug: Da weinten die Reichen und die Armen, Der beiden Tod thät sie erbarmen. Man legt' sie in ein Grab zusammen. So Gott will, ihre Seelen kamen Zusammen dort zu ew'gem Frieden Und sind dort ewig ungeschieden. |
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Der Beschluß. | |
So nehmt euch die Geschicht' zu Herzen, Wie Lieb' oft bringet große Schmerzen, Schand', Schaden, anderes Unglücke Und bringet viel der bösen Stücke. Derhalben Frauen und Jungfrauen Mit Fleiße sollen um sich schauen, Daß solche Lieb' sie nicht betrüge Und ihrem Herzen obgesiege, Wodurch ihnen Unglück viel entstehe; Sie sollten besser bis zur Ehe Die Liebe sparen, die bringt Ehren; Aus ehelicher Liebe mehren Sich Heil und Glück hier auf der Erd', Sie ist bei Gott und Menschen werth. Daß eheliche Lieb' aufwachs' In rechter Treu', das wünscht Hans Sachs. – Der Spruch, der ist mein erst Gedicht Das ich hab' spruchweis zugericht't. |