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(19. Februar 1558.)
Es liegt ein Dorf im Baierland, Dasselbe ist Fünsing genannt. In diesem Dorf vor langen Jahren Einfält'ge Bauern viele waren, Toll, tölpisch, grob und ungeschaffen, Als ob sie wären aus Schlaraffen. Der Bauern einer einsten fand Eine Armbrust in dem Wald, gespannt, Die ließ ein Jäger liegen da. Als nun der Fünsinger es sah, Da wußt' er gar nicht, was es war. Doch endlich nahm er sein gewahr, Vermeint' es wär' ein Kreuze werth Und hub es bald auf von der Erd', Küßt' es und wollt' es an sich schmiegen; Doch als er's an die Brust wollt' fügen, Da schnellte los es bald genug – Dem Bauern ab die Nase schlug. Die Armbrust warf er von sich gar, Sprach: »Läg'st du hier ein ganzes Jahr, Ich wollt' dich nimmer heben auf.« – Eines Tages ging der Fünsinger Hauf' Zum Wald und wollte Eicheln schlagen, Um sie den Säuen heimzutragen. Als sie nun stiegen auf die Eichen, Da schlugen sie, was zu erreichen, Mit Stangen von den Bäumen ab. Auf einem Baum sich's nun begab, Daß ein Ast mit einem Bauern brach, Deshalb gar tief er fiel hernach. Der Kopf sich in den Zweigen fing, Der Hals riß ab, und so es ging, Daß der Körper niederfiel ins Gras; Der Kopf im Baume blieben wâs. Als nun die Bauern heimwärts ziehn, Da finden sie unter dem Baume ihn, Da finden sie ihn ohne Kopf Und merken, daß es Liendel Topf, Treten herzu und sprechen dann: »Wo er den Kopf nur hingethan? Wer weiß, ob er den Kopf noch hatt', Als er mit uns 'rauslaufen that!« Heinz Tölp sprach: »Ich ging mit ihm her, Weiß aber nicht genau, ob er Den Kopf am Leibe noch getragen. Wir wollen seine Frau befragen, Dieselbe wird es wissen wohl.« Als sie die fragten, dumm und toll, Zur Antwort ihnen diese gab: »Am Samstag ich ihn gewaschen hab', Da hatte seinen Kopf er noch, Hernach, da weiß ich nicht jedoch, Ob er ihn noch am Sonntag hätt', Wiewol ich mit ihm hab' gered't.« So thöricht waren Frau und Mann. Und was für Kleider hatten sie an! Vier Ellen Loden nahm einer doch, Schnitt mitten hinein ein großes Loch Und hängt' das Tuch dann an den Hals Und gürtet' es dann zu. Einstmals Ein Fünsinger fuhr in die Stadt Mit Korn; da er gesehen hat Einen Schneider Röck' und Kleider machen; Groß Wunder hatt' er ob den Sachen Und sah sich an genau das Ding. Und als er darnach einstmals fing Einen großen Krebs in einem Bach Und ihn beschaute ganz gemach, Da meint' er, ob der großen Scheeren, Der müßt' zur Schneiderzunft gehören, Die Hörner seien zwei Nadeln ganz Und seine Eier unterm Schwanz, Die lauter Knäule Zwirnes wären. Erfreut thät er nach Hause kehren Und allen Nachbarn sagen thät, Einen Schneider er gefangen hätt', Der ihnen Kleider machen könnte. Die Bauern brachten zu dem Ende Zum Schultheiß hin ihr Tuch zu Hauf Und setzeten den Krebs darauf; Der kroch am Tuche auf und ab, Fiel oftmals unter den Tisch hinab. Heinz Tappgrütz sprach: »Es dünket mich, Der Schneider schämet unser sich. Will schneiden nicht, weil wir zusehen, Und kann doch schneiden wohl und nähen. Seht, wie er thut die Scheeren wetzen! Wir wollen heute Nacht ihm setzen Ein Licht hin und dann von ihm gehn Und selber machen lassen den.« Sie folgten alle seinem Rath Und gingen alle von ihm spat. Ein Licht man bei ihm brennen ließ. Das Nachts jedoch der Krebs umstieß: Die Loden brannten alle an Und auch das ganze Haus sodann. Der Krebs sich in ein Loch verkroch; Den fanden die tollen Bauern doch, Und um die große Missethat Ward er verurtheilt von dem Rath Und dann geworfen in den Brunnen. Dieweil sie große Furcht gewunnen, Erfüllten sie den Brunn mit Erden, Damit nicht frei mehr könnte werden Das Vieh, und ward es aufgebracht, Daß, wenn ein Fünsinger Hochzeit macht, Er fahren muß ein Fuder Erde Auf den Krebs, damit er frei nicht werde. Zum Berge ward schon lange das, So groß ist auf den Krebs ihr Haß. Und wenn noch heut' durchs Dorf wer liefe Und »Krebse kauft! Kauft Krebse!« riefe, Den würden sie nicht übel schlagen: So großen Haß dem Krebs sie tragen. Drum treiben noch mit ihnen heute So manche Possen viele Leute, Und wo noch heut' zu dieser Frist Ein Mensch toll, unbesonnen ist Und tölpisch, ungeschickt dabei, So heißt's, ein Fünsinger er sei, Die man viel find't jenseits des Bachs Und diesseits auch, so spricht Hans Sachs. |