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(3. September 1548.)
Einst in der Einfalt meiner Jugend, Eh' ich erkannt die edle Tugend, Nur um mit andrer Kurzweil ging, Doch gern erforschte seltsam Ding, Wo mir nur konnt' gelingen das, Eines Tags ich auf 'ner Hochzeit wâs. Und als man trank, war wohlgemuth, Einander manches hielt zu gut, Fragt' ich einen Doctor, künstereich, Wem wol des Menschen Herz wär' gleich? Er sprach zu mir fein sanft und kühl: »Das Menschenherz gleicht der Mahlmühl', Da 's ohne Ruh' stets mahlen thut; Was man ausschüttet, bös und gut, Demselbigen es Tag und Nacht Nachtichtet emsig und nachtracht't, Mahlt und beutelt es immerdar So spitzfindig und wunderbar, Thut sich mit stätigem Nachdenken Selbst trösten, selbst auch oftmals kränken, Sich balde hoch in Freuden übet, Sich balde ängstlich schwer betrübet; Jetzt ist es froh, dann bald schwermüthig, Bald ist es zornig, darnach gütig, Jetzt ist es kühn, bald wird es zag – Es ändert sich so Stund' wie Tag, Darnach man ihm aufgibt zu mahlen Gut Korn oder unnütze Schalen. Drum, welcher Mensch in dieser Zeit Nach dem Affect der Sinnlichkeit Auf Erden lebt, gleich einem Thier, Der schüttet aus nach seiner Begier Dem Herzen sein wollüst'ges Leben (In den Gedanken bleibt er kleben): Ihm mahlt sein Herz wie ein Zugpflaster In Thorheit eitel schnöde Laster: Geiz, Fraß, Unkeuschheit. Neid, Zorn, Rach'; Ein Laster folgt dem andern nach. Denn wie das Herz gemahlen hat, So folgt das Wort auch mit der That. Doch welcher lässet die Vernunft Regieren jetzt und in Zukunft, Thut die Gedanken von sich schlagen, Vom Herzen reißen und verjagen, Auch geht sein Herz ihm darmit um, Daß er aufrichtig bleib' und frumm. Draus folgt, daß er thut ehrlich wandeln Und immer bieder strebt zu handeln. Darum denn,« sprach er, »rath ich dir, Du wollest zähmen deine Begier, Daß sie nicht schütte auf dein Herz Zu mahlen Jammer, Angst und Schmerz, Daß in Thorheit wie einem Thier Verloren geht die Jugend dir – Nein, laß vielmehr im Herzen dein Die Vernunft selbst Müller sein, Daß sie die Tugend dir ausschütte, Auf daß dein Herze und Gemüthe Mit dem Gedanken sei umgeben, Aufrichtig und ehrlich zu leben. Drum wend' all' deine Lieb' und Gunst Zu ehrlicher Kurzweil und Kunst, Zu Weisheit, Sitten und zu Tugend: Darin üb' deine blüh'nde Jugend – Dieweil das Herz nicht feiern kann –, Damit du wirst ein Ehrenmann Und mir in deinen alten Tagen Für treue Lehre Dank thust sagen, So Ehr' und Nutz dir draus erwachs', Den treuen Rath gibt dir Hans Sachs. |