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Auf Finkenwärder
Takel-Jan kehrte von seiner Kundschafterfahrt nach Finkenwärder nicht ganz unzufrieden zurück, denn es war ihm gelungen, am Neumühlener Strand noch einige Taue und ein Segel, das ein sorgloser Sommergast im Boot gelassen, an sich zu bringen, was ihm besonders angenehm war, da er sehr nötig eine Bootshose brauchte, in die er diese Beute zu verwandeln gedachte.
Da er nicht wagen durfte, die »gefundenen« Sachen – denn Takel-Jan fand alles, was irgendwo lag – in seine Wohnung zu bringen, weil ihn die Polizei sehr oft besuchte und sich neugierig in allen Winkeln umsah, so hatte er sich einen Schlupfwinkel als Geschäftslokal ausgesucht, der sehr bequem für ihn war und wo niemand eine Niederlage vermutete.
In St. Pauli lag, unweit des Schiffspavillons Schiffspavillon. Der Schiffspavillon, der sich seit 1830 auf dem Grundstück Pinnasberg 41 befand, war ein großer ausgedienter Ostindienfahrer, den man halb auf die Helgen gezogen hatte und dessen Zwischendeck von dem Segelmacher P. H. Möller zu seinem Geschäft benutzt wurde, während er auf dem Deck einen Pavillon erbauen ließ und darin eine Wirtschaft betrieb. Hier genoß der Gast, während er die herrliche Elbstrom-Szenerie bewunderte, vorzügliche Natives Austern und treffliche englische Biere. Später verpachtete Möller, der sein Segelmachergeschäft im Rumpf des Schiffes weiterbetrieb, den Pavillon an den früheren Schiffskapitän Lincker, dessen Witwe noch bis gegen Ende der 50er Jahre musikalische Nachmittagsunterhaltungen veranstaltete. Endlich verschwand das alte Schiff, das mehrere Jahrzehnte dort gelegen hatte. Adreßbuch von 1842: P. H. Möller, Wirtschaft im Schiffs-Pavillon, St. Pauli, Pinnasberg, Platz Nr. 41. Georg Friedrich David Lincker, Schiffskapitän, Wirtschaft, St. Pauli, Marienstraße 32. 1866 P. H. Möller Wwe., Schiffs-Pavillon, Pinnasberg 41. G. F. D. Lincker Wwe., Heinestraße 12 und 13. (Mitt. des Herrn Aug. Holler.), der halb verfaulte Rumpf eines alten Schiffes im Wasser und bildete eine Art Vorsetzen, wohinter kleine Boote u. dgl. ruhig Platz fanden. Das Verdeck dieses Wracks war teilweise abgerissen und das Innere voll Wasser, das mit der Ebbe und Flut stieg und fiel. Außerdem bewohnte es eine ausgebreitete Verwandtschaft von Ratten, die hier höchst gemütlich und ungestört lebten. In diesem Lokal schwamm eine Art Floß, welches an der Seite so festgelegt war, daß Takel-Jan durch ein Loch von außen bei einer gewissen Fluthöhe und hinter der Dückdalbe seine Beute unbemerkt hineinstecken konnte. In der Nacht oder in aller Frühe holte er sie dann wieder ab, um sie auf dem Landwege in die Stadt zu bringen, da die Polizei an allen Wasserzugängen scharf Wache hielt, um das Verschleppen von den Schiffen im Hafen zu unterdrücken.
Takel-Jan trieb also mit seinem Boot unter den Bauch des Wracks und steckte, nachdem er sich vorsichtig umgesehen, das Segel und die Taue nebst dem Netz durch das Loch hinein. Er hatte keine Ahnung, daß über ihm der schwarzhaarige Kopf des jungen Jakob hinter der alten Schanzkleidung hervorlugte, wo er versteckt lag, um auf irgend etwas zu lauern. Der Junge trieb sich seit einiger Zeit am Wasser umher und lag oft auf dem Wrack oder zwischen den Ewern versteckt. Er studierte vielleicht das Geschäft Takel-Jans.
Jakob zog seinen Kopf zurück, um ihn durch eine Lukenöffnung, die sich am Achtersteven im Deck befand, in den Raum zu stecken, wo er durch die Dunkelheit, die hier teilweise herrschte, die weiße Leinwand des Segels schimmern sah. Sobald Takel-Jan fort war, stieg er vorsichtig hinab und untersuchte das Warenlager, worauf er seinen Rückweg über das Deck nahm und dann schmunzelnd, mit einigen Tauen beladen, davonlief.
Takel-Jan ruderte nach den Brodschrangen und bog von dort in die Deichstraße, wo er Herrn Trick aufsuchte und ihm meldete, daß die Schute in Finkenwärder am Deich festgeschlossen liege und jedenfalls eine Wache in der Plicht habe. Er erhielt für diese Nachricht einen Taler und ward an Wilm verwiesen, um diesen mit den Umständen bekannt zu machen. Tags darauf saß Peter Wübbe in Finkenwärder vor seinem Haus auf einer alten Segelkiste und wartete auf die Flut und einige Freunde und Nachbarn. Das Haus lag auf dem Deich, unter dem die erwähnte Schute festgeschlossen war. Es bestand aus einem Erdgeschoß, das, aus Backsteinen und Holzwerk zusammengewürfelt, hier und da ein Fenster zeigte, von denen jedoch keines dem andern gleichsah. Die Haustür war offenbar ein Schiffsverdeck gewesen, und in einer Planke saß noch eines jener runden Gläser, die man Ochsenaugen nennt. Das Dach reichte fast bis auf Mannshöhe herab und war mit Rohr gedeckt.
Das Charakteristische am ganzen Gebäude war jedoch der Zaun, ein Ding, das eigentlich höchst unnötig und überflüssig erschien, da es nichts einzuschließen gab. Er bestand aus lauter Schiffsteilen, wie sie eben den Bewohnern in die Hände gefallen waren. Das Steuerruder eines Milchewers sowie das Schwert eines Bremerkahns bildeten die Grundbretter, die von Bootsduchten, Rippen und zerbrochenen Rudern gehalten wurden. Alte Faßdauben und -reifen halfen die Teile verbinden, die jedoch im Winter immer lockerer wurden und oft gegen das Frühjahr ganz verschwanden, weil sie Peter Wübbe dann in seinen Ofen geschoben hatte. Da jedoch der Fang im Herbst sehr reichlich und der Winter mild gewesen, so fand sich noch ein ziemlicher Zaun vor, auf den jetzt ein Netz zum Trocknen gehängt war.
Als die Flut aufzulaufen begann, kamen auf dem Deich einige Figuren in großen Schifferstiefeln langsam daher und steuerten auf Peter Wübbe zu.
Der Führer des Trupps war ein grauer alter Sünder, dessen wetterhartes Gesicht hundert Stürme ausgefurcht und in dessen Krähenfüßen hinter den grauen Augen das Begehren nach Beute lauerte. In seinem breiten Maul, das beim Anblick der Schute noch breiter wurde, stak eine Tonpfeife, in deren Kopf wiederum seine Nasenspitze stak. Er klapperte langsam, wie alle Wasserleute, in seinen weiten Stiefeln auf Wübbe zu und nickte zum Gruß mit dem Kopfe, wobei die Quaste seiner Zipfelmütze höchst komisch wackelte.
Peter Wübbe nickte wieder und fragte dann lakonisch: »Na, wüllt wi nu?«
»Joo«, grunzte der Alte.
»Du hest dat Seggen?« sprach Wübbe.
»Joo!« wiederholte der Stiefelmann.
»He kann dat as'n Avkat«, wandte sich Wübbe an die übrigen.
»Joo!« klang es aus aller Munde.
»Denn wüllt wi an Buurd gahn«, meinte Wübbe.
»Joo«, nickten alle und wandten sich, um den Deich hinabzustolpern und ins Boot zu steigen.
»Stopp!« knurrte der Alte. »Hest du nich 'n Lütten?«
Peter Wübbe sah sich etwas ratlos in der Gegend um. Er hätte gern nein gesagt. Aber die ganze Insel würde dann gewußt haben, daß er log. Er mußte gestehen, daß er einen Lütten unter seinem Strohdach barg.
»Na, denn man rut mit«, kommandierte der Alte.
»Joo«, echote der Chor.
Peter Wübbe kratzte sich mehrmals hinter den Ohren und holte dann eine sehr große Steinflasche heraus, zu der er ein sehr kleines Gläschen brachte, das sich der alte Sünder ohne Gewissensbisse, aber zur stillen Verzweiflung des Eigentümers fünfmal hintereinander vollschenkte und hinunterstieß. Die andern folgten seinem Beispiel, so daß aus dem Lütten ein ziemlich Großer und die Flasche sehr erleichtert wurde, worauf sich die Fischer mit ihren breiten Händen vergnügt über die breiten Mäuler wischten und in Wübbes Fischewer stiegen und nach Hamburg hinaufsegelten.
Eine Stunde später hörte man im Kontor bei Stubborn vor der Tür ein dumpfes Getrampel, worauf sie sich öffnete, um sechs Finkenwärder einzulassen, die mit Herrn Stubborn zu sprechen verlangten.
Herr Trick kam eben aus dessen Zimmer und erkannte sogleich, um was es sich handelte, er kehrte sofort um und sprach einige Worte hinein. Dann fragte er sehr freundlich, was sie brächten. Bringen wollten diese nun eigentlich nichts, sondern etwas holen. Der alte Stiefelmann fragte vorsichtig, ob man hier eine Schute vermisse. Er habe so etwas gehört.
»Vermissen wir eine Schute?« fragte Herr Trick die Kontoristen. Da diese sich wahrscheinlich nicht darum gekümmert hätten, wenn alle Schuten abhanden gekommen wären, so schüttelten sie mit den Köpfen.
Die Finkenwärder wußten jedoch zu gut, daß die Schute hierher gehörte und bestanden darauf, daß eine fehle, und daß man ihnen, da sie sie treibend gefunden, ein Bergegeld zahle. Herr Trick schüttelte mit dem Kopf und führte die Deputation zum Prinzipal, der ebenfalls nichts davon wissen wollte, daß ihm eine Schute fehle. »Gesetzt den Fall, daß es eine der unseren wäre, was wollt ihr dann Bergegeld haben?« fragte er endlich.
Die Fischer sahen einander an. Peter Wübbe gab dem alten Sünder einen kleinen Rippenstoß, der ihn beinahe unter das Pult warf und wodurch er ihm anzudeuten versuchte, daß er nun etwas für die »Lütten« tun solle.
Der Chorführer wickelte denn auch zum Beginn der Verhandlungen einen großen dicken Wollschal von seinem Hals und begann bedenklich:
»Joo! Dat is ne bannige Geschichte! – Wat meent ji?«
»Joo«, bestätigte der Chor.
»Wi hefft veel Mallör mit de Schut hatt. Erst hett sick Claus Mattens den Arm dorbi an'n Iisbreker broken un muß tein Weken liggen. – Denn is Nikel Hansen int Woter fulln un hett dat Feeber kregen. – Ick heff mi mien Frack tweireten un mienen eschen Reem tweibroken un up't letzt sünd wi noch mit de Blankenesers tosamstött un hebbt uns mit jem rumslogen müßt, sünst harrn de de Schut nohmen, und de harrn denn so'n Reken mokt: Se harrn de Hann'n öber'n Kopp tosamenslogen! Is't nich so?« fragte er seine Kollegen.
»Joo!« riefen diese entzückt über die Erfindungsgabe ihres Wortführers.
Herr Trick konnte dem Mann selbst seinen Beifall nicht versagen, obgleich er wußte, daß jedes Wort erlogen war. Er klopfte einigemal an seine Nase und erkundigte sich dann freundlich, was nun die ehrlichen Fischer für ihre Mühe verlangten.
»Joo!« sprach der Chorführer, dem bei der Leichtigkeit des Geschäfts der Mut wuchs. »Dat is en böse Geschicht'. Unner so'n Dohler foftig könt wi dat nich dohn.«
»Ich will euch was sagen. Wenn es eine von unseren Schuten ist, dann will ich euch zehn Taler geben. Ihr müßt sie aber erst zum Ansehen an die Stadt bringen«, sagte Stubborn sehr gleichgültig.
»Tein Dohler?« – Ein solches Gebot den ehrlichen Fischern auf fünfzig zu machen, das war empörend. Der alte Finkenwärder stellte dies auch dem Kaufmann sehr eindringlich vor und beschwor hoch und teuer, daß sie es nicht einen Groschen billiger tun könnten und daß die Sache noch sehr durch die Wache verteuert würde, die sie gegen die bösen Blankeneser halten müßten, weshalb er die Schute sobald als möglich auslösen möge.
Stubborn nahm die Sache jedoch sehr kühl und blieb dabei, daß ihn die Geschichte wahrscheinlich gar nichts angehe, welchem Glauben Herr Trick beistimmte. Er verlangte die Schute zur Ansicht nach der Stadt, welchem Ansinnen nachzukommen sich die Finkenwärder wohl hüteten und auf eine Auslosung bei ihrer Insel bestanden. Da sie weiter nichts ausrichten konnten, so gaben sie die großen Kosten der Wache nochmals zu bedenken und trampelten einigermaßen verblüfft ab.
Sie hatten das Kontor kaum verlassen, als Herr Trick nach Wilm schickte, der zufällig im Speicher anwesend war.
»Die Finkenwärder waren eben da!« sprach der Buchhalter.
»Hm!« nickte Wilm. »Sie stehen noch vorn an der Brücke und beratschlagen. Wieviel wollten sie haben?«
»Fünfzig Taler!«
»Fünfzig?« rief Wilm ergrimmt. »O Gott – – Die Spitzbuben sollte man doch gleich vitzliputzlien. Die Kerle sehen gar nicht so klug aus, wie sie sind. Hoho! Ich weiß aber doch einen, der klüger ist als sie, und dann weiß ich noch einen, der es billiger macht.«
»Herr Stubborn gibt zehn Taler«, bemerkte Trick.
»Und wieviel Flaschen Rum?« ergänzte Wilm.
»Nun, ich denke, vier Flaschen Rum und vier Pfund Zucker nebst zehn Zitronen gäbe einen recht netten Kessel voll Punsch.«
Wilm lief in aller Eile nach den Brodschrangen vor und sah die Finkenwärder noch gerade in dem Weinkeller dort vor Anker gehen. Als er sie hier vorderhand sicher wußte, lief er nach dem Wasser hinüber und warf einen schnellen Blick hinunter. Er sah ein paar befreundete Schutenführer unter dem neuen Kran liegen und stieg die Treppe hinab.
»Jungens, hebbt ji Lust, fiev Dohler to verdeenen?« fragte er sie leise.
Ob sie Lust hatten – welche Frage!
»Hat einer von euch ein Segelboot?«
Es hatte keiner ein solches.
»Verflucht noch mal! Das müssen wir haben«, brummte Wilm und sah sich forschend um.
»He! Holla! Jan! ahoi!« rief er plötzlich über das Wasser, denn er sah eben Takel-Jan, der von den Kajen heraufkam. Er kam vorsichtig heran, denn er wußte nicht, ob die Schutenführer etwas vermißten, in welchem Fall er gewöhnlich Prügel von ihnen bekam, mochte er es nun haben oder nicht.
Auf die Frage, ob sein Boot zum Segeln einzurichten wäre, erklärte er, daß man es dazu nicht brauchen könne, da es flachkielig und nicht einmal ein Steuer vorhanden sei. Wilm stampfte mit dem Fuß und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Plötzlich schlug er sich vor den Kopf und tat einen langen Pfiff. Dann fragte er:
»Sag' mal, Jan, segelt de Finkenwarder Fischewers woll good?«
»De segelt all' wat möglich is«, gab dieser zur Antwort.
»Dat gifft 'n feinen Spaß«, lachte Wilm. »Nu brukt wie bloß noch 'n Slosser, de een Ked losmaken kann.«
Takel-Jan erzählte schmunzelnd, daß man ihm jede Kette in der Welt zeigen solle; wenn er sie nicht losmachen könne, wolle er sie fressen.
»Good, Jan. De Ked kannst beholen. Dat heet«, erklärte Wilm vorbehaltlich, »du giffst Grog for uns ut. Nu hol gau dien Tüüch, wo du de Ked mit losmakst – mit de Fingern kannst dat doch nich, un dorchbieten kannst se ook nich, hest ja keen Tehn mehr!«
Takel-Jan warf Wilm einen etwas verächtlichen Blick zu und erklärte, daß er sein Zeug schon da habe. Als ob er erst Zange und Feile holen müsse, wenn es irgendwo eine Kette loszumachen gäbe. Eine solche Nachlässigkeit ihm zuzutrauen war fast beleidigend.
»Na, denn man to! Wi sünd fiew Mann. Hebbt Ji Kurasch, een Schute von 'n Finkenwarder Diek wegtoholen?« fragte Wilm wie ein Feldherr. Er hatte einen verzweifelten Plan gefaßt, um sich ein Segelboot zu verschaffen und darin hinabzusegeln, was mit dem Südwind sehr gut ging, während man dann mit demselben Wind und der Flut schnell wieder heraufkommen konnte. Er nahm seine Freunde in Takel-Jans Boot; die hatten ihre Haken bei sich, als wollten sie in den Hafen, um ein Fahrzeug zu holen.
Man fuhr nach der Holzbrücke, wo die Finkenwärder Fischer gewöhnlich anlegten und wo sich Takel-Jan nach Peter Wübbes Ewer erkundigte.
»Wat sall he?« fragte ein großer Junge, aus der Luke auftauchend.
»Du sallst gliek na Alt'na an 'n Fischmarkt rutkomen, mien goode Jung«, sagte Jan mit ehrlicher Miene. »Spood di! Se teuwt all buten op di.«
»Herr Gott! Wat sall ick den Ewer gegen den Strom bringen!« jammerte der Junge.
»Dat is ook wahr!« bemerkte Jan. »Da harrn de dummerhaftigen Kerrels an denken kunnt. Na, weeßt wat? Wi gaht na Alt'na, um 'n Lüchter Lüchter, Leichter, Lastschiffe zum Laden und Löschen größerer Schiffe, namentlich Dampfer. to halen; wenn du de Herrn hier 'n good Woort giffst, denn stakt se di villicht rut.«
»Fallt uns gar nich in!« schrien die Schutenführer. »Wi ward dat Göhr spazeeren fahren! Man wieder! Lat em man sehn, wie he rutkommt.«
»Oh, ji sünd doch 'n Dart Kerrels – quitschig un fuul! Wat jo dat utmakt, wenn ji den armen Jung da ruthelpt, dat he nacher keen Fellvull kriggt. Doht dat doch eben!« sprach Jan entrüstet.
»Nee!« schrien die Schutenführer.
»Oh, ji Oehs! Ick harr nacher en Glas Grog utgeben. Nu köhnt ji Water supen!« Mit dieser Drohung machte sich Jan fertig, weiterzurudern.
»Stopp!« schrie Wilm. »Wat seggst du von Grog? Wenn wi 'n Glas Grog kriegt, denn helpt wi den Jung rut. Kumm, mien Jung.« Damit kletterten die Schutenführer auf den Fischewer, banden ihn los und hatten ihn im Binnenhafen, ehe der Junge noch die Sache recht begriff. Es war eben noch ein junger Finkenwärder, sonst würde ihn die Dienstfertigkeit der Hamburger mißtrauisch gemacht haben. Er fand es auch gar nicht auffällig, daß man den Ewer gleich beim Blockhaus in die freie Elbe brachte und die Segel aufzog, um bis nach Altona zu segeln. Erst als man dort ankam und beim Fischmarkt vorbeilief, schrie er, daß dort der Fischmarkt sei, wo man landen müsse.
Der Mann am Steuer schüttelte aber mit dem Kopf und behauptete, der Platz wäre viel weiter unten. Wie man jedoch beim Ende des Altonaer Hafens ankam und immer noch mitten im Strom fortsegelte, merkte er Unrat und erhob Zetermordio, wofür er von Wilm eine ungeheure Ohrfeige erhielt und in die Kajütluke hineingestopft wurde, als wäre diese ein Pfeifenkopf und er der Tabak. Man beratschlagte jetzt, was mit dem Jungen anzufangen sei, damit er die Expedition nicht verrate. Takel-Jan war für ein Pechpflaster auf den Mund, während Wilm vorschlug, ihn auf einer Insel auszusetzen, die vor dem großen Köhlflet lag. Diesen Plan führte man auch aus und segelte dann direkt auf Peter Wübbes Haus los, wo die Schute jetzt flott schwamm.
Wübbe jun. lag auf der Plicht und sonnte sich in aller Gemütsruhe. Er hatte den Ewer schon längst bemerkt und erkannt und zerbrach sich den Kopf, weshalb man jemand auf der Insel aussetze. Endlich besann er sich, daß dort Aalkörbe gelegt waren, wonach wahrscheinlich gesehen werden sollte. Als der Ewer näher kam, ward seine Aufmerksamkeit von dem angehängten Boot so in Anspruch genommen, daß er die fremden Gesichter im Fahrzeug gar nicht bemerkte und sich ganz unerwartet gepackt und in die Plicht geworfen sah, vor der man die Tür schloß und einen Pflock in die Krampe steckte.
Wübbe jun. war zwar im ersten Augenblick ganz verblüfft, erhob aber dann ein furchtbares Gebrüll in der kleinen Kajüte, weil er glaubte, er sei den Blankenesern in die Hände gefallen.
Takel-Jan hatte indes einen Bund Haken und Schlüssel hervorgeholt und war damit auf den Deich gestiegen, wo er in aller Ruhe das Schloß öffnete, das die Kette an einem Ring festhielt. Während diese in den Ewer gezogen wurde, suchte sich Jan noch einiges aus, was er zum Andenken an Peter Wübbe mitnahm, und stieg dann mit großer Seelenruhe wieder in das Fahrzeug, an das man die Schute band, in der Wübbe jun. immer noch um Hilfe schrie.
Mit dem günstigen Wind und der Flut kam man sehr schnell aufwärts. Bei der Insel angekommen, auf der man vorhin den Jungen ausgesetzt hatte, zog man Wübbe aus der Plicht hervor und warf ihn etwas rücksichtslos an das Land oder eigentlich ins Wasser, denn er mußte erst ein Stück waten, ehe er festen Boden erreichte, wo er den Jungen fand und mit diesem vereint dem aufsegelnden Fahrzeug ein furchtbares Wehgeheul nachschickte.
Die Flibustier langten sehr bald in Hamburg an und brachten die Schute in Sicherheit, während Takel-Jan die schwierige Aufgabe zufiel, den Ewer mit der letzten Flut wieder nach der Holzbrücke zu bugsieren. Er legte ihn deshalb erst bei den Brodschrangen fest und schlich in den Weinkeller, um nach den Finkenwärdern zu sehen. Da er diese noch dort, und zwar in Erwartung einer zweiten Deputation, die man an Stubborn geschickt, fand, so trieb er still lachend nach dem Hopfenmarkt hinaus und band den Ewer da an, wo er ihn vor ein paar Stunden weggeholt hatte.
Da Takel-Jan den Grundsatz: »Erst das Geschäft und dann das Vergnügen« befolgte, so ging er vor allen Dingen zum alten Wolf, wohin die Kette bereits gewandert war, und kassierte den Betrag dafür ein. Als er das Geld in der Tasche fühlte, zog eine stille Befriedigung in seine Seele.
Die Deputation der Fischer hatte indes mehrere Stunden im Weinkeller gesessen und erfolglose Gesandtschaften nach der Deichstraße geschickt, deren letzte dort geradezu hinausgeworfen wurde, da man eben die Ankunft der Schute erfahren. Man beschloß deshalb, Stubborn & Co. etwas zappeln zu lassen und die Wachgelder doppelt zu berechnen, erhob sich und stolperte nach der Holzbrücke hinauf, um wieder nach Hause zu fahren. Peter Wübbe mußte natürlich die Zeche bezahlen und war sehr ärgerlich, was er noch mehr ward, als er den Jungen nicht auf dem Ewer fand, der seiner Meinung nach in der Stadt umherlief. Da er nach einer halben Stunde nicht erschien, so fluchte Peter Wübbe fürchterlich und meinte, er solle sehen, wie er nach Hause käme, seine Prügel seien ihm schon sicher aufgehoben, worauf man sich auf die Fahrt machte.
Wer beschreibt aber das maßlose Erstaunen der Finkenwärder, als sie, beim Köhlflet vorbeisegelnd, auf der Insel Wübbe jun. und den vermißten Schiffsjungen wie zwei wahnsinnige Karaiben herumspringen sahen und um Hilfe schreien hörten; wie sie den Raub der Schute durch ihren eigenen Ewer erfuhren.
Am nächsten Morgen waren jedoch alle wieder nach Hamburg unterwegs und trampelten in Stubborns Kontor, wo sie Herr Trick ganz verwundert fragte, was sie denn eigentlich wollten. Der Chorführer beklagte sich bitter über die gewalttätige Art, in der man sie behandelt, und verlangte die fünfzig Taler. Herr Trick behauptete, daß ihm niemals eine Schute abhanden gekommen sei. Die Finkenwärder beschworen aber das Gegenteil und gingen endlich auf vierzig, auf dreißig, zwanzig und zehn Taler herunter. Da Herr Trick unerbittlich blieb und schließlich nicht einmal zwei und einen Taler bezahlte, so baten sie in Verzweiflung wenigstens um ihre Kette, von der natürlich niemand etwas wußte, und mußten endlich, zum größten Gaudium des Kontors, wie die begossenen Hunde abziehen.