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Agathe möchte Selbstmord begehn und macht eine Herrenbekanntschaft

 

In Wahrheit war sie davongeeilt, weil sie nicht nochmals ihrem Bruder den Anblick der Tränen darbieten wollte, die sie kaum zurückzudrängen vermochte. Sie war so traurig, wie es ein Mensch ist, der alles verloren hat. Warum, wußte sie nicht. Es war gekommen, während Ulrich sprach. Warum, wußte sie auch nicht. Er hätte etwas anderes tun sollen als sprechen. Was, wußte sie nicht. Er hatte ja recht, wenn er das »dumme Zusammentreffen« ihrer Aufregung mit dem Brief nicht wichtig nahm und weiter so redete, wie er es immer tat. Aber Agathe mußte davonlaufen.

Sie hatte zuerst nur das Bedürfnis zu laufen. Sie lief schnurstracks von ihrer Wohnung fort. War sie von Straßenzügen zum Abbiegen gezwungen, hielt sie die Richtung ein. Sie floh; in der gleichen Art, wie Menschen und Tiere aus einem Unglück flüchten. Warum, fragte sie sich nicht. Erst als sie ermüdete, wurde ihr klar, was sie vorhatte: Nicht mehr zurückkehren!

Sie wollte bis zum Abend gehn. Mit jedem Schritt weiter von Hause fort. Sie setzte voraus, wenn sie an der Schranke des Abends einhielte, würde auch ihr Entschluß fertig sein. Es war der Entschluß, sich zu töten. Es war eigentlich nicht der Entschluß, sich zu töten, sondern die Erwartung, daß er am Abend fertig sein werde. Ein verzweifeltes Strudeln und Treiben in ihrem Kopf hinter dieser Erwartung. Sie hatte nicht einmal etwas bei sich, sich zu töten. Ihre kleine Giftkapsel lag irgendwo in einer Lade oder in einem Koffer. Von ihrem Tod war nur das Verlangen fertig, nicht mehr zurückkehren zu müssen. Sie wollte aus dem Leben gehn. Davon war das Gehn da. Sie ging, mit jedem Schritt, gleichsam schon aus dem Leben.

Als sie müde wurde, bekam sie Sehnsucht nach Wiesen und Wald, nach Gehn im Stillen und Freien. Dorthin mußte man aber fahren. Sie nahm eine Straßenbahn. Sie war dazu erzogen, sich vor fremden Menschen zu beherrschen. Man merkte darum ihrer Stimme, als sie den Fahrschein löste und eine Auskunft erbat, keine Erregung an. Sie saß ruhig und aufgerichtet, kein Finger zuckte an ihr. Und während sie so saß, kamen die Gedanken. Es wäre ihr freilich wohler gewesen, wenn sie hätte toben können; bei gefesselten Gliedern blieben diese Gedanken wie große Packen, die sie sich vergeblich durch eine Öffnung zu zwängen mühte. Sie verübelte Ulrich, was er gesagt hatte. Sie wollte es ihm nicht verübeln. Sie sprach sich das Recht dazu ab. Was hatte er denn von ihr?! Sie nahm ihm seine Zeit und gab ihm nichts dafür; sie störte seine Arbeit und seine Lebensgewohnheiten. Bei dem Gedanken an seine Gewohnheiten empfand sie einen Schmerz. Solange sie im Hause war, hatte dieses anscheinend keine andere Frau betreten. Agathe war überzeugt, daß ihr Bruder immer eine Frau besitzen müsse. Er legte sich also ihretwegen Zwang an. Und da sie ihn durch nichts entschädigen konnte, war sie eigensüchtig und schlecht. In diesem Augenblick wäre sie gern umgekehrt und hätte ihn zärtlich um Verzeihung gebeten. Aber da fiel ihr nun wieder ein, wie kalt er gewesen sei. Offenbar bereute er, sie zu sich genommen zu haben. Was hatte er nicht alles entworfen und gesagt, ehe er ihrer überdrüssig geworden war! Nun sprach er nicht mehr davon. Die große Ernüchterung, die mit dem Brief gekommen war, marterte wieder Agathes Herz. Sie war eifersüchtig. Sinnlos und gemein eifersüchtig. Sie hätte sich ihrem Bruder aufnötigen mögen und fühlte die leidenschaftliche und ohnmächtige Freundschaft des Menschen, der sich seiner Zurückweisung entgegenwirft. »Ich könnte für ihn stehlen oder auf die Straße gehn!« dachte sie und sah ein, daß dies lächerlich war, konnte aber nicht anders. Ulrichs Gespräche mit ihren Scherzen und ihrer scheinbar unparteiischen Überlegenheit wirkten wie ein Hohn darauf. Sie bewunderte diese Überlegenheit und alle die geistigen Bedürfnisse, die über die ihren hinausgingen. Aber sie sah nicht ein, warum alle Gedanken immer gleich für alle Menschen gelten sollten! Sie verlangte in ihrer Beschämung persönlichen Trost und nicht allgemeine Belehrung! Sie wollte nicht tapfer sein!! Und nach einer Weile warf sie sich vor, daß sie so sei, und vergrößerte ihren Schmerz durch die Einbildung, daß sie nichts Besseres verdiene als Ulrichs Gleichgültigkeit.

Diese Selbstverkleinerung, zu der weder Ulrichs Benehmen noch auch das peinliche Schreiben Hagauers einen ausreichenden Anlaß gegeben hatte, war ein Temperamentsausbruch. Alles, was Agathe bisher in der nicht sehr langen Zeit, seit sie kein Kind mehr war, als ihr Versagen vor den Forderungen des Gemeinschaftslebens empfunden hatte, war dadurch bewirkt worden, daß sie diese Zeit in dem Gefühl verbrachte, ohne oder sogar gegen ihre innigsten Neigungen zu leben. Es waren Neigungen der Hingabe und des Vertrauens, denn sie war niemals so in der Einsamkeit heimisch geworden wie ihr Bruder; aber wenn es ihr bisher unmöglich gewesen war, sich einem Menschen oder einer Sache mit ganzer Seele hinzugeben, so kam es dennoch davon, daß sie die Möglichkeit einer größeren Hingabe in sich trug, mochte diese nun die Arme nach der Welt oder nach Gott ausstrecken! Es ist ja ein bekannter Weg zur Hingabe an die ganze Menschheit, daß man sich mit seinen Nachbarn nicht verträgt, und ebenso kann ein verstecktes und inniges Gottesverlangen daraus entstehn, daß ein unsoziales Exemplar mit einer großen Liebe ausgestattet ist: der religiöse Verbrecher in solcher Bedeutung ist kein ärgerer Widersinn als die religiöse alte Person, die keinen Mann gefunden hat, und Agathes Verhalten gegen Hagauer, das die ganz unsinnige Form eines eigennützigen Vorgehens hatte, war ebenso der Ausbruch eines ungeduldigen Willens wie die Heftigkeit, mit der sie sich anklagte, durch ihren Bruder zum Leben erweckt worden zu sein und in ihrer Schwäche es wieder verlieren zu müssen.

Es duldete sie nicht lange in der gemächlich rollenden Bahn; als die Häuser zu Seiten des Wegs anfingen niedriger und ländlich zu werden, verließ sie den Wagen und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Die Höfe waren geöffnet, durch Torgänge und über niedere Zäune kam der Blick zu Handwerkern, Tieren und spielenden Kindern. Die Luft war erfüllt von einem Frieden, in dessen Weite Stimmen sprachen und Geräte pochten; mit den unregelmäßigen und sanften Bewegungen eines Schmetterlings regten sich diese Laute in der hellen Luft, während sich Agathe wie einen Schatten daran vorbei zu der nahe ansteigenden Flucht der Weinberge und Wälder gleiten fühlte. Aber einmal blieb sie stehn, vor einem Hof mit Böttchern und dem guten Laut mit Hämmern geklopften Faßholzes. Sie hatte zeitlebens gern einer solchen guten Arbeit zugesehn und Vergnügen an dem bescheiden sinnvollen und überlegten Werk der Hände empfunden. Auch diesmal konnte sie von dem Takt der Schlegel und den rundum schreitenden Bewegungen der Männer nicht genughaben. Es ließ sie für Augenblicke ihren Kummer vergessen und versenkte sie in eine angenehme und gedankenlose Verbundenheit mit der Welt. Sie empfand immer Bewunderung für Menschen, die so etwas konnten, das mannigfaltig und natürlich aus einem Bedarf hervorging, der allgemein anerkannt war. Nur selbst mochte sie nicht tätig sein, obwohl sie mancherlei geistiges und nützliches Geschick hatte. Das Leben war auch ohne sie vollständig. Und mit einemmal, ehe ihr noch der Zusammenhang klar war, hörte sie Glocken läuten und konnte sich nur mit Mühe hindern, wieder zu weinen. Die kleine Kirche des Vororts hatte wohl schon die ganze Zeit ihre zwei Glocken schallen lassen, aber Agathe beachtete es erst jetzt, und im gleichen Augenblick überwältigte es sie unmittelbar, wie sehr diese nutzlosen Klänge, die, ausgeschlossen von der guten, strotzenden Erde, leidenschaftlich durch die Luft flogen, ihrem eigenen Dasein verwandt seien.

Sie nahm hastig ihren Weg wieder auf, und begleitet von dem Geläute, das sie nun nicht mehr aus den Ohren verlor, kam sie rasch zwischen den letzten Häusern auf die Hügel hinaus, deren Hänge unten von Weinrieden und einzelnen die Pfade säumenden Büschen bestanden waren, während oben hellgrün der Wald winkte. Sie wußte nun auch, wohin es sie zog, und es war ein schönes Gefühl, als sänke sie mit jedem Schritt tiefer in die Natur. Ihr Herz klopfte vor Entzücken und Anstrengung, wenn sie manchmal anhielt und sich vergewisserte, daß auch die Glocken sie noch immer begleiteten, obschon hoch in der Luft versteckt und kaum hörbar. Es kam ihr vor, daß sie noch nie so mitten im Alltag Glocken läuten gehört hätte, gleichsam ohne besonderen, festlichen Anlaß und demokratisch eingemengt in die natürlichen und selbstgewissen Geschäfte. Aber von allen Zungen der tausendstimmigen Stadt sprach diese nun als letzte zu ihr, und daran war etwas, das sie packte, als wolle es sie aufheben und den Berg hinanschwingen, aber dann ließ es sie jedesmal doch wieder los und verlor sich in ein kleines metallenes Geräusch, das vor den zirpenden, brummenden oder rauschenden anderen Geräuschen des Landes nichts voraus hatte. So mochte Agathe wohl noch gegen eine Stunde gestiegen und gewandert sein, als sie sich plötzlich vor jener kleinen Buschwildnis fand, die sie im Gedächtnis getragen hatte. Sie umhegte ein vernachlässigtes Grab am Rand des Waldes, wo sich vor fast hundert Jahren ein Dichter getötet hatte und nach seinem letzten Wunsch auch zur Ruhe gebettet worden war. Ulrich hatte gesagt, daß es kein guter, wenn auch ein gerühmter Dichter gewesen sei, und die immerhin etwas kurzsichtige Poesie, die sich in dem Verlangen ausdrückt, auf einem Aussichtspunkt begraben zu sein, hatte an ihm einen scharfen Beurteiler gefunden. Aber Agathe liebte die Inschrift auf der großen Steinplatte, seit sie gemeinsam ihre von Regen verwaschenen schönen Biedermeier-Buchstaben auf einem Spaziergang entziffert hatten, und sie beugte sich über die schwarzen, aus großen kantigen Gliedern bestehenden Ketten, die das Viereck des Todes gegen das Leben umgrenzten.

»Ich war euch nichts« hatte der lebensunzufriedene Dichter auf sein Grab setzen lassen, und Agathe dachte, das könne man auch von ihr sagen. Dieser Gedanke, am Rand einer Waldkanzel, über den grünenden Weinbergen und der fremden, unermeßlichen Stadt, die in der Vormittagssonne langsam ihre Rauchschweife bewegte, rührte sie von neuem. Sie kniete unversehens nieder und lehnte die Stirn gegen einen der als Kettenträger dienenden Steinpfeiler; die ungewohnte Stellung und die kühle Berührung des Steins täuschten ihr den etwas steifen, willenlosen Frieden des Todes vor, der sie erwartete. Sie versuchte sich zu sammeln. Es gelang ihr aber nicht gleich: Vogellaute drangen in ihr Ohr, es gab so viele verschiedene Vogellaute, daß es sie überraschte; Äste bewegten sich, und da sie den Wind nicht wahrnahm, kam ihr vor, daß die Bäume selbst ihre Äste bewegten; in einer plötzlichen Stille war ein leises Trippeln zu hören; der Stein, den sie ruhend berührte, war so glatt, daß sie das Gefühl hatte zwischen ihm und ihrer Stirn liege ein Eisstück, das sie nicht ganz heranlasse. Erst nach einer Weile wußte sie, daß sich in dem, was sie ablenkte, gerade das ausdrückte, was sie sich vergegenwärtigen wollte, jenes Grundgefühl ihrer Überflüssigkeit, das, wenn man es aufs einfachste bezeichnete, nur mit den Worten auszusprechen war, das Leben wäre auch ohne sie so vollständig, daß sie darin nichts zu suchen und zu bestellen hätte. Dieses grausame Gefühl war im Grunde weder verzweifelt noch gekränkt, sondern ein Zuhören und Zusehen, wie es Agathe immer gekannt hatte, und bloß ohne jeden Antrieb, ja ohne die Möglichkeit, sich selbst einzusetzen. Beinahe lag eine Geborgenheit in dieser Ausgeschlossenheit, so wie es ein Staunen gibt, das alles Fragen vergißt. Sie konnte ebensogut weggehen. Wohin? Irgendein Wohin mußte es wohl geben. Agathe gehörte nicht zu den Menschen, in denen auch die überzeugte Vorstellung von der Nichtigkeit aller Einbildungen eine Art Genugtuung zu bewirken vermag, die einer kriegerischen oder hämischen Enthaltsamkeit gleichkommt, mit der man sein unbefriedigendes Los entgegennimmt. Sie war großzügig und unbedenklich in solchen Fragen und nicht so wie Ulrich, der seinen Gefühlen die erdenklichsten Schwierigkeiten bereitete, um sie sich zu verbieten, wenn sie die Probe nicht bestünden. Sie war eben dumm! Ja, das sagte sie sich. Sie wollte nicht nachdenken! Trotzig preßte sie die tiefgesenkte Stirn gegen die eisernen Ketten, die ein wenig nachgaben und dann straff widerstanden. Sie hatte in den letzten Wochen angefangen, irgendwie wieder an Gott zu glauben, aber ohne an ihn zu denken. Gewisse Zustände, in denen ihr immer die Welt anders vorgekommen war, als es den Anschein hat, und so, daß auch sie dann nicht mehr ausgeschlossen lebte, sondern ganz in einer strahlenden Überzeugung, waren durch Ulrich nahe an eine innere Metamorphose und gänzliche Umwandlung gebracht worden. Sie wäre bereit gewesen, sich einen Gott zu denken, der seine Welt öffnet wie ein Versteck. Aber Ulrich sagte, das sei nicht nötig, es schade höchstens, sich mehr einzubilden, als man erfahren könne. Und es war seine Sache, so etwas zu entscheiden. Dann mußte er sie aber auch führen, ohne sie zu verlassen. Er war die Schwelle zwischen zwei Leben, und alle Sehnsucht, die sie nach dem einen der beiden empfand, und alle Flucht aus dem anderen führte zuerst zu ihm. Sie liebte ihn in einer so schamlosen Weise, wie man das Leben liebt. Er erwachte des Morgens in allen ihren Gliedern, wenn sie die Augen aufschlug. Er sah sie auch jetzt aus dem dunklen Spiegel ihres Kummers an: Und da erst erinnerte sich Agathe wieder daran, daß sie sich töten wollte. Sie hatte das Gefühl, daß sie ihm zu Trotz von Hause zu Gott fortgelaufen wäre, als sie es mit dem Vorsatz verließ, sich zu töten. Aber der Vorsatz war wohl nun erschöpft und wieder auf seinen Ursprung zurückgesunken, daß sie von Ulrich gekränkt worden sei. Sie war böse auf ihn, das fühlte sie noch immer, aber die Vögel sangen, und sie hörte es wieder. Sie war genau so verwirrt wie zuvor, aber nun fröhlich verwirrt. Sie wollte irgend etwas tun, aber es sollte Ulrich treffen, und nicht nur sie. Die unendliche Erstarrung, in der sie auf den Knien gelegen hatte, wich der Wärme lebhaft in die Glieder strömenden Blutes, während sie sich aufrichtete.

Als sie aufblickte, stand ein Herr bei ihr. Sie wurde verlegen, denn sie wußte nicht, wie lange er ihr schon zugesehen habe. Als ihr von der Erregung noch dunkler Blick über den seinen glitt, bemerkte sie, daß er sie mit unverhüllter Anteilnahme betrachtete und ihr augenscheinlich herzliches Vertrauen einflößen wollte: Der Herr war groß und mager, trug dunkle Kleidung, und ein kurzer blonder Bart verdeckte Kinn und Wangen. Unter diesem Bart konnte man leicht aufgeworfene, weiche Lippen gewahren, die in so merkwürdig jugendlichem Gegensatz zu den allenthalben sich schon in das Blond mengenden grauen Haaren standen, als hätte sie das Alter unter dem Haarwuchs übersehen. Überhaupt war dieses Gesicht nicht ganz einfach zu entziffern. Der erste Eindruck machte an einen Mittelschullehrer denken; das Strenge in diesem Gesicht war nicht aus hartem Holz geschnitzt, sondern glich eher etwas Weichem, das sich unter täglichem kleinen Ärger verhärtet hatte. Ging man aber von dieser Weichheit aus, auf der der Mannesbart wie eingepflanzt wirkte, um einer Ordnung zu genügen, der sein Besitzer beipflichtete, so bemerkte man doch in dieser ursprünglich wohl weibischen Anlage harte, fast asketische Einzelheiten der Form, die offenbar ein unablässig tätiger Wille aus dem weichen Material geschaffen hatte.

Agathe wurde aus dem Anblick nicht klug, auch Anziehung und Abstoßung hielten sich in ihr die Wage, und sie verstand nur, daß dieser Mann ihr helfen wollte.

»Das Leben bietet ebensoviel Gelegenheit zur Kräftigung des Willens wie zu seiner Schwächung; man soll niemals fliehn vor den Schwierigkeiten, sondern soll sie zu beherrschen suchen!« sagte der Fremde und wischte, um besser zu sehen, die Augengläser ab, die sich beschlagen hatten. Agathe blickte ihn staunend an. Er mußte ihr offenbar doch schon lange zugesehen haben, denn diese Worte kamen ganz aus der Mitte eines inneren Gesprächs. Da erschrak er und lüftete den Hut, um diese Handlung nachzuholen, die man nicht vergessen darf; aber er fand sich rasch wieder und ging von neuem gerade vor. »Verzeihn Sie, wenn ich Sie frage, ob ich Ihnen helfen kann?« – sagte er – »Es kommt mir vor, daß man einen Schmerz, wahrhaftig oft selbst eine tiefe Erschütterung des Ich, wie ich sie hier sehe, leichter einem Fremden anvertraut!«

Es zeigte sich, daß der Fremde nicht ohne Anstrengung sprach; er schien eine charitative Pflicht erfüllt zu haben, indem er sich mit dieser schönen Frau einließ, und jetzt, wo sie nebeneinander dahinschritten, kämpfte er geradezu mit den Worten. Denn Agathe war einfach aufgestanden und hatte angefangen, langsam in seiner Gesellschaft von dem Grab fortzugehn, aus den Bäumen hinaus ins Freie an den Rand der Hügel, ohne daß sie sich entschieden, ob sie nun auch einen der in die Tiefe führenden Wege und welchen dieser Abstiege sie wählen wollten. Sie gingen vielmehr im Gespräch ein großes Stück Wegs die Höhe entlang, dann kehrten sie um und dann gingen sie noch einmal in der ersten Richtung; keiner wußte, wohin der andere gewollt habe, und mochte doch darauf Rücksicht nehmen. »Wollen Sie mir nicht sagen, warum Sie geweint haben?« wiederholte der Fremde mit der milden Stimme des Arztes, der fragt, wo es weh tue. Agathe schüttelte den Kopf. »Das könnte ich Ihnen nicht leicht erklären« sagte sie und bat ihn plötzlich: »Aber beantworten Sie mir eine andere Frage: Was gibt Ihnen die Gewißheit, daß Sie mir helfen können, ohne mich zu kennen? Ich sollte eher glauben, man kann niemand helfen!«

Ihr Begleiter antwortete nicht gleich. Er setzte mehrmals zum Sprechen an, aber es schien, daß er sich zwang zu warten. Endlich sagte er: »Man kann wahrscheinlich nur jemand helfen, dessen Leid man selbst einmal durchlebt hat.«

Er schwieg. Agathe lachte über den Einfall, daß dieser Mann ihr Leid durchlebt haben wolle, das ihm Abscheu einflößen müßte, wenn er es kennte. Ihr Begleiter schien dieses Lachen zu überhören oder für eine Ungezogenheit der Nerven zu halten. Er überlegte und sagte ruhig: »Ich meine natürlich nicht, daß man sich einbilden dürfe, jemand zeigen zu können, wie er es zu machen habe. Aber sehen Sie: Angst in einer Katastrophe steckt an, und – Entronnensein steckt auch an! Ich meine das bloße Entronnensein wie bei einem Brand. Alle sind kopflos geworden und rennen in die Flammen: Welche ungeheure Hilfe, wenn ein einziger draußen steht und winkt, nichts tut als winken und ihnen unverständlich zuschrein, daß es einen Ausweg gibt...!«

Agathe hätte über die schrecklichen Vorstellungen, die dieser gütige Mann doch in sich beherberge, beinahe wieder gelacht; aber gerade weil sie nicht mit ihm übereinstimmten, arbeiteten sie sein wachsweiches Gesicht fast unheimlich hervor. – »Sie sprechen ja wie ein Feuerwehrmann!« gab sie zur Antwort und ahmte mit Absicht die Neckerei und Oberflächlichkeit einer Dame nach, um ihre Neugierde zu verbergen. »Aber irgendeine Vorstellung davon, in welcher Katastrophe ich mich befinde, müssen Sie sich wohl doch gemacht haben?!« – Ohne ihren Willen kam dabei der Ernst des Spottes durch, denn die schlichte Vorstellung, daß dieser Mann ihr helfen wolle, empörte sie durch die ebenso schlichte Dankbarkeit dafür, die sich in ihr meldete. Der Fremde sah sie erstaunt an, dann sammelte er sich und entgegnete ihr fast zurechtweisend: »Sie sind wahrscheinlich noch zu jung, um zu wissen, daß unser Leben sehr einfach ist. Es ist unüberwindlich verworren nur dann, wenn man an sich denkt; aber in dem Augenblick, wo man nicht an sich denkt, sondern sich fragt, wie man einem andern helfen könne, ist es sehr einfach!«

Agathe schwieg und dachte nach. Und machte es ihr Schweigen oder die ermutigende Weite, in die seine Worte hinausflogen, der Fremde sprach weiter, ohne sie anzusehen: »Die Überschätzung des Persönlichen ist ein moderner Aberglaube. Es wird ja heute so viel von Kultur der Persönlichkeit geredet, von Ausleben und Lebensbejahung. Aber durch solche unklaren und vieldeutigen Worte verraten ihre Bekenner nur, daß sie Nebel brauchen, um den eigentlichen Sinn ihrer Auflehnung zu verhüllen! Was soll denn bejaht werden? Alles miteinander und durcheinander? Entwicklung ist immer an Gegendruck gebunden, hat ein amerikanischer Denker gesagt. Wir können die eine Seite unserer Natur gar nicht entwickeln, ohne die andere im Wachstum zurückzuhalten. Und was soll denn ausgelebt werden? Der Geist oder die Triebe? Die Launen oder der Charakter? Die Selbstsucht oder die Liebe? Soll unsere höhere Natur sich ausleben, so muß die niedere Entsagung und Gehorsam lernen.«

Agathe dachte darüber nach, warum es einfacher sein solle, für andere zu sorgen als für sich. Sie gehörte zu jenen ganz und gar nicht egoistischen Naturen, die wohl stets an sich denken, aber nicht für sich sorgen, und das ist von der gewöhnlichen, um Vorteile besorgten Selbstsucht viel weiter entfernt als die zufriedene Selbstlosigkeit derer, die sich um ihre Mitmenschen sorgen. So blieb ihr das, was ihr Nachbar sagte, schon an der Wurzel fremd, aber irgendwie berührte es sie doch, und die einzelnen Worte, so energisch angepackt, bewegten sich beunruhigend vor ihr, als wäre ihre Bedeutung mehr in der Luft zu sehen denn zu hören. Es kam dazu, daß sie einen Rain entlang gingen, der Agathe einen wundervollen Blick auf das tief gewölbte Tal öffnete, während diese Lage ihren Begleiter offensichtlich wie eine Kirchenkanzel oder ein Katheder anmutete. Sie blieb stehen und zog mit ihrem Hut, den sie all die Zeit nachlässig in der Hand geschwenkt hatte, einen Strich durch die Rede des Unbekannten. »Sie haben sich« sagte sie »also doch ein Bild von mir gemacht: ich sehe es durchleuchten, und es ist nicht schmeichelhaft!«

Der lange Herr erschrak, denn er hatte sie nicht kränken wollen, und Agathe sah ihn freundlich lachend an. »Sie scheinen mich mit dem Recht der freien Persönlichkeit zu verwechseln. Und noch dazu mit einer etwas nervösen und recht unangenehmen Persönlichkeit!« behauptete sie.

»Ich habe nur von der Grundbedingung des persönlichen Lebens gesprochen,« – entschuldigte er sich – »und ich hatte allerdings nach der Lage, in der ich Sie antraf, das Gefühl, daß Ihnen vielleicht mit einem Rat gedient sein könnte. Die Grundbedingung des Lebens wird heute vielfach verkannt. Die ganze moderne Nervosität mit allen ihren Ausschreitungen kommt nur von einer schlaffen inneren Atmosphäre, in der der Wille fehlt, denn ohne eine besondere Anstrengung seines Willens gewinnt niemand jene Einheit und Stetigkeit, die ihn über den dunklen Wirrwarr des Organismus hinaushebt!«

Wieder kamen da zwei Worte, Einheit und Stetigkeit, vor, die wie eine Erinnerung an Sehnsucht und Selbstvorwürfe Agathens waren. »Erklären Sie mir, was Sie darunter verstehen« – bat sie. »Einen Willen kann es doch eigentlich nur geben, wenn man schon ein Ziel hat?!«

»Es kommt nicht darauf an, was ich verstehe!« bekam sie in einem Ton zur Antwort, der ebenso mild wie schroff war. »Sagen denn nicht schon die großen Urkunden der Menschheit in unübertrefflicher Klarheit, was wir zu tun und zu lassen haben?« – Agathe war verblüfft. »Zur Aufstellung von grundlegenden Lebensidealen« erläuterte ihr Begleiter »gehört eine so durchdringende Lebens- und Menschenkenntnis und zugleich eine so heroische Überwindung der Leidenschaften und der Selbstsucht, wie das im Lauf der Jahrtausende nur ganz wenigen Persönlichkeiten beschieden war. Und diese Lehrer der Menschheit haben zu allen Zeiten die gleiche Wahrheit bekannt.«

Agathe setzte sich unwillkürlich zur Wehr, wie es jeder Mensch tut, der sein junges Fleisch und Blut für besser hält als die Gebeine toter Weiser. »Aber Menschengesetze, die vor tausenden Jahren entstanden sind, können doch unmöglich auf die heutigen Verhältnisse passen!« rief sie aus.

»Nicht entfernt so sehr, wie das von Skeptikern behauptet wird, die von der lebendigen Erfahrung und Selbsterkenntnis losgelöst sind!« erwiderte ihr Zufallsgefährte mit bitterer Befriedigung. »Tiefe Lebenswahrheit wird nicht durch Debattieren vermittelt, – sagt schon Platon; der Mensch vernimmt sie als lebendige Deutung und Erfüllung seiner selbst! Glauben Sie mir, was den Menschen wahrhaft frei macht, und was ihm die Freiheit nimmt, was ihm wahre Seligkeit gibt und was sie vernichtet: das unterliegt nicht dem Fortschritt, das weiß jeder aufrichtig lebende Mensch ganz genau im Herzen, wenn er nur hinhorcht!«

Das Wort »lebendige Deutung« gefiel Agathe, aber es war ihr ein unerwarteter Einfall gekommen: »Sind Sie vielleicht religiös?« fragte sie. Sie sah ihren Begleiter neugierig an. Er antwortete nicht. »Sie sind doch am Ende kein Geistlicher?!« wiederholte sie und beruhigte sich an seinem Bart, weil ihr plötzlich die übrige Erscheinung einer solchen Überraschung fähig zu sein schien. Man muß ihr zugutehalten, daß sie nicht erstaunter gewesen wäre, wenn der Fremde nebenbei im Gespräch gesagt hätte: ›Unser erlauchter Herrscher, der Göttliche Augustus‹: sie wußte zwar, daß in der Politik die Religion eine große Rolle spiele, aber man ist so gewohnt, die der Öffentlichkeit dienenden Ideen nicht ernst zu nehmen, daß die Vermutung, die Parteien des Glaubens bestünden aus gläubigen Menschen, leicht so übertrieben erscheinen kann wie die Forderung, ein Postsekretär müsse ein Markenliebhaber sein.

Nach einer langen, irgendwie schwankenden Pause entgegnete der Fremde: »Ich möchte Ihre Frage lieber nicht beantworten; Sie sind zu weit von alledem entfernt.«

Aber Agathe war von einer lebhaften Begierde ergriffen worden. »Ich möchte jetzt wissen, wer Sie sind!?« verlangte sie zu erfahren, und das war nun freilich ein weibliches Vorrecht, dem man sich schlechterdings nicht widersetzen konnte. Wieder war die gleiche, etwas lächerliche Unsicherheit an dem Fremden zu bemerken wie vorhin, als er den Gruß mit dem Hut nachgetragen hatte; es schien ihn im Arm zu jucken, daß er seine Kopfbedeckung abermals förmlich lüpfe, dann aber versteifte sich etwas, eine Gedankenarmee schien einer anderen eine Schlacht zu liefern und schließlich zu siegen, statt daß eine spielleichte Sache spielend geschah. »Ich heiße Lindner und bin Lehrer am Franz-Ferdinand-Gymnasium« gab er zur Antwort und fügte nach einer kleinen Überlegung hinzu: »Auch Dozent an der Universität.«

»Dann kennen Sie ja vielleicht meinen Bruder?« fragte Agathe erfreut und nannte ihm Ulrichs Namen. »Er hat, wenn ich nicht irre, in der Pädagogischen Gesellschaft vor nicht langer Zeit über Mathematik und Humanität oder etwas Ähnliches gesprochen.«

»Nur dem Namen nach. Und ja, dem Vortrag habe ich beigewohnt« gestand Lindner zu. Es schien Agathe, daß in dieser Antwort eine Ablehnung liege, aber sie vergaß es über dem Folgenden:

»Ihr Herr Vater war der bekannte Rechtsgelehrte?« fragte Lindner.

»Ja, er ist vor kurzem gestorben, und ich wohne jetzt bei meinem Bruder« sagte Agathe frei. »Wollen Sie uns nicht einmal besuchen?«

»Ich habe leider keine Zeit für gesellschaftlichen Umgang« erwiderte Lindner mit Schroffheit und unsicher niedergeschlagenen Augen.

»Dann dürfen Sie aber nichts dagegen haben,« fuhr Agathe fort, ohne sich um sein Widerstreben zu kümmern »wenn ich einmal zu Ihnen komme: ich brauche Rat!« – Er sprach sie noch immer als Fräulein an: »Ich bin Frau« setzte sie hinzu »und heiße Hagauer.«

»Dann sind Sie am Ende« – rief Lindner aus – »die Gattin des verdienstvollen Schulmannes Professor Hagauer?« – Er hatte den Satz mit einem hellen Entzücken begonnen und dämpfte ihn gegen Ende zögernd ab. Denn Hagauer war zweierlei: er war Schulmann, und er war ein fortschrittlicher Schulmann; Lindner war ihm eigentlich feindlich gesinnt, aber wie erquickend ist es, wenn man in den unsicheren Nebeln einer weiblichen Psyche, die soeben den unmöglichen Einfall hatte, in die Wohnung eines Mannes zu kommen, einen solchen vertrauten Feind entdeckt: der Abfall von der zweiten zur ersten Empfindung war es, was sich im Ton seiner Frage wiederholte.

Agathe hatte es bemerkt. Sie wußte nicht, ob sie Lindner mitteilen solle, in welchem Zustand sich ihre Beziehung zu ihrem Gatten befinde. Es konnte zwischen ihr und diesem neuen Freund augenblicklich alles zu Ende sein, wenn sie es ihm sagte: diesen Eindruck hatte sie sehr deutlich. Und es hätte ihr leid getan; denn gerade weil Lindner durch mancherlei ihre Spottlust reizte, flößte er ihr auch Vertrauen ein. Der glaubwürdig durch seine Erscheinung unterstützte Eindruck, daß dieser Mann nichts für sich selbst zu wollen schien, zwang sie eigentümlich zur Aufrichtigkeit: er machte alles Verlangen still, und da kam die Aufrichtigkeit ganz von selbst empor. »Ich bin im Begriff, mich scheiden zu lassen!« gestand sie schließlich zu.

Es folgte ein Schweigen; Lindner machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Agathe fand ihn nun doch allzu jämmerlich. Endlich sagte Lindner gekränkt lächelnd: »Dachte ich mir doch gleich etwas Ähnliches, als ich Sie antraf!«

»Sie sind also am Ende auch ein Gegner der Scheidung?!« rief Agathe aus und ließ ihren Ärger frei. »Natürlich, Sie müssen es ja wohl sein! Aber wissen Sie, das ist wirklich etwas rückständig von Ihnen!«

»Ich kann es wenigstens nicht so selbstverständlich finden wie Sie« – verteidigte sich Lindner nachdenklich, nahm seine Brille ab, putzte sie, setzte sie wieder auf und betrachtete Agathe. »Ich glaube, Sie haben zu wenig Willen« stellte er fest.

»Wille? Ich habe eben den Willen, mich scheiden zu lassen!« rief Agathe aus und wußte, daß es keine verständige Antwort war.

»Nicht so ist das zu verstehn« verwies es ihr Lindner sanft. »Ich will ja gerne annehmen, daß Sie triftige Gründe haben. Aber ich denke nun einmal anders: Freie Sitten, wie man sie sich heute gewährt, kommen im Gebrauch doch immer nur auf ein Zeichen dafür hinaus, daß ein Individuum unbeweglich angeschmiedet liegt an sein Ich und nicht fähig ist, von größeren Horizonten aus zu leben und zu handeln. Die Herren Dichter,« – fügte er eifersüchtig hinzu, mit einem Versuch, über Agathes inbrünstige Wallfahrt zu scherzen, der in seinem Munde recht säuerlich wurde – »die dem Sinn der jungen Damen schmeicheln und dafür von ihnen überschätzt werden, haben es natürlich leichter als ich, wenn ich Ihnen sage, daß die Ehe eine Einrichtung der Verantwortlichkeit und der Herrschaft des Menschen über die Leidenschaften ist! Aber bevor sich ein einzelner von den äußeren Schutzmitteln losspricht, welche die Menschheit in richtiger Selbsterkenntnis gegen ihre eigene Unzuverlässigkeit aufgerichtet hat, sollte er sich wohl sagen, daß Isolierung und Bruch des Gehorsams gegen das höhere Ganze schlimmere Schäden sind als die Enttäuschungen des Leibes, vor denen wir uns so sehr fürchten!«

»Das klingt wie ein Kriegsreglement für Erzengel,« sagte Agathe »aber ich sehe nicht ein, daß Sie recht haben. Ich werde Sie ein Stück begleiten. Sie müssen mir erklären, wie man so denken kann. Wohin gehen Sie jetzt?«

»Ich muß nach Hause gehn« antwortete Lindner.

»Würde denn Ihre Frau etwas dagegen haben, wenn ich Sie nach Hause begleite? Wir können in der Stadt unten einen Wagen nehmen. Ich habe noch Zeit!«

»Es kommt mein Sohn aus der Schule heim« sagte Lindner mit abwehrender Würde. »Wir essen stets pünktlich; darum muß ich zu Hause sein. Meine Frau ist übrigens schon vor einigen Jahren plötzlich gestorben« verbesserte er Agathes fehlerhafte Annahme, und mit einem Blick auf die Uhr fügte er ängstlich und ärgerlich hinzu: »Ich muß mich beeilen!«

»So müssen Sie mir das ein andermal erklären, es ist mir wichtig!« beteuerte Agathe lebhaft. »Wenn Sie nicht zu uns kommen wollen, so kann ich doch Sie aufsuchen.«

Lindner schnappte nach Luft, aber es wurde nichts daraus. Endlich sagte er: »Aber Sie als Frau können mich doch nicht besuchen!«

»Doch!« versicherte Agathe. »Sie werden sehn, eines Tags bin ich da. Ich weiß noch nicht wann. Und es ist gewiß nichts Schlimmes!« Damit verabschiedete sie ihn und schlug einen Weg ein, der sich von dem seinen trennte.

»Sie haben keinen Willen!« sagte sie halblaut und versuchte Lindner nachzuahmen, aber das Wort Wille war dabei frisch und kühl im Munde. Gefühle wie Stolz, Härte, Zuversicht waren damit verbunden; eine stolze Tonart des Herzens: der Mann hatte ihr wohlgetan.


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