Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXXVIII.

Die Riesenbäume. – Einschiffung auf dem Dampfboot Oregon. – Reise auf der Südsee. – Der Hafen und die Stadt Acapulco. – Fünf Stunden in Acapulco. – Landung in Panama. – Die Stadt Panama. – Ritt nach der Eisenbahnstation. – Ankunft in Aspinwall. – Einschiffung auf dem Dampfboot Illinois. – Ankunft in New-York und Washington.

Californien ist das Land der Wunder, und jeder Reisende, der dorthin kommt, wird etwas seinen Neigungen Entsprechendes finden, dem er mehr als anderen Gegenständen seine Aufmerksamkeit zuwendet. Auch der Verehrer der still wirkenden heiligen Natur, der sich heimisch fühlt in dem unendlichen Reiche der Pflanzenwelt, und der gewohnt ist, in dem Staube der Blüthen, in der Entwickelung und dem Leben der Gewächse weise Gesetze zu erkennen und gerührt zu bewundern, findet in dem Goldlande eine Stelle, auf welcher er wie auf geweihtem Boden wandelt, und blickt entzückt hinauf zu den Gipfeln von Bäumen, die als lebende Zeugen vergangener Jahrtausende unerschüttert ihre stolzen Kronen emporheben, und an ihre unwandelbare treue Pflegerin erinnern, wie Aegyptens Pyramiden als todte Denkmäler der Vorzeit Achtung vor ihren Erbauern einflößen.

Ungefähr 30 Meilen nördlich von Sonora im Calaveras-Bezirk gelangt man an den Fluß Stanislas. Einem Zuflusse desselben, der sich murmelnd durch ein tiefes bewaldetes Bett schlängelt, aufwärts folgend, gelangt man an das Mammuthbaumthal, welches 1500 Fuß über dem Meeresspiegel liegt. In diesem Thale, welches seinen Namen von den in demselben emporragenden Bäumen erhalten hat, befindet man sich Angesichts der Riesen im Reiche der Vegetation. Das Erstaunen, wenn man aus der Ferne die geraden thurmähnlichen Coniferen wahrnimmt, die eine hohe Tannenwaldung weit überragen, wird noch gesteigert, wenn man näher tretend die ungeheuren Dimensionen der einzelnen Bäume erkennt, die auf einem Raume von 50 Morgen zerstreut stehen, und eine Familie von 90 Mitgliedern bilden, von welchen das schwächste nicht unter 15 Fuß im Durchmesser hat. Man traut kaum seinen Augen, wenn man aufblickt zu den Kronen, die auf den kräftig gewachsenen colossalen Stämmen meist erst in der Höhe von 150 bis 200 Fuß beginnen. Man weiß nicht, ist es der mächtige Umfang der grauen, mit Moosflechten behangenen Stämme, ist es die unglaubliche Höhe oder der schöne gerade Wuchs, worüber man mehr erstaunen soll, und lange währt es, ehe man seine Gedanken so weit gesammelt hat, um mit Ruhe und Ueberlegung die speciellere Beschaffenheit dieser Bäume untersuchen zu können. Es sind Coniferen, die zu dem Geschlecht der Sequoia ( Endl.) gehören,Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur, Bd. II, S. 197. Die riesenhaftesten Formen sind aus den Geschlechtern Pinus, Sequoia (Endl), Araucaria und Dacrydium, ich nenne nur diejenigen Arten, deren Höhe 200 Fuß nicht blos erreicht, sondern sogar oft übertrifft. und manche Namen sind ihnen von den verschiedenen Botanikern, welche dieselben gesehen und beschrieben, beigelegt worden.Aus einem Briefe des Herrn Dr. Klotzsch: Für den in Californien in der Grafschaft Calaveras wachsenden Mammuthbaum muß der von Lindley in der Gardener's Chronicle für December 1853, Nr. 52, Seite 820 und 823 gegebene Name ( Wellingtonia gigantea), weil er der älteste systematische Name ist, der eine Charakteristik enthält, beibehalten werden. Als Synonyme gehören hierher der von einem Nordamerikaner, Dr. C. F. Winslow, vorgeschlagene Name Washingtonia Californica und Sequoia Wellingtoniana von Berthold Seemann Die meisten haben abgestumpfte Gipfel, indem dieselben durch Stürme oder den im Winter schwer auf ihnen lastenden Schnee schon frühzeitig geknickt oder gebrochen wurden. Andere sind wieder an ihrer Basis durch die Feuer der Indianer beschädigt und noch andere haben der Axt der weißen Bevölkerung erliegen müssen, die rastlos in der Natur nach Gegenständen spürt, von welchen auf die eine oder die andere Weise Vortheil gezogen werden kann. So ist ein Stamm bis zu der Höhe von 50 Fuß seiner Rinde beraubt worden, die von ihrem Eigenthümer nunmehr in der Welt herumgeführt und ausgestellt wird. Eine Spiraltreppe wurde später in denselben Stamm gehauen, aus welcher die Besucher gegen Bezahlung zu einer bedeutenden Höhe hinaufsteigen können. Der Eigenthümer dieses Landstriches, der den Reisenden zugleich als Führer dient, hat jedem Baume einen Namen beigelegt, je nachdem dieser selbst, seine Stellung oder auch besondere Umstände der Phantasie dabei zu Hülfe kamen. So führte der Baum, der umgehauen wurde, den Namen Big Tree (der dicke Baum). Derselbe hatte 96 Fuß Umfang, als 32 Fuß Durchmesser, und 300 Fuß Höhe; denselben zu fällen, kostete 5 Mann eine Arbeit von 25 Tagen, und nur durch Bohren von Löchern, die dann durch die Axt mit einander verbunden wurden, gelang es, den colossalen Stamm aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der stehen gebliebene Stumpf wurde darauf geebnet und bietet jetzt eine Fläche, auf welcher 16 Paare, ohne einander zu hindern, bequem walzen können. Nach Zählung der Ringe ergab es sich, daß dieser Baum ein Alter von 3000 Jahren erreicht hat. Miner's Cabin (Bergmannshütte) ist nach einer Höhlung im Stamme so genannt worden; er hat 80 Fuß Umfang und 300 Fuß Höhe. Three Sisters (drei Schwestern) sind drei Bäume, die derselben Wurzel entsprossen zu sein scheinen. Der mittelste hat erst in der Höhe von 200 Fuß die ersten Zweige. Ihr Umfang ist fast gleich, nämlich 92 Fuß bei 300 Fuß Höhe. Ferner sind noch da Old Bachelor (alter Junggeselle); Hermit (Eremit), Husband and Wife (Mann und Frau), die sich alle nur wenig in Umfang und Höhe unterscheiden. Hervorragender ist die Family Group (Familiengruppe), aus dem Vater, der Mutter und 24 Kindern bestehend. Der Vater ist schon vor Jahren umgefallen, hat im Fall einen anderen Baum gestoßen und ist in der Länge von 300 Fuß abgebrochen, hat aber dort noch 40 Fuß Umfang, während an der Basis der Umfang 110 Fuß und die ganze Länge des Stammes 450 Fuß beträgt. Die Mutter hat 91 Fuß Umfang und 327 Fuß Höhe. Ferner liegt dort ein hohler Stamm, der in der Länge von 75 Fuß abgebrochen ist; derselbe führt den Namen Horsebackride (Pferderitt), weil man bequem von dem einen Ende bis zum anderen durch die untere abgebrochene Hälfte reiten kann. Dort ist auch Uncle Tom's Cabin (Onkel Tom's Hütte), ein Stamm von 300 Fuß Höhe und 90 Fuß Umfang, mit einer Höhlung an der Basis, in welcher 25 Mann bequem Platz haben. Der Eingang zu diesem Baume ist 2 ½ Fuß breit und 10 Fuß hoch, und gewiß haben die wenigsten Goldgräber so geräumige Wohnungen, wie dieser Baum sie darbietet.Namen und Dimensionen nach einem Artikel in der Zeitung: California farmer von Thomas Banister.

Dies ist eine kurze Beschreibung der Riesen Californiens, welche zugleich die größten Bäume der Welt sind. Wer dorthin kommt und sieht, wie schon einige derselben vor der Zerstörungswuth der Menschen gefallen sind, den muß es wehmüthig stimmen, zu denken, daß diese prachtvollen lebenden Denkmäler, welche sich die Natur gleichsam selbst setzte und sorgsam pflegte, in dem Zeiträume von Jahrtausenden sich noch nicht das Recht erworben haben, unangetastet auf kommende Jahrhunderte überzugehen und Generation auf Generation bewundernd um sich versammelt zu sehen. –

»Das Dampfboot Oregon wird am 2. April den Hafen verlassen, um mit Passagieren nach Panama zu gehen!« sagte Lieutenant Whipple eines Tages zu uns; »die Herren, welche diese Gelegenheit benutzen wollen, um nach Washington zu reisen, mögen mir rechtzeitig Mittheilung darüber machen, damit ich ihnen Plätze in der Cajüte sichere.« Sechs von unserer Gesellschaft, darunter ich selbst, entschieden sich sogleich für die Reise im »Oregon,« wogegen Lieutenant Whipple, Mr. Garner, Doctor Bigelow und Mr. Marcou noch einige Tage in Californien zu bleiben beabsichtigten. Wir rüsteten uns demgemäß zur bestimmten Stunde und begaben uns mit unseren sämmtlichen Sachen hinunter zu den Werften, wo der »Oregon« dampfend und stöhnend an einer Landungsbrücke lag und unter dem gewöhnlichen Gewirre und Getöse Passagiere und Güter einnahm. Wohl dem, der bei solchen Gelegenheiten zeitig genug an Bord kommt, um sich eines Stuhles bemächtigen und auf diese Weise fern von dem Gedränge ungestört das bunte Treiben bei der Einschiffung beobachten zu können. Kurze Zeit vor der Abfahrt entstand eine Bewegung unter den Leuten, und vielfach vernahm man die Worte: »der Schatz kommt.« Ich gewahrte auch in der That in der Richtung von der Stadt her, deren letzte Straßen schon weit in den Hafen hineinreichen, einen von starken Pferden gezogenen, verschlossenen zweiräderigen Karren, der von Leuten umgeben war, welche eine Bahn vor demselben in dem Gedränge öffneten und die Menge aus der Nähe zurückhielten. Diese Sicherheitsmaßregeln konnten nicht weiter überraschen, wenn man in Betracht zog, daß wenige Wochen vorher an der Verladungsstelle ein schwerer Wagen durch die Brücke gebrochen war. Bei der Untersuchung stellte es sich heraus, daß die Balken von unten so weit durchgesägt waren, daß eine schwere Last, dieselben durchbrechend, hinab in's Wasser stürzen mußte. Diese List war augenscheinlich von Dieben ersonnen und für den Goldwagen berechnet worden, um in der ersten Verwirrung einige der kleinen Kisten zu erbeuten und an passenden Stellen zu versenken. Der Plan war indessen fehlgeschlagen und hatte nur größere Vorsicht bei späteren Transporten zur Folge. Der Karren mit den Schätzen hielt neben dem Räderkasten, wo die Laufplanke aufs Schiff führte. Der Verkehr wurde für kurze Zeit gehemmt, der Wagenkasten aufgeschlagen, und eine Anzahl von Leuten begann die anderthalb Millionen Dollar in Goldstaub in die untersten Räume des Schiffes hinab zu tragen, wo sie hinter schweren Riegeln und Eisenstangen verschwanden. Das Gold war an Bord, die zur Abfahrt bestimmte Stunde hatte geschlagen, die Kanonen wurden gelöst, die Taue eingezogen, und langsam begannen die gewaltigen Räder das Wasser zu schlagen. Bald befand sich der »Oregon« außerhalb der dicht gedrängt liegenden Schiffe, abermals donnerten die Kanonen einen Scheidegruß nach San Francisco hinüber, der von den auf der Landungsbrücke Zurückgebliebenen mit einem dreifachen Hurrah beantwortet wurde, und leicht glitt der Coloß der Golden Gate zu und wiegte sich nach kurzer Zeit auf den mächtigen Wogen des stillen Oceans.

Der »Oregon« führte 900 Passagiere, deren größter Theil einen Besuch in der Heimath abzustatten und dann wieder nach Californien zurückzukehren beabsichtigte; doch befanden sich auch Californien-Müde unter denselben, von denen Einige sogar die Kosten der Rückreise an Bord des Schiffes abarbeiteten. Daß diese übermäßige Anzahl von Menschen (die Räumlichkeiten waren nur für 500 Personen eingerichtet) viel Zeit brauchte, um sich zurecht zu finden, ist leicht erklärlich, denn Jeder hegte den natürlichen Wunsch, noch in einer der bequemen Kojen ein Unterkommen zu finden; doch war beinahe die Hälfte der Passagiere genöthigt, auf Bänken, Tischen und vor Allem auf dem blankgescheuerten Verdeck die Nächte zuzubringen.

Es dauerte daher auch lange, ehe sich ein geselliges Verhältnis einstellte, welches sonst auf langen Seereisen sich schnell unter den Passagieren bildet. Ich war glücklich genug, mit drei gebildeten Deutschen, die nach Erwerbung eines ansehnlichen Vermögens Europa einen Besuch abzustatten gedachten, bekannt zu werden, und außer dem Genusse, nach einem Jahre mich endlich einmal wieder in meiner Muttersprache unterhalten zu können, erwuchsen mir aus dieser Bekanntschaft um so mehr fröhliche Stunden, als Mehrere von meinen alten Kameraden sich zu uns gesellten und den Kreis sorgloser ausgelassener junger Leute vervollständigen halfen. So glich denn meine Reise auf der Südsee einer langen Vergnügungsfahrt, einem immerwährenden Feste. Das herrlichste Frühlingswetter begünstigte uns, und wie wir alle 24 Stunden dem Aequator um 250 englische Meilen näher rückten, verschwanden auch die warmen Kleidungsstücke, und in leichten, dem tropischen Klima mehr angemessenen Anzügen lagen die Passagiere träge auf dem Verdecke umher und haschten gierig nach jedem Lüftchen, welches leise über dasselbe hinwehte.

Am 9. April befanden wir uns in nur ganz geringer Entfernung von der Küste, als Einer der Steuerleute in den Nachmittagsstunden auf die rauhen Gebirgsmassen hinwies und zu uns sagte: »Dort liegt der Hafen von Acapulco.« Wir schauten hin, doch vermochten wir nur die Flaggenstange auf einem Berge und etwas weiter südlich eine ganz geringe Einbuchtung zu erkennen. Der »Oregon« wendete indessen sein Bugspriet derselben zu und bald dampfte er in einer Straße, die in weitem Bogen nach Norden führte; hinter uns entschwand das Meer unseren Blicken, doch vor uns öffnete sich wie ein Binnensee mit romantischen Ufern das ringsum von hohen Felsen eingeschlossene Becken des Hafens von Acapulco.

Dieser Hafen wird mit Recht nicht nur als einer der schönsten, sondern auch vermöge seiner Lage als einer der besten der Erde bezeichnet. Er ist durch hohe Gebirge von allen Seiten vollständig geschützt, und nur auf einem Umwege führt eine Straße, in welcher aber Schiffe von größtem Tiefgang ohne Gefahr dicht am Ufer unter steil aufstrebenden Felsen hinlaufen können, in ihn hinein. Acapulco hat indessen schon viel von seiner früheren Wichtigkeit verloren, welche es durch seinen Handel mit China und Ostindien erlangte, und gewinnt jetzt nur dadurch wieder, daß es als Mittelstation der zwischen Panama und San Francisco laufenden Dampfboote angesehen wird. Selbst Reisende lieben es nicht, lange in dem glühenden Felsenkessel zu verweilen, in welchen kein die Atmosphäre reinigender Wind seinen Weg zu finden vermag, wo tödtliche Krankheiten mancher Art sich erzeugen, und starke Erdbeben jeden Augenblick drohen. Ein überaus lieblicher Anblick bietet sich aber dar, wenn das Dampfboot, den wogenden Ocean verlassend, aus der Straße in das weite spiegelglatte Becken tritt, welches ringsum von Felsenreihen malerisch eingefaßt ist, deren Fuß von dem kaum merklichen Wellenschlage der Fluth leicht berührt wird. Nur gegen Norden zieht sich ein schmaler Streifen zwischen den Bergen und dem Strande hin, auf welchem die von Cocosnußbäumen und anderen Palmen beschattete Stadt angelegt ist. Auf dem östlichen Ende derselben erhebt sich eine kleine Befestigung, welche die Einfahrt des Hafens vollkommen beherrscht; sie besteht aus Mauern und Gräben, doch ist Alles in schlechtem Zustande, und besonders haben die Bauwerke durch die dort häufigen Erdbeben bedeutend gelitten. Quer durch den Hafen, an der Fortification und an der Stadt vorüber, eilte der »Oregon,« legte sich an einige ausgediente Schiffe, welche in Verbindung mit einem hohen Gerüste die Stelle eines Steinkohlenmagazins vertraten, und sogleich begannen die Arbeiter Brennmaterial für den übrigen Theil der Reise in die unteren Räume zu schaffen. Die Nachricht von der Annäherung des Dampfbootes mußte schon längst, noch vor dem wirklichen Erscheinen desselben im Hafen, in der Stadt kund geworden sein, denn noch waren die Taue und Ketten nicht befestigt, als Fischerböte von jeder Größe, deren Ruderer mit lauten Stimmen die Passagiere zu einem Ausflug an's Ufer aufforderten, sich herandrängten. Fünf Stunden Zeit gewährte uns der Capitain, welche denn auch von dem bei Weitem größten Theile der Reisenden bis auf die letzte Minute zu Spaziergängen auf festem Boden bestimmt wurde. Kaum war daher dieses Uebereinkommen getroffen, als Alles sich nach den Leitern drängte, und in kurzer Zeit ruderten zahlreiche schwerbelastete Böte der Stadt zu, und die Passagiere lustwandelten zu Hunderten durch die Straßen, auf welchen sich der größte Theil der Einwohner eingefunden hatte. War nun der Sonntag Nachmittag die Ursache davon, oder die Aussicht auf die Landung der Californier und auf den damit verbundenen Gewinn, genug, die ganze Stadt bildete einen Markt, auf welchem sich Bude an Bude reihte. Da waren Tische mit Limonaden, Muscheln, Backwerk und Cigarritos, und hinter denselben standen in ihren leichten weißen baumwollenen Kleidungsstücken und Strohhüten Menschen jeglichen Alters und Geschlechts, die lärmend ihre Waaren anpriesen. Von Allem wurde gekauft; doch was am meisten anlockte, das waren die Unmassen der herrlichsten Südfrüchte, die für ein Geringes feilgeboten wurden. Die drückende Hitze in Acapulco, wohin von keiner Seite der kühlende Luftzug dringen kann, ließ uns die erquickenden Getränke, die gelben Ananas, die lichtgrünen Bananen nur um so lieblicher erscheinen, und ganze Ladungen derselben wurden gekauft und hinüber nach dem Dampfboot geschafft.

So flogen unmerklich die Stunden dahin. Der Abend stellte sich allmälig ein, Licht schimmerte durch die geöffneten Fenster und Thüren der einstöckigen Häuser, und bunte Papierlaternen erleuchteten die Buden. Immer dichter wurde das Gedränge, als die Einwohner die Räume, welche ihnen während des Tages Schatten gewährt hatten, verließen, um sich durch einen Spaziergang in der frischen Abendluft zu erholen, doch vermißte ich gänzlich die vornehme Klasse der Damen, was wohl seinen Grund in einer natürlichen Scheu derselben vor der Rohheit eines großen Theils der zurückkehrenden Californier haben mochte. – Ein Abenteuer eigenthümlicher Art hatte ich mit den Kindern, die bei unserem Landen haufenweise zu uns heranströmten und uns Hände voll der schönsten Seemuscheln, weißer Korallen und sonstiger Seegewächse entgegenhielten. Ich fragte Mehrere nach dem Preise, um ihnen von den Sachen abzukaufen, doch erhielt ich stets die kaum verständliche Antwort: »I present;« ich wunderte mich natürlich über die große Freigebigkeit, doch nahm ich die schönen Muscheln, die mir förmlich aufgedrungen wurden, mit dem freundlichsten Danke an und füllte mir allmälig ein ganzes Tuch mit denselben. Als ich endlich wegen Mangels an Raum nichts mehr zu lassen wußte und deshalb einige Geschenke zurückwies, kamen alle Kinder, die mich so freigebig bedacht hatten, hinter mir her und forderten ein Gegengeschenk von mir, und zwar auf so dringende und lärmende Weise, daß ich, um Aufsehen zu vermeiden, jedes besonders mit einem Geldstück abfinden mußte. Zum Zurücknehmen der Muscheln aber konnte ich keinen Einzigen der kleinen Taugenichtse zwingen, indem sie sehr richtig bemerkten, daß es unmöglich sei, die untereinander gemischten Gegenstände so von einander zu trennen, daß Jeder wieder zu dem Seinigen gelange. Ich machte also gute Miene zum bösen Spiele, doch glaube ich, daß ich wohl doppelt so viel Kinder mit Fünfcentsstücken beschenkte, als mir Muscheln angeboten hatten, wodurch mir die kleine Sammlung, die ich bequem für einen Vierteldollar hätte kaufen können, auf anderthalb Dollar zu stehen kam. An Bord zurückgekehrt, erzählte ich diese Begebenheit meinen Gefährten; anstatt aber ausgelacht zu werden, wie ich erwartete, hörte ich von Jedem unter ihnen ganz dieselbe Geschichte, die auch ihm mit der hoffnungsvollen Jugend in Acapulco begegnet war, und Einer fügte sogar noch hinzu, daß, als er die kleinen Vagabunden habe züchtigen wollen, er einige Bowiemesser der in der Nähe weilenden Männer zu sehen bekommen habe.

Bis spät in die Nacht hinein durchstreiften wir die belebten Straßen, weilten bald vor einer Bude, bald vor einem Spieltisch, wo Karten und Würfel kreisten, und gingen dann hinab an den Strand, um uns durch ein Bad in den spiegelglatten Fluthen zu erfrischen, doch hielten wir uns, eingedenk der Haifische, die wir am Tage im Hafen wahrgenommen, nur ganz in der Nähe des Ufers. Noch im Bade wurden wir durch einen Kanonenschuß zur Eile gemahnt und befanden uns auch in Folge dessen nach wenigen Minuten am Landungsplatze der Böte, wo wir uns durch eine dichte Menschenmasse drängen und stoßen mußten, bis wir endlich noch Raum in einem bis zum Umschlagen angefüllten Boote fanden. Zwei halbnackte braune Gestalten schoben das Fahrzeug vom Ufer, sprangen gewandt hinein, und leise glitten wir vor den kaum hörbaren Ruderschlägen dem »Oregon« zu, der wie ein schwarzes Ungeheuer gegen den nächtlich erleuchteten Himmel abstach. Reges Leben tönte von der Stadt zu uns herüber; Lichter flimmerten am Strande; in den glatten Fluthen spiegelten sich die undeutlichen Umrisse der nahen Berge und der Palmen, und phosphorisch leuchteten die Streifen des bewegten Wassers, welche hinter den eilenden Böten zurückblieben. Es war eine der herrlichen verlockenden Nächte, wie sie in den Tropen so gewöhnlich sind, und lange noch saß ich auf dem Verdeck, versunken in Gedanken und mich ergötzend an der malerischen Umgebung, welche durch die nächtlichen Schatten etwas geheimnißvoll Feenartiges erhielt. Als ich am folgenden Morgen aus meiner Koje trat, brachen sich die Wogen an dem scharfen Bug des »Oregon,« der unermüdlich gegen Süden eilte, und nur fern im Osten erkannte ich die blauen Linien der zackigen Küstengebirge.

Sechs Tage noch dauerte die Fahrt auf dem stillen Ocean, sechs Tage, die uns ganz gleichförmig vergingen. In den Cajüten derselbe ewige Lärm des Tafeldeckens, auf dem Deck dasselbe langsame Verrinnen der Stunden inmitten einer träge umhersitzenden oder lagernden Gesellschaft. Nur gegen Abend begann das fröhliche Leben unter den verschiedenen Gruppen, die sich allmälig zusammengefunden hatten; Gesang und Scherz in den verschiedensten Sprachen und Dialekten schallte aus allen Räumen; in den Winkeln erblickte man Eimer mit Eis und auf ihnen die saftigen Bananen, die würzigen Ananas, den edlen Rheinwein und den perlenden Champagner; wer hätte wohl in solcher Gesellschaft nicht fröhlich sein wollen! Weit hinaus über Bord flogen die leeren Flaschen, und neue wohlgepfropfte nahmen die kühlen Stellen in den Eisbehältern ein; lauter und herzlicher schallten die heimatlichen Weisen, begleitet von dem ununterbrochenen Aechzen und Stöhnen der Maschinen.

In der Nacht des 15. April warf der »Oregon« vor Panama Anker, worauf die Passagiere angewiesen wurden, sich bereit zu halten, um das Dampfboot sogleich verlassen zu können. In der Entfernung von 1 ½ englischen Meile (näher können schwere Schiffe nicht heran) erkannten wir die dunklen Umrisse des Landes und erblickten hin und wieder matte Lichtschimmer, die auf den Wellen zu schwimmen schienen. Da die Einwohner von Panama schon längst auf die Ankunft des Dampfbootes vorbereitet waren, und durch einen Kanonenschuß Kenntniß vom Fallen der Anker erhalten hatten, so dauerte es nur kurze Zeit, bis zahlreiche Böte zu uns stießen, und gleich darauf nahm das regelmäßige Ausschiffen seinen Anfang. Passagiergüter, Fracht, so wie die Goldsendung, befanden sich bald auf dem Lande, und nach allen Richtungen durcheilten die Reisenden die dunklen Straßen der alterthümlichen Stadt. Ich landete mit einigen Reisegefährten in einem der ersten Böte, welche das Land erreichten; es war zur Zeit der höchsten Fluth, weshalb wir noch eine Strecke durch seichtes Wasser auf scharfem steinigem Boden waten mußten, ehe wir uns wirklich auf dem Trockenen befanden. Unsere Versuche, noch in irgend einem Gasthofe ein Unterkommen für den übrigen Theil der Nacht zu finden, scheiterten gänzlich, denn das auf dem Atlantischen Ocean in derselben Linie mit dem »Oregon« fahrende Dampfboot »Illinois« war schon einige Tage früher in Aspinwall auf der Ostseite der Landenge angelangt, und Panama in Folge dessen mit Hunderten von Passagieren angefüllt, die auf Gelegenheit nach Californien harrten. So trafen wir alle nicht verschlossenen Häuser so überfüllt, daß wir es vorzogen, in den Straßen zu lustwandeln und auf dem breiten Wall, der in's Meer hinausreicht, den Anbruch des Tages zu erwarten.

Trotz des Wogens und Treibens, trotz der aus allen Weltgegenden dort zusammengewürfelten Menschenmassen, welche zeitweise Panama überfluthen, hat die Stadt noch nichts von ihrem alterthümlich-ehrwürdigen Charakter verloren, und selbst das wilde Getöse der hin- und herreisenden Völker ist nicht im Stande, die Gedanken gänzlich zu unterdrücken, die sich uns Angesichts der Denkmäler gefallener Größe aufdrängen. Die Ruinen alter, in geschmackvollem Stile ausgeführter oder theilweise noch unvollendeter Kirchen und großer Gebäude zeugen von der Wichtigkeit, die einstmals diesem Orte beigelegt wurde; tropische Schlingpflanzen verbergen halb die kühnen Bauten; Palmen wuchern auf den einsamen Höfen; und in den Spalten der zerfallenden Mauern haben Bananenbäume Wurzeln geschlagen und beschatten mit ihren dichten Kronen die leeren Bogenfenster und Oeffnungen in dem grauen Mauerwerk. Ich konnte mich nicht satt sehen an den herrlichen Gruppen und Bildern, die sich vor mir aneinander reihten, und bedauerte nur, so bald diesen interessanten Punkt verlassen zu müssen,

Ermüdet gelangten wir endlich auf den breiten Wall, dessen Grundsteine der stille Ocean während der Fluth bespülte. Wir gingen auf und ab, blickten hinüber nach den Inseln, die sich im Westen von uns erhoben, und nach der Küste des Festlandes, welches die nördlichste Spitze von Südamerika bildet; wir bewunderten die mächtigen Broncekanonen, welche noch immer die ihnen vor langer Zeit angewiesenen Stellen einnahmen und lagerten uns endlich auf dem grünen Rasen, um einige Stunden der Ruhe zu pflegen.

Es mochte 5 Uhr sein, als wir von der Stadt her wirres Getöse vernahmen, und daran erinnert wurden, daß auch wir nicht versäumen durften, einiger Maulthiere habhaft zu werden; um noch an diesem Tage die 30 Meilen entfernte Eisenbahnstation zu erreichen, wenn wir überhaupt noch mit dem »Illinois« die Reise nach New-York unternehmen wollten. Nachdem wir uns durch ein Bad im Ocean erfrischt, begaben wir uns nach dem Hause, in welchem die Dampfschiffcompagnie Güter und Passagiere über den Isthmus expedirt. Die Straßen wimmelten von Maulthieren, die von dunkelbraunen Mestizen mit ächten Mörderphysiognomien für den Preis von 10 bis 30 Dollar zum Ritt nach der Eisenbahnstation an die Reisenden vermiethet wurden. Unserer Sachen wegen, welche wir alle einem Agenten übergaben, mußten wir etwas zögern, woher es uns nur noch mit genauer Noth gelang Reitthiere zu erhalten, die fast alle wie durch Zauber mit den Hunderten von Passagieren verschwunden waren. Nachdem wir auf den Rath einiger dort wohnender Amerikaner unsere Waffen vorher untersucht, begaben wir uns gegen 10 Uhr auf den Weg und befanden uns bald außerhalb der Stadt zwischen kleinen Plantagen, die in tropischer Ueppigkeit prangten, und zwischen dicht verschlungenen Waldungen, in deren oberen Regionen Papageien und Affen ihr lärmendes Wesen trieben. Einer uralten schlecht gepflasterten Straße folgend, die so schmal war, daß wir oftmals kaum den uns immerwährend begegnenden Maulthieren auszuweichen vermochten, gelangten wir allmälig auf die Höhe. Die Sonne brannte senkrecht auf unseren Scheitel, so daß selbst auf den Höhen die Hitze unerträglich wurde und wir jede kleine mit Palmenwedeln gedeckte Hütte, in welcher uns gegen gute Bezahlung kühlende Limonade geboten wurde, freudig begrüßten. Vielfach begegneten uns auch Eingeborne, lauter schwarzbraune, colossale, halbnackte Gestalten, die, der Neger- und der kupferfarbigen Raçe entsprossen, durch ihr grobes, brutales Wesen und die zwei Fuß langen, breiten Messer, welche sie gewöhnlich unter dem Arme trugen, uns deutlich machten, warum uns gerathen worden war, auf unserer Hut zu sein, und da wir nur eine kleine Gesellschaft bildeten, die Waffen zum augenblicklichen Gebrauche bereit zu halten.

Spät Abends, als unser Weg durch die über uns dachförmig ineinander verwachsenen Bäume in pechschwarze Finsterniß gehüllt war, und wir es nur der Sicherheit der Thiere verdankten, daß wir nicht durch die uns begegnenden Eingebornen in tiefe Abgründe hinabgestürzt wurden, erreichten wir endlich die Station, wo einige große aus Brettern und Balken zusammengefügte Häuser zur Aufnahme der Fremden bestimmt waren. Wir stiegen von unseren Thieren, überließen dieselben, nach dortigem Gebrauch, gesattelt und gezäumt der Freiheit und begaben uns in eine Halle, wo Menschen in dichtem Gedränge durcheinander wogten. Da ich auch Tische mit Speisen wahrnahm, so wie in einer Ecke einen langen Schenktisch, hinter welchem ein Neger präsidirte, fragte ich sogleich, ob ich Abendbrot, und ein Nachtlager erhalten könne, worauf mir der Neger zur Antwort gab, daß mir beides zu Theil werden solle, doch möchte ich mir vor allen Dingen drei Marken kaufen, so lange noch welche zu haben seien, es würde mir alsdann eine bei der Abendmahlzeit, eine zweite im Bett und die dritte beim Frühstück abgefordert werden. Nach einigem Hin- und Herreden folgte ich dem Beispiel der übrigen Reisenden und löste mir die Marken für den mäßigen Preis von einem Dollar für's Stück. Als ich darauf den ersten Bissen der ganz gut zubereiteten Speise zum Munde führte, stellte sich ein Mestize bei mir ein, der mir die erwähnte Karte abnahm, ohne welche ich natürlich von der Tafel gewiesen worden wäre. Nach Tische begab ich mich auf den Boden, um mich nach einem Nachtlager umzusehen; es befanden sich daselbst allerdings Hunderte von Betten, doch hatte jedes einzelne schon zwei Inhaber, die friedlich neben einander lagen und gewiß nicht gesonnen waren, sich durch irgend etwas auf der Welt ungestraft in ihrer Ruhe stören zu lassen. Mich widerten die Betten, so wie die dicke ungesunde Luft in dem eingeschlossenen Räume an; ich stieg hinunter, streckte mich vor der Thüre auf eine Bank und verfiel bald in einen gesunden Schlaf. Lange hatte ich indessen noch nicht gelegen, als ich an der Schulter gefaßt und heftig gerüttelt wurde. Bei meinem Erwachen erblickte ich sogleich den bekannten riesenhaften Neger, der ruhig vor mir stand und die Karte für das Nachtlager verlangte. Ich wußte im ersten Augenblick nicht, ob es Scherz oder Ernst sei, und sagte demselben, er möge mir nur die Karte im Bette abfordern; er erwiederte indessen, daß ich auf seiner Bank und unter seinem Dache schlafe, was gewiß mehr als einen Dollar werth sei. Ich sah das Thörichte eines Streites mit diesen Leuten ein, übergab die Marke und ließ zugleich einige scherzhafte Bemerkungen fallen über die bequeme Einrichtung, von den Gästen Geld zu verdienen. Beides nahm der Neger freundlich von mir an, und ungestört schlief ich dann auf meiner Bank, bis mich am folgenden Morgen die ersten Sonnenstrahlen weckten.

Trotz der interessanten Umgebung einer üppigen tropischen Vegetation, unterbrochen von kleinen Lichtungen und niedlichen, mit Palmenwedeln gedeckten Hütten, an welchen ich mich nicht wenig ergötzte, schlichen die Stunden mir doch nur langsam dahin, denn eines Theils war ich in Unruhe wegen meines Gepäckes, welches noch immer nicht angekommen war, dann aber befand ich mich in Ungewißheit über die Abfahrt des »Illinois« und wußte nicht, ob ich genöthigt sein würde, noch vier Wochen auf der an Fiebern und Räubern reichen Landenge zu verweilen. Doch das Glück war mir hold, denn noch vor Untergang der Sonne befand ich mich nach einer mehrstündigen Fahrt auf einer schlechten Eisenbahn in Aspinwall und löste mir zusammen mit meinen Gefährten sogleich Billets zur Reise auf dem »Illinois«.

Auf unsere Fragen, wann das Dampfboot die Anker lichte, erhielten wir den Bescheid: »Morgen früh.« Wir begaben uns daher nach dem besten Gasthofe, um uns nach den letzten unbequemen Tagen etwas zu erholen, lösten uns abermals drei Marken und gingen dann fröhlich und guter Dinge in den Speisesaal. Noch saßen wir in gemüthlicher Unterhaltung beisammen, als ein Kanonenschuß zu uns herüber donnerte; wir wurden aufmerksam, doch ließ uns ein zweiter Schuß nicht mehr im Zweifel, daß der »Illinois« sich eines Anderen besonnen habe und noch an demselben Abende sich auf den Weg zu begeben gedenke. Es war keine Zeit zu verlieren, wir stürzten zu unseren Sachen, und nach einer Stunde im wirrsten Gedränge befanden wir uns endlich an Bord des Dampfbootes mit den beiden Marken in der Tasche, welche wir als Andenken an Aspinwall und seine industriellen Gastwirthe nach New-York mitnahmen.

Von einer glücklichen Seereise ist nur sehr wenig zu erzählen. Ich sah die blauen Küsten von Cuba und den Bahama-Inseln und landete nach einer neuntägigen Fahrt am 28. April in New-York. Nur zwei Tage verweilte ich daselbst, worauf ich nach Washington reiste, und nach wenigen Wochen in den Bureaux mit Lieutenant Whipple und meinen alten Reisegefährten wieder zusammentraf.


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