Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXVI.

Aufenthalt der Expedition an Leroux Spring. – Aufbruch derselben. – Mount Sitgreaves. – New Years Spring. – Bill Williams Mountains. – Graue Bären. – Die Eingebornen dortiger Regionen. – Deren Feindseligkeiten gegen Weiße. – Leroux's Erzählungen seiner Abenteuer mit denselben. – Rückkehr der Recognoscirungs-Abtheilung. – Aufbruch und Weiterreise der Expedition. – Lava Creek, – Cedar Creek. – Partridge Creek.

Die Tage, welche wir am Fuße der San Francisco Mountains zubrachten, waren empfindlich kalt, und wären wir durch die Berge selbst nicht so geschützt gewesen, so hätten wir durch den Nordwind bedeutend leiden müssen. Während des Tages machten wir kleine Streifzüge in die nächste Umgebung, doch standen wir sehr bald wieder davon ab, indem außer den schönen grauen Eichhörnchen sich keine lebenden Wesen, auch nicht die Spuren von Wild zeigten, wodurch die Jagdlust hätte angeregt werden können; übrigens war es auch keine leichte Arbeit, in dem tiefen Schnee zu waten. Mehrere von uns machten einen Versuch, den Berg, der uns am nächsten lag, zu ersteigen, doch mußten wir, nachdem wir etwas über die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, unser Vorhaben aufgeben, denn unsere Gelenke erlahmten förmlich, als wir bei jedem Schritte knietief in den Schnee sanken und noch dazu die Aussicht hatten, zuletzt ganz stecken zu bleiben; so sehr nahmen die Schneemassen zu, als wir aufwärts stiegen. Einen Blick in die Ferne hatten wir erhaschen können; doch ließen beschneite Gebirgsmassen, welche uns von allen Seiten umgaben, uns über Alles, was über 25 Meilen von uns entfernt war, im Unklaren; genau gegen Westen überragte eine blaue Gebirgsmasse das wilde Terrain, und wir schlossen, daß dies die Bill Williams-Berge sein müßten. Wie sich später auswies, hatten wir uns nicht getäuscht; das Gebirge war zwar noch 60 Meilen von uns entfernt, doch die Kuppen desselben hatten wir schon in den Lichtungen des Waldes hin und wieder wahrnehmen können.

Matt im höchsten Grade, kamen wir gegen Abend wieder im Lager an und begannen sogleich unsere gewöhnlichen Vorbereitungen zu treffen, um während der Nacht die empfindlicher werdende Kälte von uns abzuhalten. Hierhin gehörte besonders, daß wir Lavablöcke, die in allen Größen zerstreut umherlagen, in's Feuer wälzten und so heiß wie nur möglich werden ließen. Mit hölzernen Hebeln schoben und wälzten wir sie dann in die Zelte, wo eine angenehme Wärme von ihnen ausströmte und dadurch während der Nacht eine behagliche gleichmäßige Temperatur in dem eingeschlossenen Räume hergestellt wurde. Auch mit anderen Steinen hatten wir dieses Verfahren versucht, doch fanden wir, daß die glühenden Lavastücke viel langsamer wieder erkalteten, wie es auch länger dauerte, bis sie glühend wurden.

Am Abend des 30. Decembers kehrten schon zwei berittene Mexikaner mit der Weisung von Lieutenant Whipple zurück, daß wir seinen Spuren am anderen Tage folgen sollten. Seiner Anordnung gemäß mit einem kleinen Vorrathe von Wasser versehen, trat also unsere ganze Expedition am 31. December die Weiterreise an. Wir bogen um den Hügel, der gegen Westen das Thal von uns abgrenzte, und hatten dann steiniges, schwer zu passirendes Terrain vor uns. Nur klein war an diesem Tage unser Marsch, doch sahen wir am Abend die Bill Williams Mountains schon viel deutlicher; da wir aber eine mehr nördliche Richtung verfolgten, so mußte dieses Gebirge südlich von uns liegen bleiben, und es war also nicht anzunehmen, daß wir demselben noch viel näher rücken würden. Wiederum mußten wir uns in diesem Lager mit Schneewasser behelfen, da das von der Quelle mitgenommene kaum am Abend und am folgenden Morgen zum wärmenden Kaffee für uns hinreichte. Spät Abends trafen noch zwei von Lieutenant Whipple zurückgesendete Soldaten ein, die uns die Weisung überbrachten, zwei Tagereisen seinen Spuren zu folgen und an einer Wasserlache, an welcher uns dieselben vorbeiführen würden, seine Rückkehr zu erwarten. Die beiden Soldaten hatten sich schon in aller Frühe an diesem Tage auf den Weg begeben und nicht viel Mühe gehabt, auf dem einmal gebrochenen Pfade in die Nähe unseres Lagers zu gelangen. Es war indessen schon ganz dunkel, als sie unserer Feuer ansichtig wurden, und da sie nicht vermutheten, daß wir schon so weit vorgerückt seien, so hatten sie unsere Wachtfeuer für ein Lager der Eingebornen gehalten und waren vorsichtig in einiger Entfernung um dasselbe herumgeschlichen, bis sie überzeugt wurden, daß wir es seien.

Unser Aufenthalt an dieser Stelle währte also nur die eine Nacht, und rüstig verfolgten wir am folgenden Morgen (l. Januar 1854) die uns vorgeschriebene Straße. Einige Meilen hatten wir noch durch Tannenwaldungen, über felsige Hügel und durch rauhe Schluchten zurückzulegen, und dann befanden wir uns am Rande einer großen Ebene, die ringsum von dunklen Waldungen eingeschlossen war und in deren Mitte sich wie eine Oase ein kleiner, mit Buschwerk bewachsener Felsenhügel erhob. An diesem Hügel vorbei führte der Pfad, denn die Thiere von Lieutenant Whipple's Abtheilung in dem tiefen Schnee gebrochen hatten. Eine bedeutende Senkung des Landes gegen Westen war hier auf der Fläche besonders bemerkbar; freilich befanden wir uns am vorigen Tage schon nicht mehr in gleicher Höhe mit Leroux's Quelle, doch hatte die rauhe Straße so wie der uns fortwährend umgebende Wald uns jede Aussicht so benommen, daß wir das Senken des Landes nicht wahrnehmen konnten und nur durch die barometrischen Messungen davon in Kenntniß gesetzt wurden. Bei dem Hügel angekommen, entdeckten wir die glimmenden Feuer, die Lieutenant Whipple am Tage vorher verlassen, nachdem er daselbst die Nacht zugebracht hatte. Sie waren uns willkommen; es bedurfte nur einigen Schürens, um die Flammen wieder auflodern zu machen und, wie leicht erklärlich, hatte fast Jeder in unserem Zuge ein kleines Gewerbe bei denselben. Der Eine sprach vor, um seine Pfeife in Brand zu setzen, der Andere um die durchnäßten Mokkasins zu trocknen oder die erstarrenden Glieder aufzuwärmen; doch viel Zeit nahm sich Keiner, da es bekannt geworden war, daß wir diese Nacht in dem hohen Walde, der noch mehrere Meilen vor uns die Ebene begrenzte, zubringen sollten. Dorthin eilten die Meisten also den Wagen voraus, um bei deren Ankunft eine Stelle von Schnee gereinigt und trockenes Holz zum Feuer herangeschafft zu haben. Eine Hügelreihe vor uns, deren östliche Abhänge nur wenig mit Schnee bedeckt waren, bot an diesem Tage unseren Thieren ein erträgliches Futter, doch wirkte die strenge Kälte so wie die Wunden, welche die Packsättel ihnen gedrückt, und die bei schwerer Arbeit gar nicht wieder heilen konnten, sehr nachtheilig auf dieselben.

Am 2. Januar 1854, nachdem wir eine kurze Strecke durch den Wald zurückgelegt hatten, zogen wir südlich an einem hohen Berge vorbei, dem nach Capitain Sitgreaves der Name Mount Sitgreaves, beigelegt wurde. Einige kleinere Hügel umgaben denselben und entzogen uns für eine Zeit lang die Aussicht auf die nordöstlich von uns liegenden San Francisco Mountains. Im Südwesten bot sich uns aber dafür eine volle Aussicht auf die Bill Williams Mountains, ebenfalls eine Gruppe zusammenhängender, mit Cedern und Tannen bewachsener Berge, die als ausgebrannte Vulkane nicht zu verkennen waren. Südlich von uns erstreckte sich eine niedrige Bergkette von Osten nach Westen und schien sich dann in einer Ebene zu verlieren; blickten wir gegen Westen, so glaubten wir eine weite Fläche vor uns zu haben, die hin und wieder von kleinen hervorragenden Hügeln und Felsen unterbrochen wurde. In weitester Ferne erkannten wir zwei große Gebirgszüge, die mit Schnee bedeckt waren und von Süden nach Norden aneinander hinzulaufen schienen. Das Land vor uns senkte sich bedeutend, die Waldungen verschwanden, einzelne Streifen von Gehölz nahmen deren Stelle ein, und das Auge vermochte weit über Landstriche hinzustreifen, die nicht mehr mit Schnee bedeckt waren. Nicht weit von dem Fuße des Mount Sitgreaves fanden wir das Wasser, welches in einer Art Teich oder Lache bestand, die mit dicker Eisrinde überzogen war. Zahlreiche Spuren von grauen Bären waren im Schnee ringsum abgedrückt, doch schienen diese Spuren schon alt zu sein, was wohl mit dem festen Zufrieren des Wasservorrathes in Verbindung stehen mochte.

Dort nun an dem New Years Spring, von Lieutenant Whipple so benannt, weil er am 1. Januar daran gelagert hatte, schlugen wir unsere Zelte auf und richteten uns so häuslich wie möglich ein, denn erst nach einigen Tagen konnten wir der Ankunft von Lieutenant Whipple und seiner Abtheilung entgegensehen. Wir waren kaum 30 Meilen von Leroux Spring entfernt, doch befanden wir uns schon an 300 Fuß tiefer, und die Basis der Bill Williams Mountains, die vielleicht 20 Meilen von uns in südwestlicher Richtung lagen, hatte eine 200 Fuß tiefere Lage.

Die zahlreichen Fußtapfen von grauen Bären, welche den Wald in allen Richtungen durchkreuzten, gaben uns Veranlassung sie zu verfolgen. Wir jagten in der südlich von uns gelegenen Waldung, wir durchsuchten den Forst auf dem Mount Sitgreaves und den angrenzenden Hügeln. Auch fanden wir Lager von Bären und zwar an manchen Stellen in solcher Unzahl, daß, wären sie anwesend gewesen, wir gewiß auf jedem dritten Morgen Land einem begegnet wären; denn gerade die Abhänge und Schluchten des Mount Sitgreaves schienen der Lieblingsaufenthalt derselben zu sein. Selbst Leroux, der alte Trapper und Jäger, wußte sich nicht zu erinnern, jemals diese Thiere in einer solchen Anzahl auf einen verhältnißmäßig kleinen Raum zusammenlebend gesehen zu haben. Doch leider war die ganze Bärengesellschaft nur wenige Tage vor unserer Ankunft ausgewandert. Das Gefrieren des Wassers mußte die Ursache davon gewesen sein, denn wir fanden auf dem Eise die Spuren, welche sie bei dem Versuche, dasselbe zu durchbrechen, zurückgelassen hatten. In kleinen Trupps von acht und mehreren hatten sie ihre Reise gegen Süden angetreten; ihre Pfade waren mithin auf dem schimmernden Schnee zu erkennen, denn da sie immer einer hinter dem anderen geschritten waren und sorgfältig jeder seine unförmlichen Tatzen in die Fußtapfen seines Vordermannes gesetzt hatte, so waren dadurch breit ausgetretene Spuren entstanden, in welchen der Schnee, geschmolzen durch die Wärme der fleischigen Fußsohlen, wieder zu glattem Eise gefroren war. Ungern schienen sie übrigens diese Gegend verlassen zu haben, die ihnen ihre Lieblingsspeise, die süßen Früchte der Cedern im Ueberfluß bot; doch der Wassermangel hatte sie zu der allgemeinen Wanderung bestimmt, und unsere Bärenjagd beschränkte sich daher einzig darauf, daß wir Tage lang den Spuren folgten und aus den riesenhaften Abdrücken der Tatzen auf die Größe der Bären schlossen. Jeden Tag, so lange wir uns an der Neujahrsquelle aufhielten, durchsuchten wir die Wälder, bestiegen die nahen Gebirge und kletterten in tiefe Schluchten hinab; doch nur das graue Eichhörnchen belebte die Einsamkeit und floh scheu bei unserer Annäherung in die höchsten Bäume hinauf.

Es giebt wohl kaum menschliche Wesen, die auf einer niedrigeren Stufe stehen, als die Eingebornen zwischen den San Francisco Mountains und dem großen Colorado des Westens. Es ist mehrfach die Ansicht ausgesprochen worden, daß die meisten derselben zu dem Stamme der Apache's gehören oder vielmehr mit ihnen verwandt sind. Raubgierig, wie diese, sind sie auch nicht weniger scheu und mißtrauisch, und noch immer scheiterten die Versuche, die hin und wieder angestellt wurden, in freundlichen Verkehr mit ihnen zu treten. Der Anblick eines Weißen verursacht ihnen Schrecken, doch schleichen sie stets den dort Reisenden nach, um ihre langen Pfeile aus sicherem Versteck auf Menschen und Thiere zu versenden. Wären sie im Besitz werthvoller Gegenstände, die für die Weißen vortheilbringend sein könnten, so möchten wohl schon mehr durchdachte Versuche zur Civilisation dieser Wilden und mit besserem Erfolge gemacht worden sein. So aber bieten diese Menschen nichts als das nackte Elend und unterscheiden sich von den Raubthieren des Waldes nur dadurch, daß sie sich unter einander durch Sprache verständigen können. Ihre Gestalten sind häßlich und verkümmert, wie es nicht anders zu erwarten ist, wenn man bedenkt, welches ihre einzigen Subsistenzmittel sind. Die Beeren der Ceder und die eßbaren Nüsse einer Art Tanne ( pinus edulis), Grassame und die Wurzel der mexikanischen Agave sind ihre Hauptnahrungsmittel, Fleisch lieben sie zwar ganz besonders, doch sind sie nur schlechte Jäger, was bei dem Ueberfluß an Wild in ihren Territorien besondere Verwunderung erregen muß; und so wird ihnen Fleisch nur selten zu Theil, es sei denn daß es ihnen gelänge, den Bewohnern von Neu-Mexiko hin und wieder einige Maulthiere zu rauben oder den dort mitunter vorbeireisenden Jagdgesellschaften ein sich etwas von der Heerde entfernendes mit Pfeilen zu verwunden, so daß es zurückbleiben und ihnen überlassen werden muß, Capitain Sitgreaves hatte auf diese Weise mehrmals Verluste erlitten, indem die Eingebornen, die unter dem Namen Cosninos oder Cochnichnos bekannt sind, sich der Heerde zu nähern suchten, um eine Ladung von Pfeilen unter dieselbe zu senden und dann schleunigst zu entfliehen. Bei einer solchen Gelegenheit waren ihm auf einmal drei Maulthiere getödtet worden, und als er darauf seine Soldaten auf die Wilden feuern ließ, befanden sich dieselben schon wieder außer dem Bereich der Schußwaffen, und nur eine starke Blutspur verrieth, daß doch einer der Indianer eine Lehre mit auf den Weg erhalten hatte. War Capitain Sitgreaves, als er diese Territorien durchreiste, fortwährend von diesen wilden Horden belästigt, so konnten wir dagegen ungehindert uns weit von unserem Lager entfernen, ohne auch nur auf frische Spuren zu stoßen. Der Grund war der, daß Capitain Sitgreaves drei Monate früher im Jahre, als wir die Reise unternahm, also zu einer Zeit, wo die Eingeborenen ihre Ernten in den Wäldern hielten, und Frost und Schnee sie nicht von dort vertrieben hatten.

Mehrmals wurde ich indessen, als ich mich etwas zu weit vom Zuge entfernt hatte, von Leroux gewarnt, aus meiner Hut zu sein und mich nicht mit zu großem Vertrauen in die Schluchten und Cedernwaldungen zu wagen. Er belegte die Richtigkeit seiner Behauptung, als wir eines Tages neben einander reitend unsere Straße verfolgten, durch einige Erzählungen von Abenteuern, die er gerade mit diesen Cosnino- und Yampay-Indianern erlebt hatte.

»Es war auf meiner Reise mit Capitain Sitgreaves,« hob er an. »Wir hatten einen starken Marsch zurückgelegt, da wir aber auf Wasser zu stoßen hofften, so wollten wir noch einige Stunden weiter ziehen. Die langen Septembertage begünstigten unser Vorhaben; wir hielten deshalb eine kurze Zeit an, theils, um unsere Thiere sich etwas zu erholen, dann aber auch um die vor Mattigkeit Zurückgebliebenen wieder herankommen zu lassen. Vor uns lag eine Hügelreihe, aus welcher zwischen Gerölle und großen Felsblicken spärliches Buschwerk Wurzel geschlagen hatte. Um einen Blick über die nächste Umgebung zu gewinnen und mich zu orientiren, vielleicht auch Zeichen von der Nähe des Wassers zu entdecken, stieg ich aus den Hügel, Glücklicherweise hatte ich meine Büchse mitgenommen, denn noch war ich 25 Schritte von dem höchsten Punkte entfernt, als ein ganzer Hagel von Pfeilen auf mich zu sauste. Die Entfernung, welche mich von den verrätherischen Eingebornen trennte, die lustig auf mich schossen, war zu gering, als daß ich hätte ausbiegen und mich vor den Pfeilen decken können. Drei derselben trafen mich, zum Glück aber so, daß ich im Gebrauch meiner Büchse, die ich blitzschnell anlegte, nicht verhindert wurde. Es waren lange Pfeile mit steinernen Spitzen, von denen einer mich von der Seite hinter dem Ohre traf, der andere mir den Oberarm verwundete, der dritte aber auf äußerst schmerzhafte Weise sich über dem Handgelenk mit der Spitze zwischen die beiden Armknochen klemmte. Der Schaft fiel natürlich herunter, doch blieb der Stein fest haften. So wie ich meine Büchse anlegte, waren die Wilden augenblicklich hinter den Felsblöcken verschwunden. Vorsichtig bewegte ich mich darauf rückwärts und rief mit lauter Stimme nach meinen Freunden. Als ich indessen meine Augen wendete, glitten die Indianer wie wilde Katzen von Stein zu Stein; hob ich dann meine Büchse, so verbargen sie sich eben so schnell wieder hinter vorragenden Gegenständen. Mehrmals hätte ich Gelegenheit gehabt, Einem von ihnen den Schädel zu zerschmettern, doch hütete ich mich wohl meinen Schuß abzugeben, wodurch ich mir den Angriff des ganzen Haufens würde zugezogen haben. Lange hätte dieses Versteckspielen indessen nicht mehr dauern können, als auf mein Rufen einige meiner Kameraden zu Hülfe eilten, bei deren Anblick die Wilden schleunigst die Flucht ergriffen. Ich schickte ihnen eine Kugel nach, doch konnte ich mit meiner verwundeten Hand nicht besonders zielen und zerschmetterte einem dieser boshaften Eingebornen den Arm anstatt seines verrätherischen Schädels, Meine Wunden an Kopf und Oberarm heilten sehr bald wieder, hingegen gelang es nur mit der größten Mühe, die zwischen den beiden Knochen über dem Handgelenk zurückgebliebene Pfeilspitze hervorzuziehen. Für die ganze Dauer der Reise konnte ich meinen Arm nicht mehr gebrauchen, denn die von scharfen Steinen gerissenen Wunden heilen viel schwerer, als die durch eine eiserne Spitze verursachten. – Ein andermal, schon einige Jahre früher,« fuhr Leroux fort, »befand ich mich mit mehreren Kameraden in dieser Gegend, um Biber zu fangen. Wir hatten lange keine Spuren von Indianern gesehen und waren deshalb sorglos geworden. Wir legten uns des Abends zum Schlafen nieder und ließen unsere Maulthiere in unserer Nähe grasen. Als wir so eines Morgens unsere Thiere satteln wollten, waren dieselben zu unserem nicht geringen Schrecken verschwunden. Die Spuren, die sie zurückgelassen hatten, ließen uns nicht im Zweifel darüber, auf welche Weise wir darum gekommen waren. Wären wir den Räubern gleich aus frischer That nachgefolgt, so würden wir schwerlich wieder in den Besitz unseres Eigenthums gekommen sein, wir blieben also noch einen Tag an derselben Stelle und begaben uns dann auf den Weg, immer den Spuren unserer Thiere folgend. Die Indianer, als sie sich am ersten Tage nicht verfolgt sahen, gaben sich nach unserem Beispiel einem Gefühl von Sicherheit hin und widerstanden nicht länger ihrem Appetit auf Maulthierfleisch, wodurch es uns gelang, sie zu überraschen. Trotz der größeren Schwierigkeiten waren wir doch nur des Nachts gereist und hatten in der Dunkelheit zwar häufig die Spuren verloren, waren aber glücklich genug, immer wieder die alte Richtung aufzufinden. In der Mitte der zweiten Nacht unserer Reise, als wir die Hoffnung schon fast ausgegeben hatten, jemals unsere Thiere wieder zu sehen, erblickten wir vom Gipfel eines Bergrückens in einer Schlucht ein kleines Feuer. Wir Alle waren sogleich davon überzeugt, daß Niemand anders als die Räuber unserer Maulthiere dort lagern konnten und trafen deshalb unsere Vorkehrungen. Von verschiedenen Seiten krochen wir dem Feuer zu und stürzten uns auf ein gegebenes Zeichen mit wildem Geschrei auf die um dasselbe Versammelten. Ohne auch nur einen Gedanken an Widerstand zu zeigen, verschwanden die Indianer in der Dunkelheit. Wir fanden alle unsere Thiere mit Lasso's an die nächsten Bäume gefesselt bis auf eines, dessen Ueberreste zerstreut umherlagen. Auch einen alten Indianer entdeckten wir noch, der sich mühsam vom Feuer fortzuwälzen versuchte. Als wir ihn ergriffen, wurden wir gewahr, daß dieses thierische Geschöpf mit einer solchen Gier Unmassen von Maulthierfleisch verschlungen hatte, daß es sich kaum von der Stelle zu bewegen vermochte und zur Flucht vollständig unfähig war. Wäre es ein junger, rüstiger Indianer gewesen, so würden wir ihn ohne weiteres erschossen haben, doch kam uns dieses Geschöpf so vernunftlos, so erbärmlich thierisch vor, daß es förmlich Abscheu in uns erregte und wir dasselbe nur mit einigen Kautschuhhieben auf seinem nackten Rücken bezahlten.«

Dies waren einige von Leroux's Erlebnissen, die er mir mittheilte, um mich vorsichtiger auf meinen Streifzügen zu machen. Sie trafen keine tauben Ohren, doch wird es einem leidenschaftlichen Jäger schwer, sich selbst durch solche Rücksichten auf einer begonnenen Jagd zurückhalten zu lassen. Wären übrigens alle unsere Leute vorsorglicher gewesen, so möchten einige unserer Mexikaner wohl schwerlich ihre Unvorsichtigkeit mit dem Leben gebüßt haben.

Am 7. Januar gegen Abend kehrten endlich Lieutenant Whipple und seine Leute zu uns zurück, Er hatte allerdings das Land vor uns nicht unzugänglich für Wagen gesunden, doch lauteten die Nachrichten über die Beschaffenheit des Bodens nicht sehr günstig. Der Schnee hatte nämlich nach einer kurzen Strecke schon sein Ende erreicht, wodurch ein scharfer, mit Lava bedeckter Boden bloßgelegt war, auf welchem unsere Thiere, trotzdem sie beschlagen waren, an ihren Hufen leiden mußten. Mit unserer Schafheerde war es nicht ganz so schlimm, denn es konnten diejenigen, die erlahmten und nicht weiter fortzubringen waren, in jedem neuen Lager geschlachtet und rationenweise vertheilt werden; doch durften wir mit diesen auch nur sehr sparsam umgehen, indem immer mehr Schafe dazu gehörten, die an die Expedition zu vertheilenden Pfunde Fleisch voll zu machen, so sehr verloren sie durch Futtermangel und schlechten Boden an Gewicht. Während unseres Aufenthaltes an der Neujahrsquelle waren die Schmiede fortwährend beschäftigt gewesen, die Hufe der Maulthiere zu untersuchen und wo es nöthig war, neue Eisen aufzulegen. Nach der Rückkehr der Recognoscirungs-Abtheilung wurde dasselbe auch mit deren Thieren vorgenommen und noch ein anderer Tag zu diesem Zwecke verwendet, so daß wir erst am 9. Januar unsere Weiterreise antraten.

So wie sich das Land vor uns senkte und wir Meile auf Meile bergab zurücklegten, nahm auch der Schnee ab, und schon gegen Mittag war derselbe gänzlich um uns her verschwunden. Nur wenig Nadelholz bekränzte die Schluchten und Risse, die in allen Richtungen das Land durchkreuzten. Wie eine weite, wellenförmige Ebene dehnte sich dasselbe vor uns aus, doch nur scheinbar, denn überall stießen wir auf tief ausgewühlte, felsige Spalten, über welche hinweg zu kommen unsere und unserer Thiere Kräfte bis auf's Aeußerste in Anspruch nahm. Die Schwierigkeiten in Verbindung mit dem so ungünstigen Boden und dem schlechten Futter drohten unsere ganze Heerde aufzureiben, und hier besonders hatten wir Gelegenheit wahrzunehmen, wie sehr auf solchen Reisen die Maulthiere den Vorzug vor den Pferden verdienen, denn bei so viel Arbeit und Mühseligkeit und bei solchem Futtermangel hätte schon das letzte Pferd zu Grunde gehen müssen, während wir jetzt nur genöthigt waren, die schwächsten Maulthiere unbeschwert nebenher laufen zu lassen.

Genau nördlich von dem Bill Williams Mountains, in der Entfernung von ungefähr 10 Meilen von deren Basis, brachten wir die Nacht des 9. Jan. zu. Die Schlucht, die uns durch ihren großen Wasservorrath zur Wahl der Lagerstelle bestimmt hatte, nahm eigentlich dort erst ihren Anfang, indem die zur Regenzeit aus nahen Niederungen zusammenfließenden Wasser sich tief in die Erde hineingewühlt und in ihrem Sturz einen Trichter gebildet hatten, in welchem bei unserer Ankunft reichliches, mit einer Eisrinde überzogenes Wasser stand, während in der ganzen Schlucht, so weit wir derselben nachforschten, sich auch nicht der kleinste Wasserspiegel zeigte. Die steilen Uferwände desselben bestanden fast nur aus schwarzer Lava, während im Bette selbst Lavablöcke angehäuft lagen. Einen passenderen Namen als Lava-Creek hätte diese Schlucht daher nicht erhalten können, und so wurde sie demnach für ewige Zeiten getauft. Auf einer weiten Strecke hatten wir jetzt immer dieselbe Naturumgebung, denselben rauhen Boden, dieselben tiefen Schluchten, dieselben Lavafelder und vulkanischen Hügel. Vereinzelt sahen wir hin und wieder den schwarzschwänzigen Hirsch und die Antilope; häufiger gaben uns Wölfe und Coyotas ihre Anwesenheit zu erkennen, indem sie uns heulend und kläffend umkreisten oder in den spärlichen Cedernwaldungen umherschlichen. Etwas Trostloses lag in dem Charakter der Gegend, die wenig geeignet schien, die Hoffnungen auf besseres Terrain für unsere Thiere zu heben, doch unveränderlich gab der Viameter die zurückgelegte Meilenzahl an, unermüdlich lagen die Mitglieder unserer Expedition ihren verschiedenen Arbeiten ob, ohne das Ziel der Reise, welches noch so fern vor uns lag, dabei aus den Augen zu verlieren.

Nachdem wir den Lava Creek verlassen hatten, war die nächste Stelle, die einer besonderen Erwähnung verdient, der Cedar Creek, ein ziemlich weites Thal, welches an den Seiten mit Cedern reichlich bewachsen war, weshalb das Flüßchen oder vielmehr der Bach, welcher nur in nassen Jahreszeiten Wasser zu führen schien, diesen Namen erhielt. Vier Meilen vor dem Cedar Creek begann das Land sich plötzlich zu senken und zwar so, daß auf diese Strecke von noch nicht einer deutschen Meile über 700 Fuß Gefälle kamen, was auf eine englische Meile 183 Fuß ausmachte. Doch war dieses Gefälle nicht gleichmäßig auf die ganze Strecke vertheilt, sondern oft fanden sich steile Abhänge, an denen wir unsere Wagen mit manchen Schwierigkeiten hinabzubringen hatten, ehe wir in's Thal des Cedar Creek gelangten.

Immer bergab ziehend (41 Fuß auf die Meile) erreichten wir am 11. Januar das felsige trockene Bette eines Flusses, welches in vielen Windungen sich gegen Südwest zog. Anfänglich hielten wir dieses für den Bill Williams-Fluß, der an den Bill Williams Mountains entspringend, dem großen Colorado zufließt; doch überzeugten wir uns später, daß wir uns geirrt, und nannten diesen Fluß Partridge Creek, weil zahllose reizende Rebhühner, die sich durch den prächtigen Kopfschmuck auszeichneten, zwischen seinen steilen felsigen Ufern lebten. Es war übrigens für unsere Expedition nicht leicht, sich von der Identität eines Flusses zu überzeugen, von dem man nur die Mündung genau kannte und dessen Quellen man an dem Bill Williams Mountains vermuthete. Alles Uebrige, was über diesen Fluß bekannt war, beruhte auf den Erzählungen und dem Zeugniß eines Trappers Bill Williams, der den großen Colorado hinunter kommend, die Mündung eines Flusses bei den Dörfern der Mohave-Indianer entdeckte, sodann, um Biber zu fangen, diesem Flusse aufwärts folgte und bis in die Nähe des Gebirges gelangte, welches ebenso wie der Fluß unter den westlichen Jägern nach ihm benannt wurde, bis endlich dieser Name seinen Weg auf die neuesten Karten fand. Eine schwierige Aufgabe wird es vorläufig noch bleiben, die genaue geographische Lage der Bill Williams Fork zu bestimmen. Die Ufer des Partridge Creek waren hoch und steil, die angrenzenden Ländereien aber so ungünstig für unsere Reise, daß wir an einer passenden Stelle in das Bette des Flusses hinabzogen und an einer Lache noch nicht ausgetrockneten Wassers unser Lager aufschlugen.

Nur bis hierher war Lieutenant Whipple gekommen, es mußten daher wieder neue Nachforschungen angestellt werden, ob eine Möglichkeit vorhanden sei, dem Bette des Flusses zu folgen, dasselbe aber auch wieder bequem zu verlassen. Letzteres schien wegen der sich hoch aufthürmenden Ufer noch ungewisser als das Erste.


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