Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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X.

Die Antelope Hills. – Der Prairie-Hund. – Erzählung der Abenteuer am Nebrasca. (Fortsetzung.) – Weintrauben. – Die Comanche-Indianer. – Die wilden Pferde oder Mustangs. – Des Naturaliensammlers Unfall.

So wurde denn der Canadian erreicht. Zu gleicher Zeit, als sein breiter Spiegel wahrgenommen wurde, konnte man in bläulicher Ferne einen Fernblick auf die nebligen Antelope Hills gewinnen. Diese verschwanden indessen wieder vor unseren Augen, als wir, um an den Fluß zu gelangen, unsern Weg zwischen wilden Hügeln hinab in's Thal suchten.

Wie änderte beim Näherrücken sich das Aussehen des Flusses! Träge sickerte die trübe, ziegelfarbige Fluth in dem breiten Bette dahin, kaum im Stande, den rollenden Treibsand zu bedecken; die Löcher, die gescharrt wurden, um Wasser zum Trinken aufzufangen, versandeten gleich wieder, und gelang es endlich, eines kärglichen Trunkes habhaft zu werden, so genügten einige Tropfen zur Belehrung, daß das Wasser des Canadian, welches weiter unterhalb zu jedem Gebrauch hinlänglich gut war, an dieser Stelle an Widerlichkeit dem der salzigen Nebenflüsse durchaus nichts nachgab. Doppelt beeilte sich daher Jeder, die Antelope Hills endlich zurückzulassen, um an dem westlichen Abhange derselben, in dem so lang entbehrten, unverdorbenen Elemente, schwelgen zu können.

Die Antelope oder Boundary Hills, die Antilopen- oder Grenzhügel, sind sechs tafelförmige Berge, die sich an 150 Fuß über der Ebene erheben. Ihre Form ist regelmäßig, einige sind ovalen, andere wieder runden, riesenhaften Wällen ähnlich. Alle sind mit einer horizontalen Lage oder Tafel weißen Sandsteines bedeckt, die eine Stärke von 18 Fuß hat, ohne Zweifel Ueberreste von Hochebenen, die hier so merkwürdig aus der unabsehbaren Ebene aufsteigen. Jeder dieser Wälle hat Stellen, an welchen leicht auf die Plattform zu gelangen ist; die Aussicht von da herab wird rings herum von dem Horizont begrenzt, der sich mit der dem Auge fast entschwindenden Grasebene verbindet.

Wie groß und wie still, wie erhaben und doch wie beängstigend ist diese Aussicht; nichts als die ewige, wellenförmige, grüne Prairie; kleine Streifen von verkümmertem Buschwerk ragen bin und wieder aus Schluchten oder Flußbetten hervor, aber grün, Alles ist grün bis auf die rothen Stellen am nördlichen Ufer des Canadian, Stellen, die, durch schweren Regen aller Vegetation beraubt, die weißen Adern zur Schau tragen, von welchen sie durchzogen sind. Der ziegelfarbige Fluß selbst kommt von Südwest herauf, und einen großen Bogen gegen Norden um die Hügel beschreibend, verliert er sich in östlicher Richtung.

Der Weg führte uns zwischen den Hügeln hindurch und im Westen derselben auf eine ebene Fläche, welche den Charakter des Landes plötzlich änderte. Wir fanden kurzes, fettes Buffalo-Gras, Prairiehunde und pfützenartige Teiche, die theilweise reichlich gutes Wasser enthielten. Die meisten der Teiche und alten Flußbetten waren ganz trocken, einige derselben auf lange Strecken mit Holz eingefaßt, andere wiederum nur an einzelnen Stellen des Ufers mit Buschwerk bewachsen, entbehrten fast gänzlich des Schmuckes schattiger Bäume.

So nun, wie eben beschrieben, blieb manche Tagereise ohne Abwechselung landschaftlicher Formen, und selten nur wurde die Einförmigkeit durch einen vereinzelt stehenden, konischen Hügel oder einen Tafelfelsen unterbrochen, welche ihrer Seltenheit wegen mit um so größerem Interesse von den Vorbeireisenden betrachtet und untersucht wurden.

Eins der merkwürdigsten lebenden Wesen, welches auf den Prairien und den hohen Tafelländern gefunden wird, ist unstreitig der Prairiehund ( Arctomys ludovicianus And.), der in der That nichts Anderes ist, als ein Murmelthier. Die alten canadischen Trapper nannten ihn zuerst petit chien, wozu der Lärm, welchen er zu machen pflegt und der dem Bellen eines kleinen Hundes nicht unähnlich ist, wohl den ersten Grund gegeben hat; hieraus entstand der Name Prairiehund, der auch bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Ansiedelungen dieser friedlichen Erdbewohner herangewachsen sind, davon kann man sich am besten überzeugen, wenn man ununterbrochen Tage lang zwischen kleinen Hügeln hinzieht, deren jeder eine Wohnung zweier oder mehrerer solcher Thiere bezeichnet.

Die einzelnen Wohnungen sind gewöhnlich 15 bis 20 Fuß von einander entfernt, und jeder kleine Hügel, der sich vor dem Eingange in dieselben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung Erde bestehen, die allmälig von den Bewohnern aus den unterirdischen Gängen an's Tageslicht befördert worden ist. Manche haben einen, andere dagegen zwei Eingänge; ein festgetretener Pfad führt von einer Wohnung zur andern, bei deren Anblick die Vermuthung rege wird, daß eine innige Freundschaft unter diesen lebhaften, kleinen Thieren herrschen muß. Bei der Wahl einer Stelle zur Anlage ihrer Städte scheint ein kurzes, krauses Gras sie zu bestimmen, welches besonders auf höheren Ebenen gedeiht und nebst einer Wurzel die einzige Nahrung dieser Thierchen ausmacht. Sogar auf den Hochebenen von Neu-Mexiko, wo viele Meilen im Umkreise kein Tropfen Wasser zu finden ist, giebt es sehr bevölkerte Republiken dieser Art, und da in dortiger Gegend mehrere Monate hindurch kein Regen fällt und man, um Grundwasser zu erreichen, über 100 Fuß in die Tiefe graben müßte, so ist fast anzunehmen, daß die Prairiehunde keines Wassers bedürfen, sondern sich mit der Feuchtigkeit begnügen, welche zeitweise ein starker Thau auf den feinen Grashalmen zurückläßt. Daß diese Thierchen ihren Winterschlaf halten, ist wohl nicht zu bezweifeln, denn sie legen keinen Futtervorrath für den Winter an; das Gras um ihre Höhlen vertrocknet im Herbste gänzlich und der Frost macht den Boden so hart, daß es unmöglich für sie sein würde, auf gewöhnlichem Wege sich Nahrung zu verschaffen. Wenn der Prairiehund die Annäherung seiner Schlafzeit fühlt, welches gewöhnlich in den letzten Tagen des Octobers geschieht, so schließt er alle Ausgänge seiner Wohnung, um sich gegen die kalte Winterluft zu schützen, und übergiebt sich dann dem Schlafe, um nicht eher wieder auf der Oberwelt zu erscheinen, als bis die warmen Frühlingstage ihn zu neuem, fröhlichem Leben erwecken. Den Aussagen der Indianer gemäß, öffnet der Prairiehund manchmal bei noch kalter Witterung die Thüren seiner Behausung: dies ist alsdann aber als sicheres Zeichen anzusehen, daß bald warme Tage zu erwarten sind.

Eine kleine Erdeule ( Athene hypogrea Bonaparte) ist die Mitbewohnerin dieser unterirdischen Ansiedelungen; sie lebt auf dem vertraulichsten Fuße mit den kleinen Vierfüßlern, doch gewöhnlich findet man die Eule nur in solchen Höhlen, die von ihren ursprünglichen Eigenthümern verlassen sind. Die Prairie-Klapperschlange wird ebenfalls vielfach in solchen Dörfern angetroffen, eine Erscheinung, die zu dem irrigen Glauben Anlaß gegeben hat, daß ein freundschaftliches Verhältniß zwischen Thieren bestehe, die doch nach dem Gesetze der Natur einander feindlich gegenüber stehen müssen. Allerdings schallt aus mancher Höhle das unheimliche Rasseln des giftigen Reptils dem forschenden Reisenden entgegen, doch sind das Wohnungen, die schon lange verlassen oder deren Bewohner durch den ungebetenen Gast verdrängt oder wohl gar verzehrt wurden.

Einen merkwürdigen Anblick gewährt eine solche Colonie, wenn es glückt, von dem Wachtposten unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. So weit das Auge nur reicht, herrscht ein reges Leben und Treiben: fast auf jedem Hügel sitzt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das kleine gelbbraune Murmelthier; das aufwärts stehende Schwänzchen ist in immerwährender Bewegung und zu einem förmlichen Summen vereinigen sich die feinen, bellenden Stimmchen vieler Tausende. Nähert sich der Beschauer um einige Schritte, so vernimmt und unterscheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfahrener Häupter, aber bald wie durch Zauberschlag ist alles Leben von der Oberfläche verschwunden. Nur hin und wieder ragt aus der Oeffnung einer Höhle der Kopf eines Kundschafters hervor, der durch anhaltend herausforderndes Bellen seine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menschen warnt. Legt man sich alsdann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächste Umgebung, so wird in kurzer Zeit der Wachtposten den Platz auf dem Hügel vor seiner Thür einnehmen und durch unausgesetztes Bellen seine Gefährten von dem Verschwinden der Gefahr in Kenntniß setzen. Er lockt dadurch einen nach dem andern aus den dunklen Gängen auf die Oberfläche, wo alsbald das harmlose Treiben dieser geselligen Thiere von Neuem beginnt. Ein älteres Mitglied von sehr gesetztem Aeußern stattet dann wohl einen Besuch bei dem Nachbar ab, der ihn auf seinem Hügel in aufrechter Stellung mit wedelndem Schwänzchen erwartet und dem Besucher an seiner Seite Platz macht. Beide scheinen nun durch abwechselndes Bellen sich gegenseitig gleichsam Gedanken und Gefühle mittheilen zu wollen; sich fortwährend eifrig unterhaltend, verschwinden sie in der Wohnung, erscheinen nach kurzem Verweilen wieder, um gemeinschaftlich eine Wanderung zu einem entfernter lebenden Verwandten anzutreten, welcher nach gastfreundlicher Aufnahme an dem Spaziergange Theil nimmt; sie begegnen Anderen, kurze, aber laute Begrüßungen finden statt, die Gesellschaft trennt sich und Jeder schlägt die Richtung nach der eigenen Wohnung ein. Stunden lang könnte man, ohne zu ermüden, das immerwährend wechselnde Schauspiel betrachten, und es kann nicht wundern, wenn der Wunsch rege wird, die Sprache der Thiere zu verstehen, um sich unter sie mischen und ihre geheimen Unterhaltungen belauschen zu können.

Furchtlos sucht sich der Prairiehund seinen Weg zwischen den Hufen der wandernden Büffel hindurch, doch der Jäger im Hinterhalte braucht sich nur unvorsichtig zu bewegen und scheu und furchtsam flieht Alles hinab in dunkle Gänge. Ein leises Bellen, welches aus dem Schooße der Erde dumpf herauf klingt, so wie die Anzahl kleiner, verlassener Hügel verrathen dann allein noch den so reich bevölkerten Staat.

Das Fleisch dieser Thiere ist schmackhaft, doch die Jagd auf dieselben so schwierig und so selten von Erfolg gekrönt, daß man selten aus anderer Absicht den Versuch macht eins zu erlegen, als um die Neugierde zu befriedigen. Da der Prairiehund kaum die Größe eines guten Eichhörnchens erreicht, so würden auch zu viele Exemplare dazu gehören, um für eine kleine Gesellschaft ein ausreichendes Mahl zu beschaffen, und manches getödtete Thierchen rollt außerdem noch in die fast senkrechte Höhle tief hinab, ehe es gelingt dasselbe zu erhaschen. –

Ringsum grüne Ebene; blaues Tafelland bezeichnet hin und wieder den nebligen Horizont; ein glühender Wind bewegt Halme und Blumen und wirbelt gelegentlich eine schmale Säule von Staub und Gräsern zu den Wolken empor; in gemessenem Schritt stampfen die keuchenden Maulthiere mechanisch eine neue Straße; nachdenkend oder träumend hängen die Reiter im Sattel; das Athmen in der drückenden Atmosphäre wird ihnen schwer, sie haben Langeweile und wünschen den Abend herbei. Einförmigkeit, Eintönigkeit überall, nur nicht in der Erzählung des deutschen Naturaliensammlers, der in dem Doctor Bigelow und mehreren andern Mitgliedern unserer Expedition aufmerksame und geduldige Zuhörer gefunden hat und daher in der Mittheilung seiner frühern Erlebnisse in lebhaftem Tone fortfährt.

»Der Weg zum Lager der Indianer mochte nur zwei Meilen betragen,« begann er, »doch schien er mir sehr lang. Der kleine Trupp, welcher mir vorangezogen war, hatte eine Bahn oder vielmehr einen Pfad im tiefen Schnee gebrochen; diesem folgend fühlte ich so recht, wie weit meine Kräfte mich verlassen hatten. Eine grenzenlose Mattigkeit bemächtigte sich meiner und zagend gedachte ich der weiten Märsche, die ich in den nächsten Tagen zurückzulegen hatte. Meinen neuen Gefährten war meine Kraftlosigkeit nicht unbemerkt geblieben und sorglich änderten sie den ganzen Reiseplan, aus steter Rücksicht für mein Wohl. Ihr kleines Lager, welches zwei große Zelte bildeten, stand in einer tiefen, mit verkrüppelten Eichen bewachsenen Schlucht, am Rande eines ausgetretenen Baches, dessen Wasser mit dicker Eiskruste überzogen war. Schnee lag überall, doch konnte der Sturm seinen Weg nicht hinab finden, um an den Zeltstangen zu rütteln oder die neun kleinen, zottigen Pferde in ihrer Arbeit zu stören, wenn sie ihr bescheidenes Futter mit den scharrenden Hufen bloßlegten. Ein Gefühl angenehmer Behaglichkeit überkam mich, als ich die steile Uferwand hinabkletterte und meines künftigen Asyls ansichtig wurde. Meine Gefährten waren schon angelangt, der kleine Wagen ebenfalls und die braune, wild aussehende Schaar war emsig damit beschäftigt, den verschiedenen Packeten und Bündeln in den geräumigen Zelten Plätze anzuweisen. An-tarro-hau! tönte es mir entgegen und dieser Ausruf des Willkommen wurde von den Männern durch einen wohlgemeinten Händedruck bekräftigt, während die Weiber und Kinder mich neugierig bewunderten und eine gewisse Genugthuung darüber zu empfinden schienen, daß ein Weißer sich unter ihnen befand, der schlechter und weniger bekleidet war, als sie selbst. Die Kinder wichen scheu vor mir zurück, doch konnte mich dieses nicht befremden, denn mein Aussehen mußte wirklich abschreckend sein: Bart und Kopfhaar bildeten eine wild verworrene Masse und die Haut war durch den Einfluß des Wetters, mehr aber noch durch den Rauch, dem ich fortwährend ausgesetzt gewesen, dunkelbraun gefärbt. Nur noch Fragmente von Kleidungsstücken umgaben meinen Körper und Reste von Schuhen hatte ich mit Riemen an meinen Füßen befestigt. In diesem gewiß nicht unmalerischen Aufzuge stand ich vor den Zelten der gastfreundlichen Ottoes. »Wigwam-Pet-sche-Pi-ke!« redete der Medizinmann mich jetzt an und zeigte auf die Oeffnung in seinem Zelte, »im Wigwam ist gutes Feuer,« übersetzte Farsar, »geh' hinein und wärme Deine Glieder, iß und trink mit Wa-ki-ta-mo-nee und komm' dann in mein Zelt, dort kannst Du wohnen, dort kannst Du schlafen, mein Haus ist groß genug und warm.« Willig leistete ich der Aufforderung Folge, kroch in die Behausung des Medizinmannes und nahm an seiner Seite vor dem flackernden Feuer Platz, Um uns her lagerten oder hockten auf den Knieen die übrigen Mitbewohner. Die alte Mutter, mit der Zubereitung des Mahles beschäftigt, zunächst der Thüröffnung, ihr zu beiden Seiten ihre Töchter, von denen die älteste ungefähr achtzehn und die jüngste nur zwei Jahre zählen mochte. Der Hausvater, sein Sohn und Schin-ges-in-ki-nee hatten auf indianische Weise die besten Plätze für sich behalten, was mir, der ich mich in ihre Mitte setzte, ganz gut zu Statten kam. Die Medizinpfeife, mit einem Kopf aus rothem Stein geschnitten, machte fleißig die Runde und die Zeit, welche mit dem Vertheilen des zum Mahle bestimmten Fleisches hinging, machte ich mir zu Nutze, um das Innere einer indianischen Wohnung genauer in Augenschein zu nehmen. Sechzehn lange Pfähle, von schlanken Fichten leicht ausgearbeitet, waren so hingestellt, daß sie auf dem Boden einen Kreis von sechzehn bis achtzehn Fuß im Durchmesser bildeten, während ihre Spitzen sich an einander lehnten und zusammengebunden waren. Um dieses Gerüst schlang sich mantelartig das Zeltleder, welches aus vielen weißgegerbten Büffelhäuten bestand, die zu diesem Zwecke sauber mit Sehnen zusammengenäht waren. Das Leder reichte indessen nicht ganz bis zur Spitze hinaus, wodurch eine Oeffnung entstand, die dazu diente, dem fortwährend aussteigenden Rauch einen Weg in's Freie zu lassen; zwei dort angebrachte flaggenähnliche Verlängerungen der Zellwände, die von außen durch besondere Stangen nach Belieben gestellt werden konnten, bildeten bei stürmischem Wetter oder widrigem Winde einen hinlänglich guten Rauchfang. Mittels kleiner Pflöcke war das Zelt dicht auf dem Boden befestigt, so, daß die straff gespannten Seiten weder Regen, noch den durch die Nähe des Feuers schmelzenden Schnee hindurchließen, und die Bewohner sich nicht nur eines sichern Obdaches, sondern sogar einer leidlich behaglichen Wohnung erfreuen konnten. Ringsum an den Pfählen und Pflöcken reihten sich die Habseligkeiten der Indianer; sie nahmen dort den entbehrlichsten Platz ein und hielten zugleich noch Kälte ab, die sich dort am leichtesten hätte hineinstehlen können. Auf dem übrigen Raume, der sich um die in der Mitte ausgegrabene Feuergrube hinzog, waren Büffelhäute ausgebreitet, die während der Nacht wärmende Lager und am Tage, zusammengerollt, bequeme Sitze gewährten. Die Feuergrube war einen halben Fuß tief und in einem Zirkel von zwei und einem halben Fuß im Durchmesser angelegt; ein Haufen glühender Kohlen in derselben und darüber eine Anzahl flackernder Scheite verbreiteten eine angenehme Wärme in dem engen Raume. In der Nähe des Feuers war ein gabelförmiger Baumast in die Erde gesteckt, auf welchem eine Querstange ruhte, die über die ganze Breite des Zeltes reichte; an dieser hing über den Flammen das einzige und unentbehrlichste Haus- und Küchengeräth in Gestalt eines großen Kessels; der übrige Theil der Stange war mit nassen Leggins oder Gamaschen und zerrissenen Mokkasins geschmückt, die sich in bunter Ordnung und gewiß nicht auf die lieblichste Weise aneinander reihten.

Dieses, mein lieber Doctor, ist die Beschreibung eines Zeltes, so wie es die Ottoes oder besser gesagt alle Prairie-Indianer auf ihren Reisen mit sich führen. Freilich finden sich bei den verschiedenen Stämmen einzelne kleine Unterschiede in der Einrichtung: so graben z, B, die Kioways ihre Feuergruben zwei Fuß breit, die Comanches dagegen, die nächsten Nachbarn der Kioways, legen dieselben nur ein und einen halben Fuß im Durchmesser an, doch sind das Abweichungen, die man nur durch längeren Aufenthalt unter den Wilden ausfindig machen kann, und namentlich wenn man darauf angewiesen ist, auf einer verlassenen Lagerstelle der eigenen Sicherheit wegen einen Schluß zu ziehen, ob es freundliche oder feindliche Indianer sind, deren Spuren man kreuzt.

Außer den wilden, halbnackten Gestalten belebten noch einige alte und junge Hunde Wa-ki-ta-mo-nee's Zelt. Die Aufmerksamkeit der Hausmutter, einer schmutzigen, alten Squaw, war ausschließlich dem Kessel und seinem brodelnden Inhalt zugewendet. Roh geschnitzte hölzerne Schüsseln standen in einer Reihe vor ihr und mittels eines zugespitzten Stabes fischte sie ganze Viertel von Waschbären und halbe Truthühner aus dem großen Behälter und versah jede der Schüsseln mit einer bedeutenden Portion der angenehm duftenden Speise. Sie gerieth bei dieser Beschäftigung mehrfach in Streit mit den diebischen Hunden, wobei sie genöthigt war, auf unsanfte Weise ihren hölzernen Bratspieß auf die gefühllosen Köpfe der hungrigen Hausthiere fallen zu lassen, um ihren scharfen Zähnen einen schon erfaßten Braten zu entreißen. Knurrend und jammernd krochen die unglücklichen Hunde umher; das Austheilen des Fleisches nahm ruhig seinen Fortgang, wobei ich auf eine so freigebige Weise mit fetten Bissen bedacht wurde, daß trotz meines großen Hungers gewiß zwei Tage für mich nöthig gewesen wären, einen solchen Vorrath von Lebensmitteln zu vertilgen. Es schmeckte mir vortrefflich, wobei der Medizinmann es nicht an freundlichem Zureden fehlen lieh, doch trotz des besten Willens konnte ich mich der mir zugeteilten Portion nicht bemeistern; ich schob das Uebrige zurück, wodurch ich unschuldiger Weise bedeutend im Ansehen bei meinen Gastfreunden verlor, die eine Art Beleidigung in meinem Benehmen fanden, welches so sehr gegen indianische Sitte verstieß. Man ließ mich indessen ungestört, fast unberücksichtigt meinen Einzug in das Zelt des Halbindianers Farfar bewerkstelligen. Farfars Wohnung unterschied sich von der des Medizinmannes nur durch größern Umfang, der außerdem von wenigeren Mitgliedern eingenommen wurde. Denn außer Farfar und seiner jungen, hübschen Squaw Sche-ne-lo-töm waren noch der alte Wo-nes-hee, seine Gemahlin und Scha-ho-ka-ta-ko Mitbewohner oder vielmehr meine Hausgenossen. Ich wurde Schlafkamerad des jungen Scha-ho-ka-ta-ko und begab mich also mit meinen Waffen zu ihm auf sein Lager, um mich häuslich einzurichten. Der alte Wo-nes-hee ließ die Pfeife die Runde machen und ich hatte seit langer Zeit zum ersten Male wieder den Genuß, mich mit einem Nebenmenschen in eine förmliche Unterhaltung einlassen zu können. Obgleich ich aus Farfars Worten und Ideen entnehmen konnte, daß ich in die Gesellschaft eines Schurken gerathen war, vor dem ich beständig auf meiner Hut zu sein habe, so fand ich doch nicht wenig Ergötzen daran, mich mittheilen und verständliche Worte vernehmen zu können. Mit Schrecken nahm ich wahr, daß auch hier Anstalten zu einem bevorstehenden Mahle getroffen wurden. Ich wendete mich daher an Farfar mit den Worten: »Sage Deinen Weibern, ich sei so zur Genüge gesättigt, daß es mir eine Unmöglichkeit wäre, an der kleinen Erfrischung, wie Du diese Masse von Fleischproviant zu nennen beliebst, Theil zu nehmen.« – »Du erfreust Dich jetzt der Gastfreundschaft der Ottoes,« antwortete Farfar, »und Du thust wohl, Dich in ihre Sitten und Gebräuche zu fügen, wenigstens so lange Du bei ihnen weilst. Siehe, ich habe lange unter den Weißen gelebt und verlache alle Thorheiten der Indianer; es ist mir aber plötzlich eingefallen, Indianer zu sein, ich habe mir eine Squaw genommen, und mische mich in die Kriegs- und Medizintänze wie eine vollblütige Rothhaut, man traut mir und ich bin angesehen. Wenn Du in die Wohnung einer Rothhaut trittst, so ist die Pfeife das Erste, was sie Dir als Zeichen der Freundschaft bietet und das Zweite Nahrung, und je freundschaftlicher die Gefühle, um so größer sind die angebotenen Portionen. Der Medizinmann liebte in Dir den zähen Jäger und Krieger, demgemäß wurde Dir auch ein Achtung gebietendes Mahl verabreicht, so wie Dir gleich ein zweites durch Wo-nes-hee zukommen wird. Deine Pflicht war es, die Freundschaftserklärung durch Verzehren der ganzen Gaben anzuerkennen, Du hast Wa-ki-ta-mo-nee beleidigt, Du hast mehr als die Hälfte übrig gelassen, Du wirst es in Zukunft besser machen und es gleich in unserem Zelte beweisen, da Du jetzt unsere Gebräuche kennst.« – ,,Soll ich Eure hölzernen Schüsseln nicht auch gleich mit verzehren?« fragte ich unmuthig. »Nein,« erwiederte er ruhig, »damit wäre uns ein schlechter Dienst geleistet, denn es kostet viel Mühe, einen solchen Behälter zu schnitzen.« – »Dann soll ich mich zur Strafe, daß ich dem Hungertode entgangen bin, wohl jetzt zu Tode essen?« – »Auch das nicht,« antwortete Farfar, »ich will Dir einen Ausweg sagen. Wenn Du wieder zum Essen in anderen Zelten geladen bist, dann nimm so viel zu Dir, wie Du willst und magst, das Uebrige packe stillschweigend und ungenirt in Deine Büffelhaut oder Kopfbedeckung und bringe es nur hierher, wir werden Dir dann helfen, den Medizinmann zufrieden zu stellen.« – »Eure Gebräuche sind doch etwas verschieden von denen in den Vereinigten Staaten,« bemerkte ich mit halberleichtertem Herzen; »aber sage mir, wie wird es, wenn mir hier in Deinem Zelte eine solch' unerhörte Masse von Fleisch verabreicht wird? soll ich das, was ich übrig lasse, vielleicht in Wa-ki-ta-mo-nee's Zelt tragen?« – »Nein,« antwortete der Halfbreed,Halfbreed, englische Bezeichnung für Halbindianer. »iß etwas und lege das Uebrige hinter Dein Lager, und zwar so, daß, wenn Du während der Nacht aufwachst, Du nur zuzulangen brauchst; die Nächte sind jetzt lang.« Auf diese Weise pflogen wir unsere Unterhaltung weiter, ich versuchend alle Indianer zu civilisiren, Farfar mich belehrend und unterweisend, mir immer mehr und mehr die indianischen Gewohnheiten anzueignen. Wie ich auf solche Weise in dieser Schule Schritt für Schritt weiter ging und dem Aeußern nach zuletzt mich nur noch wenig von meinen Gefährten unterschied, da mußte ich mir doch manchmal sagen, daß ein Weißer leichter zum Indianer, als ein Indianer den Sitten und Gebräuchen nach zu einem weißen Manne wird.

Hell flackerte am ersten Abende meines Aufenthaltes in der neuen Heimath das Feuer in Farfars Zelt, getrocknetes Büffelfleisch und Biberschwänze siedeten in dem mächtigen Kessel und mit Ausnahme einer alten Squaw, welche die Angelegenheiten der Küche zu besorgen hatte, war jedes weibliche Wesen aus unserer Nähe verschwunden. Mit ernster, gewichtiger Miene saßen junge und alte Krieger im Kreise um die leuchtende Flamme, die Pfeife ging von Hand zu Hand, es sollte Rath gehalten werden. Der Medizinmann war Vorsitzender und der Halbindianer vertrat die Stelle des Dollmetschers.

Wa-ki-ta-mo-nee nahm einen langen Zug aus der mit grünen Entenköpfen und weißen Schnäbeln von schwarzen Spechten geschmückten Medizinpfeife, ließ den Dampf langsam durch die Nase wirbeln, beobachtete die bläulichen Tabakswölkchen, wie sie in die Höhe zogen und sich mit dem Qualm der Holzscheite vereinigten, und hielt dann eine lange Rede, die natürlich mich betraf, von der ich indessen kein Wort verstand. Nichts desto weniger lauschte ich aufmerksam der klangreichen Stimme und den Worten, die wie Musik in einander zu verschwimmen schienen und die nach der Übersetzung des Halbindianers ungefähr folgenden Inhaltes waren:

»Der Weg zu unsern Wigwams ist lang und wenn die Füße ruhen, versteckt sie tiefer Schnee; der Weg ist lang von Holz zu Holz, er dauert von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Pferde sind beladen mit Fleisch und Fellen, die Rücken unserer Weiber mit ihren Kindern; wir Alle müssen gehen; der Amerikaner soll mit uns ziehen. Das Fleisch der Wölfe war lange seine Nahrung, er ist hungrig und ohne Kraft, er kann am Abend das Holz nicht erreichen, er ist müde; er hat lange die Augen schließen müssen, denn der Schnee fiel hinein, er hat sie offen halten müssen, denn der weiße Wolf bedrohte ihn. Der Amerikaner muß schlafen und essen drei Tage und drei Nächte, er muß frisches und getrocknetes Fleisch essen und dann kann er gehen, daß die Squaws und Kinder seiner nicht lachen.

»Unsere Weiber sollen Mokkasins an seine Füße schnüren und rohe Büffelhaut unter dieselben befestigen, die verbrannten Grasstoppeln stechen sonst in sein weißes Fleisch. Der Amerikaner hat eine kurze Flinte, er hat aber lange Kugeln, der Ponka, dem wir begegnen, wird zuerst auf den weißen Bruder schießen, der weiße Bruder muß ein Ottoe sein. Laßt uns seine gelben Haare von seinem Schädel scheeren, die Skalp-Locke schwarz färben und Vermillion in sein Gesicht reiben, er ist dann ein Ottoe und kann eine Ottoe-Squaw zu seiner Frau machen!«

Dieses, lieber Doctor, war ungefähr der Inhalt von Wa-ki-ta-mo-nee's Rede. Handgreiflich war es, daß es die Leute redlich mit mir meinten, und ich war auch ganz einverstanden mit dem ersten Theil der Rede; allein die letzten beiden Vorschläge verdienten von meiner Seite noch einer besondern Erwägung. Von meinen blonden Locken wollte ich mich auf keinen Fall trennen, obgleich dieselben einem Haufen Filz nicht unähnlich waren; aber mit rasirtem Schädel umherzulaufen, dazu im Januar, schien mir noch gefährlicher als den Pfeilen und Kugeln der feindlichen Ponkas und Sioux ausgesetzt zu sein. Dann dachte ich auch, daß im Falle eines Zusammentreffens mit diesen Stämmen ein kahler Kopf mich schwerlich vor dem Skalpirtwerden schützen würde, da ich ja mit ihren Feinden, den Ottoes, reiste. Bedenklicher aber noch als Kopfrasiren und alles Andere erschien mir das Heirathen; denn Haare wachsen wieder nach, aber eine mit Gewalt aufgedrungene indianische Frau wieder los zu werden, ist nicht ganz so leicht. In dieser unangenehmen Lage mußte ich mich mit der größten Vorsicht benehmen. Um die Leute nicht zu beleidigen und mir ihre wohlwollenden Gesinnungen zu erhalten, sann ich hin und her, konnte aber zu keinem Entschluß gelangen, bis Farfar mir aus der Verlegenheit half und in meinem Namen folgende Worte an seine Gefährten richtete: »Der Amerikaner ist ein Bruder der Ottoes, er liebt sie, denn sie haben ihn gerettet, er wird mit ihnen rauchen, essen, jagen und ihre Feinde bekriegen. Er hat lange im Schnee geschlafen und hat manchen guten Traum gehabt, und im Traume Ottoe-Krieger gesehen, die seine Haare schoren, aber aus jedem Haare kamen Schneeflocken, und der Sturm kam hinter die Flocken und trieb sie nach dem Wigwam der Ottoes und begrub Alles im Schnee. Der Amerikaner ist jetzt arm, er muß im Wigwam der Ottoes schlafen, er muß aus ihren Händen essen, er will zwei Töchter des Wa-ki-ta-mo-nee in sein Zelt nehmen, er will aber mit offenen Händen für seine Squaws zahlen und im eigenen Wigwam schlafen. Er will dreißig Büffel schießen, dreißig Büffelfelle von den Squaws der Ottoes gerben und in ein Zeltleder nähen lassen; er will sechs Pferde stehlen, zwei für sich, zwei für seine Weiber, und zwei, um damit dem großen Medizinmann die Töchter abzukaufen.«

Mit Aufmerksamkeit und augenscheinlicher Zufriedenheit lauschte der Ottoe-Krieger den Worten, die Farfar aus dem Stegreif erzählte, und war so erfreut über meinen eben beschriebenen, ritterlichen Sinn, daß er, wie der schlaue Halbindianer vorhergesehen hatte, mir seine Töchter augenblicklich zu Frauen anbot, vorausgesetzt, daß ich später die Pferde richtig bezahlen wolle. Bart und Haare durfte ich mir nach seiner Meinung aber nicht abschneiden, weil der gute Traum für diesen Fall Unglück geweissaget habe. Farfar rettete mich abermals vor einer Convenienzheirath, indem er rundweg erklärte, es sei gegen meine Medizin, eine Verbindung einzugehen, ohne den geforderten Preis bezahlt zu haben. So blieb ich unverheirathet und hatte wo möglich noch im Ansehen meiner Gastfreunde gewonnen, denn ich erhielt fast täglich von Wa-ki-ta-mo-nee als Beweise seiner Zuneigung solche Fleischrationen, wie ein Indianer sie seinem zukünftigen Schwiegersohne nur immer zu geben vermag. Der Berathung folgte ein Schmaus, worauf sich Jeder zur Ruhe begab. Mit einem besondern Gefühl der Behaglichkeit dehnte ich mich unter meinen Decken, die Gluth der Feuergrube wärmte mich von der einen, und Scha-ho-ka-ta-ko, der mit mir sein Bett getheilt hatte, von der andern Seite. Mein Schlaf würde nichts zu wünschen übrig gelassen haben, wenn nicht zu häufig die Hunde auf meinen abgemagerten Gliedern, dieser spärlich wärmenden Unterlage, Platz genommen hätten. Was sie dazu bewog, weiß ich nicht: glaubten sie mich als einen Fremdling so mißbrauchen zu dürfen, oder hatte ich in der That ihren alten, gewohnten Platz eingenommen? genug, ich lebte in ewigem Krieg mit diesen Thieren, habe mir dafür aber ihr Fleisch, wenn bei besonderen Gelegenheiten der eine oder der andere geschlachtet und zubereitet wurde, vortrefflich schmecken lassen. Unter Essen, Trinken, Schlafen und zeitweisem Bändigen zweier Pferde in meinem kleinen Wagen gingen die drei Tage hin.

Ich war dem Aeußern nach fast gar nicht mehr von meinen rothhäutigen Gefährten zu unterscheiden: meine Kleidung war nach ihrer Mode gearbeitet und mein Gesicht zum Ueberfluß mit gelber und rother Oelfarbe auf's Kunstfertigste bemalt. Die Indianer hielten mich, auf diese Weise geschmückt, für einen jungen Mann von einnehmendem Aeußern und schienen sich ganz der Hoffnung hinzugeben, mit der Zeit noch einmal aus mir einen recht ansehnlichen Ottoe-Krieger zu machen. Die Kinder fürchteten sich nicht mehr vor mir und die Weiber ließen ihre blitzenden Augen mit besonderem Wohlgefallen auf meinen Zügen ruhen, die in fast allen Regenbogenfarben prangten. Ich fügte mich gern in die harmlosen Gebräuche dieser freundlichen Menschen, um so mehr als ich bemerkt hatte, daß eine gute Lage dieser fettigen Farbe ein sicheres Mittel gegen die schneidende Kälte war und das Einspringen der Haut bei dem eisigen, scharfen Winde verhütete. In dem Maße, wie ich meinen Körper pflegte, nahmen meine Kräfte wieder zu; doch war ich nach Verlauf der drei Tage dem Ausspruche des weisen Zauberers zufolge noch nicht im Stande zu wandern und zwei Tage wurden zugegeben, nach deren Ablauf die Reise unbedingt angetreten werden sollte.«

»Ich muß Sie jetzt unterbrechen,« fiel der Doctor ein, »aber lange genug habe ich Botanik studirt, um jenen dunkelfarbigen Streifen in der Niederung für Weinranken zu erkennen; die Trauben müssen jetzt reif sein und ich lade Sie daher zu einem Frühstück ein.« »Angenommen,« riefen wir Alle, »vorausgesetzt, daß Ihre Trauben nicht sauer sind!« Ein kurzer Ritt brachte uns an die besagte Stelle und wir überzeugten uns bald, daß des Doctors scharfes Auge sich nicht getäuscht hatte. Ueber eine weite Fläche dehnten sich die niedern Ranken aus und zwar mit einem solchen Segen von Früchten beschwert, daß die schon herbstlich gefärbten Blätter fast ganz unter denselben verschwanden.

Ein Weideplätzchen für die Thiere wurde gesucht, worauf wir uns auf das Gemüthlichste zwischen den Ranken lagerten, um nach Herzenslust unter blauen, schwellenden Trauben uns gütlich zu thun.

Der Ruf: »die Comanches!« brachte unsere unter Ranken verborgene Gesellschaft schleunigst in den Sattel und in die Nähe des vorangeeilten Zuges, zu welchem zwei Spione oder Kundschafter dieses Stammes gestoßen waren, während in der Ferne einzelne ihrer Gefährten ihre Rosse tummelten, ohne sonderlich Lust zu bezeigen sich unter die Weißen zu mischen, und auf geheimnisvolle Weise in der Richtung nach dem Canadian zu verschwanden. Die Besucher, zwei ältere, finster aussehende Krieger, ritten ausgezeichnete Pferde, welche auf die anmuthigste Weise dem leisesten Druck der um den Unterkiefer befestigten Leine Folge leisteten, und ungesattelt wie sie waren mit ihren Reitern ein Körper zu sein schienen. Eine blaue, baumwollene Decke verhüllte die Glieder der beiden Wilden und Pfeil und Bogen hielten sie vor sich zum augenblicklichen Gebrauch bereit. Der wilde Ausdruck ihres Gesichts wurde noch vermehrt durch die auffallend langen Haare, welche ihre broncefarbigen Züge einfaßten und theilweise verdeckten. Ihrer Aussage gemäß sollte unsere Expedition nicht sehr von ihrem Stamme belästigt werden, indem nur ein kleiner Theil desselben in der Entfernung einer Tagereise auf der Nordseite des Canadian ein stehendes Lager hatte, eine größere Abtheilung auf einem Raubzuge nach den südlichen Ansiedelungen der Weißen begriffen war, die Hauptmasse des Stammes aber den Büffeln in die nördlichen Regionen gefolgt war, um erst im Spätherbste mit denselben von dort wieder zurückzukehren.

Die kriegerische und weitverzweigte Nation der Comanches theilt sich in die drei besonderen Stämme der nördlichen, der mittleren und der südlichen Comanches, deren jeder einzelne wiederum in verschiedene Banden zerfällt, die von angesehenen Kriegern, Medizinmännern oder kleinen Häuptlingen geführt, die großen Prairien in allen Richtungen durchstreifen. Die nördlichen so wie die mittleren Comanches folgen beständig den wandernden Büffeln, von deren saftigem Fleische sie fast ausschließlich leben; sie werden daher von ihren Nachbarn gewiß nicht mit Unrecht die Büffelesser genannt. Die weite Steppe ist ihre liebe Heimath und einem unwiderstehlichen Hange zum Wandern nachgebend, ziehen sie in diesen öden und ungastlichen Ebenen von Ort zu Ort, wo nur das Einathmen einer reinen, den Körper kräftigenden Atmosphäre sie für den Mangel an Holz und Wasser zu entschädigen vermag. Ihr Gebiet ist frei von Sümpfen, stehenden Wassern und dichten Waldungen, in denen sich schädliche Miasmen erzeugen, tödtliche Fieber verbreitend; die Luftströmungen finden kein Hinderniß auf der endlosen Fläche, sie streichen von allen Seiten darüber hin und reinigen die Luft, welche mit Wonne der freie Steppenbewohner einathmet, welche seinen Körper stählt und seinen Geist kräftigt. Die Mutter Natur, die wohlthätig überall den Menschen Ersatz für widrige Verhängnisse des Lebens und die damit verbundenen Entbehrungen finden läßt, reichte ihm das beste ihrer Güter: sie gab ihm die Gesundheit, den frischen Muth und die ausdauernde, physische Kraft. Abhängig von den Einflüssen des Klimas und der Bodenfläche, glückt es der flexiblen Natur des Menschen sich den härtesten Lebensbedingungen fügsam und froh zu unterwerfen und es gelangen die wandernden Stämme zu der Ueberzeugung, daß ihre eigene Lage bei weitem allen übrigen der Welt vorzuziehen sei. Giebt es doch selbst weiße Ansiedler genug im fernen Westen, die scheu vor der andringenden Civilisation und der dichter werdenden Bevölkerung zurückweichen und ein Dasein unter den oft gefahrdrohenden Abenteuern in der Einsamkeit weit über persönliche Sicherheit, Bequemlichkeit und Vergnügungen des geselligen Lebens stellen. Um wie viel mehr muß der wilde Steppenbewohner mit Liebe an seinen grasigen Ebenen hängen, in denen er geboren? Ist er fern seiner großen Heimath, wie nagt da gleich einem giftigen Wurm an seinem Leben die Sehnsucht nach seinen Prairien, seinen Pferden, seinen Waffen und nach seiner Jagd. Frei und glücklich fühlt sich der Comanche-Indianer nur in der Heimath, frei wie die unabsehbare, grüne Ebene, die er durchstreift; außer seinen Pferden kennt er keinen Reichthum als den, welchen er dem Büffel und der Antilope abgewinnt: diese geben ihm Nahrung, Kleidung und Obdach, mithin Alles, was im Bereiche seiner Wünsche liegt; seine Gedanken sind nicht beschäftigt mit Sorgen für den folgenden Tag; er sucht seine Ehre im Kampfe mit dem Feinde und in der unübertrefflichen Handhabung seines Pferdes.

Von frühester Kindheit bis zum spätesten Greisenalter ist der Comanche im Sattel; dort ist er zu Hause, dort zeigt er sich auf die vortheilhafteste Weise. Sein Körper, der beim Gehen jeder Grazie entbehrt, ist auf dem Rosse wie umgewandelt, wenn seine schlanken Glieder sich fest an die dampfenden Seiten des wilden Renners schließen. Die Bewegungen des Pferdes theilen sich auf gefällige Weise dem Reiter mit, der vermittelst des einfachen Zaumzeuges und einer schweren Peitsche sein Thier zu den unglaublichsten Kunststücken zwingt und sich selbst dann für den größten und unabhängigsten Herrn auf dem ganzen Erdboden hält. So tummeln sich oft Haufen dieser Wilden in den buntesten Schlangenlinien durcheinander; ausgelassen hängen sie bald an der einen, bald an der andern Seite der Pferde, während sie mit erstaunlicher Genauigkeit Pfeile und Lanzen unter dem Halse ihrer Thiere hindurch einem aufgesteckten Ziele zusenden. Einen prächtigen Anblick gewährt eine solche Schaar dem Beobachter, dem der Gedanke nicht fern bleiben kann, daß die fortwährende Uebung, welche diese Leute zu den geschicktesten Reitern der Welt heranbildet, sie auch zu gefährlichen Feinden auf ihren Raub- und Kriegszügen machen muß.

Jeder Comanche-Krieger hält sich ein besonderes Streitroß, bei dessen Wahl mehr auf Schnelligkeit als auf andere gute Eigenschaften Rücksicht genommen wird. Dieses ist, wie bei den arabischen Stämmen, sein bester Freund, sein heiligstes Gut und durch keine Schätze der Welt von ihm zu erlangen; er besteigt es nur zum Kampfe, bei besonderen festlichen Gelegenheiten oder zur Büffeljagd; kehrt er dann heim von dergleichen Ausflügen, so erwarten ihn seine Weiber an der Thüre des Wigwams, nehmen das Lieblingsroß in Empfang, um es zu liebkosen und mit der größten Sorgfalt zu pflegen.

Der einzige Reichthum dieser Stämme besteht, mit Ausnahme einiger wenigen Hausgeräthe, in Pferden und Maulthieren, welche größtentheils in den Ansiedelungen der Weißen geraubt werden, wie aus den verschiedenen Brandzeichen, welche die Thiere tragen, zu erkennen ist. Da das Aneignen fremden Eigenthumes bei ihnen als Ehrensache gilt und ein junger Mann noch nicht zu den Kriegern gezählt wird, wenn er nicht schon von einigen Raubzügen in die mexikanischen Provinzen mit Erfolg zurückgekehrt ist, so versteht es sich von selbst, daß die glücklichsten Diebe nicht allein den größten Reichthum, sondern auch mit diesem das bedeutendste Ansehen erlangen. Als Beleg hierfür mag die naive Aeußerung eines greisen Kriegers über seine beiden Söhne dienen, die er mit Stolz die Freude und die Stütze seines hohen Alters nannte, indem sie nicht nur hübsche, junge Leute seien, sondern auch besser als irgend einer der ganzen Nation Pferde zu stehlen verständen. Es kann also nicht in Verwundrung setzen, wenn man Comanche-Krieger findet, die durch Glück und Verwegenheit ihren Reichthum bis auf zweihundert Thiere gebracht haben.

Zu solchen Raubzügen, die wegen der damit verbundenen Gefahren und Entbehrungen in den Rang der Kriegszüge gestellt werden, vereinigen sich sechs bis dreißig junge Leute. Jeder rüstet sich mit einem Pferde und den nöthigen Waffen aus, um eine Hunderte von Meilen lange Straße durch die Steppe zu ziehen, wo das gelegentlich erlegte Wild ihnen oftmals nur die kärglichste Nahrung gewährt. So reisen sie Monate lang weiter, bis sie sich endlich den Ansiedelungen nähern; dort lauern sie so lange in einem Hinterhalte, bis sie den günstigen Zeitpunkt wahrnehmen, in welchem sie mit Geschrei und Heulen auf die Wächter einer einsam weidenden Heerde stürzen, dieselben verjagen oder, im Falle des Widerstandes, niedermachen, um Weiber und Kinder gefangen fortzuschleppen und ungestört mit der reichen Beute den Rückweg zu ihren Wigwams anzutreten. Hier treffen sie häufig erst nach einer Abwesenheit von zwei Jahren wieder ein, da es mitunter lange währt, ehe ihr räuberisches Vorhaben mit Erfolg gekrönt wird und Jeder sich vor der Schande fürchtet, mit leeren Händen zu den Seinigen heimzukehren. Diese Streifzüge glücken aber nicht immer ohne Verlust. Wir wissen aus dem Reisewerke Alexander's von Humboldt, daß in den Gefängnissen der Stadt Mexiko im Anfange dieses Jahrhunderts noch bisweilen Banden von gefangenen Comanches gesehen wurden, die man zwecklos von Taos und Santa Fe de Nuevo Mexiko weit südlich geschickt hatte.

Die andere Art, auf welche die Prairie-Indianer ihren Reichthum an Pferden vergrößern, besteht in dem Einfangen der Mustangs oder wilden Pferde. Die wilden Pferde der amerikanischen Steppe sind klein, aber kräftig gebaut; sie zeichnen sich aus durch ein feuriges Auge, scharfe Nase, weite Nüstern, zierliche Beine und Füße und sind unzweifelhaft die Abkömmlinge einer Raçe, die zur Zeit der Eroberung Mexiko's durch die Spanier, als die arabische Raçe in der Halbinsel schon sehr gemischt war, dort eingeführt wurde, seitdem verwilderte, sich vermehrte und zuletzt in Heerden von Tausenden die Prairien von den Küstenländern von Texas und Mexiko bis hinauf an den Yellowstone River, einem Zufluß des nördlichen Missouri, belebte.

Die Indianer lernten bald den Nutzen der neuen Thierart kennen und schätzen: mit denselben waren sie leichter im Stande, das flüchtige Wild zu überholen, auf ihren Wanderungen konnten sie dieselben als Lastträger benutzen und waren Büffel und sonstiges Wild ferne, so sicherte das Fleisch der Mustangs sie vor Noth. Obgleich die Comanches, so wie die meisten Prarie-Indianerstämme, sich Pferde zu ihrem Gebrauch auf unrechtmäßige Weise aus den Ansiedelungen der Weißen verschaffen, so ist das Einfangen der Mustangs doch immer eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, der sie sich mit aller Leidenschaft, mit aller Wildheit, deren die unbändigen Kinder der Natur fähig sind, so wie nur die günstige Gelegenheit sich darbietet, hingeben.

Mit dem Lasso, einer 40 Fuß langen, aus rohem Leder geflochtenen Leine und einer schweren Peitsche versehen, folgt der Comanche auf seinem Renner der flüchtigen Heerde. Unbarmherzige Schläge bringen sein Roß in die erforderliche Nähe, um den Lasso mit Erfolg gebrauchen zu können, und ohne die Schnelligkeit der Bewegung seines Pferdes zu mäßigen, läßt er die wirbelnde Schlinge seiner Hand mit Sicherheit entfliegen, so, daß sich dieselbe genau unterhalb des Kopfes um den Hals eines auserkornen Opfers legt. Es erfolgt dann ein kurzer Kampf und der Mustang, unfähig zu athmen, stürzt zusammen. Ein fesselnder Riemen wird schnell um die Vorderfüße geschlungen und dann erst die Schlinge am Halse so weit gelöst, um das Leben nicht gänzlich entfliehen zu lassen. Der wilde Reiter befestigt eine zweite Schlinge um den Unterkiefer seines Gefangenen, wodurch derselbe ganz in seine Gewalt gegeben wird, haucht ihm mehrmals in die geöffneten Nüstern, entfernt die Fesseln vom Halse und von den Füßen, schwingt sich auf seinen Rücken; es folgt ein kurzer Ritt auf Leben und Tod und er fügt das nunmehr gebändigte und zu seinem Gebrauche hinlänglich gezähmte Pferd zu seiner Heerde. So wild und grausam der Indianer auch immer bei dergleichen Unternehmungen zu Werke gehen mag, so ist er doch äußerst vorsichtig, um nicht zugleich mit der Wildheit auch den feurigen Geist des Mustangs zu brechen, in welchem Falle das Fleisch des vollständig geschwächten Thieres der einzige Lohn für eine anstrengende und gefahrvolle Jagd sein würde.

Die beiden Comanches zogen nur auf eine kurze Strecke mit unserer Expedition weiter und entfernten sich dann in nördlicher Richtung, nachdem sie sich vielleicht überzeugt hatten, daß die durch ihr Gebiet reisende Schaar eine zu wohlgeordnete und bewaffnete Macht bildete, als daß sie auf gewaltsame Weise von ihr einen Tribut hätten erheben können. Mit den Indianern war auch zugleich Alles verschwunden, was die einzelnen Mitglieder der Expedition hätte interessiren oder anregen können.

Die vielen ausgetrockneten Betten von Flüssen oder Bächen mit ihrem röthlichen Sande trugen dazu bei, die Umgebung nur noch öder und trauriger erscheinen zu lassen, in der hin und wieder horizontale Gesteinschichten als Tafelfelsen, die Ueberreste der Llano Estacado, wie Theile eines mächtigen Gerippes hervorragten. Die Antelope Hills, zwischen denen hindurch uns am 7. September der Weg geführt hatte, verschwanden am 8. in bläulicher Ferne. Wir hatten an diesem Tage eine Strecke von 424 Meilen seit dem Ausbruch von Fort Smith zurückgelegt. Damals, ja damals sehnte sich Jeder nach dem ersten Anblick der großen, erhabenen Prairie mit all' ihren Wundern und jetzt waren wohl wenige, die es nicht vorgezogen hätten im schattigen Forst, welchen schon herbstlich gefärbtes Laub schmückte, zu jagen, als Schritt für Schritt über harten Boden und kurzes Gras, in der drückenden Septembersonne, eine Meile nach der andern zurückzulegen.

Während des ganzen Tages hatten wir eine kleine Waldung in einer Schlucht am Canadian River nicht aus den Augen verloren, was die Veranlassung war, daß sich Alle beeilten diesen Punkt, wenn möglich noch vor dem Untergange der Sonne zu erreichen, um das Nachtlager an einer Stelle aufschlagen zu können, wo Jeder erwarten durfte, einige Vortheile oder Bequemlichkeiten zu finden, die seinen individuellen Neigungen entsprachen. Wo Cottonwood-Bäume wachsen, muß Wasser sein, rechneten diejenigen, denen das Wohl der Thiere am meisten am Herzen lag, denn die Fluthen des Canadian waren hier kaum im Stande, den rollenden Treibsand zu bedecken, und ein Pfuhl des seichtesten Wassers an der Mündung eines Nebenflüßchens wäre eine Wohlthat für die ganze Expedition gewesen. Wo in den Steppen sich Bäume zeigen, ist Wild nahe, sagten sich die Jagdliebhaber und drückten die Sporen in die Weichen ihrer Thiere. Wo Holz ist, brauchen wir keine Grasstoppeln und BüffelholzBüffeldung. zu brennen, dachten die Köche und eilten dem Zuge weit voraus, wohlweislich berechnend, daß die ganze Expedition ihnen lieber nachziehen, als eine Strecke vor der Waldung auf der kahlen Ebene ihre Rückkehr erwarten würde. Sie hatten sich nicht verrechnet; noch lange vor Sonnenuntergang standen die staubigen Wagen im Kreise, die luftigen Zelte reihten sich aneinander, die Lagerfeuer flackerten, und um dieselben herum war reges Leben und Thätigkeit, während einige der Gesellschaft dem Gehölz zueilten, um Wasser zu suchen und bei dieser Gelegenheit vielleicht einen Truthahn zu erlegen. Die meisten kehrten indessen bald mit unwillkommenen Nachrichten zurück. Es schlängelte sich allerdings das Bett eines Flüßchens unter den hohen Bäumen hin, doch bis zu dem feuchten Sande des Canadian war kein Tropfen Wasser, viel weniger eine passende Stelle zum Tränken der Heerde zu finden. Diese wurde darauf hinab an den seichten Fluß getrieben, zum Kochen mußte mit Sand gemischtes Wasser benutzt werden und die Gesellschaft zerstreute sich im Lager, um ihren verschiedenen Beschäftigungen nachzuhängen, und des Wassermangels wurde nicht weiter gedacht.

»Das Abendbrod fertig, Gentlemen!« riefen die rußigen Köche, ein Ruf, der alle Mitglieder schleunig an die Tische und auf die Feldstühle brachte. Nur ein Sitz blieb leer. »Wo steckt aber der Deutsche?« rief einer der jungen Leute. – »Ich traf ihn auf der andern Seite des Gehölzes,« antwortete ein zweiter, »er war emsig damit beschäftigt, der Spur eines Panthers zu folgen; da die Fährte sich aber immer weiter vom Lager entfernte, so zog ich es vor umzukehren und ihn seinem Eigensinne und dem Panther zu überlassen.« Ein Schuß krachte jetzt im Walde. »Das wird er wohl sein,« hieß es und Jeder beruhigte sich über das Geschick des Abwesenden und das willkommene Abendbrod wurde eifrig von allen Seiten in Angriff genommen. Das Mahl war noch nicht beendigt, als aus dem dunkeln Schatten des Waldes eine Gestalt trat, die eiligst dem Lager zuschritt und in der sogleich der Vermißte erkannt wurde. Doch in welchem Aufzuge erschien er? Bei jedem Schritte rasselte das Wasser in seinen Stiefeln und schwer klebten die nassen Kleidungsstücke an seinen Körper; auf der einen Schulter trug er seine Büchse, auf der andern einen mächtigen Truthahn.

»Was ist vorgefallen?« schallte es ihm von allen Seiten entgegen, »Sie haben ja mehr Wasser in Ihren Kleidern, als der ganze Canadian River auf der Strecke einer Tagereise.« – »Was sollte vorgefallen sein?« erwiederte der Jäger, »wir haben am Tage vergeblich nach Wasser gesucht und jetzt in der Nacht, da wir uns mit trübem ausgeholfen haben und keines anderen mehr bedürfen, stürze ich in einen tiefen, trichterförmigen Pfuhl, und zwar so, daß ich die größte Mühe hatte, mein Leben aus dem unfreiwilligen Bade zu retten. Doch laßt mich nur erst die schweren Kleidungsstücke beseitigen, einige Bissen genießen, und während ich mein Gewehr trockne, will ich Euch die Beschreibung meines Abenteuers geben, das mir beinahe meine schöne Büchse und, was noch schlimmer gewesen wäre, mein Leben gekostet hätte. Als ich Wasser suchend das Holz durchstreifte, entdeckte ich auf dem trockenen Sande des Flußbettes die frischen Spuren eines ausgewachsenen Panthers; ich vermuthete ihn noch in der kleinen Waldung und mit der größten Aufmerksamkeit schlich ich der Fährte nach. Der Bursche mußte bei unserer Ankunft im Dickicht gelagert haben, denn seine Spuren kreuzten sich in allen Richtungen, als sei er vor seinem Aufbruch gleichsam noch nicht mit sich einig gewesen, was bei der Ankunft der fremden Eindringlinge zu beginnen sei. Geduldig folgte ich seinen breit ausgetretenen Fußtapfen, die mich an die andere Seite des Hölzchens, wo ich mit Mr. Cambell zusammentraf, und von dort in gerader Linie an den Canadian führten, von wo aus das schlaue Thier in östlicher Richtung unter dem Schutze des hohen Ufers der vereinzelt stehenden Büsche und Bäume fortgeschlichen war. Ich hoffte, es in einem solchen Versteck zu überraschen, und trabte so lange weiter, bis die untergehende Sonne mich zur Rückkehr mahnte. Verdrießlich gab ich meine Jagd auf, warf die Büchse auf die Schulter und wendete mich um; da, keine zehn Schritte vor mir, hörte ich ein Rascheln im Gebüsch, aber nicht der Panther war es, wie Sie wohl Alle vermuthen, sondern dieser feiste Truthahn hier flatterte mit schwerem Flügelschlage in den nächsten Baum, wo ihn meine Kugel erreichte. Der Knall meiner Büchse hatte nicht allein das Echo an den hohen Ufern geweckt, sondern zugleich eine ganze Heerde dieser Vögel aus ihrem Versteck unter den Ranken hervorgejagt, die nach allen Seiten auseinander stoben; einen zweiten traf ich mit dem linken Rohre, hing, nachdem ich mein Gewehr geladen, die beiden Vögel über die Schulter und ging, ziemlich befriedigt mit dem Erfolge meiner Jagd, denselben Weg, den ich gekommen war, wieder zurück. Als ich die Mündung der Schlucht dort unten erreichte, war es vollständig dunkel, und nur mit Mühe bahnte ich mir einen Weg durch das verworrene Gestrüpp. Plötzlich schrak ich abermals vor einem Geräusch dicht vor mir zurück; es war ein verschlafener Truthahn, wahrscheinlich einer der Heerde, die ich auseinander gesprengt hatte, der jetzt mühsam einem verdorrten Baume zuflog und sich mir so recht zu Schuß setzte. Ich hatte den einen Vogel an meinem Gürtel befestigt, den andern trug ich in der Hand; letzteren legte ich also vor mir nieder, um noch den dritten zu erlegen; lange zielte ich in der Dunkelheit und gab Feuer; auf meinen Schuß fiel der Vogel, mit seinen Schwingen schlagend, am Fuße des Baumes nieder. Seine Bewegung sagte mir, daß er nicht gänzlich todt sei, und um ihn zu erhaschen, ehe er wieder zur Besinnung gekommen, sprang ich schnell nach und bis über den Kopf in tiefes Wasser. Wie tief ich sank, kann ich nicht sagen, weiß aber, daß ich den Boden nicht mit meinen Füßen berührte. Ich war in einer verzweifelten Lage; mein Gewehr wollte ich nicht fahren lassen und der schwere Vogel saß an meinem Gürtel und an meiner Schulter fest, doch glaube ich kaum, daß dieser mich niederzog, im Gegentheil half er mir wohl noch schwimmen. Glücklicher Weise hatte ich mit der linken Hand einen überhängenden Zweig erfaßt, wodurch es mir nach ziemlich anstrengender Arbeit gelang, mich sammt Truthahn und Waffen wieder auf's Trockene zu bringen. Hätte ich meine Büchse eingebüßt, so würde ich mich nie über deren Verlust haben trösten können; so waren es nur die beiden Truthähne, die ich zu betrauern hatte; ich konnte nämlich in der Dunkelheit die Stelle nicht wieder finden, wo ich den einen niedergelegt hatte, und nach dem zuletzt geschossenen zu suchen, wäre eben so thöricht wie lächerlich gewesen, zumal ich vermuthen konnte, bei jedem Schritte in einen neuen Pfuhl zu stürzen. Ich arbeitete mich also ohne weiteren Zeitverlust nach der Lichtung zu durch, wo die Lagerfeuer meine Wegweiser wurden, und da bin ich, anstatt mit dreien nur mit einem Truthahn, mit nassen Kleidern und mit der Genugthuung, im Dunkeln mehr Wasser gefunden zu haben, als es unseren vereinten Kräften am hellen Tage gelungen ist.« – »Es ist nur gut, daß Sie wenigstens den einen Braten gerettet, der uns morgen vortrefflich munden soll,« rief Einer der Anwesenden. – »Freilich ist der eine gerettet,« antwortete der Jäger, »aber auch den möchte ich gern dafür hingeben, wenn ich hätte ausfindig machen können, auf welche Weise an einer Stelle, wo der nasse Triebsand jede ausgescharrte oder ausgegrabene Höhlung augenblicklich wieder schließt, ein so tiefer Trichter von so kleinem Umfang entstanden ist und ohne zu versanden fortbestehen kann.«


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