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Wiederum blieb der Wagenzug zurück, als am 12. Januar Lieutenant Whipple mit einer Abtheilung, der ich mich diesmal anschloß, die Weiterreise antrat. Es war beinahe um die Mittagszeit, als wir das Lager verließen und der Schlucht folgten. Ein kurzer Ritt brachte die Zelte bald aus unseren Augen, und wie in einem Kessel waren wir ringsum von hohen Felsenmauern umgeben. Ein guter Weg konnte das Flußbett nicht genannt werden, wenn auch gut im Vergleich mit den Wegen, die wir in den letzten Tagen kennen gelernt hatten. Verkümmertes Gestrüpp und wenig Gras zeigte sich zwischen rein gewaschenen Steinen und Felsblöcken; die aufrechtstehende breitblätterige Cactus ( Opuntia) aber erreichte ihre volle Größe in den trockenen Spalten der felsigen Ufer. Zu Hunderten eilten die kleinen zierlichen Rebhühner ( Callipepla californica Gould, und Callipepla squamata, wenn die Federn der Krone lang und spitz sind) immer vor uns her oder flogen eine Strecke weiter, wenn eine mörderische Ladung Schrot unter sie gesendet wurde. Dieses Rebhuhn, welches ungefähr die Größe einer zahmen Taube hat, zeichnet sich außer seinem schönen braun und grauen Gefieder noch besonders durch die 6 bis 8 zwei Zoll langen Federn auf dem Kopfe aus, die, oben breit und unten spitz, dicht zusammen liegen und die Gestalt einer etwas nach vorn gebogenen Keule haben. Wenn diese Vögel auf der Flucht sind oder erschreckt werden, tragen sie den Federbusch nach vorn, dem Schnabel zu hängend, während sonst derselbe etwas schräg nach hinten weist. So schön diese kleinen Hühner aussehen, so wohlschmeckend ist auch ihr Fleisch, und in dem Partridge Creek fanden wir dieselben in solchen Unmassen, daß es uns nicht schwer wurde, mit wenigen Schüssen ein Gericht derselben für uns zu erlegen. Auch den großen grauen Wolf (Canis lupus L. var. griseus Richardson) sahen wir mitunter am Rande der Schlucht hinschleichen, doch war er scheu und wußte sich immer genau außerhalb des Bereiches unserer Büchsen zu halten.
So waren wir bis gegen Abend fortgeritten, als wir eine Stelle erreichten, wo die Ufer sich senkten, so, daß wir zu beiden Seiten eine freie Aussicht aus der Schlucht über die nächste Umgebung gewannen. Da Wasser in der Nähe war, und sich uns gegen Westen eine zur Straße geeignete Ebene zeigte, so trafen wir Anstalt hier zu übernachten. Dichte Cedernbäume, deren Zweige bis auf den Boden hingen, bildeten in dieser Nacht ein vortreffliches Obdach; zu unseren Füßen brannten tüchtige Feuer, während wir mit dem Körper wie unter einem grünen Schirm lagen. Das Wetter in dieser Nacht, allerdings noch kalt, war ein schönes Herbstwetter zu nennen, was wir um so angenehmer empfanden, als wir die winterlichen Regionen der San Francisco und Bill Williams Mountains eben erst verlassen hatten. Genau westlich von uns lag, abgesondert von den sich südlich und nördlich erstreckenden Höhen, in der Entfernung von etwa 20 Meilen ein ausgebrannter Vulkan, der von Leroux in früherer Zeit schon gesehen und von ihm und seinen Begleitern PicachoPicacho, ist die spanisch-mexikanische Bezeichnung für jeden abgesondert stehenden spitzen Berg. benannt worden war, und weiter vorzudringen schien nur in der Richtung südlich vom Picacho möglich zu sein.
Nachdem also am 13. Januar zwei Mann an Lieutenant Stanley mit der Weisung, uns mit der ganzen Expedition bis zu diesem Punkte nachzufolgen, abgeschickt worden waren, verließen wir den Partridge Creek und gingen in der eben angegebenen Richtung weiter. Das Terrain, abwechselnd kahl oder mit lichter Cedernwaldung bedeckt, war hügelig und uneben, doch stießen wir nicht auf solche Hindernisse, die das Nachfolgen der Wagen sehr erschwert hätten; nur als wir uns dem Picacho näherten, wurden wir häufig durch tiefe Betten alter Lavaströme aufgehalten, die von dem Vulkane ausgehend das angrenzende Land vielfach durchfurchten. Da wo mehrere Vertiefungen zusammenkamen oder die einst flüssige Lava eine Biegung gemacht hatte, fanden wir indessen immer Gelegenheit, nicht nur mit unseren Packthieren jedesmal den Uebergang zu bewerkstelligen, sondern auch Stellen, an welchen für die nachfolgenden Wagen, wenn sie die nöthige Vorsicht gebrauchten, nichts zu fürchten war. Mehrfach entdeckten wir klare Quellen, die spärlich aus dem schwarzen Gestein sprudelten. Am Nachmittag befanden wir uns endlich nicht weit von der Basis des Picacho, so daß dieser Berg nördlich von uns lag. Hier nun wurden wir plötzlich auf unserem Wege durch tiefe Abgründe aufgehalten, an welchen hinunter zu klettern selbst für unbeladene Maulthiere nicht möglich gewesen wäre. Unten in der Tiefe weit gegen Süden und Norden bis dahin, wo in Nebel gehüllte Gebirge den Horizont begrenzten, dehnte sich ein anscheinend ebenes Thal aus. Daß wir in das Thal würden hinabkommen können, sagten uns zur Genüge einige der von dem Picacho auslaufenden und in die Ebene mündenden Schluchten; doch wohin wir uns dann zu wenden hatten, mußten wir erst ausfindig machen, denn vor uns auf der anderen Seite der Ebene in der Entfernung von 10 Meilen lag ein Gebirgszug, der sich so weit das Auge reichte, von Süden nach Norden erstreckte. Das Aussehen des Landes war nicht der Art, daß wir irgendwo auf einen Paß durch das Gebirge hätten schließen können; es öffnete sich uns allerdings in dem Thale ein unabsehbarer Weg gegen Süden so wie gegen Norden, doch lag es in unserem Plane, den geradesten Weg zu verfolgen und weder südlich an den Gila noch nördlich an den Colorado Chiquito zu ziehen. Die Gebirgskette vor uns senkte sich etwas gegen Norden, und dort sollte deshalb zuerst der Versuch gemacht werden, einen Paß zu finden. An einem Abhange also, wo wir vor dem kalten Westwind etwas geschützt waren, zerstreute Cedern uns Holz zum Brennen und Zweige zu einem erträglichen Obdach boten, und wo uns das Wasser auch nicht allzu fern war, brachten wir die Nacht zu.
Nachdem wir am folgenden Morgen gefrühstückt, machten wir uns fertig, hinab in's Thal zu steigen, doch nicht bevor Lieutenant Whipple abermals zwei Soldaten zurückgeschickt hatte, die den Auftrag erhielten, den ganzen Zug an diese Stelle zu führen. Die beiden Soldaten sollten den Marsch zu Fuß zurücklegen; als sie von uns schieden, gab ihnen Lieutenant Whipple noch einen kleinen Vorrath von Tabak auf den Weg, mit dem Bemerken, sie möchten mit den Indianern, wenn ihnen solche begegneten, die Friedenspfeife rauchen. »Pulver und Blei wollen wir mit ihnen rauchen und den Tabak für uns behalten,« gaben die handfesten Bursche zur Antwort, warfen ihre Musketen auf die Schulter und schritten rüstig gegen Osten. Wir entdeckten bald eine Schlucht, die uns abwärts führte; sie erweiterte sich nach einem Ritte von einer halben Stunde über felsigen Boden, und wir befanden uns dann am Rande des Chino Valley, wie wir dieses Thal tauften. So flach, wie es uns von der Höhe aus erschienen waren, war das Thal nicht, doch konnten die einzelnen Vertiefungen, die von den Gebirgswassern gewühlt worden waren, keine ernstlichen Hindernisse genannt werden. Wir merkten uns also in nordwestlicher Richtung von uns auf den fernen Höhen einen Punkt, auf welchen wir zuritten, ohne genöthigt zu sein, im Wesentlichen von der einmal bestimmten Linie abzuweichen. Ohne anzuhalten oder den Schritt unserer Thiere zu mäßigen, und nur gelegentlich nach den uns umschwärmenden Antilopen schießend, zogen wir bis Nachmittag unseres Weges und befanden uns dann an dem westlichen Ende des Thales, wo runde Hügel und Berge, die fast jeder Vegetation entbehrten, uns den Weg zu versperren schienen. An denselben in nördlicher Richtung hinreitend, erreichten wir eine Schlucht oder vielmehr ein schmales Thal, durch welches sich in vielen Windungen das trockene Bette eines Baches zog. Ohne zu zögern bogen wir sogleich in dasselbe ein und folgten ihm gegen Westen. Dürres Gras und Gestrüpp bedeckte den Boden des Thales, welches sich verengte und erweiterte, je nachdem sich die steilen Hügel oder Felsenreihen einander näherten oder von einander entfernten. Wasser fanden wir nicht, hatten also keinen Grund an einer bestimmten Stelle das Nachtlager aufzuschlagen und ritten daher unverdrossen fort, bis die Dämmerung sich einstellte. Wir entledigten dann die Thiere ihrer Last, breiteten unsere Decken auf dem staubigen Boden aus, sammelten von dem dürren Gestrüpp zu unserem sehr kläglichen Lagerfeuer, und alle Vorbereitungen zur Nacht waren somit getroffen. Vor gänzlichem Dunkelwerden erstiegen wir noch die nächste Hügelreihe, um einen Blick in die Ferne zu werfen, doch war der Anblick dort oben noch trostloser als unten in der Schlucht, denn wie eine wüste Hochebene, die nach allen Richtungen tief gespalten und durchfurcht ist, nahm sich das Terrain aus; einsam ragte hin und wieder ein verkrüppelter Cedernbusch aus einer Kluft hervor; kein Leben regte sich in dieser Einöde und schleunigst stiegen wir wieder hinab in das Lager, um unter unseren Decken den Mangel eines tüchtigen Feuers zu vergessen.
Mehrere Meilen hatten wir am folgenden Morgen noch zu reiten, ehe sich die Schlucht, in der wir uns befanden, erweiterte und in eine andere weniger umfangreiche Ebene mündete. Im Westen war diese ebenfalls von einer waldigen Bergkette begrenzt, auf welcher noch einige Spuren von Schnee zurückgeblieben waren. Unsere kleine Gesellschaft wurde am Rande dieses Thales getheilt, indem die Hälfte derselben mit den Packthieren nordwestlich einer Schlucht, in welcher Schnee lag, zueilen sollte, während die Uebrigen auf dem nächsten Wege dem Gebirge zuzogen, um dasselbe an einem hohen Punkte zu ersteigen und eine Aussicht auf den westlichen Abhang zu gewinnen. Bei Letzteren war Lieutenant Whipple und Leroux, welchen ich mich anschloß.
Wüthend sauste der Wind über die Ebene, so daß die Antilopen, die sich hier wieder zu zeigen begannen, ungehindert um uns herumspielen konnten, denn um mit der Büchse sicher zielen zu können, war der Sturm zu heftig, und die Jagd unterblieb daher ganz. Wir befanden uns bald zwischen wilden Hügeln am Fuße des Gebirgszuges und suchten uns eine passende Stelle, um an demselben hinaufzuklettern. Die Arbeit gehörte nicht zu den leichtesten, schroffe Abhänge und wildes Gerölle waren zu überwinden, doch erreichten wir endlich einen Punkt, von welchem wir weit um uns zu sehen vermochten. Wenig ermuthigend dehnte sich das Land gegen Westen vor uns aus; es war ein Chaos von Felsen, Schluchten und wildem Geröll, und so weit wir selbst mit Ferngläsern die Gegenstände zu unterscheiden vermochten, war es derselbe Charakter einer für unsere Expedition undurchdringlichen Wildniß, auf welche unsere Blicke trafen. Ein kurzer Aufenthalt dort oben genügte, um uns sogleich jeden Gedanken an ein Durchdringen in dieser Richtung aufgeben zu lassen. Wir kehrten daher auf dem Wege, den wir gekommen waren, wieder zurück, hielten uns indessen beim Hinabsteigen etwas mehr nördlich, um mit unseren Gefährten wieder zusammenzutreffen, die bei unserer Ankunft schon damit beschäftigt waren, an hellen Feuern, die hier wieder mit trockenem Cedernholz genährt werden konnten, Schnee zu einem einfachen Mahle zu schmelzen. Abermals erstiegen wir die nächsten Höhen, um noch einmal in die Ferne zu spähen, doch Nichts zeigte sich uns in der Formation des Landes, was uns zum weiteren Fortschreiten hätte aufmuntern können.
Um den Stamm einer weitverzweigten Ceder reihten wir unsere Lager; die dichten Zweige hielten den Schnee von uns ab, der in geringem Maße während der Nacht fiel, und am folgenden Morgen begaben wir uns gestärkt und rüstig wieder auf den Heimweg nach unserem Hauptlager, welches zu dieser Zeit sich schon am Fuße des Picacho befinden mußte. Der Schnee, der während der Nacht gefallen war, verschwand noch ehe wir das nächste Thal durchzogen hatten und uns in der Mündung der bekannten Schlucht befanden. Was wir am vorhergehenden Tage nicht entdeckt hatten, fanden wir an diesem, nämlich eine kleine Wasserlache, die uns in den Stand setzte, unsere Thiere, die bereits seit 48 Stunden nur etwas Schnee hatten lecken können, nothdürftig zu tränken. Wir ritten denselben Weg, den wir gekommen waren, wieder zurück und hatten bald wieder den Picacho mit seinem abgestumpften Gipfel und den erkalteten Lavamassen, die noch an seinen Abhängen hinunter zu fließen schienen, vor uns. Die Antilopen, welche an den vorhergehenden Tagen das Thal belebten, waren an diesem nicht sichtbar; die ganze Natur schien ausgestorben zu sein; nur an der Stelle, wo wir in's Thal hinabgestiegen waren, bemerkten wir, als wir näher rückten, kleine Rauchwölkchen, die sich emporkräuselten und Punkte, die sich bewegten. Es waren unsere Gefährten, die sich dort häuslich niedergelassen hatten und unserer Ankunft entgegensahen.
Kurz vor Abend trafen wir im Lager ein, wo wir sogleich vernahmen, daß die Expedition schon einen Tag früher, als wir vermuthet hatten, hierher gelangt war. Sie hatte nämlich die Ankunft der von Lieutenant Whipple abgesendeten Soldaten nicht erwartet, sondern sogleich die Weiterreise von Partridge Creek aus angetreten. Sei es nun, daß die Boten einen Umweg hatten vermeiden wollen, oder daß der Wagenzug, um eine bequemere Straße zu finden, einen Umweg genommen, genug, die beiden Soldaten waren an dem Train vorbeigegangen und wurden erst aufmerksam darauf, als sie in der Nähe des Partridge Creek auf Wagenspuren stießen. Sie mußten sich deshalb am folgenden Morgen mit einem kargen Mahl begnügen, worauf sie dann geduldig den Wagenspuren folgten, die sie gegen Abend wieder glücklich zur Expedition führten.
Der folgende Tag nach unserer Ankunft (17. Januar) war wieder ein Ruhetag, an welchem wir uns zu einem neuen Ausfluge in südwestlicher Richtung rüsteten. Der Wind hatte sich so weit gedreht, daß er das Lager, welches auf dem südlichen Abhange eines felsigen Hügels stand, mit aller Gewalt fassen konnte; er war rauh und eisig kalt, so daß wir uns kaum zu erwärmen vermochten, und daher beschlossen, nach dem Ausbruch der Recognoscirungs-Abtheilung das Hauptlager hinab in die Schlucht zu verlegen.
Wir befanden uns an diesem Punkte nur noch in der Höhe von 4867 Fuß über dem Meeresspiegel, also 1605 Fuß niedriger, als an Leroux's Quelle in den San Francisco Mountains, und hatten 75 Meilen von dort bis hierher zurückgelegt.
Am 18. Januar nahmen wir wiederum Abschied von unseren Gefährten und zogen in südwestlicher Richtung dem Gebirge zu. Unsere Gesellschaft bestand aus denselben Mitgliedern, wie auf der letzten Recognoscirungsreise, und war mit einer eben so starken Mannschaft versehen; doch hatte Lieutenant Whipple, um Leute und Zeit zu ersparen, mit den Zurückbleibenden eine Verabredung getroffen, daß, wenn sie an irgend einer Stelle am Fuße des Gebirges einen starken Rauch erblicken würden, sie ohne Zeitverlust mit dem ganzen Zuge aufzubrechen und auf kürzestem Wege nach diesem Punkte hinzueilen hätten. Es sollte nämlich von unserer Seite dann ein außergewöhnlich großer Dampf durch nasses Holz erzeugt werden, wenn wir einen Paß entdeckt haben würden. Ein solches Signal mußte jedenfalls im Lager wahrgenommen werden, indem die Gegend zwischen demselben und dem Gebirge durchaus eben war. Ein ganzer Tag wurde durch dieses Signalisiren erspart, denn eine Tagereise war die geringste Entfernung, welche uns selbst im günstigsten Falle von einander trennen mußte.
Es war nicht mehr ganz früh, als wir das Lager verließen; wir gelangten bald an das trockene Flußbett, welches sich von Norden nach Süden durch das Chino Valley erstreckte, doch fanden wir den Durchgang durch dasselbe nicht so bequem, wie weiter nördlich, indem die Wasser hier tiefer die Erde durchwühlt hatten. Noch vor Abend waren wir wieder von Cedernwaldung umgeben, in welcher wir, so lange wir noch gut sehen konnten, am Fuße des Gebirges gegen Süden fortritten; wir fanden indessen kein Wasser und schlugen daher in einer Lichtung, wo sich etwas Futter für die Thiere zeigte, unser Nachtlager auf. In dichter Waldung, wo Ueberfluß an trockenem Holze ist, vermißt man selbst bei dem kältesten Wetter nicht die Zelte; es ist im Gegentheil noch bequemer, sich am flackernden Feuer hinzustrecken. Der Eine oder der Andere weiß gewöhnlich etwas zu erzählen, was den Verhältnissen gerade angemessen ist und Jeden interessirt; man lauscht der Erzählung, auch wohl dem Thierleben im Walde, man raucht sein Pfeifchen Tabak und richtet seinen Blick dabei auf einen Stern, der verstohlen zwischen dunklen Zweigen hindurchblickt.
Ich lag an diesem Abend dicht neben Mr. Leroux und horchte aufmerksam seinen Worten, als er mir von Colonel Frémont's vierter Expedition erzählte, die auf so traurige Weise unterbrochen wurde, und deren Ueberreste Mr. Leroux in seiner Heimath Taos hatte ankommen sehen.
Im October 1848 unternahm Frémont seine vierte Expedition,Vergl. die Anmerkung auf Seite 246 die ihn an den oberen Rio Grande führen sollte; einestheils, weil diese Richtung nach der Südsee noch nie durchforscht worden war, dann aber auch, weil ihm einzelne Gebirgsjäger versicherten, daß sich dort ein guter Paß durch die Rocky Mountains befinde, von dessen Vorhandensein er sich nunmehr zu überzeugen beabsichtigte. Dieses Mal wurde er nicht vom Gouvernement unterstützt, sondern engagirte auf seine eigenen Kosten 33 seiner alten Reisegefährten, die er bei früheren Gelegenheiten als gediegene Leute kennen gelernt hatte, kaufte 120 der besten Maulthiere und versah sich mit Waffen, Schießbedarf und Lebensmitteln, um die Reise durch die Steppen und die Territorien der feindlichen Comanche-, Kioway-, Apache-, Navahoe- und Utah-Indianer zu unternehmen. Vom Missouri aus folgte er dem Kansas-Flusse auswärts. Nach Zurücklegung von 400 Meilen traf er mit dem alten Fitzpatrick zusammen, der von Tausenden von Indianern verschiedener Nationen umgeben war, und als Agent der Vereinigten Staaten mit den wilden Steppenbewohnern seine Unterredungen hielt und Uebereinkommen abschloß, um den durch die Prairie reisenden Auswanderern nach Californien Sicherheit und Schutz zu verschaffen. Kurze Zeit verweilte er bei Fitzpatrick und erfuhr daselbst von weißen Jägern sowohl, als auch von den Indianern, daß der Schnee schon höher als jemals im Gebirge liege. Er setzte indessen seine Reise fort und erreichte das Städtchen Pueblos am oberen Arkansas gegen das Ende des Novembers, An diesem Orte versah er sich abermals mit Lebensmitteln, so wie mit Mais für seine Maulthiere, um auf alle Fälle in den Gebirgen gesichert zu sein, nahm zugleich noch einen alten Trapper Bill Williams mit, der ihm als Führer durch die nächsten Territorien dienen sollte, und befand sich dann in kurzer Zeit im tiefen Schnee der Gebirge. Nur äußerst langsam und mit der größten Mühe vermochte die Expedition vorzudringen, indem der Schnee die Pässe schon angefüllt hatte, so daß, um die Strecke von nur wenigen Tagereisen zurückzulegen, ein halber Monat erforderlich war.
Dem Führer Bill Williams, der trotz seines großen Selbstvertrauens das Land nur wenig zu kennen schien, folgend, gelangte Frémont auf die Nordseite der Rio del Norte-Schlucht, wo sich die wildesten und unersteiglichsten Felsmassen der ganzen Rocky Mountains-Kette befinden. Bill Williams drängte immer weiter, und allmälig näherte sich die Gesellschaft der Wasserscheide zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean, wo die Baumvegetation aufhörte und fortwährend Schneestürme wütheten. Durch einen solchen Schneesturm wurde Frémont von einem Versuch, die Wasserscheide zu überschreiten, zurückgetrieben, und bei dieser Gelegenheit unterlagen die ersten Thiere der furchtbaren Kälte; doch auch mehreren seiner Leute waren schon Glieder erfroren, und nur mit genauer Noth konnte der Führer dem Tode entrissen werden.
Ein neuer Versuch durchzudringen wurde gemacht, und im Schnee eine Bahn festgestampft, auf welcher der Trupp Fuß für Fuß nachfolgte und fortwährend dem tobenden Schneesturm ausgesetzt war. Ein Thier nach dem andern erstarrte in der Kälte und mußte mit seiner Last zurückgelassen werden. Endlich erreichte Frémont die Höhe und befand sich 12 000 Fuß über dem Meeresspiegel. Dort oben nun, wo der Sturm mit unwiderstehlicher Gewalt über die Kuppen und Bergrücken hinfegte und keinen Schnee liegen ließ, war die einzige Stelle, wo die Maulthiere etwas Futter fanden, denn an den Abhängen lag der Schnee mannshoch, und es war voraussichtlich keine Möglichkeit mehr vorhanden, die Thiere zu retten. Wenige Tage genügten und Frémont's stattliche Heerde lag in tiefem Schnee begraben. Ohne Thiere wurde ihm die Aufgabe, sich und seine Leute zu retten, noch schwieriger, um so mehr, da dieselben kleinmüthig wurden im Angesicht des grauenvollen Endes, welches ihnen augenscheinlich unabwendbar bevorstand.
In dieser Noth beschloß Frémont, an den Rio del Norte zurückzukehren und von dort aus eine Abtheilung nach den Ansiedelungen zu senden, um Lebensmittel und Maulthiere herbeizuschaffen, die genügen würden, ihn mit dem, was ihm noch geblieben war, nach Taos zu schaffen; denn dort lebte sein Freund Kit Carson, der ihn auf dieser Reise nicht begleitet hatte. Er wählte von denen, die sich freiwillig zu der Reise erboten, Vier, übergab Einem derselben, einem gewissen King, die Führung der Abtheilung nebst Aufträgen für die Ansiedelungen und prägte ihm besonders ein, daß im Falle die geringste Zögerung eintreten sollte, er sogleich Boten mit Lebensmitteln zurückzusenden habe; denn die Provisionen nach dem Verluste der ganzen Ausrüstung bestanden für jeden Mann in vierzehn kleinen Tagesrationen. King begab sich also mit seinen Kameraden auf den Weg, und Frémont unternahm es, mit seinen Leuten von der Bagage so viel wie möglich hinunter an den Rio del Norte zu schaffen.
Eine traurige Zeit verlebten die Zurückgebliebenen; unaufhörlich fiel Schnee, und immer unerträglicher wurde die Kälte, so daß schon einer von Frémont's Leuten erfror. Sechszehn Tage waren auf diese Weise verflossen, als Frémont, beunruhigt durch das Ausbleiben der Nachrichten von King und gezwungen durch den Mangel an Lebensmitteln, sich dafür entschied, selbst den Weg nach den Ansiedelungen anzutreten, da er fast befürchten mußte, King und seine Kameraden seien von den Utah- und Apache-Indianern abgeschnitten. Mit vieren seiner Leute, unter diesen Mr. Preuß, begab er sich auf die Reise; die fünf Abenteurer trugen außer ihren Waffen und Decken noch Lebensmittel für zwei oder drei Tage bei sich, während die Zurückbleibenden vielleicht noch für jeden Mann drei Mahlzeiten und außerdem noch einige Pfund Zucker behielten. Frémont's Absicht war, die Red River-Ansiedelungen, 20 Meilen nördlich von Taos, zu erreichen und von dort die schleunigste Hülfe zurückzusenden. Im Lager hinterließ er die Weisung, daß, wenn innerhalb einer gewissen Zeit keine Hülfe erscheinen sollte, welcher Fall nur in Folge seines Unterganges eintreten könne, sich die Mannschaften, ebenfalls Rettung suchend, auf den Weg begeben sollten.
Am zweiten Tage seiner Reise stieß Frémont auf frische Spuren von Indianern, wodurch seine Besorgniß um King und dessen Kameraden noch vergrößert wurde. Da die Spuren in seiner Richtung, nämlich am Rio del Norte hinunter führten, so folgte er denselben nach. Am fünften Tage überraschte er einen Indianer, der hinter seinem Trupp zurückgeblieben war, um aus einer Oeffnung im Eise zu trinken. Er sprach freundlich zu dem Wilden und nannte ihm seinen Namen, worauf dieser sich als den Sohn eines Häuptlings der Utahs, mit welchen Frémont drei Jahre früher Geschenke ausgetauscht hatte, zu erkennen gab, sich ihm sogleich als Führer anbot, und ihm sogar vier freilich sehr schwache Pferde für kleine Gegenstände, die Frémont bei sich führte, überließ. Er blieb die Nacht bei den Indianern und setzte am folgenden Morgen seine Reise langsam fort. Gegen Abend, nach Zurücklegung von 6 Meilen, sah er vor sich in einem kleinen Gehölz Rauch aufsteigen, und in der Hoffnung, dort auf die von King, seit dessen Aufbruch schon 22 Tage vergangen waren, zurückgesendete Hülfe zu stoßen, ging er mit seinen vier Gefährten auf denselben zu und fand – Kings Abtheilung, doch ohne King selbst. Er vermochte kaum die drei Gestalten zu erkennen, so sehr waren sie von dem gräßlichsten Hunger entstellt worden. Auf sein Fragen nach King erfuhr er, daß derselbe schon vor einiger Zeit der furchtbaren Kälte und dem Hunger erlegen sei und die Uebrigen von den Ueberresten ihres untergegangenen Kameraden ihr Leben gefristet hatten.
Mit Hülfe der von dem Indianer erstandenen Pferde gelang es ihm, die drei Ueberlebenden mit fortzuschleppen und nach zehntägigem Marsche und nach Zurücklegung von 160 Meilen Red River Town zu erreichen. Gleich nach seiner Ankunft ging Frémont, unterstützt von dem unverwüstlichen Godey, einem seiner treuesten Kameraden, der ihm nicht von der Seite gewichen war, an's Werk, Hülfe für die im Gebirge harrenden Leute zu schaffen, und schon am zweiten Abend nach seiner Ankunft begab sich der muthige Godey mit 40 Maulthieren und vier Mexikanern auf den Weg, um seine alten Gefährten zu retten. Die 22 Mitglieder und Arbeiter der Expedition, die im Schnee zurückgeblieben waren, harrten noch sieben Tage in dem Lager, worauf sie, von der furchtbarsten Noth gezwungen, aufbrachen und der Richtung, welche Frémont eingeschlagen hatte, folgten. Ein Cosumne-Indianer war der Erste, der vollständig verzweifelte, und schon 2 Meilen vom Lager seine Gefährten bat, ihn zu erschießen, und als ihm dieses verweigert wurde, wieder in's Lager zurückkehrte, um dort zu sterben, 10 Meilen weiter wurde ein gewisser Wise das Opfer der Verzweiflung, er warf seine Büchse und Decke von sich, legte sich in den Schnee und starb. Zwei junge Indianerburschen, ebenfalls der Expedition angehörend, die in einiger Entfernung nachfolgten, hüllten den armen Jäger in seine Decken und begruben ihn im Schnee. Zwei Tage schleppten sich die Uebrigen weiter, als ein Jäger Namens Carver wahnsinnig wurde und im Delirium die verschiedenartigsten und wohlschmeckendsten Gerichte vor sich zu sehen glaubte. Am Morgen des dritten Tages trennte sich dieser von seinen Gefährten und fand im tiefen Schnee bald das Ende seiner Qualen. Noch zwei der unglücklichen Schaar blieben an diesem Tage zurück; einer Verabredung gemäß, zündeten die Uebrigen ein tüchtiges Feuer bei ihnen an und wanderten dann weiter, wohl wissend, daß die beiden Jäger, von denen der eine noch schneeblind geworden war, die Nacht nicht mehr überleben konnten.
Die schreckliche Kälte und die furchtbaren Schneeanhäufungen hatten alles Wild aus der dortigen Gegend vertrieben, nur hin und wieder gelang es den Reisenden, einige Vögel, und nur ein einziges Mal einen Hirsch zu erlegen, was bei der schon mehr als halb verhungerten Gesellschaft nicht gerechnet werden konnte. Ein Jäger Haler, der gewissermaßen die Führung übernommen hatte und ebenfalls daran zweifelte, daß ein Einziger von ihnen gerettet werden würde, beschloß endlich, die Gesellschaft aufzulösen. Er stellte seinen Gefährten vor, daß sie zu Zweien und Dreien versuchen müßten, die Ansiedelung zu erreichen, daß sie, wenn zerstreut, eher auf ihnen entgegenkommende Hülfe stoßen würden, zugleich aber auch leichter Gelegenheit hätten, etwas Wild zu erlegen; er machte sie darauf aufmerksam, daß er geleistet, was in seinen Kräften gestanden habe und daß, wenn er dazu bestimmt sei, von seinen Kameraden aufgegessen zu werden, seinem Leben wenigstens während des Marsches ein Ende gemacht werden solle.
Es geschah seinen Anordnungen gemäß, und drei Abtheilungen wurden gebildet. Mit Haler zogen noch fünf weiße Jäger und die beiden Indianerburschen. Einer der Weißen blieb indessen bald zurück und war trotz Haler's warmer Zureden nicht mehr fortzubringen, sondern versprach am Abend nachzukommen. Sie zogen ohne ihn weiter und trafen das Uebereinkommen, daß, wenn Einer von ihnen vollständig ermattete, nicht auf ihn gewartet werden solle, sondern die Kräftigeren ein Feuer bei demselben anzünden und ihres Weges ziehen sollten. Zwei von den Vieren wurden auf diese Weise noch zurückgelassen, der Letzte nur eine kurze Strecke von der Stelle, wo die beiden vorauseilenden Indianerburschen auf Godey stießen, wodurch sein Leben noch gerettet wurde! der Andere aber kam im Schnee um. Der von Haler's Abtheilung zuerst Zurückgebliebene war zu der anderen Abtheilung gestoßen, die aus acht Mann bestand, hatte sich mit einem derselben auf den Weg begeben und mit diesem zusammen im Schnee sein Ende gefunden. Diese letztere Abtheilung hatte beschlossen, liegen zu bleiben, Hülfe zu erwarten, und während der Zeit von dem Fleische ihrer verhungerten Kameraden zu leben oder jedesmal den Schwächsten zur Fristung und Erhaltung ihres Lebens zu erschießen. Von den Beiden, welche die dritte Abtheilung bildeten, war ebenfalls noch Einer umgekommen, während es dem Andern glückte, die Abtheilungen, die sich vor ihm befanden, zu erreichen und mit Godey zusammenzustoßen.
Ein so trauriges Loos hatte also Frémont's Expedition betroffen. Zwei Drittheile der Gesellschaft wurden durch den braven Godey gerettet, das andere Drittheil aber, 11 Mann an der Zahl, hatte ein schaudererregendes Ende genommen; sie lagen zerstreut auf der Straße umher, an den Stellen, wo sie verhungert zusammengesunken waren. Frémont hatte bei seinem treuen Freunde Ellison in Taos ein Asyl gefunden, wohin ihm die Ueberlebenden seiner Gesellschaft, die theilweise durch den Frost Glieder eingebüßt hatten, nachfolgten.
Frémont befand sich in einer Lage, die das stärkste Gemuth niederdrücken muß; seine ganze Ausrüstung hatte er verloren, ein Drittheil seiner alten Gefährten hatte ihm der Tod geraubt, ein anderer Theil war verkrüppelt, er selbst mittellos geworden, und dieses im fremden Lande, fern seiner Heimath. Seine Energie behielt indessen die Oberhand, und er leistete Unglaubliches. In wenigen Tagen befand er sich wieder an der Spitze einer neu organisirten Expedition, zog dem Gila zu, und dessen Laufe folgend, erreichte er Californien im Frühjahr 1849.
Im Jahre 1847 hatte er sich daselbst einen Landstrich, der unter dem Namen Mariposas bekannt ist, ausersehen, von welchem er nunmehr Vortheile zu ziehen gedachte. Mariposas ist reich an Gold, und die Minen daselbst sollen leichter als an irgend einer anderen Stelle Californiens zu bearbeiten und unerschöpflich sein. Die Minen mit gutem Erfolg ausbeuten zu lassen, war nunmehr Frémont's erster Plan. Er schloß daher einen Contract mit einer Anzahl Mexikaner, die für einen gewissen Antheil am Gewinn Gold gruben, wohingegen Frémont sich verbindlich machte, sie mit Lebensmitteln zu versehen. Auf diese Weise emsig damit beschäftigt, für sich und seine Familie durch wachsenden Reichthum eine gewisse Unabhängigkeit zu begründen, ging ihm plötzlich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, dem General Taylor, die Ernennung zum Commissair bei der mexikanischen Grenzvermessung zu. Diesen Beweis des Vertrauens, der ihm nach früheren Unannehmlichkeiten von der Regierung wurde, wies Frémont nicht von sich, sondern beschloß, die Ernennung anzunehmen, doch wurde er daran verhindert, indem er von den Bewohnern Californiens zum Senator für den Congreß in Washington erwählt wurde. Er hatte sein 37. Jahr noch nicht erreicht, als ihm von der kalifornischen Bevölkerung diese schmeichelhafte Bevorzugung zu Theil wurde, und bald darauf trat er seine Reise nach Washington an.
Leroux verweilte bei der Beschreibung der durch den Hunger verursachten Qualen und des durch dieselben herbeigeführten Endes der Gebirgsjäger; denn er hatte fast jeden Einzelnen gekannt, und von Jedem wußte er eine Anekdote oder irgend einen Charakterzug zu erzählen, ohne dabei die Fehler, die unter den Jägern des Westens fast allgemein sind, zu beschönigen. Lange hätte ich noch dem alten Leroux zuhören können, doch mahnte er mich an die nöthige Nachtruhe, warf noch einige Holzscheite in's Feuer, wickelte sich in seine Decken, und bald bewies sein tiefes Athmen, daß er in einen gesunden Schlaf gesunken war. Halb träumend glaubte ich noch immer seine Erzählung zu hören, doch war es nur das murmelnde Geräusch, hervorgerufen durch unsere in der Nähe weidenden Maulthiere, die emsig dürres Gras abrupften; ich hörte noch das unheimliche Lachen des Uhus im Gebirge, das dumpfe Geheul der in den Schluchten umherschleichenden Wölfe und schlief endlich ein.