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Auf Reisen, wie die unsrige, ist es gebräuchlich, daß in jedem neuen Lager vor allen Dingen die nächste Umgebung durchforscht und dabei nach Merkwürdigkeiten gespäht wird. So geschah es auch im Lager vor Zuñi. Kaum angelangt, streiften wir auch schon in der Nachbarschaft umher und entdeckten einige hundert Schritte von unseren Zelten eine Quelle, die einen Teich von 25 Fuß im Durchmesser bildete. So wie der Teich seinen Zufluß aus verborgen liegenden Adern erhielt, so sendete er sein überflüssiges Wasser in einer kleinen Rinne dem nächsten Bache und in diesem dem Zum River zu. Sorgfältig war der kleine See, dessen Tiefe über l2 Fuß betrug, von den Indianern mit einer Mauer eingefriedigt worden, wahrscheinlich um dem Andränge des Viehes dadurch vorzubeugen. Die kultivirten Felder, welche die Quelle umgaben, schienen ausschließlich aus derselben bewässert zu werden, obgleich ein Bach eben so nahe war; denn zahlreiche Urnen und Gefäße, die zum Schöpfen und Tragen des Wassers gedient hatten, standen geordnet auf der Mauer umher. Angelockt durch die eigenthümliche Form dieser Geräthe wollten Einige unserer Gesellschaft die leichteren derselben mitnehmen, doch wurden sie durch die Indianer daran verhindert, die, aus welchem Grunde konnten wir nicht erfahren, die Ordnung an der Quelle nicht gestört haben wollten, was uns auf den Gedanken brachte, daß dieselbe von den Zuñis in irgend einer Weise verehrt werde. Wir befanden uns, wie oben bemerkt, in einem Thale, dessen östliche Grenze durch Lavahaufen und vulkanische Hügel bestimmt wurde; gegen Süden erblickten wir die Gebirgsketten, zwischen denen wir hingezogen waren, gegen Westen eine Verlängerung dieser Gebirgsketten, die plötzlich mit einer steilen imposanten Felsmasse endigte, auf welcher sich die Trümmer des alten Zuñi befanden; gegen Norden stieg das Thal allmälig zu einer geringen Höhe auf, über welche hinweg die Straße nach der Indianerstadt führte.
Die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft unserer Expedition mußte Zuñi schon früher erreicht haben und wir von den Indianern erwartet worden sein; denn noch ehe vollständige Ordnung in unserem Lager hergestellt war, begann sich dasselbe mit braunen Gestalten zu füllen, so daß sich vor jedem Kochfeuer und vor jedem Zelte einige derselben befanden. Im Aeußeren hatten diese unsere neuen Freunde die größte Ähnlichkeit mit den Pueblo-Indianern, die wir schon bei früheren Gelegenheiten kennen lernten. Sie zeigten sich sehr neugierig, zu erfahren, was eigentlich Veranlassung zu unserer Expedition gegeben habe. Der Zweck, eine directe Verbindung mit der Südsee herzustellen, schien ihnen sehr einzuleuchten, und es dauerte gar nicht lange, daß Pedro Pino, der Governador von Zuñi, im Festanzuge mit zweien seiner Häuptlinge erschien, um Bekanntschaft mit uns zu machen und sich näher über die Richtung unserer Reise zu erkundigen. Eine sehr traurige Nachricht überbrachten uns die Indianer, in Folge deren wir verhindert wurden, sie in ihrer Stadt zu besuchen und ihre Gastfreundschaft zu beanspruchen. Die Blattern herrschten nämlich bei ihnen und forderten manches Opfer von der hülflosen Bevölkerung. So theilte uns Pedro Pino mit, daß zwei seiner Neffen an dieser schrecklichen Krankheit gestorben seien, mit dem Bemerken, daß er sehr betrübt sei und alle seine Leute mit ihm; daß sie aber auch zugleich hofften, Derjenige, der ihnen die Krankheit geschickt habe, werde sie auch wieder von ihnen nehmen. Es waren überhaupt freundliche, friedfertige Leute, die uns umschwärmten, und es konnte im ganzen Lager keine Klage darüber geführt werden, daß sie zudringlich geworden wären oder sich irgendwie fremdes Eigenthum angeeignet hätten.
Die wilden Gebirgszüge, die in nicht allzu großer Entfernung gegen Westen vor uns lagen, ließen in mehreren Mitgliedern unserer Gesellschaft den Wunsch rege werden, die dunklen Schluchten jagend zu durchstreifen und nach grauen Bären zu spüren, welche dieselben nach den Aussagen der Indianer bevölkerten. Ein freundlicher Zuñi bot sich auch alsbald an, uns zu begleiten und nach einer von Bären besuchten Stelle zu führen. Der folgende Tag wurde zu diesem Ausfluge bestimmt, und kaum graute der Morgen, als auch Doctor Bigelow, Doctor Kennerly und ich im Sattel saßen und unserem indianischen Führer folgten, der auf einem schönen braunen Hengste ritt.
Das cedernbewaldete Thal, welches bis zum Fuße der ersten Bergkette reichte, war bald überschritten, und über Felsengerölle, an steilen Abhängen vorbei, ging es dann aufwärts. Der Bergrücken, auf welchem wir uns endlich befanden, stand in Verbindung mit dem hohen Felsplateau, auf dem die Ruinen des alten Zuñi lagen; die Bergkette erreichte mit diesem Felsen ihr Ende, und leicht hätten wir auf bequemere Weise um die Spitze herumreiten können; doch ersparten wir durch Ueberschreitung der Höhen einen bedeutenden Umweg, wenn auch namentlich das Hinabklettern von denselben keineswegs gefahrlos war.
Als wir endlich am Fuße glücklich angelangt waren, befanden wir uns am Rande eines anderen Thales, welches gegen Westen von einer unabsehbaren Felsenkette eingeschlossen war. Diese erstreckte sich gegen Süden, fast parallel mit der hinter uns liegenden Kette, und engte, sich derselben nähernd, das Thal allmälig so ein, daß es nur noch eine von Bergströmen hin und wieder durchfurchte Schlucht bildete; diese Bergströme freilich waren zur Zeit unserer Ankunft alle trocken. In diese Schlucht hinein folgten wir also unserem Indianer, der sein Pferd zur Eile anspornte. Vielfach kamen wir an kultivirten Feldern vorbei, auch an leicht gebauten Hütten, die darauf hindeuteten, daß nur zeitweise, vielleicht um die Felder zu bestellen, und zur Erntezeit die Bewohner von Zinn dieses Thal belebten. Die Waldungen, welche die stolz und majestätisch emporstrebenden Felswände bekränzten, zogen sich bei unserem Vorschreiten immer mehr zusammen und begegneten sich endlich in der Mitte der Schlucht, so daß wir zuletzt fast ununterbrochen durch Gehölz ritten und nur mitunter auf kleinen Lichtungen einen Blick auf die hohen phantastischen Felsformationen gewannen. Mehrfach machten wir uns gegenseitig darauf aufmerksam, wie lieblich die Umgebung sein müsse, wenn das Laubholz am Fuße der Berge statt der nackten Zweige frisches Frühlingsgrün zeige, prachtvoll abstechend gegen die dunklen, schattigen Cedernwaldungen auf den Bergen. Ohne anzuhalten, waren wir bis um die Mittagszeit der Schlucht gefolgt, als plötzlich der Indianer gegen Westen in eine Nebenschlucht einbog, wo uns bald das dichte Holz am Reiten verhinderte und wir, unsere Thiere zurücklassend, unsere Reise zu Fuß fortsetzen mußten. Nicht lange waren wir unserem schweigsamen Führer gefolgt, als derselbe, an einer kleinen Quelle anhaltend, uns bedeutete, daß wir an dem Punkte angekommen seien, wo die Bären zu Wasser zu kommen pflegten. Ein einziger Blick genügte, uns zu überzeugen, daß unsere Bärenjagd sich nur auf einen langen Spazierritt beschränken würde, und nur mit äußerster Geduld und Aufopferung vieler Mondscheinnächte auf einen guten Erfolg gerechnet werden könne. Uebrigens mußte schon mancher Bär an der Quelle seinen Pelz gelassen haben, denn sinnig hatten die Indianer daselbst solche Einrichtungen getroffen, daß es dem lauernden Schützen leicht gelingen konnte, aus sicherem Versteck dem Wasser suchenden Bären eine Kugel durch den Kopf zu senden. Die Quelle bestand nämlich nur aus einer kleinen Höhlung, die zwar Wasser hielt, doch nie so viel, um dasselbe überfließen zu lassen. Mit Felsblöcken war dann die Vertiefung so zugedeckt, daß nur eine Oeffnung blieb, groß genug, den Bären mit dem Kopf bis zum Wasser hindurchzulassen. Nur einige Schritte von dem Wasser entfernt, auf einer passenden gesicherten Stelle, war eine kleine Hütte errichtet worden, die nur eine Oeffnung nach der Quelle zu hatte, durch welche der Jäger in sein Versteck hineinkriechen mußte, und im entscheidenden Augenblicke mit Sicherheit auf das trinkende Thier schießen konnte. Beabsichtigt nun ein Jäger dort zu lauern, so schließt er, nachdem er sich von den regelmäßigen Besuchen eines Bären überzeugt hat, mit einem großen Steine die einzige Oeffnung zum Wasser und begiebt sich dann in sein Versteck, welches ihm erlaubt, zusammengekauert die Quelle und die gegenüberliegende Felswand zu beobachten. An dieser Felswand hinunter führt der Pfad der Bären, und auf demselben gewahrt der Schütze leicht die Annäherung eines solchen. Gelangt das durstige Thier dann an die bekannte Stelle und findet den Weg zum Wasser durch einen Stein versperrt, so beginnt es, ohne sich weiter umzusehen, mit den Vordertatzen den Stein hervorzuwälzen und giebt aus diese Weise dem Schützen Gelegenheit, mit Ruhe nach einer Stelle zu spähen, auf welche er die Kugel abschießen und den Bären aus einen Schuß erlegen kann. – Diese Auseinandersetzung war das Einzige, was wir statt der so viel gerühmten Bärenjagd genossen. Wir kletterten noch den Pfad hinauf, auf welchem seit Jahrhunderten die Bären wie auf einer Treppe hinauf und hinunter gestiegen waren und die Stufen mit ihren unförmigen Tatzen gleichsam polirt hatten, und begaben uns dann getrost auf den Heimweg. Als wir nach scharfem Ritte bis dahin gelangt waren, wo die Schlucht sich in das breite Thal öffnete, verschwand die Sonne hinter den Bergen. Der Indianer peitschte sein muthiges Pferd, eilte im Galopp über die Ebene seiner Stadt zu, und überließ es uns, bei der eintretenden Dunkelheit entweder den gefährlichen Weg, den wir am Morgen über die Berge zurückgelegt hatten, wieder aufzusuchen, oder den weiten Umweg um das Felsplateau zu wählen. Einstimmig erklärten wir uns für das Letztere; denn, war uns auch der Weg unbekannt, so stachen doch die schloßähnlichen Felsenmassen genugsam gegen den nächtlichen gestirnten Himmel ab, um als Wegweiser dienen zu können, während auf dem Bergpfade Abgründe und Gestrüpp in undurchdringlichem Schwarz so ineinander verschwammen, daß wir uns unseren Maulthieren in solcher Gefahr nicht anvertrauen, viel weniger zu Fuße den näheren Weg zurücklegen mochten. In weitem Kreise zogen wir daher um die Felsen, Der Himmel war sternenklar, kalt wehte der Nordwind über die Ebene und machte unsere Glieder fast erstarren! mit unerschütterlicher Ruhe aber trabten unsere Thiere über klingendes Gestein und brachten uns gegen Mitternacht zu unseren glimmenden Lagerfeuern, um welche noch einige Kameraden plaudernd und rauchend saßen und uns scherzend nach fettem Bärenfleisch fragten, statt dessen wir nur erstarrte Glieder und einen mehr als regen Appetit aufzuweisen hatten.
An diesem Tage waren auch Mr. Campbell und die übrigen Mitglieder unserer Expedition, welche den Weg nach Fort Defiance eingeschlagen hatten, wieder zu uns gestoßen, doch nicht in der Gesellschaft der von dort zu erwartenden Militair-Escorte, sondern sie überbrachten die Nachricht, daß dieselbe, zurückgehalten durch Vorbereitungen zum Marsch, erst in einigen Tagen aufbrechen und die Richtung nach dem kleinen Colorado einschlagen würde, um an diesem Flusse auf die Spuren unserer Expedition zu stoßen und derselben in starken Märschen zu folgen. Ueber die Beschaffenheit der von ihnen eingeschlagenen Straße und des Campbells-Passes gab Mr. Campbell die befriedigendsten Aufschlüsse. Der Paß liegt ziemlich genau westlich vom Mount Taylor; man gelangt in denselben durch ein schönes, breites Thal, welches an der schmalsten Stelle noch immer 3 Meilen breit ist. Die nördliche Seite ist von hohen, rothen Sandsteinfelsen gebildet, welche die verschiedenartigsten Formen zeigen. Die Südseite des Passes bilden die Abhänge der Zuñi-Gebirge. Die Zuñi-Gruppe der Sierra Madre wendet sich in nordwestlicher Richtung von dem Camino del Obispo und endigt in diesem Passe. Der Rio Puerco des Westens entspringt östlich von diesen Gebirgen (also nicht weit von den Hauptquellen des San José), zieht sich um die Spitze derselben herum und fließt dem Colorado Chiquito zu. So lauteten Mr. Campbell's Angaben, die sich auf eine oberflächliche Untersuchung gründeten, die aber hinreichend waren, den Campbells-Paß als den geeignetsten Weg durch die Rocky Mountains erscheinen zu lassen.
Noch ein dritter Tag ging uns im Lager hin, während welcher Zeit wir mit den Zuñi-Indianern unterhandelten, um von ihnen Führer bis an den kleinen Colorado zu erhalten, was um so wünschenswerther für unsere Expedition war, als wir von Zuñi ab nur unwirthliche Wildnisse und Wüsten vor uns hatten, durch welche sich höchstens schmale Indianer- und Wildpfade zogen. Pedro Pino, der Gobernador, der stets in Begleitung seiner ersten Krieger José Hatche und José Maria bei uns im Lager eintraf, hatte uns Führer versprochen, doch schien die Ausführung des Versprechens von einer Beratschlagung der Indianer abzuhängen; denn wir konnten noch immer keine bestimmte Nachricht erhalten, weshalb wir am 25. November aufzubrechen beschlossen, um die Ebene, in welcher Pueblo de Zuñi liegt, zu überschreiten und an einer Quelle am westlichen Ende derselben vorläufig unser Lager wieder aufzuschlagen.
(Anmerkung 19) Das Thal, in dem Pueblo de Zuñi liegt, wie das des gleichnamigen Flusses, besteht aus Felsen und Gebirgsarten der Trias-Formation, die hier wie in der Prairie von Sandstein und rothem Lehm mit Dolomit und Gyps gebildet sind. (Marcou a.a.O., Doc. 129.S.46)
Der Unschlüssigkeit der Indianer lag indessen keine Unfreundlichkeit oder gar feindselige Gesinnung zu Grunde, im Gegentheil, sie waren dem Unternehmen unserer Expedition sehr geneigt und bewiesen solches durch mancherlei Gefälligkeiten und durch die Bereitwilligkeit, mit der sie die über ihr Leben und Treiben, so wie über die Beschaffenheit des Landes gestellten Fragen beantworteten. Auch bedurfte es bei Pedro Pino und anderen hervorragenden Persönlichkeiten des Stammes keines großen Zuredens, sie zu bewegen, im kriegerischen Schmuck bei uns zu erscheinen und sich abzeichnen zu lassen. Es zeigten sich uns in der That schöne, kräftige Gestalten, die durch den phantastischen Anzug und die rothe Malerei im Gesicht Nichts von ihrem Ansehen verloren. Für gewöhnlich war die Tracht dieser Indianer gar nicht von derjenigen der Bewohner anderer Pueblos verschieden und auch hier überall ein Schimmer der von den Spaniern dort eingeführten Gebräuche zu erkennen.
Am 25. November verliehen wir also das Lager vor Zuñi, und begleitet von einer Anzahl Indianer zog unsere Expedition der Pueblo zu, während Mehrere aus unserer Gesellschaft, Lieutenant Whipple an der Spitze, einen Ausflug nach den Ruinen auf dem Felsplateau machten. Ein Indianer war bald gefunden, der uns als Führer begleiten wollte, denn ohne einen solchen würde es schwer für uns gewesen sein, einen Weg an den steil aufstrebenden Wänden hinauf zu finden, die sich an 800 Fuß hoch über ihre Basis erhoben. Der selbst für Maulthiere nicht zugängliche Pfad führte an so wunderlichen Formationen vorbei, wie nur immer von der Atmosphäre und dem Wetter allmälig aus nachgiebigem Gestein gebildet werden können. Bald waren es domartige Kuppeln oder regelmäßige Bogen, die wir bewunderten, bald Spalten oder Säulen, welche letztere in ihren äußeren Formen mitunter annähernde Aehnlichkeit mit menschlichen Figuren trugen. Besonders fielen zwei Säulen in's Auge, welche der uns begleitende Indianer als wirklich versteinerte Menschen bezeichnete, indem er zugleich das Nähere darüber auf folgende Weise erzählte.
»Als die Zuñis in uralten Zeiten noch auf der Höhe lebten, begannen einstmals die Wasser im Thale zu steigen; immer höher bespülten sie die Felsen, so daß sie die Stadt sammt ihren Bewohnern von denselben fortzuschwemmen drohten. In ihrer Noth nahmen die Zuñis auf den Rath ihrer weisen Männer einen Jüngling und eine Jungfrau und stürzten sie von dem Felsen hinab in's Wasser. Die Fluthen fingen in Folge dessen gleich an zu schwinden und verliefen sich endlich ganz; die beiden geopferten jungen Leute waren jedoch nicht untergesunken, sondern zwischen Felsen getrieben, wo sie zu Stein wurden.«
Es gehört übrigens nicht viel Einbildungskraft dazu, in den Säulen, auf welche sich diese alte Mythe bezieht, eine Ähnlichkeit mit menschlichen Figuren zu entdecken, und eben diese Aehnlichkeit mag auch wohl die erste Veranlassung zu der Sage gegeben haben. Die Plattform selbst war nicht so öde, als man von unten aus vielleicht vermuthen mochte, sondern Cederngestrüpp wucherte aus dem dürren, steinigen Boden und versteckte theilweise die Ruinen, die nur noch in einzelnen Ueberresten von Mauern und alten Fundamenten bestanden. Auch erblickten wir einige Opferstellen oder Altäre, die noch im Gebrauch zu sein schienen. Um dieselben herum steckten in einer gewissen Ordnung in dem Boden zierlich geschnitzte Brettchen, Flechtwerk von Weiden und kleine mit Federn geschmückte Stäbchen, lauter Gegenstände, die auf die eigenthümlichste Art und in den wunderlichsten Figuren ausgearbeitet waren. Haufen alter verwitterter Spielereien von derselben Art lagen umher und deuteten darauf hin, daß Brettchen, Stäbe, so wie Flechtwerk von Zeit zu Zeit von den indianischen Besuchern erneuert werden. Näheres hierüber zu erfahren war uns nicht möglich; nur daran, daß sich der Indianer widersetzte, als einige der umherliegenden Gegenstände als Andenken mit fortgenommen werden sollten, erkannten wir die Wichtigkeit, welche die Zunis diesen Heiligthümern beilegen. Als wir uns entfernen wollten, zog unser Führer aus einem kleinen Beutel etwas Mehl, hielt dasselbe in der hohlen Hand vor den Mund und blies es, nach der Stelle gewendet, die wir eben verlassen hatten, in die Luft, als wolle er gleichsam den Ort vor Entheiligung bewahren und von dem Athem der Besuchenden reinigen; später gab er vor, daß er dadurch einem Mißwachs habe vorbeugen wollen.
Am Zuni-Flusse, der seine Wasser dem Colorado Chiquito zuführt, erhebt sich auf einer kleinen Anhöhe Pueblo de Zuni, die Indianerstadt. Aehnlich wie Santo Domingo ist Zuni terrassenförmig erbaut, so daß 3 bis 7 Stockwerke übereinander liegen. Das obere ist jedesmal kleiner als das, auf welchem es sich erhebt, wodurch jede Wohnung einen Vorhof oder eine Gallerie erhält. Die Straßen zwischen den Häusern sind eng und zuweilen durch Ueberbauung der oberen Stockwerke ganz verdeckt. Eine römisch-katholische Kirche befindet sich in der Stadt, die ebenso wie die übrigen Gebäude von Luftziegeln erbaut ist. Das Innere derselben ist sehr einfach, denn nur ein schlechtes Gemälde und einige noch schlechtere Statuen zieren die Wand hinter der Kanzel.
Die Zahl der Einwohner mag sich auf 1800 bis 2000 belaufen; die Blattern haben indessen unter ihnen so große Verheerungen angerichtet, daß es schwer ist, die Seelenzahl genau anzugeben, Einzelne Albinos sollen sich unter den Zunis befinden, doch gelang es Keinem von unserer Expedition, eines solchen ansichtig zu werden; denn obgleich die Blattern schon einige unserer Leute befallen hatten, die wir deshalb in den Wagen mit uns führen mußten, und wir also den Ansteckungsstoff in unserem eigenen Personal hatten, getrauten wir uns doch nicht, die Wohnungen der Indianer zu betreten, aus welchen uns überall die schreckliche Krankheit drohend entgegentrat.
Bei den Zuni-Indianern tritt die Hinneigung zur Civilisation noch mehr hervor, als in irgend einer anderen Pueblo. Sie treiben Schafzucht, halten sich Pferde und Esel und beschäftigen sich in ausgedehnterem Maßstabe mit Ackerbau. Als unsere Expedition dort vorbeizog, waren freilich die Ernten schon längst beendigt, doch erblickten wir überall auf, der Ebene Felder, wo die Stoppeln von Weizen, Mais, Kürbissen und Melonen von dem Fleiße der Indianer zeugten. Außer diesen Feldfrüchten ziehen sie in ihren Gärten auch Zwiebeln, Bohnen und spanischen Pfeffer, und besonders letzterer war in großen Massen guirlandenweise an den Außenwänden der Häuser zum Trocknen aufgehängt. Doch nicht nur Ackerbau und Viehzucht ist es, womit die Zuñis umzugehen wissen, sondern die Weiber derselben sind auch geschickte Weberinnen und verfertigen, wie die Navahoes, dauerhafte Decken. Das Zerreiben des Getreides zu Mehl ist ebenfalls Arbeit der Weiber und geschieht, indem die Arbeiterin mit einem Steine aus einem anderen schräg stehenden die Körner zermalmt. Auch eine Schmiede befindet sich in der Stadt, in welcher Indianer Hammer und Zange regieren.
Einen interessanten Anblick gewährt diese Pueblo in der Nähe mit ihren Terrassen, den hohen Straßen, den zahlreichen Leitern, den mancherlei Gestalten, die emsig auf denselben umherklettern, und den auf den Mauern umhersitzenden gezähmten Truthühnern und Adlern. Hat man die Stadt aber verlassen und schaut nach derselben zurück, dann ist es ein schönes Bild, welches am südlichen Ende der Ebene ausgebreitet liegt, und vor welchem man gern etwas länger verweilt, um die einzelnen Punkte dem Gedächtnisse fester einzuprägen. Die imposanten Felsenmassen, die fernen blauen Gebirge, die alterthümliche Stadt und vor derselben die Fläche, zu der Zeit entblößt vom reichen Ertrage, die in weitem Kreise zerstreut umherliegenden einsamen Wartthürme, alles dieses nahm sich so malerisch aus, und paßte so genau zu einander, daß mir die Aussicht, welche ich 1/2 Meile nördlich von der Stadt zurückblickend genoß, ewig unvergeßlich bleiben wird.
Der Rio Zuñi, aus Südost kommend, hat in der Nähe der Stadt eine Breite von ungefähr 200 Fuß; doch war er zur Zeit unserer Anwesenheit daselbst bei dem niedrigen Wasserstande nur ein Bach von kaum 12 Fuß Breite und wenigen Zollen Tiefe. Wir folgten nicht dem Laufe des Flüßchens, welches sich gegen Nordwesten zog, sondern bogen mehr gegen Norden, um an einer niedrigen Felsenkette nahe einer Quelle, welche uns die Indianer zeigten, zu übernachten. Es war ein Marsch von nur 8 Meilen an diesem Tage, und früh am Nachmittage schon erreichten wir die Quelle, die in einer wilden Schlucht aus rothem Sandstein hervorrieselte. Einestheils um nicht vor der uns folgenden Militairbedeckung einen zu großen Vorsprung zu gewinnen, zugleich aber auch um den Entschluß der Zuñis abzuwarten, die uns Führer versprochen hatten, beschlossen wir noch den folgenden Tag an dieser Quelle zu verweilen. Freilich hatten wir Leroux und den Mexikaner bei uns, doch kam es bei unserer Expedition besonders darauf an, uns noch die Dienste der Eingebornen zu sichern, um uns deren genaue Ortskenntniß in ihren Jagdrevieren, welcher gegenüber die Umsicht des erfahrensten Trappers zurückstehen muh, zu Nutzen zu machen.
Wir hatten nunmehr die Hauptgebirgszüge der Rocky Mountains hinter uns; vor uns schien sich das Land zu öffnen und bequemes Reisen zu versprechen, doch sollten die eigentlichen Schwierigkeiten hier erst ihren Anfang nehmen. So weit das Auge reichte, lagen niedrige Cedernwaldungen vor uns, die, obgleich nicht sehr dicht, doch den Durchzug der Wagen nicht erlaubten, wenn nicht vorher mit der Axt ein Weg hindurchgehauen wurde. Diese Nachrichten hatten uns unsere Führer überbracht, die, um das Tenain zu untersuchen, vorweg geschickt worden waren. Sehr langsames Vorschreiten stand uns also in Aussicht, wenn nicht die Waldung umgangen werden konnte.
Der Himmel, den wir seit langer Zeit nicht anders als klar und wolkenleer gesehen halten, wurde am Abend des 25. Novembers trübe; ehe die Nacht weit vorgerückt war, begann Regen, der erst am folgenden Abend wieder gänzlich aufhörte. Ein Ruhetag, der zugleich ein Regentag ist, gehört mit zu den unangenehmsten auf der Reise, denn, fühlt man sich auch behaglich unter dem Dache der schützenden Zelte in der Nähe eines glimmenden Holzkohlenfeuers, so möchte man doch lieber hinaus und in der Nachbarschaft umheistreifen, wenn nicht eben der Regen Einem die Möglichkeit dazu benähme. Dagegen ist Unwetter während des Marsches etwas zu Gewöhnliches, als daß man bei demselben etwas Anderes als das Naßwerden der Waffen und das in Folge dessen nöthige Reinigen derselben bedauert. So ging denn der Tag still hin, und die langweilige Eintönigkeit wurde erst gegen Abend durch eine Deputation von Indianern unterbrochen, die zu uns kamen, um uns die angenehme Mittheilung zu machen, daß am folgenden Morgen in aller Frühe José Hatche und José Maria bei uns eintreffen würden, um uns auf einem Wege durch das Holz zu führen, auf welchem die Wagen bequem würden folgen können, ohne daß vorher die Axt gebraucht werden müßte.
In einer Berathung, die Petro Pino mit den weisen Männern der Stadt gehalten hatte, war nämlich beschlossen worden, daß die Unternehmungen der Amerikaner auf alle Weise gefördert werden müßten, weil sie darauf ausgingen, geradere und nähere Straßen zwischen den Ansiedelungen der Weißen und den Pueblos herzustellen. Zu diesem Zwecke sollte also José Hatche unsere Expedition auf dem nächsten und besten Wege an den kleinen Colorado führen, während José Maria beauftragt wurde, in Gesellschaft eines anderen Indianers in nordwestlicher Richtung zu den Moqui-Indianern zu ziehen, um von denselben Leute zur Weiterführung vom kleinen Colorado bis nach den San Francisco-Gebirgen anzuwerben.
In Folge dessen rüsteten wir uns am 27. November in aller Frühe zum Aufbruch. Die Indianer hatten nicht auf sich warten lassen; sie begaben sich an die Spitze unseres Zuges, führten uns eine Strecke auf dem Wege, welchen wir gekommen waren, zurück und dann in südwestlicher Richtung an den Rio Zuñi. Dort nun riethen sie uns, die Thiere noch einmal zu tränken und uns selbst ebenfalls mit einem Vorrath von Wasser für den folgenden Tag zu versehen, wo wir erst spät am Abend wieder welches erreichen würden. Es geschah so und nach kurzem Verweilen zogen wir weiter. Wir befanden uns bald in der hügeligen Waldung, und so genau kannten die Indianer das Terrain und so geschickt wußten sie jede kleine Lichtung zu benutzen, daß wir fast gar nicht genöthigt wurden, zur Axt unsere Zuflucht zu nehmen. Ganz verschieden vom vorhergehenden Tage war die Lust wieder klar, in den Morgenstunden wehte ein eisig kalter Wind, der sich indessen gegen Abend legte, worauf klarer Frost folgte.
Unser Lager hatten wir in einem kleinen baumlosen Thale aufgeschlagen; die sanft ansteigenden Hügel, die uns umgaben, waren mit frischen und mit vertrockneten Cedern bedeckt, welche letztere uns das beste Brennholz lieferten. Lange hatten wir nicht eine so schöne Nacht erlebt, vielleicht war es auch die Umgebung, die wie zum Lager geschaffen schien, wodurch wir an diesem Abend so fröhlich gestimmt wurden. Zu großen Scheiterhaufen war ringsum trockenes Cedernholz aufgethürmt, und angenehme Wärme verbreiteten die hochauflodernden Flammen,
Bis nach Mitternacht saßen wir plaudernd und unser Pfeifchen rauchend beisammen. Wir sprachen von verschiedenen Pässen in den Rocky Mountains, von denen, die wir jetzt kennen gelernt hatten, so wie von den weiter nördlich gelegenen, welche Colonel Frémont entdeckt hatte. Ueberhaupt war Frémont fast ausschließlich Gegenstand unserer Unterhaltung an diesem Abend, theils weil wir uns unter denselben Längegraden befanden, unter welchen er hauptsächlich seine Thätigkeit und seine Energie entwickelt hatte, dann aber auch, weil wir uns allmälig dem Lande näherten, bei dessen Eroberung Frémont eine so bedeutende Rolle gespielt hatte. Durch Fragen gelang es mir, das Gespräch immer wieder auf Frémont zurückzubringen, und was ich auf diese Weise als Bruchstücke von dem Einen und dem Andern erfuhr, habe ich nach dem früher erwähnten Werte von John Bigelow geordnet, um es hier im Zusammenhange erzählen zu können.