Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXXIII.

Ruhetag auf dem westlichen Ufer des Colorado. – Die ältesten Nachrichten über die Eingebornen am Colorado. – Entdeckung seiner Mündung. – Mißglückte Versuche, den Strom hinaufzusegeln. – Indianische Führer. – Aufbruch vom Colorado. – Die Wüste. – Wassermangel. – Die Quelle im Gebirge.

Den Tag nach der Ueberfahrt, den 27. Februar, brachten wir noch auf derselben Stelle in dem Weidengebüsche zu, wo wir gelandet waren; es gab so viel zu trocknen, wieder herzustellen und Verlorenes zu ersetzen, daß wir erst am 28. Februar an den Aufbruch von dem Colorado denken konnten. In größerer Anzahl als bisher stellten sich an dem Ruhetage die Eingebornen bei uns ein, und immer mehr Lebensmittel erstanden wir von denselben, so daß wir beruhigter unserer ferneren Reise entgegensehen konnten. Wir benutzten diesen Tag, um einige der nächsten Hütten zu besuchen und das Innere derselben in Augenschein zu nehmen. Nur wenig Gegenstände schmückten die tellerartigen dunklen Gemächer, deren jede Wohnung nur eins aufzuweisen hatte. Aus Binsen und Weiden geflochtene Gefäße, mitunter auch einige aus Thon geformte, standen im bunten Gemisch an den Wänden umher; Haufen von Bast von abgelegten Weiberröcken, so wie Waffen, lagen unordentlich durcheinander, während nahe dem durch die Thür fallenden Lichte sich ein breiter Stein befand, auf welchem mittels eines kleineren die Mehlfrüchte zerrieben wurden. In der Mitte der Hütte erkannten wir die Feuerstelle; diese dient in kalten Nächten auch als Lagerstätte, indem die Bewohner dann die Kohlen sorgfältig zur Seite schieben und sich dicht an einander auf dem erwärmten Boden hinkauern. – Ueber die Religion dieser Leute konnten wir nur sehr wenig erfahren, denn die Unterhaltung, die wir mit ihnen führten, geschah einzig durch Zeichen. Wir glauben indessen auf diese Weise verstanden zu haben, daß die Mohave-Indianer ihre Leichen verbrennen und alles Eigenthum der Verstorbenen, selbst die Saatfelder und Hütten, von Grund aus zerstören, für welche Behauptung Beweise zu geben uns aber nicht möglich ist. Feuer verschaffen sich diese Leute durch das Reiben eines harten Holzes auf weicherem, doch brauchen sie nur selten zu diesem Mittel ihre Zuflucht zu nehmen, indem in der einen oder anderen Hütte immer glimmende Kohlen zu finden sind. Auf ihren Wanderungen und Reisen tragen sie gewöhnlich in der Hand ein angebranntes halb verkohltes Stück Holz, woher man auch im Thale des Colorado häufig solche weggeworfene, erloschene Brände findet.

Auf den alten Karten von Californien und Neu-Mexiko findet man vielfach die Namen von Indianerstämmen bemerkt, deren Vorhandensein in neuerer Zeit in Zweifel gezogen worden ist. Missionaire, die vor mehr als anderthalb Jahrhunderten den Colorado bereisten, haben uns zuerst die Namen dieser Stämme nebst einer oberflächlichen Angabe der geographischen Lage ihrer Territorien hinterlassen, doch herrschten lange Zeit Zweifel über die Genauigkeit solcher Nachrichten, welchen nur theilweise historischer Werth zuerkannt wurde. Je mehr nun in jetziger Zeit die wieder ziemlich unbekannt gewordenen Länder am Colorado durchforscht werden, desto mehr lernen wir erkennen, wie genau die alten spanischen Mönche in ihren Angaben gewesen sind. Ueber diesen Gegenstand sprechend, erwähnt Bartlett

in seinem vortrefflichen Werke: Personal Narrative, Vol. II. pag. 178, der Genigueh-, Chemeguaba-, Gumbuicariri- und Timbabachi-Indianer als solcher Stämme, von deren Existenz wir Nichts wissen. Auf unserer Reise kamen wir am Colorado mit den Chimehwhuebes zusammen, welche ohne Zweifel die oben erwähnten Chemeguabas sind. Es ist also anzunehmen, daß allmälig auch die übrigen bisher nur dem Namen nach bekannten Stämme höher aufwärts am Colorado oder den angrenzenden Ländereien gefunden werden müssen. Pater Kino, der im Jahre 1700 am Colorado reiste, erwähnt der Quiquimas, Conpas Baiopas und Cutganes.Venegas California, Uebersetzung von J. Ch. Adelung, II. Theil, Seite 23. Von diesen Stämmen fanden wir die Cutganes oder Cutchanas als die ersten Eingebornen, die uns am Colorado begrüßten. Von den Mohaves spricht Bartlett als von einer großen Nation, die aus lauter athletischen Kriegern bestehend 150 Meilen oberhalb der Mündung des Gila in den Colorado leben sollte; auch diese Angabe fanden wir genau; doch war die unsere nicht die erste geordnete Expedition, die mit diesen Eingebornen in Verkehr getreten ist, denn außer einigen Pelzjägern, vor deren Besuch wohl kein Winkelchen in den westlichen Regionen sicher ist, war 2 Jahre vor uns Capitain Sitgreaves mit einer kleinen Expedition dort. Freilich wurde ihm, wie schon oben beschrieben, kein freundlicher Empfang zu Theil, wenn auch sein energisches Auftreten den Eingebornen Achtung und Furcht vor den Waffen der Weißen einflößte.

Eine der ältesten Beschreibungen der Eingebornen am untern Colorado und Gila ist wohl die von Fernando Alarchon, der im Jahre 1540 auf Befehl des Vicekönigs von Neu-Spanien, Antonio de Mendoça, den Meerbusen von Californien erforschte, bei dieser Gelegenheit die Mündung des Colorado entdeckte und unter den größten Mühseligkeiten eine Strecke weit in diesen Fluß hineinfuhr. Er erwähnt der Eingebornen als mächtiger, schöngebauter Menschen, die als Waffen Bogen und Pfeile, so wie hölzerne, am Feuer gehärtete Aexte führten. Er beschreibt ferner ihre Mahlsteine und irdenen Gefäße, so wie den Mais und Miquiqui (wahrscheinlich Mezquit-Bohnen). Nach seinem Zeugniß verehrten sie die Sonne und verbrannten ihre Leichen.Hakluyt's Voyages. Vol. III, pag. 428-432 Padre Gonzago, der im Jahre 1746 am Colorado hinaufreiste, beschrieb die Kleidung der Frauen der dortigen Eingebornen: »Ihre Kleidung besteht aus drei Stücken, wovon zwei einen Rock um die Hüften ausmachen und das dritte eine Art von Mantel. Diese Stücke sind nicht gewebt, sondern die Fäden sind oben befestigt und fallen der Länge nach am Körper in Form dicker Fransen herunter. Die Weiber der nördlichen Gegenden sind anders und mit weniger Kosten gekleidet, indem sie nur vom Gürtel bis an die Kniee bedeckt sind«.Venega's California. Uebersetzt von J. Ch. Adelung. I. Theil, Seite 57, 58.

Lieutenant Whipple, der mit Mr. Bartlett zusammen den Gila bereiste, beschreibt die an der Mündung des Gila lebenden Yuma-Indianer auf folgende Weise: »Als wir den Colorado erreichten, trafen wir mit Santiago, einem der Häuptlinge, zusammen, der uns in das Dorf seines Stammes führte, wo wir von einer großen Anzahl von Eingebornen begrüßt wurden. Die Weiber sind meistens wohlbeleibt, und ihre Kleidung besteht aus einem Fransenrock, der aus Baststreifen verfertigt, rund um die Hüften befestigt ist und lose bis auf die Mitte der Lenden hängt. Die Männer sind groß, muskulös und wohlgebildet. Der Ausdruck ihres Gesichtes ist gefällig und durch Verstand belebt. Ihre Krieger tragen einen weißen Schurz, und das Haar derselben, welches in gedrehten Streifen auf die Mitte des Rückens herabfällt, ist mit Adlerfedern geschmückt. Sie sind ausgezeichnete Reiter und führen Bogen und Lanze mit unnachahmlicher Gewandtheit. Während wir uns dort aufhielten, waren die Indianer sehr zutraulich und brachten uns Gras, Bohnen und Melonen.«

Aus dieser Beschreibung ist mit Ausnahme des weiterhin erwähnten Reichthums an Pferden eine Ähnlichkeit der Yumas mit den Mohaves oder vielmehr den meisten am Colorado lebenden Stämmen gar nicht zu verkennen. Ob nun eine Verwandtschaft unter denselben besteht, wird sich bald aus einem Vergleich der verschiedenen Sprachen darlegen lassen, wenn die Vokabularien, die auf Befehl der die Wissenschaften auf alle Weise fördernden Regierung der Vereinigten Staaten von den dort reisenden Offizieren vollständig gesammelt werden, der Oeffentlichkeit übergeben worden sind.

Von der Mündung der Bill Williams Fork aus waren wir 34 Meilen am Colorado hinaufgezogen, wo wir dann den Uebergang über den Fluß bewerkstelligt hatten. Auf dieser Strecke waren wir um 160 Fuß gestiegen und befanden uns in einer Höhe von 368 Fuß über dem Meeresspiegel. So weit wir nun das Thal des so stattlichen Flusses kennen gelernt, eignete es sich freilich zur Kultur, doch entsprach es bei weitem nicht den Anforderungen weißer Ansiedler; denn abgesehen davon, daß der Colorado schwerlich jemals weit hinaus mit Dampfbooten wird befahren werden können und sich deshalb nicht die Colonisation, wie auf den Flüssen des östlichen Theiles des nordamerikanischen Continents bis in das Herz des Landes ihren Weg suchen kann, fehlt es an hinreichendem Terrain, um Ackerbau und Viehzucht im größeren Maaßstabe zu betreiben; auch mangelt es an Waldungen, welche die Colonisation so sehr erleichtern. Der Rio Grande ist ebenfalls nicht weit hinauf und wahrscheinlich noch weniger als der Colorado schiffbar und auch seine Ufer bekränzen nur spärliche Waldungen, doch unermeßlich fruchtbare Landstriche ziehen sich zu beiden Seiten dieses Flusses von seiner Mündung bis zu seinen Quellen hinauf, wo ganze Völker dem Ackerbau und der Viehzucht leben können. Hätte der Colorado den Ansiedlern irgendwie besondere Vortheile gewährt, so würden die ersten spanischen Missionaire, welche die Territorien dieses Stromes so lange Zeit durchforschten, gewiß dafür gesorgt haben, daß wie am Rio Grande Colonien und Städte in den Thälern gegründet worden wären. Sie standen indessen von dem Versuche ab und hinterließen uns und unserer Zeit blos die Beschreibung der von ihnen besuchten Länder, und nur in der Nähe des Gila finden sich noch die letzten Ueberreste einer alten spanischen Mission. Wenn dereinst ein Schienenweg quer durch das Thal des Rio Colorado gelegt sein wird, dann werden sich Liebhaber genug zu den kleinen Ebenen finden und alle Mängel, die jetzt noch gescheut werden, von selbst wegfallen oder mit Leichtigkeit beseitigt werden können; man wird die Reise durch die dürren Wüsten, welche sich zu beiden Seiten des Colorado weithin erstrecken, ohne Mühe in kürzester Frist zurücklegen, und die dann kultivirten Thäler dieses Stromes werden eine willkommene Station für den Touristen und den reisenden Geschäftsmann bilden. Auf die Beschiffung des Colorado kann nur wenig gerechnet werden, doch jetzt mittels leichter Dampfböte eher als früher, wo alle Versuche, mit Segelschiffen hinaufzufahren, mißlangen. Das Haupthinderniß, in die Mündung dieses Stromes einzudringen, bietet die Fluth, die sich mit fast unüberwindlicher Gewalt in den Fluß hinein und wieder hinaus drängt, und welche fast alle, die den Golf von Californien untersuchten und den Colorado kennen lernen wollten, von ihrem Vorhaben zurückhielt. So ist es jetzt noch und so war es vor 300 Jahren, als die kühnen Spanier den Meerbusen von Californien erforschen ließen, um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, ob Californien, von welchem man hauptsächlich nur die Halbinsel und die Küstenstriche kannte, ganz von Neu-Spanien durch die Verlängerung des Meerbusens getrennt sei, oder mit dem Festlande zusammenhänge. Erst im Jahre 1700 wurde der Pater Kino davon überzeugt, daß Californien mit dem festen Lande von Amerika zusammenhänge und nur durch den Fluß Colorado von demselben getrennt werde. Er machte diese Entdeckung bekannt, wofür ihm der Commandant in Sonora im Namen des Königs dankte, dessen Beispiel die Superioren seines Ordens folgten.Venega's California. Uebersetzung von J. Ch. Adelung, II. Theil, Seite 19. Wir wissen von einem im Jahre 1540 auf Befehl des Antonio de Mendoça, Vicekönigs von Neu-Spanien gemachten Versuch, als Fernando Alarchon die Mündung des Colorado entdeckte. Er beschreibt die Gefahren, welchen die Schiffe dort ausgesetzt waren, wie dieselben nur mit genauer Noth aus schlimmer Lage gerettet wurden, und wie er dann den Versuch machte, in Böten den Fluß zu befahren. Fünfzehn und einen halben Tag ließ er die Böte stromaufwärts schleppen und durchzog in dieser Zeit eine Strecke, auf welcher er bei seiner Rückkehr zu den Schiffen nur zwei und einen halben Tag gebrauchte.Hakluyt's Voyages. Vol. III, pag 436.

Im Jahre 1746 machte Padre Gonsago, als er ebenfalls auf einer Forschungsreise die Mündung des Colorado erreichte, einen neuen Versuch, in dieselbe hineinzufahren. Er gab es aber auf, weil die Strömung zu stark war, und ihm Stricke und Leinen fehlten, um die Böte vom Lande aus gegen den Strom zu schleppen. In neuerer Zeit, noch ehe Californien zu den Vereinigten Staaten gehörte, wurde die Mündung des Colorado von einem Mr. Hardy, einem englischen Seelieutenant, untersucht; seine Angaben wurden später richtig befunden bis auf den Irrthum, den er beging, die Mündung des Gila in den Colorado nur 10 Meilen oberhalb der Mündung des Colorado in den Meerbusen von Californien zu verlegen, die sich doch nach späteren Forschungen mehr als 100 Meilen oberhalb befindet. So weit wir den Colorado gesehen, ist er tief und reißend und gewiß mit Dampfböten zu befahren, wenn durch die Fälle, welche wir bei den Nadelfelsen erblickten, oder an denselben vorbei, ein hinreichend tiefer Canal führt; doch schwierigerer Art mögen die Hindernisse sein, die unterhalb der Mündung der Bill Williams Fork, wo sich der Colorado durch enge Schluchten zwängt, der Schiffbarmachung sich entgegenstellen.

Am 28. Februar also verließen wir den Uebergangspunkt, um an dem Ufer des Colorado hinaufziehend, die Mündung des Mohave River zu erreichen. Da dieser Fluß fast die ganze Strecke vom stillen Ocean bis zum Colorado durchfließt, so glaubten wir in dem Bette desselben oder in seinem Thale eine gute Straße für den Rest unserer Reise zu finden. Die freundlichen Mohaves, mit denen wir immer mehr eine Verständigung anbahnten, hatten uns zwei ihrer Krieger beigegeben, die uns bis an die fließenden Wasser des Mohave River begleiten sollten; denn aus ihren Zeichen und Beschreibungen entnahmen wir, daß viele Tagereisen vom Colorado der Fluß sich im Sande verliere und unter der Oberfläche der Erde sich dem Colorado zugeselle. In wie weit diese Angaben begründet seien und sich als wahr erwiesen, konnte nicht genau ermittelt werden, indem es nicht unmöglich ist, daß bei Fortsetzung unserer Reise am Colorado hinauf wir vielleicht endlich auf das wenn auch trockene Bett des Mohave River gestoßen wären. Die weite Entfernung aber, in welcher wir später erst wirklich zu dem fließenden Wasser des Mohave River gelangten, bestätigte vollkommen einen Theil der Angaben der Indianer, so daß wir uns veranlaßt fühlten, auch den übrigen Aussagen, von deren Richtigkeit wir uns nicht überzeugen konnten, Glauben beizumessen.

Geführt von den Eingebornen blieben wir nicht in der unmittelbaren Nähe des Colorado, sondern wandten uns gleich aus dem dichten Gebüsch, welches uns von allen Seiten umgab, 4 bis 5 Meilen gegen Norden, wo wir unter hohen Bäumen, die zerstreut umherstanden, nur wenig Schritte von einem in Verbindung mit dem Flusse stehenden See unser Lager aufschlugen. Nicht weit von unseren Zelten befanden sich Wohnungen der Eingebornen, welche letztere natürlicher Weise den Tag bei uns zubrachten und uns gegen Abend, als sie gemüthlich an unserem Feuer lauerten, manche Unterhaltung gewährten. An diesem Tage bemerkte ich mehrere Männer, die ihre langen Haare nicht auf die gewöhnliche Weise auf den Rücken hinab hängen ließen, sondern sie mit angefeuchteter Lehmerde klebrig gemacht und dann turbanartig um den Kopf gewunden hatten. Mr. Leroux theilte mir später mit, daß dieses die einfache Methode sei, wie die Indianer sich vom Ungeziefer reinigten. Durch den Verlust der Zelte war eine Aenderung in unserem Lagerleben eingetreten, so daß ich allabendlich mit Lieutenant Tittball zusammen unter einem kleinen Stückchen ausgespannter Leinwand meine Decken ausbreitete; seine Soldaten unterhielten während der Nacht ein tüchtiges Feuer in unserer Nähe, an welchem wir des Abends lange aufsaßen, so daß wir erzählend unsere Pfeifchen Tabak rauchten und die Zelte gar nicht vermißten. – Mehrere Eingeborne, unter diesen zwei allerliebste Schwestern von ungefähr 15 bis 16 Jahren, hatten sich am letzten Abend, den wir am Colorado verlebten, zu uns gesellt, und wir gaben uns von beiden Seiten die größte Mühe, uns durch Zeichen mit einander zu unterhalten. Von unseren Schuljahren her wußten wir, Lieutenant Tittball sowohl wie ich, noch manche Taschenspielerkunststückchen und zeigten diese den Indianern, wodurch wir die größte Verwunderung und lautes Jubeln bei den harmlosen Leuten erregten. Unbegreiflich schien es ihnen z. B., daß wir eine entzwei geschnittene Schnur mit der Zunge wieder so zusammen knüpften, daß nur an der nassen Stelle zu erkennen war, wo dieselbe getrennt gewesen sein sollte, während in der That sie doch nur aus dem einen Ende ein Stückchen verloren hatte. Erst nach mehrmaliger Wiederholung bemerkten die Indianer, wie die Schnur immer kürzer wurde. Auch die bekannten Kunstgriffe mit einem Ringe und einer Schnur machten ihnen Freude, doch setzte Lieutenant Tittball dem indianischen Feste die Krone auf, als er auf einen seiner Vorderzähne wies, der mittels einer Feder im Gebiß gehalten wurde; er ahmte dann die Geberden eines heftigen Schluckens und Hinunterwürgens nach, worauf er den Mund öffnend, eine weite Zahnlücke zeigte. Das war zu viel für das Fassungsvermögen der Indianer: stumm vor Erstaunen blickten sie auf den Mund des Lieutenant Tittball, wo der eine Zahn fehlte, den er nach ihrer Meinung hinuntergeschluckt hatte. Dieser nun mit der Hand am Halse hinauf und über den Mund fahrend, setzte den Zahn unbemerkt wieder ein, worauf er den Wilden ein wieder vollständiges Gebiß zeigte. Erschreckt durch solch übernatürliches Verfahren riefen die vor uns Sitzenden alle im Lager befindlichen Indianer zusammen und baten darauf Lieutenant Tittball die unglaubliche Zauberei noch einmal vorzunehmen. Wieder und immer wieder verschaffte er den Wilden diesen Genuß; jedes Einzelnen Auge haftete aufmerksam an seinem Munde, bis endlich ein Krieger vor ihn hin hintrat und ihm durch deutliche Zeichen zu verstehen gab, er möge das Kunststück nun endlich auch einmal an einem der anderen Zähne versuchen. Natürlich war dieses eine Unmöglichkeit, was den Glauben der Indianer an unsere übernatürliche Kraft bedeutend zu erschüttern schien. Bis spät in die Nacht hinein unterhielten wir uns an dem flackernden Feuer mit unserem Besuch, und als dieser sich endlich von uns trennte, gelang es uns noch im letzten Augenblick, für einige von unseren Kleidungsstücken abgeschnittene blanke Knöpfe die reizenden Muschelhalsketten, welche den beiden niedlichen indianischen Schönen auf ihre sammetweichen braunen Schultern herabhingen, zu erstehen. Wir hatten jeder von ihnen zwei blanke Dollarstücke und etwas kleines Geld, den letzten Rest unseres beweglichen Vermögens dafür geboten, doch zogen sie einige alte blankgescheuerte Knöpfe vor, weil diese, mit kleinen Haken versehen daran befestigt werden konnten, wogegen das Geld auf keine Weise an ihrem Schmucke anzubringen war.

In aller Frühe waren am 1. März unsere Führer, zwei riesenhafte Krieger, im Lager und mahnten zum Aufbruch, da es sehr weit bis zu der Stelle sei, an welcher wir Wasser finden sollten. Wir waren bald bereit und wendeten uns aus dem Thale des Colorado gerade gegen Westen, wo das kahle, unfruchtbare Land stark ansteigend vor uns lag. Viele Indianer gaben uns an diesem Tage das Geleit und trieben sich lärmend bei unserem Zuge umher, während unsere Führer, die sich dicke Sandalen unter ihre Füße befestigt hatten, mit welchen sie, ohne belästigt zu werden, über den scharfen, steinigen Boden hinzuschreiten vermochten, die Spitze unserer Expedition bildeten. Wir zogen südlich an einer rauhen Gebirgskette vorüber, die sich weithin nach Norden erstreckte; ein trockenes Flußbett, welches wir für den Mohave River hielten, kam uns eine Zeit lang sehr zu statten, indem wir in demselben unsere Reise fortsetzten und nicht so oft wie auf der Höhe von Spalten und Rissen im Boden aufgehalten wurden. Als wir uns westlich von den Gebirgen befanden, bog das Flußbett gegen Norden, wogegen wir die westliche Richtung noch auf eine kurze Strecke beibehielten und von den Indianern an dem Abhange eines kleinen grünen Hügels an eine gute, klare, freilich nur in geringem Maße spendende Quelle geführt wurden. Wir hatten kaum 6 Meilen zurückgelegt; wir erfrischten uns daher nur in Eile durch einen Trunk aus der Quelle und setzten dann unsere Reise in nordwestlicher Richtung fort. Der Gebirgszug, den wir südlich umgangen hatten, schob sich, als wir weiter ritten, zwischen uns und den Colorado, und bald war die letzte Baumgruppe, die das Thal des stolzen Flusses bezeichnete, hinter zackigen Felsmassen verschwunden. Im Westen erstreckte sich eine ähnliche Bergkette parallel mit der östlich von uns liegenden von Süden nach Norden, und in schräger Richtung durch die zwischen den beiden Gebirgsketten sich weithin gegen Norden ausdehnende Ebene führten uns die Indianer. Oede und ausgestorben lag das Land vor uns, kahl und dürre ragten in der Ferne die zackigen Gipfel der Gebirge empor; trockener Wind fegte über die sandige, steinige Fläche, die kaum eine Spur von Vegetation zeigte. In langer Reihe folgte unsere ganze Expedition den beiden stattlichen Mohaves, die schweigend und ohne sich umzuschauen mit langen Schritten dahin eilten. Das Terrain war eben, doch keineswegs ohne Hindernisse, denn von Westen nach Osten durchschnitten Furchen und Spalten, die von Regengüssen allmälig gewühlt worden waren, vielfach unsere Straße. Wir befanden uns am Rande der breiten, wasserlosen Wüste, die sich vom Gila bis weit gegen Norden über die Mündung des Colorado Chiquito hinaus in der durchschnittlichen Breite von mehr als 100 Meilen erstreckt. Einen Theil derselben hatten wir schon auf der Ostseite des Colorado durchreist, waren aber in dem Thale der Bill Williams Fork weniger davon gewahr geworden; doch nun, da wir auf derselben waren, starrte uns das wüste Land mit seiner Einförmigkeit, mit seiner schreckenerregenden Dürre von allen Seiten entgegen. Nur zwei oder drei Indianer schritten noch außer den Führern neben unserem Zuge hin, die übrigen waren an der Quelle wieder umgekehrt, gleichsam als scheuten sie sich vor den Wüsteneien, die selbst von den Wölfen und Füchsen gemieden wurden. Diese Wüste ist indessen den Mohave-Indianern keineswegs unbekannt, denn ehe wir die Weiterreise von ihren Dörfern aus antraten, machten sie uns durch Zeichen, die gar nicht mißverstanden werden konnten, klar, daß wir auf der ganzen Strecke bis zu dem fließenden Wasser des Mohave River nur vier Quellen mit sehr wenig Wasser finden würden, wobei sie uns riethen, so schnell wie nur immer möglich zu reisen. Wie sich später auswies, waren die bezeichneten Quellen so versteckt im Gebirge, daß wir sicher, wenn wir wirklich in deren Nähe gelangt wären, ohne unseren Führer an denselben vorbei und einem gewissen Untergange entgegen gezogen wären. Die Indianer, die uns so sicher führten, leisteten uns auf diese Weise Dienste, die von unberechenbarem Vortheile für die ganze Expedition waren, und ohne dieselben hätten wir wohl kaum diesen Weg, der uns in nächster Richtung an die Südsee führte, einschlagen können.

Als wir uns der westlichen Felsenkette näherten, wurde die Einöde zuweilen durch eine einsame Yucca unterbrochen, die ihre nackten Zweige mit den Blätterkronen emporreckte und sich so recht traurig und trübe auf dem kahlen Boden ausnahm. Die Indianer beabsichtigten, uns an diesem Tage noch an eine Quelle im Gebirge zu führen; doch hatten sie die Kräfte unserer Thiere überschätzt, die, ermattet, kaum noch von der Stelle zu bringen waren, denn 22 Meilen hatten wir seit dem frühen Morgen zurückgelegt und waren während dieser Zeit um 1500 Fuß gestiegen. Die Sonne neigte sich den westlichen Bergen zu, als unsere Führer auf einen noch 5 Meilen entfernten Vorsprung zeigten, den wir zu umgehen hatten, um an die versprochene Quelle zu gelangen; gern wären wir noch weiter gereist, doch den Zustand unserer Thiere berücksichtigend beschloß Lieutenant Whipple an Ort und Stelle liegen zu bleiben und am folgenden Morgen der wasserhaltigen Schlucht zuzueilen. Wir nährten an diesem Abend unser Lagerfeuer mit den abgestorbenen Stämmen zerstreut umherliegender Yuccas, die brennend einen eigenthümlichen öligen Geruch, aber wenig Wärme verbreiteten. Unsere Lager waren hart und unbequem, denn auf dem steinigen Boden fand sich kaum ein ebenes Plätzchen, das groß genug gewesen wäre, um den Körper auf demselben ausstrecken zu können; überall ragten scharfe Steine hervor, deren unangenehmer Wirkung auf die ruhenden Glieder durch die wenigen Decken, die wir behalten hatten, nicht vorgebeugt werden konnte. Mit Freuden begrüßten wir daher die aufgehende Sonne, doch mitleidig blickten wir nach unseren Thieren hinüber, die des vergeblichen Suchens nach Nahrung müde, traurig umherstanden. Wir beeilten uns so schnell wie möglich wieder auf den Weg zu kommen und die Quelle, die nach den Aussagen unserer indianischen Führer nicht mehr sehr weit entfernt sein konnte, zu erreichen. Die drei Mohaves, die uns bis hierher das Geleit gegeben hatten, nahmen an diesem Tage Abschied von uns und kehrten, anscheinend zufrieden gestellt mit der Behandlung, die den beiden Führern bei uns zu Theil wurde, zu den Ihrigen heim, um sie, wie es schien, über das Geschick der beiden uns begleitenden Indianer zu beruhigen. Es war nämlich Niemandem entgangen, daß die Bevölkerung am Colorado mit einer Art von Besorgnis die beiden Führer fortgelassen halte, und daß wahrscheinlich, um uns zu beobachten, die übrigen Indianer so weit gefolgt waren.

Am Fuße des Gebirges hin setzten wir also in nördlicher Richtung unsere Reise fort; häufig wurden wir durch die aus demselben kommenden Betten von Gießbächen aufgehalten, deren Ufer so felsig und oftmals so steil waren, daß wir weit an denselben hinaufreiten mußten, um eine Stelle, die sich zum Durchgang eignete, zu entdecken. Nach einem Marsche von 2 bis 3 Stunden gelangten wir in eine besonders tiefe Schlucht, in welcher unsere Führer, statt aus derselben hinaus zu klettern, sich dem Gebirge zuwendeten, während unser ganzer Zug ihnen nachfolgte. Langsam nur vermochten wir mit unseren Thieren zwischen dem losen Gestein hinzureiten, langsamer noch folgte das Wägelchen mit dem Viameter, welches über ganze Strecken hinweg getragen werden mußte. Da, wo die Berge sich uns zu beiden Seiten aufzuthürmen begannen, entdeckten wir die ersten Spuren von Wasser. Es war eine Fläche von wenigen Morgen, durch welche uns ein kleiner Bach entgegenrieselte, der am Ende des kleinen Thales im Sande verschwand. Ueppiges Rohr mußte auf dieser Stelle gewuchert haben, denn oben auf den Ufern sahen wir vielfach Haufen desselben, die augenscheinlich den dort zeitweise hausenden Indianern als Lager gedient hatten. In der Niederung selbst war das Rohr weggebrannt worden; einzelne grüne Schößlinge drängten sich schon wieder aus feuchtem Boden zwischen schwarzer Asche hindurch und verkündeten die Annäherung des Frühlings.

Wir glaubten schon den zum Lager bestimmten Punkt erreicht zu haben, doch führten uns die Indianer immer tiefer in's Gebirge, bis wir ein kleines Thal berührten, welches zu jener Zeit mit seiner abgestorbenen Vegetation, die aus Gras und etwas Buschwerk bestand, freilich keine besonderen Schönheiten zeigte, aber versteckt inmitten hoch aufstrebender nackter Felsen, umgeben von der trostlosen ungastlichen Wüste gewiß im Frühjahre, und selbst im heißen Sommer dem Wanderer, der zufällig auf dasselbe stößt, wie ein liebliches Wunder der Schöpfung entgegenlächeln muß. Alles deutete darauf hin, daß die Eingebornen in günstigen Jahreszeiten dieses Thal vielfach belebten; es befanden sich daselbst kleine kultivirte Mais- und Weizenfelder, zahlreiche Schalen von Schildkröten lagen umher und bewiesen deutlich, daß diese Thiere eine gesuchte Speise der dortigen Eingebornen seien. Die Art indessen, wie sie dieselben zubereiten, ist nicht weniger grausam, als in der civilisirten Welt, wo das zuckende Fleisch pfundweise von den noch lebenden Thieren abgeschnitten und verkauft wird. Nach dem verbrannten Aeußeren der Schalen zu schließen konnte kein Zweifel darüber obwalten, daß diese Wilden die lebenden Schildkröten auf dem Rücken in glühende Kohlen legen und das Thier in seiner eigenen Schale rösten. Ueberall, wo wir auf Wasser stießen, fanden wir auch die Ueberreste von Schildkröten; doch gelang es uns nicht, einer einzigen noch lebenden habhaft zu werden, gewiß der beste Beweis, wie sehr denselben von den Eingebornen nachgestellt wird. Recht behaglich fühlten wir uns auf dem Ufer des reichlich fließenden Baches, um so mehr, als auch unsere Thiere etwas Gras im Thale selbst und an den Abhängen der nächsten Felsen fanden. Die Sonne schien angenehm und warm; trockener Wind, der uns am vorhergehenden Tage belästigte, konnte seinen Weg nicht bis zu uns hinab finden, und weicher Sand, auf dem wir unsere Decken ausbreiteten, war willkommen für unsere Glieder, die während der vorigen Nacht auf dem scharfen Gestein wund und steif geworden waren.


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