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Am 15. November schlug Mr. Campbell also mit seiner Begleitung von unserem Lager aus die Richtung gegen Nordwesten ein, während die Hauptexpedition, nach Zurücklegung von einer Meile in fast derselben Richtung, gegen Westen bog. Auf dieser ersten kurzen Strecke zogen wir an einem hoch emporragenden Lavastrome hin, bis ein anderer aus Westen kommender Strom sich im rechten Winkel mit dem ersteren vereinigte und uns den Weg zu versperren schien.
Es war ein frischer schöner Herbstmorgen, starker Frost hatte die Straße erhärtet, und laut klapperten die beschlagenen Hufe unserer Thiere auf dem festen Boden; doch lauter noch, wie wenn Eisen auf Eisen fällt, erklang es, als wir unsere Wagen über die Lavamasse führten, die in einer Breite von 50 bis 100 Fuß und einer Höhe von 10 bis 20 Fuß wie ein mächtiger schwarzer Wall viele Meilen weit gegen Westen reichte.
Seit Jahrhunderten waren Menschen und Thiere an dieser Stelle über den Lavaberg gezogen, doch scharf und spitz ragten noch überall die Unebenheiten des Gesteins hervor, daß selbst die sicheren Maulthiere nur wankend und stolpernd darüber hinzuschreiten vermochten. Auf der andern Seite des Lavastromes dehnte sich eine weite baumlose Ebene vor uns aus, die ringsum wieder von Gebirgen und Felsen eingeschlossen war; gegen Westen schienen sich die Gebirgsmassen zu öffnen, und dorthin, wo hohe Fichten die Stelle der Cederngebüsche einnahmen, führte der vielbefahrene Weg unsere Expedition.
In Gesellschaft des Doctor Kennerly hatte ich am frühen Morgen schon unseren Train verlassen, und wir waren an dem Fuße der nördlichen Felsenkette hingeritten, wo dicht bewaldete Schluchten uns Gelegenheit zur Jagd boten. Unsere Jagdlust wurde indessen nur schlecht befriedigt; denn außer frischen Spuren der grauen Bären fanden wir nichts, was auf Wild daselbst gedeutet hätte, und um der Bären ansichtig zu werden, hätten wir Tage lang in den wilden Schluchten umherirren und klettern können. Wir begnügten uns daher, Vögel zu schießen und deren Bälge unserer Sammlung einzuverleiben; auch fossile Muscheln, die auf dem von uns eingeschlagenen Wege umherlagen, erregten vielfach unsere Aufmerksamkeit.
Es war schon hoch Nachmittag, als wir am Ende des Thales mit unseren Gefährten wieder zusammentrafen, daselbst den Vorsprung der nördlich von uns liegenden Felsenkette umgingen und in nordwestlicher Richtung unseren Weg verfolgten. Kiefernwaldungen wechselten nun mit kleinen baumlosen Wiesen ab, und wo die Waldungen sich öffneten, zeigten sich uns immer neue Wälle von schwarzer Lava. Es lag in unserer Absicht, an diesem Tage noch die Quelle am Fuße der Sierra Madre zu erreichen, weshalb die Mexikaner mit den Heerden und Packthieren vorausgeeilt waren. Auf Wasser konnten wir vor diesem Punkte nicht rechnen, und es bequemte sich daher gewiß Jeder gern zu diesem langen Marsche, der an 25 Meilen betrug. Der Zufall vereitelte indessen unsere Pläne. Nur die Heerden und Packthiere erreichten an diesem Abende noch die gehoffte Quelle; der Haupttrain dagegen wurde durch das Zerbrechen eines Wagens genöthigt, in einer grasigen Niederung des Waldes zurückzubleiben und die Nacht ohne Wasser zuzubringen. Wir, die wir alle unsere Sachen auf dem Wagen hatten, blieben ebenfalls zurück und brachten die Zeit bis zum Abend damit hin, in den dunklen Schluchten umherzustreifen. Unser Suchen nach Wasser blieb indessen vergebens; trockener, rother Sand lag in den Betten der Gießbäche, und keine Spur des Wildes verrieth die Nähe einer Quelle. Die astronomischen Beobachtungen mußten an diesem Abende eingestellt werden, indem die magnetischen Instrumente durch die rings umher aufgethürmten Lavamassen gestört wurden und keine Genauigkeit mehr boten. Es war ein trockenes Mahl, welches in unserem Lager gehalten wurde, denn nur ein ganz kleiner Vorrath von Wasser konnte durch Zusammenbringung des Inhalts aller Flaschen und Schläuche beschafft werden, so daß nicht ein Tropfen zum künftigen Morgen übrig blieb.
Der schadhafte Wagen war während der Nacht wieder hergestellt worden, und so konnten wir am 16. November schon mit dem Frühesten unsere Weiterreise antreten. Als es vollkommen Tag war und die ersten Sonnenstrahlen zwischen den schlanken Tannen hindurchschimmerten, hatten wir schon mehrere Meilen zurückgelegt, und nur noch eine kurze Strecke trennte uns von der ersehnten Quelle. Unsere schon am Abend vorher angelangten Maultiertreiber hatten an passenden Stellen tüchtige Feuer angezündet, die uns nach einem Ritte in der kalten Morgenluft trefflich zu Statten kamen, so wie das schöne klare Wasser, welches reichlich aus einer Anhäufung von Lava hervorrieselte, vollends den letzten Rest der verdrießlichen Stimmung verscheuchte, welche uns noch als natürliche Folge eines übergroßen Durstes geblieben war. Es war eine ansprechende Umgebung an dieser Quelle; die Berge hielten den kalten Wind, der in den Wipfeln der Tannen sang, von uns ab, mächtige Scheiterhaufen verbreiteten eine angenehme Wärme vor unseren Zelten, und Menschen wie Thiere gaben sich einem Gefühle der Behaglichkeit hin, hervorgerufen durch die Schätze, welche die Natur hier spendete. Eine reiche Ernte für unsere Sammlungen hielten Doctor Kennerly und ich an dieser Quelle; denn kleine gestreifte Eichhörnchen belebten die Spalten und Ritzen in den Lavamassen und hüpften gewandt von Stein zu Stein, und Schaaren von Vögeln stellten sich während des Tages ein, um zwitschernd und pfeifend in der Nähe des Wassers zu spielen. So reichlich auch die Quelle aus dem Gestein hervorsprudelte, so verlor sie sich doch schon nach kurzem Laufe wieder im sandigen Boden, und da dieses wohl das einzige Wasser auf vielleicht viele Meilen im Umkreise war, so ließ es sich leicht erklären, daß so viele lebende Geschöpfe sich in der Nachbarschaft desselben zusammenfanden. Am Nachmittage machten wir noch einen Ausflug in die südlich gelegenen Schluchten, um dem schwarzschwänzigen Hirsche aufzulauern, dessen Spuren sich vielfach in der Nähe unseres Lagers zeigten. Doctor Bigelow begleitete uns, und als wir uns, einen Berg umgehend, von einander trennten, war leider gerade er der glückliche Jäger, der auf ein Rudel dieses Wildes stieß und aus weiter Ferne schon dasselbe durch einen Schuß verscheuchte. Manche Neckereien mußte dafür der leidenschaftliche Jäger sich später von uns gefallen lassen, weil er es so wenig verstand, seinen Jagdeifer im Zaume zu halten.
Wir waren schon längst in's Lager zurückgekehrt, und dunkle Nacht war eingetreten, als Doctor Bigelow vermißt wurde. Sein Ausbleiben erregte Besorgnis; es wurden hohe Feuer angezündet, Schüsse abgefeuert, und als sich Mehrere von uns auf den Weg machten, um den beliebten alten Herrn aufzusuchen, begegnete er uns nicht weit von unseren Zelten. Er war wirklich durch unsere Schüsse geleitet worden, und ohne vorher abgelegt zu haben, erzählte er vor allen Dingen den Umstehenden, wie glücklich er auf der Jagd gewesen sei, wie er auf die stolzen Hirsche geschossen und sich dann, denselben folgend, verirrt habe.
In aller Frühe setzten wir am 17. November unsere Weiterreise fort, und begannen damit, die vor uns liegende Bergkette, über welche der Weg führte, zu ersteigen. Nach kurzer Zeit und ziemlich angestrengter Arbeit befanden wir uns endlich auf dem Rücken der Sierra Madre, der Wasserscheide zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean, die an dieser Stelle eine Höhe von 8250 Fuß über dem Meeresspiegel erreicht. Von der Wasserscheide der Rocky Mountains zogen wir gleich wieder abwärts einem weiten Thale zu, in welches hin und wieder Gebirgsketten ausliefen, die theilweise als abgeflachtes Hochland mit horizontalen Lagen und Schichten, theils aber auch als wilde, zerrissene Hügel der Landschaft einen überaus schönen Charakter verliehen. Ueberall, wo Bäume zwischen Gestein Wurzeln zu schlagen vermochten, erblickte man dunkle Nadelholzwaldungen, und selten nur wurden die schwarzen Waldlinien durch das rothe verdorrte Laub einer vereinzelt stehenden Eiche unterbrochen; in der Ebene selbst, die sich wellenförmig gegen Westen senkte, zeigte sich nur in den Niederungen spärliches Nadelholz. Unser Weg führte in westlicher Richtung quer durch diese Ebene einer von Süden nach Norden sich hinziehenden Bergkette zu und lief dann am Fuße derselben in nördlicher Richtung weiter. Nach einiger Zeit bog die Bergreihe gegen Westen und als wir den durch diese Biegung gebildeten Winkel umgangen hatten, stand in der Entfernung von 2 Meilen der Inscription Rock wie ein grauer Riese vor uns. Die Form des Felsens ließ sich in dieser Entfernung noch nicht genau erkennen, doch hoben sich senkrechte Wände hoch empor, wodurch das natürliche Gebäude einem Obelisken ähnlich wurde.
Die Quelle an dem Felsen war als Ziel für den Marsch dieses Tages bezeichnet worden; da wir nun Alle wünschten, die Ruinen und Inschriften auf demselben, von welchen wir schon gehört hatten, kennen zu lernen, am folgenden Morgen aber schon die Weiterreise anzutreten hatten, so trieben wir unsere Thiere zur Eile an, und Berg auf, Berg ab ging es durch die hügelige Ebene in raschem Schritt über den gefrorenen Boden. Mehrere Stunden noch vor Einbruch der Nacht standen unsere Zelte schon, und wir rüsteten uns, einen Weg, der auf die Felsen hinauf führte, ausfindig zu machen. Von unserem Lager aus, welches sich unmittelbar an der Basis des östlichen Punktes des Moro (wie der Felsen von den Mexikanern genannt wird) befand, erschien derselbe unersteiglich, denn steil und glatt wie ein künstliches Mauerwerk hoben sich die Felsenwände über 200 Fuß hoch aus dem Boden. Dieser Punkt war gewissermaßen der spitze Winkel eines Dreiecks, dessen eine Seite gegen Westen und die andere gegen Südwesten lief. Die südliche Wand wurde in der Entfernung von einigen hundert Schritten von unserem Lager, bis wohin dieselbe eine ganz glatte Fläche bildete, von Einschnitten und unregelmäßigen, niedrigen Formationen unterbrochen, während die nördliche auf der Strecke von einer halben Meile fast immer dieselbe Höhe und dieselbe Richtung beibehielt, nur daß hohe Tannen und Cedern die Felsformationen auf dieser Seite theilweise verdeckten.
Die Quelle befand sich auf der Südseite in einer kleinen Schlucht, an der Stelle, wo die glatte Felswand ihr Ende erreichte; sie mußte nur spärlichen Zufluß haben, denn das Wasser, welches eine kleine Lache bildete, war kaum hinreichend für unsere Expedition. Eine große Tanne stand vereinsamt in dem dunklen Winkel, wo sich das Wasser befand; der übrige Theil der Südseite war von zerstreut stehenden, verkrüppelten Cedern bedeckt, die sich bis auf das Felsplateau hinauf zogen und das Malerische der wild romantischen Naturscenerie verschönern halfen. Die Formation des Felsens zeigte grauen Sandstein, der in mächtigen, dicht verbundenen Schichten übereinander lag.
(Anmerkung 17) Der Inscription Rock und das ganze Hochland, welches sich beinahe bis nach Zuñi erstreckt, ist von Felsen der Juraformation gebildet. – Diese Formation ist aber nicht dem Llano Estacado allein eigen, sondern dieselbe bildet sowohl die Gipfel der Plateaus, die man gegen Norden in der Richtung nach dem Canadian River zwischen dem Canadian und dem Raton Mountains erblickt, als auch die meisten der Höhen, die sich vom Rio Pecos bis an den Fuß der Sierra de Sandia erstrecken. Bei unseren Forschungen fanden wir dieselben auch auf der westlichen Seite des Rio Puerco, wo diese Formation von Lavaströmen durchschnitten fast die ganze Straße zwischen Covero und der Sierra Madre ausfüllt, und endlich zwischen dem Inscription Rock und Pueblo de Zuñi sich herzieht, wo sie wieder Plateaus bildet, welche sich in der Richtung nach Fort Defiance und Cañon de Chelly ausdehnen.
( Marcou: Résumé of a geolog. reconnaissance etc.)
Die Schichten neigten sich etwas gegen Westen, wodurch die östliche Spitze zum höchsten Punkte des ganzen Felsens wurde, und wir, um auf denselben zu gelangen, einen passenden Weg nahe dem westlichen Abhange suchen mußten. Ehe wir indessen den Inscription Rock erstiegen, suchten wir die Inschriften auf, von welchen Lieutenant Simpson in seinem Report to the Secretary of war in the year 1850 schon gesprochen. Sowohl an der Nord- wie an der Südseite, wo vertikale glatte Felswände den vor denselben Stehenden bequeme Gelegenheit boten, Namen und Inschriften in den nachgiebigen Sandstein zu meißeln, war er mit solchen dicht bedeckt, die, bis auf wenige Ausnahmen in spanischer Sprache und alterthümlichen Charakteren geschrieben, uns die besten Beweise lieferten, wie weit die Spanier vor Jahrhunderten ihre Forschungen und Unternehmungen ausgedehnt haben.
Vor den ehrwürdigen Inschriften stehend, von denen manche halb verwittert und unleserlich geworden sind, versenkt man sich gern in die Erinnerung an vergangene Zeiten. Freilich befinden sich auf dem Erdball unzählige Denkmäler der Vorzeit, bei deren Anblick Bilder der Vergangenheit vor dem Beobachter auftauchen, doch sind diese uns bekannt und wir durch die Geschichte auf dieselben vorbereitet. Tiefer noch ist aber der Eindruck und schneller noch werden die Bilder der Gegenwart durch die Erinnerung an längst entschwundene, fast vergessene Geschlechter verdrängt, wenn man sich lesend und entziffernd auf derselben Stelle befindet, wo vor Jahrhunderten die eisenbekleideten Spanier mühsam schreibend und meißelnd standen, und wenn man der Umgebung ansieht, daß sie seit dieser Zeit unangetastet geblieben ist, und äußerst selten nur ein menschliches Auge auf den alterthümlichen Schriftzügen geruht haben kann.
Die Namen, welche einzelne Gruppen bilden, sind fast alle zu verschiedenen Zeiten dort angeschrieben worden, wie es der Zufall fügte, oder wie es den später kommenden Reisenden gefiel, ihre Namen unter ältere Inschriften oder in deren Nachbarschaft zu bringen. So heißt es z. B. an einer Stelle: »Im Jahre 1641, Bartolome Romelo« (einige Worte unleserlich). Ferner: »Im Jahre 1716 am 26. Tage des August kamen an dieser Stelle vorbei Don Feliz Martinez, Gouverneur und General-Capitain dieses Königreichs, um die Moquis zu unterwerfen und zu verbinden;« (folgen unleserliche Worte) »Am 28. Tage des Septembers im Jahre 1737, kam an dieser Stelle an: Bachelor Don Juan Ignacio de Arrasain;« »kam an dieser Stelle vorbei Diego Belasques.« »Am 28. Tage des Septembers des Jahres 1737 erreichte diese Stelle der berühmte Doctor Don Martin de Liza Cochea, der Bischof von Durango und brach am 29. nach Zuñi auf.« » Joseph Dominguez kam im October an dieser Stelle vorbei und Andere am 28. September mit vieler Vorsicht und einiger Besorgniß.« » Juan Garica de la Rêvas, Chef Alcalde und der erste Erwählte der Stadt Santa Fé im Jahre 1716 am 26. August.« »Durch die Hand des Bartolo Fernandez Antonio Fernandez Moro.« » Bartolome Narrso, Gouverneur und General-Capitain der Provinz Neu-Mexiko für unseren Herrn den König, kam an dieser Stelle vorbei auf seiner Rückkehr vom Pueblo de Zuñi am 29. Juli des Jahres 1620, und brachte sie zum Frieden, auf ihr Verlangen, indem sie um die Gunst baten, Unterthanen Sr. Majestät werden zu dürfen, und von Neuem wurden sie gehorsam; welches alles sie aus freiem Willen thaten, es für klug sowohl als christlich haltend, einen so berühmten tapferen Soldaten ...« (das Weitere ist verwittert). »An dieser Stelle zog vorbei mit Depeschen (einige unleserliche Worte) am 16. Tage des April 1606.«
Diese letztere scheint die älteste der Inschriften zu sein, die zu Hunderten die glatten Wände bedecken, und manchen Namen findet man unter diesen, der in der alten Geschichte der Eroberung von Neu-Mexiko eine Rolle gespielt hat.
Lieutenant Simpson, der im Jahre 1850 zuerst diese Inschriften genauer untersuchte und mit vieler Mühe entzifferte, erhielt von dem Secretair der Provinz Neu-Mexiko ein Schreiben mit Bezug auf obige Inschriften, dessen Uebersetzung ich hier gebe, so wie es in Simpson's Report veröffentlicht worden ist.
Der Brief lautet folgendermaßen:
»Die Inschriften, welche in den Felsen an der Fischquelle (Ojo pescado) nicht weit von der Pueblo de Zuñi hinein gemeißelt sind und von welchen Sie Copien genommen haben, gehören der Epoche an, auf welche sie sich beziehen. Ich habe nur eine unbestimmte Idee über das Vorhandensein derselben, denn, obgleich ich wohl dreimal an der Stelle vorbeigekommen bin, so habe ich doch niemals die Gelegenheit benutzt, um dieselben in Augenschein zu nehmen. Die anderen Zeichen und unverständlichen Charactere sind traditionelle Erinnerungen, mit welchen die Indianer historische Nachrichten ihrer hervorragenden Ereignisse überliefern. Aus diesen Sachen die richtigen Schlüsse zu ziehen ist schwierig, denn manche Indianer wenden bei solchen Nachrichten kleine Zeichen an, die nur von denen, welche mit ihren Ideen vertraut sind, verstanden werden können, indem es nur einfache Andeutungen sind. Die Völker, welche dieses Land von der Entdeckung durch die Spanier bewohnten, waren abergläubisch und verehrten die Sonne. Es würde mich glücklich machen, Ihnen über die damaligen Zustände recht genaue Mittheilungen zu machen; doch ist es mir nicht vergönnt, weil mir sichere Nachrichten, welche sich auf die Einzelnheiten beziehen, mangeln, und auch Manches nur wenige Jahre nach der Eroberung durch Juan de Oñate, im Jahre 1595 geschah. Alle vor dem Jahre 1689 niedergelegten Nachrichten gingen aber verloren, als die Indianer während ihrer Insurrection gegen die Eroberer, die damals das Land inne hatten, die Archive verbrannten. Im Jahre 1681 erhielt der Gouverneur Antonio de Otermin vom Vicekönig den Befehl zurückzukehren und das Land zu unterwerfen. Er drang in Pueblo de Cochiti ein, stieß auf Widerstand, und da die Streitkräfte, die er mitgebracht hatte, zu schwach waren, wurde er gezwungen, sich noch in demselben Jahre nach El Paso zurückzuziehen. Im folgenden Jahre machte Cruzat eine Expedition gegen Neu-Mexiko, nahm Besitz von der Hauptstadt und dehnte seine Eroberungen mit etwas mehr Erfolg aus, bis er im folgenden Jahre, als es unmöglich für ihn wurde, sich länger zu halten, ebenfalls nach El Paso zurückkehrte. Im Jahre 1693 drang Curro Diego de Bargas Zapater noch bis Pueblo de Zuñi vor, und kehrte ohne mehr ausgerichtet zu haben nach El Paso zurück. Im Jahre 1695 brachte er den vollständigen Frieden des Landes zu Stande.
Hier war später eine Reihe von Gouverneuren, unter diesen Feliz Martinez und Juan Paez Hurtado, über welche genaue Auskunft geschafft werden kann, wenn man bis zu der Zeit der Administration eines jeden in den Registern der alten Archive des Gouvernements zurückgeht und nachforscht.
Die kurze Zeit vor Ihrer Abreise erlaubt mir nicht, genauere Forschungen anzustellen und Ihnen eine historische Verbindung dieser Begebenheiten mitzutheilen. Die Nachricht soll daher von Ihnen nicht als eine solche angesehen werden, welche für Ihre Ansichten allein maßgebend sein könnte, indem meine beschränkten Fähigkeiten mich nicht in den Stand setzten, besondere Punkte auf angemessene Weise zu durchforschen, doch mag sie Ihnen gewissermaßen als Führer bei Ihren eigenen Forschungen dienen, da die Begebenheiten chronologisch geordnet sind.
Sollten diese Bemerkungen sich Ihnen nützlich erweisen, und ich dann noch eben so leichten Zutritt zu den Archiven haben wie jetzt, so will ich mit Freuden jede Arbeit übernehmen und Ihnen die Resultate derselben zusenden.
Ich bin Señor Ihr gehorsamer Diener
Donaciano Virgil.«
To Lieutenant J. H. Simpson, Topographical Corps U. S. A.
Dieser Brief, den Lieutenant Simpson auf seine Anfrage erhielt, weist klar genug darauf hin, woher die Inschriften stammen, und auch das Vorhandensein der zu den spanischen Namenszügen sich gesellenden indianischen Hieroglyphen und Bilder erklärt sich leicht daher, daß an der einzigen Quelle auf mehrere Meilen im Umkreise, an welcher vorbei die alte Zuñi-Straße führt, die Reisenden, Europäer wie Indianer, gern rasteten, und, angelockt durch die glatten Wände von Sandsteinfelsen, ihre Namen oder hieroglyphischen Bilder aufzeichneten.
Noch vor Abend gingen wir an der Südseite des Felsens entlang, wo die sich mehr senkenden Niederlagen das Ersteigen des Inscription Rock erleichterten. Nach öfterem Ausgleiten auf den schrägen Steinflächen gelangten wir endlich auf den höchsten Punkt, von welchem uns eine weite und prachtvolle Aussicht auf die umliegenden Ländereien vergönnt war. Gegen Norden und Osten erblickten wir die Sierra de Zuñi oder Madre, die, mit dunklen Cedern- und Kiefernwaldungen bedeckt, sich von Nordwest gegen Südost hinzog. Gegen Süden war der Horizont von blauen Berggipfeln und Gebirgszügen begrenzt, die über die nahen waldigen Hügel und Tafelländer, welche an den Inscription Rock stießen, emporragten. Gegen Westen sahen wir die horizontalen Linien, gebildet von Hochland und Tafelfelsen. Unmittelbar um die Felsen herum lagen kleine Prairien, die, von einzelnen Bäumen und Baumgruppen geschmückt, gewiß eine liebliche Abwechselung mit dem nahegelegenen wallartigen Tafelfelsen gebildet hätten, wenn statt der herbstlich grauen Farbe überall ein frisches Grün vorherrschend gewesen wäre. Was indeß noch mehr als die Inschriften und die herrliche Aussicht unsere Aufmerksamkeit fesselte, daß waren die verwitterten Ruinen von zwei alten Städten eines verschollenen Volkes, welche die Höhe des Moro krönten.
Das Plateau des Felsens bildete keineswegs eine ununterbrochene Fläche, sondern von Westen her zog sich eine Schlucht bis in die Mitte desselben, wo sie sich erweiterte und eine Art Hof darstellte.
Die Wände der Schlucht waren indessen ebenfalls steil und ohne künstliche Hülfsmittel unersteiglich. Hohe Tannen wuchsen auf dem Boden der Schlucht und des natürlichen Hofes und reckten ihre Gipfel hoch empor, ohne jedoch die Höhe des Felsens, auf welchem wir standen, zu erreichen. Nur ein einzelner Felsblock, der, wie ein Pfeiler abgesondert von den Wänden in dem Hofe stand, erhob sich zur gleichen Höhe mit uns. Auf jeder Seite der Schlucht nun, die bis auf eine kurze Strecke den Felsen in zwei Hälften theilte, standen die alten Fundamente und Ueberbleibsel von Bauwerken. Die Ruinen an sich bildeten Rechtecke von 307 Fuß Länge und 206 Fuß Breite, in welchen die Seiten die vier Hauptpunkte waren, indem die Gemächer, wie die Fundamentmauern auswiesen, einen freien Raum in der Mitte lassend, hauptsächlich an den Seitenwänden gelegen haben müssen. Doch auch in dem eingeschlossenen Hofe waren die Spuren von Bauwerken sichtbar. Die Hauptmauern schienen, nach den Ueberresten zu schließen, sorgfältig von kleinen behauenen Sandsteinen aufgeführt gewesen zu sein, die man durch Lehm verbunden hatte. Wie bei allen Ruinen Neu-Mexiko's lagen auch hier Unmassen von Topfscherben zerstreut umher, und zwar so, daß es auf den ersten Blick auffallen mußte, und sich nothwendig der Gedanke aufdrängte, daß in den uralten Städten mehr Töpfe zerschlagen wurden (vielleicht bei Festlichkeiten oder Religionsgebräuchen und Opfern), als die Zufälligkeiten im gewöhnlichen Leben mit sich bringen. Noch die jetzigen Pueblo-Indianer brauchen ähnliche thönerne Hausgeräthe, doch ohne, daß man bei ihren Städten solche Scherbenanhäufungen findet.
Was die längst verschollenen Erbauer dieser nunmehr gänzlich zerfallenen Städte veranlaßte, ihre Wohnsitze auf fast unersteiglichen Felsen aufzuschlagen, darüber kann man jetzt nur noch Vermuthungen aufstellen. Vielleicht geschah es, um sich gegen feindliche Ueberfälle leichter schützen zu können, vielleicht aber auch, um in den wasserarmen Gegenden den nothwendigsten Bedarf an Regenwasser auf den Felsenplateaus sammeln und in den Vertiefungen aufbewahren zu können. Allerdings befindet sich am Fuße des Inscription Rock die Quelle, doch wenn dieselbe in den uralten Zeiten, als sie noch von den Bewohnern der hochgelegenen Städte umschwärmt wurde, nicht reichlicher als jetzt floß, dann kann mit Gewißheit angenommen werden, daß die Vertiefungen auf dem Plateau zu damaliger Zeit als natürliche Cisternen benutzt worden sind, so wie es noch heutigen Tages bei den Bewohnern der Pueblo von Acoma und mehrerer anderer Indianerstädte geschieht. Das Aufsammeln des Regenwassers kann aber auch nicht der alleinige Grund zur Ansiedelung auf den Höhen gewesen sein, was durch die Lage der Ruinen bei den Pueblos Laguna und Zuñi erwiesen ist. Diese liegen nämlich ebenfalls auf hohen Felsen, an deren Fuße vorbei aber nie versiegende Bäche fließen, die das Auffangen des Regenwassers überflüssig machten, wenn es nicht dennoch der bloßen Bequemlichkeit wegen geschah. Später zogen die Bewohner der Höhen hinab in die Thäler und gründeten an den Ufern der Flüsse neue Wohnungen, wo ihnen dieselben des Ackerbaues und der von den Spaniern eingeführten Viehzucht wegen geeigneter erschienen. Vergebens sieht man sich indessen von den Trümmern auf dem Inscription Rock nach einem noch bewohnten Pueblo in der Nachbarschaft um; ausgestorben oder ausgewandert sind die Nachkommen der Erbauer dieser verfallenen Städte, und die letzten Spuren derselben mögen schon vor langer Zeit im südlichen Mexiko verwischt worden sein.
Wenn man den Rio Grande del Norte verlassend zwischen dem 34. und 36. Grad nördlicher Breite gegen Westen zieht, so geben die zahlreichen Trümmer und Ruinen, auf welche man in fruchtbaren und wasserreichen Gegenden stößt, zum tiefsten Nachdenken Veranlassung. Wie reich bevölkert müssen diese nun so öden Landstriche gewesen sein, welche jetzt nur noch von räuberischen Apache- und Navahoe-Indianern durchzogen werden. Näher dem Rio Grande und Rio Gila zu erheben sich allerdings noch zwischen den mexikanischen Ansiedelungen und Städten die grauen Pueblos der Indianer; doch ist die Zahl dieser gering im Vergleich mit der Menge der alten Trümmerhaufen. In welchem Verhältnis stehen nun die jetzigen Pueblo-Indianer zu den Azteken und Tolteken, die einst diese Landstriche überschwemmten? Mancher Art sind die Vermuthungen, die darüber ausgesprochen werden, und kaum ein Reisender hat Neu-Mexiko durchstreift, der sich nicht durch das, was er daselbst wahrgenommen, veranlaßt gefühlt hätte, seine Ansicht mit denen Anderer, die vor ihm dort gewesen sind, zu vergleichen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Doch wer vermöchte wohl das tiefe Dunkel, welches über der Geschichte der alten verschwundenen Völkerstämme ruht, zu durchdringen? Nur dem kundigsten Forscher im Gebiete der Natur, auf dem Felde der Völkerkunde ist es vollständig gelungen, hieroglyphische Bilder zu entziffern, und die gewonnenen Resultate mit den noch vorhandenen Trümmern so in Verbindung zu bringen, daß die meisten Lücken in der ältesten Geschichte Mexiko's ausgefüllt werden konnten. Auf diese Weise nun erfuhren wir, wie wohlbegründet die Nachrichten von der Wanderung und den drei Haltepunkten der Azteken oder alten Mexikaner sind, die Bartlett in seinem vortrefflichen Werke: Personal Narrative Vol. III pag. 283 noch als leere Sagen bezeichnet, darauf fußend, daß keine Aehnlichkeit zwischen der Sprache der alten Mexikaner und der irgend eines weiter nördlich hausenden Indianerstammes existire. Die mühseligen und gründlichen Arbeiten eines großen Sprachforschers hingegen, des Professors Buschmann über die Grammatik der aztekischen Sprachen beweisen das Gewagte dieses Ausspruchs. Die Verbreitung der aztekischen Ortsnamen vom Innern des mexikanischen Hochlandes, Coahuila, Chihuahua und Michuacan an, bis Guatemala, Nicaragua, Honduras und Costa Rica, die vielen altaztekischen Wörter in dem Sonorischen Sprachstamme wie in der Sprache der Gegenwart auf der Insel Ometepec im großen See Nicaragua lehren uns die weiteren Wanderungen der alten Bewohner von Anahuac.Buschmann über die aztekischen Ortsnamen. Erste Abtheilung 1853. S. 72, 95 und 171. Derselbe über die Lautwanderung aztekischer Wörter in den sonorischen Sprachen 1857. S. 435 und 478. Sollten außer den alten untrüglichen hieroglyphischen Schriften der Kalender führenden Azteken nicht noch andere Zeichen für die Wanderung sprechen? Sollten die Spuren, die sie unterwegs zurückgelassen haben, nicht ebenfalls als Beweise dienen können? Bei den Ruinen, die sich zwischen dem Thale des Rio Grande und der Südsee unter den verschiedenen Parallelen befinden, ist es besonders in's Auge fallend, daß weiter nach Süden die Trümmer der alten Städte von einer größeren Kultur und Kunstfertigkeit ihrer Erbauer zeugen und nicht so gänzlich zerfallen sind, wie die mehr nördlichen. Unwillkührlich drängt sich dann dem Laien die Frage auf: woher sollten die Ruinen anders stammen, als von den alten wandernden Völkerstämmen, die auf einer Jahrhunderte dauernden Reise auch in der Kultur fortschritten und die daher, wenn sie einen Haltepunkt verlassen hatten und an einer neuen Stelle Wohnsitze gründeten, umsichtig nach den in langen Zeiträumen gesammelten Erfahrungen ihre Bauart verbesserten? Auf diese Weise läßt sich vielleicht der Unterschied zwischen den Trümmerhaufen am kleinen Colorado, den mehr erhaltenen Casas Grandes am Gila, und den kunstvollen Tempeln und Bauwerken in Mexiko erklären. Die Städte der Pueblo-Indianer in Neu-Mexiko sind freilich in mancher Beziehung verschieden von den meisten alten Ruinen, doch herrscht andererseits auch wieder eine große Aehnlichkeit hinsichtlich der Fundamente, der terrassenförmig übereinander liegenden Wohnungen und der Anwendung von Leitern, um mittelst derselben in das Innere der Gebäude zu gelangen. Die Abweichungen der neueren Bauart von dem uralten Stile sind nur sehr geringe zu nennen im Vergleich mit dem Zeitraum, in welchem dieselben allmälig entstanden. Die thönernen, phantastisch bemalten Hausgeräthe der jetzigen Bewohner der Pueblos geben, wenn sie zerbrochen werden, Scherben, welche von denen, die sich bei den alten Trümmerhaufen finden, gar nicht zu unterscheiden sind; auch das Zähmen von Vögeln, namentlich von Adlern und wilden Truthühnern, eine aus dem grauen Alterthume überkommene Sitte, herrscht noch bei den Moquis, Zuñis und überhaupt in fast allen Pueblos.
Wenn nun erwiesen ist, daß die Ruinen in Neu-Mexiko von den alten Azteken, Tolteken und Chichimeken herrühren, so kann es fast keinem Zweifel unterliegen, daß die jetzigen Pueblo-Indianer, wenn auch nicht reine Abkömmlinge der eben genannten Völkerstämme, so doch nahe mit denselben verwandt sind; daß aber eine starke Vermischung statt gefunden haben muß. Die Verschiedenheit der Sprachen der jetzigen städtebauenden Indianer unter sich und ebenso von den Sprachen der alten Mexikaner ist freilich nach Bartlett ein Beweis gegen solche Vermuthung, doch es findet sich auf dem amerikanischen Kontinente öfter, daß Stämme von derselben Rasse, deren Wohnsitze nur durch geringe Zwischenräume von einander getrennt liegen, einander nicht verstehen können. Und so wie die Deutschen, Franzosen, kurz, die Repräsentanten aller Nationen Europas, die nach dem amerikanischen Kontinente auswandern, die Sprache der Engländer, eines ebenfalls dort eingewanderten Volkes, erlernen und ihre Kinder schon die eigene Muttersprache vergessen, so mögen die bei der Wanderung auf der großen Straße zurückgebliebenen Individuen und Stämme sich den daselbst schon hausenden Horden angeschlossen, deren Sprache erlernt und entweder jene zum Städtebauen veranlaßt haben, oder selbst zum Nomadenleben gezwungen worden sein, je nachdem das Element der Urbewohner oder das der neu Eingewanderten, durch äußere Verhältnisse, vielleicht auch durch numerisches Uebergewicht bestimmt, Sieger blieb. Daher denn auch die beiden großen Abtheilungen in der braunrothen Bevölkerung von Neu-Mexiko, die sich so streng von einander scheiden; auf der einen Seite die friedlichen Pueblo-Indianer mit ihren patriarchalischen Sitten und Gebräuchen, auf der andern die nomadisirenden Apaches und ihre räuberischen Bruderstämme. Und so leben denn in allen Indianerstämmen von Neu-Mexiko die Azteken mehr oder weniger fort! vergebens sieht man sich indessen bei ihnen nach der zurückgebogenen Stirne und der großen Habichtsnase um, welche die Sculpturen und Malereien der alten Azteken und Tolteken charakterisirt. Nur an einer Stelle auf dem nordamerikanischen Kontinente wird man lebhaft hieran erinnert und zwar nördlich nahe den Rocky Mountains, bei den Flathead- und Chinook-Indianern. Doch ist bei diesen Stämmen die auffallende Gesichtsbildung keine Eigenthümlichkeit, welche eine besondere Rasse bezeichnete, sondern sie wird durch das Zurückpressen des Stirnknochens bei den neugeborenen Kindern künstlich bewirkt. Der Hinterkopf wird durch dieses Verfahren lang und spitz, die Nase ragt weit vor und das Profil gewinnt dadurch einen vogelartigen Ausdruck. Je mehr nun auf diese Weise die natürlichen Züge des Menschen verunstaltet werden, für um so schöner gelten solche Individuen bei ihrem Stamme. Auch unter den Choctaw-Indianern, die jetzt am Arkansas River ihre Ansiedelungen haben, soll nach ihren Traditionen, in welchen vielfach von einer großen Wanderung die Rede ist, dieser eigenthümliche Gebrauch geherrscht haben. – Bis die Dämmerung eintrat, blieben wir oben auf dem Felsen, bald uns an der herrlichen Aussicht ergötzend, bald nach Alterthümern unter den Trümmern spähend; doch nichts als bemalte Topfscheiben boten sich uns dar, und vergeblich suchten wir nach steinernen Pfeilspitzen und nach anderen Gegenständen, auf welche der Einfluß der Zeit und der Atmosphäre nicht zerstörend zu wirken vermag. Es dunkelte schon, als wir in unser Lager am Fuße des Moro zurückkehrten; der kalte Wind, der über die Ebene stürmte und heftig an unseren Zelten rüttelte, ließ Alle näher um die flackernden Feuer rücken und früher als gewöhnlich erquickenden Schlaf unter wärmenden Decken suchen.
Hell beleuchtete am folgenden Morgen die Sonne den ehrwürdigen Felsen. Es hatte scharf gefroren, und laut klapperten die Hufe der Thiere auf dem Wege, als wir nördlich am Inscription Rock vorbei in westlicher Richtung weiter zogen. Der interessante Punkt versteckte sich bald hinter hohen Tannen und Cedern, und verschwand unseren Augen ganz, als wir über vulkanisches Felsengerölle und schwarze Lava hinab in eine niedriger gelegene Ebene gelangten. War am frühen Morgen die Luft still, so sprang im Laufe des Tages der Wind wieder auf, so daß uns trotz des starken Schrittes, zu welchem wir unsere Maulthiere zwangen, zu frieren begann. Weite Ebenen wechselten an diesem Tage mit hügeligen Landstrichen ab, die bald von niedrigem Cederngestrüpp beschattet, bald von Lavaströmen durchzogen waren. Antilopen umkreisten uns in großer Menge, doch waren sie zu scheu und wild, als daß unsere Jagd auf sie hätte mit Erfolg gekrönt werden können; wir zogen aber auch auf einer Landstraße, auf welcher seit Hunderten von Jahren schon die Antilopen den Menschen als gefährlich kennen gelernt hatten.
Vor uns im Westen tauchten wieder neue Gebirgsmassen auf, die uns den Weg zu versperren schienen, und dorthin, wo die Ebene, auf welcher wir reisten, einen spitzen Winkel bildend in die Gebirge hineinreichte, lenkten wir den Schritt unserer Thiere. Die kleinen Cedernwaldungen, die hin und wieder die Einförmigkeit unterbrochen hatten, wurden lichter und nach der Richtung hin, wo wir während der Nacht zu rasten beabsichtigten, verschwanden sie endlich ganz, so daß wir auf den Rath unserer Führer uns veranlaßt fühlten, trockenes Brennholz mit Stricken an den Wagen zu befestigen und bis zur Lagerstelle nachzuschleifen; denn die kalten Nächten machten tüchtige Feuer vor den Zelten nicht nur angenehm, sondern sogar nothwendig.
Nach einem Marsch von einigen 20 Meilen erreichten wir die Quellen des Rio del Pescado (Zuñi River), dort Los Ojos del Pescado genannt.
(Anmerkung 18) An einigen Stellen, als bei El Ojo Pescado nahe Zuñi und in der Nachbarschaft des Fort Defiance bei Cañon Chaca befinden sich in der Lehmerde Betten von Kohlenschiefer, doch nur 3 oder 4 Zoll dick, so daß sie wahrscheinlich nicht reich genug sind, um mit Erfolg bearbeitet werden zu können.
(Marcou a.a.O.)
Schönes klares Wasser rieselte an verschiedenen Stellen aus Basaltfelsen und vereinigte sich zu einem Bache, der sich gegen Westen durch das Thal hinwand, an dessen südlicher und nördlicher Seite sich hohe Felsmassen und Tafelländer aufthürmten. Wiederum befanden wir uns ganz in der Nähe von den Ueberresten einer alten Ansiedelung oder Stadt, die indessen schon mit Rasen bedeckt und unter einem Grasteppiche verhüllt waren, so daß wir nur noch bei genauerer Untersuchung die Stellen an den Fundamentalmauern und den zahlreichen umherliegenden Scherben zu erkennen vermochten. Gegen Westen, ungefähr 1000 Schritte von unserem Lager, erblickten wir ebenfalls Ruinen, doch waren dies ziemlich wohl erhaltene Häuser, die zusammengedrängt liegend eine alterthümliche Stadt bildeten. Sie lagen am Flusse (Rio del Pescado), und da ich wahrnahm, daß am folgenden Tage unser Weg nicht an denselben vorbeiführen würde, so beschloß ich, noch an diesem Abende einen Ausflug dorthin zu machen. Ich folgte daher dem Laufe des Wassers, wo kleine und große Enten häufig von mir aufgescheucht wurden, und gelangte endlich an die verlassene Stadt. Sie erhob sich auf dem nördlichen Ufer des Flüßchens selbst, welches hier schon eine bedeutendere Breite erlangt hatte, so daß ich einen alten Steg benutzen mußte, den in's Wasser geworfene Steine bildeten, um trockenen Fußes hinüber zu kommen. Endlich befand ich mich in der alten Indianerstadt, die eine ungefähr 200 Schritt lange und 150 Schritt breite Fläche bedeckte. Die Häuser waren zusammenhängend gebaut, zwei Stockwerke hoch und von flachen Steinen aufgeführt, die durch Lehmerde verbunden waren. Die Häuserreihen schlossen einen rechtwinkligen Platz ein, in dessen Mitte sich die Trümmer von einem einzelnen Gebäude befanden. Diese Pueblo schien nicht der ganz alten Zeit anzugehören, denn Dächer und Wände waren noch in einem guten Zustande, sogar Kamine und Feuerplätze waren überall zu erkennen. Ich stieg in mehrere Wohnungen hinab, was trotz des Mangels an Leitern bei der niedrigen, mehrere Fuß in die Erde hinein reichenden Bauart keine Schwierigkeit hatte. Kalt und feucht wehte es mir aus den alten verödeten Räumen entgegen: das Tageslicht, welches durch Risse und Spalten in den Wänden die Gemächer nur theilweise erhellte, erlaubte mir jedoch genauer nach etwa vergessenen oder absichtlich zurückgelassenen Gegenständen zu forschen. Aber Alles war leer, nur etwas Stroh, das sich hin und wieder in einem Winkel fand, deutete darauf hin, daß Hirten dort manchmal ein Obdach suchen und den eingeschlossenen Platz vielleicht als Stall für ihre Heerden benutzen. Fast wehmüthig stimmte mich der Gedanke, daß vielleicht ansteckende Krankheiten diesen Ort entvölkert hatten. Denn Versiegen des Wassers, welches in vielen Fällen das Aufgeben von mexikanischen Ansiedelungen und Städten veranlaßt hat, konnte hier nicht die Ursache gewesen sein, da sich der Rio del Pescado krystallklar durch eine fruchtbare Niederung wand, auf welcher weithin die untrüglichsten Merkmale einer früheren Kultur und fleißiger, umsichtiger Bearbeitung zu bemerken waren. Ich konnte die Pfade erkennen, auf welchen einst die Weiber und Mädchen, irdene Gefäße auf den Köpfen tragend, dahin geeilt oder ernste Männer zur Bestellung ihrer Felder entlang gezogen waren. Aus den kleinen Hügeln, die an die Wohnungen stießen, hatten die greisen Häupter der Stadt vor Zeiten gewiß manche Stunde sich sonnend zugebracht und die Jugend ihre wilden Spiele gespielt. Jetzt war Alles todt und öde. Kein Laut war hörbar in den verlassenen Räumen; nur zwei Wölfe, die bei meiner Annäherung die Ruinen verlassen hatten, schlichen außerhalb der Gebäude umher. Ich schickte ihnen eine Kugel zu, und die Bestien entfernten sich; Enten aber und Schnepfen, aufgescheucht durch den Knall, erhoben sich vom Bache und flogen schreiend davon; der Schuß verhallte schnell in den öden Straßen, langsamer in den fernen Gebirgen, und Alles war dann wieder unheimlich still wie zuvor. Ich trat den Rückweg in's Lager an und gelangte auf einem Umwege zu Feldern, die noch die Spuren kürzlich abgeernteter Früchte trugen; auch erfuhr ich später, daß die Bewohner von Zuñi alljährlich einige Male nach der verlassenen Stadt ziehen, um auf den fruchtbaren Feldern zu säen und zu ernten. Es ist nicht unmöglich, daß die letzten Bewohner der verlassenen Stadt sich zu den Zuñi-Indianern übergesiedelt haben, und die von ihnen veranlaßten alljährlichen Wanderungen und Wallfahrten nach den Gräbern ihrer Vorfahren unter den heutigen Zuñi's als eine Sitte fortbestehen, die auch Vortheil bringt, da die dortigen Felder fruchtbarer sind, als die in der unmittelbaren Nähe von Zuñi liegenden.
Das frischeste Herbstwetter begünstigte unseren zeitigen Aufbruch, und unser Weg führte uns dorthin, wo das Thal sich verengte, und die nördlich und südlich von uns hinlaufenden Gebirgsketten sich zu berühren schienen. Die verödete Stadt blieb eine kleine Strecke nördlich von uns liegen, eben so das Flüßchen, welches einen Bogen gegen Norden beschrieb und dann der Stelle zueilte, wo die beiden Felsenketten sich einander näherten und fast ein Thor bildeten. Als wir den Paß hinter uns hatten, öffnete das Land sich wieder; doch war es von dort ab felsig, rauh und mehr oder weniger mit Cedern bewachsen. Die Straße führte uns durch den Zuñi River, dessen Bett an dieser Stelle sumpfig und daher nur mit Mühe zu überschreiten war. Auf dem nördlichen Ufer wand sich unser Wagenzug zwischen Hügeln hindurch aufwärts, bis wir eine kleine, grasige Ebene erreichten, wo wir zu verweilen beabsichtigten, um unsere nach Fort Defiance gereisten Gefährten mit der von dort zu erwartenden Escorte sich der Expedition anschließen zu lassen; zugleich wollten wir auch an dieser Stelle, ehe wir den befahrenen Landstraßen auf lange Zeit Lebewohl sagten, die letzte Gelegenheit einer Communication mit den Vereinigten Staaten benutzen, um Berichte und Briefe zu schreiben und zurück zu befördern. Die Stadt Zuñi war freilich noch 3 Meilen von unserem Lager entfernt, doch konnten wir uns mit unseren großen Maulthier- und Schafheerden nicht näher in die Umgebung der Stadt wagen, wo jede Spur von Gras von dem Vieh der Indianer gewiß längst vertilgt war. Wir schlugen also unsere Zelte nahe der Straße auf, und hatten nur wenige Schritte bis zu einem Bache, der sich ein tiefes Bett mitten durch einen Hügel gewühlt hatte, wo bei Regengüssen das Wasser, kleine Fälle bildend, über Felsblöcke hinabstürzte. Zur Zeit unserer Ankunft daselbst fanden wir nur die Vertiefungen in den Felsen mit Wasser angefüllt, doch waren diese natürlichen Reservoirs sehr fischreich, ein Zeichen, daß das Wasser an diesen Stellen nicht austrocknete.