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In Fort Smith, das wie jede Stadt in Amerika kaum entstanden zu sein brauchte, um sofort auf Eisenbahnverbindungen zu sinnen, ward dieses Eisenbahnfieber im Sommer des Jahres 1853 auf seinen Höhepunkt gebracht, als in der Expedition unter dem Commando des Lieut. Whipple eine kleine Schaar von Leuten hier eintraf, die auf ein nicht geringeres Unternehmen auszog, als zwischen diesem Punkte und Pueblo de los Angeles am stillen Ocean eine Straße aufzufinden, auf welcher in Zukunft die schnaubende Locomotive furchtlos durch die Territorien der feindlichsten Indianer dringen, zwischen den beiden Weltmeeren vermitteln und die Goldminen Californiens näher bringen sollte.
Lange schon hatte man in allen westlichen Ansiedelungen die Anlage einer Eisenbahn nach dem stillen Ocean zum Gegenstand der Unterhaltung und sogar ernster Berathungen gemacht. Auch hatte keine der vielen kleinen Städte versäumt, in den Zeitungen die erschöpfendsten Beweise dafür beizubringen, daß der Weg schlechterdings durch ihre Marken zu legen sei, wenn man durch die Vortheile einer guten Steinkohle, eines sehr empfehlenswerthen Holzmaterials und eines sich durchaus gut eignenden Wassers unterstützt werden wolle. Seit geraumer Zeit waren Rathsversammlungen deshalb gehalten, Beschlüsse gefaßt, Deputationen von Colonie zu Colonie geschickt, die Ansichten mit Hartnäckigkeit verfochten und die Beweise nicht selten durch einiges Boxen bekräftigt worden, als endlich die Regierung der Vereinigten Staaten drei Expeditionen ausrüstete, die unter Leitung von Ingenieur-Officieren und mit angemessener militairischer Bedeckung auf verschiedenen Wegen das Land durchziehen und die günstigste Möglichkeit für die Anlage dieses Riesenwerkes aufsuchen sollten.
Die südlichste Expedition, zu der ich gehörte, hatte den 35. Grad nördlicher Breite zu verfolgen und ihre Arbeiten von Fort Smith aus zu beginnen. Endlich war man zu den geeignetsten Mitteln geschritten und hatte den Vorstellungen der kleinen Stadt Fort Smith, die berührt sein wollte, nachgegeben. Die Ausführer des ersehnten Unternehmens waren bereits in Gestalt von Geologen, Feldmessern, Botanikern, Astronomen und Zeichnern, zwölf Personen im Ganzen erschienen; sie waren da mit Sack und Pack, Wagen und Geschirren, Instrumenten und Provisionen, nur fehlte es noch zur großen Befriedigung der Einwohner an Maulthieren und Arbeitern, zwei Artikeln, die sogleich mit der größten Bereitwilligkeit angeboten wurden, erstere gegen gute Bezahlung, letztere umsonst, und wo möglich noch mit den besten Empfehlungen begleitet. Die Ansiedelung liegt nämlich zu weit westlich, als daß sich ihr oft Gelegenheit darbieten sollte, überflüssige Maulthiere und unbeschäftigte Arbeiter los zu werden.
Die Maulthiere in dortiger Gegend sind theurer als anderswo und größtentheils noch ungebändigt, doch unentbehrlich zu einer Reise durch die endlosen Steppen des Westens, da sie mit einem gedrungenen markigen Bau die unverwüstlichste Ausdauer verbinden. Was die Arbeiter betrifft, so findet man dort unter dieser Menschenrasse nur handfeste, trotzige Bursche, die, wenn sie gleich meist wild und von geringem moralischen Werthe sind, rege Hand anzulegen verstehen, wenn es ihr eigenes Interesse erfordert, Leute, welche die Gefahren einer solchen Reise erkennen und für ihre und ihrer Gefährten Haut zu fechten wissen.
Der längere Aufenthalt, den die mannigfaltigen Vorbereitungen für eine so langwierige Reise in Fort Smith nöthig machten, wurde von unserer jungen lebenslustigen Schaar dazu angewendet, an der Grenze der Civilisation zu guterletzt noch einmal in vollem Maße alle die Freuden und Annehmlichkeiten zu genießen, denen wir nun so bald und auf so lange Zeit entsagen sollten. Die Einwohner des Städtchens fanden dadurch Gelegenheit, einerseits von ihren Gästen noch manchen pecuniären Vortheil zu ziehen, andererseits sich auch als freundliche Wirthe zu zeigen, die allein schon wegen ihrer Liebenswürdigkeit einen Bahnhof in ihrer Nähe zu haben verdienten. Da sie überdies die Leute, die ihnen zu einer Eisenbahn verhelfen sollten, bei guter Laune und frischem Muth erhalten zu müssen glaubten, so wurden wir mit Lobeserhebungen und Schmeicheleien überschüttet; es wurden Bälle gegeben und Feste gefeiert, welchen Vergnügungen wir uns mit aller Ausgelassenheit und Sorglosigkeit hingaben.
Bei einem Mr. Rogers, der früher Major in der Miliz gewesen und jetzt als Gasthofsbesitzer und Hauptautorität in Fort Emith auf seinen Lorbeeren ruht, hatten wir uns einquartirt, und fühlten uns unter dem schattigen Dache des alten gemüthlichen Herrn für den Kostpreis von zwei Dollar täglich für den Kopf überaus zufrieden und glücklich. Sobald der Abend gekommen, und die tropische Hitze des Tages einer erquickenden Kühle gewichen war, konnte man die Gesellschaft in der einfach und bequem eingerichteten kühlen Trinkstube lachend und scherzend um den alten Herrn versammelt sehen, der gern auf ihre Späße einging, von manchen harten Scharmützeln erzählte, die er in früheren Tagen mit feindlichen Indianern zu bestehen gehabt hatte, und der die jungen Leute wiederholt zur Energie und Ausdauer in den ihnen bevorstehenden Arbeiten ermahnte. »Meine Jungen ( my boys),« sagte er, »Ihr habt eine lange und gefahrvolle Reise vor Euch, aber seid unverdrossen! Ihr müßt durchaus eine geeignete Straße für den Schienenweg nach Californien finden. Und wenn Ihr eine solche gefunden habt, so vergeßt nicht, daß Ihr nicht ohne Freunde in Fort Smith seid, die sich für Eure Mühe erkenntlich zeigen werden! Kommt dann nur hierher zurück, ich habe noch sehr viel Land übrig, das durch die Eisenbahn einen tausendfachen Werth erhält, und werde jedem von Euch in der Stadt einen Bauplatz schenken, den Ihr Euch selber aussuchen könnt, wenn Ihr Bürger unserer dann erst recht aufblühenden Stadt werden wollt.«
Alle nahmen das wohlgemeinte Anerbieten des alten Herrn mit lautem Jubel entgegen, verpflichteten sich, einen Eisenbahnweg zu finden, und wenn sie über Legionen von Chimborasso's und Niagara's zu klettern und zu schwimmen hätten, tranken in ausgelassener Fröhlichkeit auf eine glückliche Reise, auf die Eisenbahn, auf Fort Smith, auf den alten Major, auf ihr neu erworbenes Bürgerthum, und wählten sich in ihrem Uebermuthe je nach ihren Neigungen und Eigenthümlichkeiten im Voraus ihre Baustellen aus. Ein junger Mann aus New-York speculirte gut, er ersah sich den Platz neben dem dereinstigen Bahnhofe, um in einer gut eingerichteten Restauration die zurückkehrenden Californier für kostbares Erz und Goldstaub recht freundlich zu bewirthen; ein Franzose erkor sich einen nahe bei der Stadt gelegenen Hügel, der sich vorzüglich zum Weinbau eignete, und kelterte bereits in Gedanken Burgunder und Champagner; zur Linken neben der Trinkstube des Majors legte ein Irländer eine große Brennerei an, und zur Rechten derselben prunkte das Luftschloß eines Deutschen, der sich in Gedanken eben eine Brauerei darin eingerichtet hatte und seine Freunde mit köstlichem bairischen Biere bewirthete.
Der Major erklärte sich mit den getroffenen Wahlen durchaus einverstanden, und bis in die späte Nacht hinein dauerte die laute Fröhlichkeit; die Gläser klirrten, Hurrahs erschallten und die rasselnden Klänge eines schnell zusammengesetzten Orchesters wurden noch durch unsere Stimmen übertönt. Die Pausen füllten Rundgesänge und Volkslieder der verschiedensten Nationen aus, doch es war dem Deutschen eine hohe Genugthuung, zu bemerken, welchen tiefen Eindruck die einfachen und gemüthlichen Weisen: »In einem kühlen Grunde« und »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«, selbst an den Grenzen der Civilisation, im fernen, fremden Lande hervorzurufen vermochten.
Aber die lustigen, kühlen Nächte von Fort Smith sollten ein baldiges Ende erreichen. Einestheils um uns im Voraus mit dem Lagerleben vertraut zu machen, anderntheils, um auf praktischem Wege die etwaigen Mängel der Ausrüstung entdecken und, so lange es Zeit und Ort noch gestatteten, beseitigen zu können, entschlossen wir uns, ein kleines Lager zu beziehen, welches zu diesem Zwecke in der Nähe des Fort in einer Lichtung des Waldes aufgeschlagen war, und durch die überhängenden laubigen Bäume den größten Theil des Tages hindurch vor der sengenden Sonnengluth geschützt war. Mit Einschluß einer unter dem Commando des Lieutenant Johns stehenden Escorte von Infanterie waren es siebenzig und einige Personen, die sich im Lager zusammengefunden hatten. Die ganze Expedition ward von dem Ingenieur-Lieutenant Whipple geleitet, einem Manne, der sich schon früher bei ähnlichen Unternehmungen ausgezeichnet hatte, und mit seinen besonderen Fähigkeiten ein überaus liebenswürdiges und vertrauenerweckendes Wesen verband.
Nur kurze Zeit dauerte es, und jeder war in dieser neuen Lebensweise zu Hause; ehe noch der Reiz der Neuheit geschwunden, war bereits die Gewohnheit eingetreten und verdeckte schonend die kleinen und großen Unbequemlichkeiten mancherlei Art, die von einem Leben unter freiem Himmel unzertrennbar sind. Es ruht sich sanft auf der harten Erde, und Skorpione wie Taranteln verlieren ihre Schrecken, wenn man kein anderes Lager finden kann. Die Hitze erscheint nicht mehr so unerträglich, wenn man unfähig ist sich ihr zu entziehen; der Regen kann nicht weiter als bis auf die Haut dringen, wenn die Kleidungsstücke zum Wechseln mangeln, und geröstetes Fleisch und schwarzer Kaffee mit Ahornzucker schmecken vortrefflich, wenn nichts Anderes zu erwarten ist. Zwischen den Mitgliedern unserer Gesellschaft war in kurzer Zeit ein freundliches, ja brüderliches Verhältniß eingetreten, obgleich dieselbe aus Leuten mancher Herren Länder zusammengewürfelt war und aus den verschiedenartigsten Elementen bestand. Es waren nicht die vergnügten Nächte von Fort Smith, die ein solches Verhältnis, herzustellen vermocht hätten, auch nicht der Wein, der die Herzen erfreut und öffnet, es war der Gedanke, Monate, vielleicht Jahre lang Einer auf den Andern angewiesen zu sein, und das stillschweigende Einverständniß, sich die gemeinsamen Gefahren und Mühseligkeiten einer Reise in den endlosen Einöden des fernen Westens durch ein herzliches Einvernehmen und gegenseitiges Rathen und Helfen erleichtern zu wollen.
So konnte man die Gesellschaft alle Morgen fröhlich und wohlgemuth das friedliche Lager verlassen sehen, um sich durch allerhand kleine Uebungsarbeiten vorzubereiten. Doch nach kurzer Zeit waren die einzelnen Mitglieder nach allen Richtungen hin zerstreut. Der Geologe hat den Fluß zu erreichen gesucht und arbeitet emsig mit seinem Hammer zwischen dem Gestein, daß es im Walde wiederhallt. Der Botaniker hat auf einem Baume einen merkwürdig gebildeten Parasiten entdeckt und bahnt sich ohne Schonung für seine Kleidung mühsam einen Weg durch die Hecken dichtverwachsener Dornen und Schlingpflanzen, um die noch schwierigere Reise den dicken Stamm hinauf zu unternehmen. Der Naturaliensammler hat eine Eidechse bemerkt, die ihn in's Dickicht lockt, und sich vor ihm bald in das raschelnde Laub des letzten Herbstes, bald unter einen modernden Stamm flüchtet, bis sie endlich unter einem unbewegbaren Blocke Schutz gewinnt, und vielleicht höchstens die Spitze ihres leicht zerbrechlichen Schwanzes im Stiche läßt, die ihr Verfolger noch vor ihrem Eintritt in das bergende Asyl erhaschte. Die Feldmesser und Kettenträger verfolgen die ihnen vom Compaß angedeutete Richtung, bis sie durch die scheitelrecht fallenden Strahlen der Mittagssonne an die Heimkehr in's Lager gemahnt werden, wo die ganze Gesellschaft ermüdet von der noch ungewohnten Arbeit zusammentrifft.
Kaum sind die erbeuteten Frösche, Kröten, Eidechsen und Schlangen in die Spiritusbehälter, die Schmetterlinge und Käfer an ihre Stecknadeln, die Pflanzen und Blumen zwischen das Papier gewandert, kaum ist das jetzt wohl noch mit einigem Luxus ausgestattete Mahl beendigt: so sucht sich jeder im Schatten seines luftigen Zeltes ein bequemes Plätzchen, auf dem er möglichst unbelästigt die Mittagsstunden verschlafen kann. Leise hört man noch hin und wieder eine beliebte Negerromanze brummen, zu der sich das Geschwätz spielender Papageien auf den nächsten Bäumen, das Zirpen der Heuschrecken, das Schwirren der Goldkäfer und das Summen honigsuchender Bienen gesellt, – und bald verräth das schwere Athmen rings umher den tiefen Schlaf nach des Morgens anstrengender Arbeit. Nachlässig und sorglos lehnt sich der bei den Schläfern wachende Posten an einen Baumstamm, während die beiden ablösenden Nummern (ein Irländer und ein Franzose) im Schatten eines größern Gezelts, das als Wachtstube dient, ein Spiel altersgrauer, kaum noch erkennbarer Karten handhaben.
In einiger Entfernung von den Zelten lagen unter einem Sassafrasstrauche ausgestreckt zwei Männer, die, nach dem lebendigen Gespräche zu urtheilen, durchaus nicht von der erschlaffenden Gluth der hohen Sonne belästigt zu werden schienen. Das schlicht auf die Schultern herabfallende Haar, der eigenthümlich markirte Schnitt ihrer Gesichter, die dunkle Farbe der Haut, die bilderreiche Ausdrucksweise, alles würde sie zu Indianern gestempelt haben, wenn ihnen nicht ein dichter struppiger Bart einiges Anrecht an europäische Abstammung verliehen hätte. Sie waren mit größter Nachlässigkeit gekleidet, ein breiter lederner Gürtel umschloß eine Art Rock oder Ueberwurf von rothem Flanell, und hatte zu gleicher Zeit die Bestimmung, dem einzigen absichtlich augenfälligen Schmuck als Halter zu dienen: einem Paar Pistolen und Messern, an denen man die Sorgfalt wohl erkannte, mit welcher ihre Besitzer sie gegen die zerstörenden Einflüsse des Rostes zu schützen suchten. Beide hatten erst vor wenigen Stunden, als sie zur Expedition geworben wurden, mit einander Bekanntschaft gemacht und nachdem sie sich durch einen Blick überzeugt, daß sie fast unter denselben Verhältnissen und in derselben Lage geboren wären, gelebt hätten und auch noch fortleben würden, waren sie eben im Begriff, vertrauensvoll einzelne ihrer Erlebnisse auszutauschen. »Mein Name ist Bill«, begann der Eine, ein finsterer Mann von mittler, untersetzter Statur, der durch die Breite seiner Schultern eine riesige Stärke verrieth, und dessen hohe Stirn eine tiefe Narbe zierte »mein Name ist Bill, doch nennt man mich auch Bill Spaniard, weil mein Vater über das große Wasser von Spanien her gekommen war. Meine Mutter war eine Cherokesen-Frau und ich bin, so viel ich weiß, der einzige Sohn. Mein Vater kam um's Leben, ich weiß nicht wo; meine Mutter starb, ich weiß nicht wie. Ich ward groß in den Hütten der Cherokesen und verdiente und sparte mir in meiner Jugend so viel bei den Weißen in den Ansiedelungen, daß ich mir zwei Pistolen, Pulver und Blei kaufen konnte. Zuerst freute ich mich nur über den lustigen Knall, bald aber noch weit mehr über die Sicherheit, mit der ich dem Vieh der Blaßgesichter den Tod ins Herz schickte, um mit der Zunge und so vielem Fleisch, als ich tragen konnte, nach Hause zurückzukehren. Die Ansiedler nannten mich darum einen Dieb; ich hielt mich nicht für einen solchen, ich bin ja Halbindianer und unter den Indianern aufgewachsen, ich habe viele Pferde gestohlen und ich rühme mich dessen. Ich habe aber nie von meinem Bruder und Freunde genommen.«
Nach einer kleinen Pause nahm er seine Erzählung wieder auf:
»Da, wo ich überall zu Hause war, trieb sich bei den Ansiedlern ein großer Bösewicht umher; er bestahl seinen Freund, er bestahl seinen Bruder und sagte: das hat Bill Spaniard, der helle Cherokese, gethan, und er machte mich zum großen Diebe. Er war ein Lügner und ich sammelte mir Beweise dafür; er wollte mir den Mund schließen und schwor mir den Tod; er folgte mir mit einer doppelläufigen Flinte, zwölf Rehposten und zwei Kugeln waren darin, ich habe sie gezählt. Er traf mich auf der andern Seite des Arkansas, er nannte mich einen rothhäutigen Schurken und legte seine Flinte auf mich an; doch meine Hand ist schnell, mein Auge noch schneller und ehe sein Finger den Drücker berührte, war ihm die Kugel dieser kleinen Pistole zwischen die Augen gefahren. Ich hatte nicht vergebens diese Pistolen gekauft und sie führen gelernt: mein Feind lag zu meinen Füßen.« Wieder schwieg er, ließ wohlgefällig die Hähne seiner kleinen Pistolen knacken, steckte sie wieder in seinen Gürtel, zog dann eine Tafel schwarzen Tabaks aus der Tasche, schnitt ein Stück davon ab, schob es zwischen seine weißen Zähne und fuhr dann fort. »Ein Verwandter meines Feindes klagte mich als Mörder an, ich wurde in's Gefängniß geschickt, sechs Jahre hindurch zog sich mein Prozeß hin, da starb mein Kläger, und ich wurde frei. Ich will jetzt fort aus diesem Lande, ich hasse alle Menschen hier, ich gehe mit dieser Expedition nach Californien, ich werde ein guter Arbeiter sein, ich will Gold graben, ich will reich werden.«
» Bill,« hob sein Gefährte an, ebenfalls ein baumstarker Halbindianer, » Bill, Du mußt nur dem Unglück aus dem Wege zu gehen wissen; siehe, ich gehe auch mit dieser Compagnie nach Californien, es ist mir unheimlich zu Muthe hier, die Leute sagen, ich habe einen Choctaw-Indianer und einen weißen Mann erstochen, daher gehe ich aus dem Bereiche solcher üblen Nachreden.« »Du bist ein großer Bösewicht,« erwiederte Bill, »man wird Dich noch aufhängen; doch siehe, da kommen die Maulthiere, laß uns an unsere Arbeit gehen.« Bei diesen Worten erhoben sich beide und entfernten sich nach der Richtung hin, wo lautes Getrappel die Annäherung der Heerde anzeigte. Sie sollten nun bei der Bändigung der noch rohen Thiere ihr Geschick und ihre Kraft beweisen.
Zu den schwierigsten Aufgaben nämlich bei den Vorbereitungen zu einer Reise durch die Steppen gehört unstreitig das Bändigen und Beschlagen der Maulthiere. Die ausdauernde Kraft derselben bei fortwährender Arbeit, trotz Futter- und Wassermangels, läßt das Pferd bei solchen Gelegenheiten weit hinter den Maulthieren zurückstehen; denn da, wo das längst ermattete und aller Last entledigte Pferd sich nur noch langsam mitschleppt und endlich doch den Wölfen überlassen werden muß, trägt das Maulthier geduldig sein Gepäck und läßt sich nicht hindern, während des Marsches vertrocknete Pflanzen, vor allem stachliche Dornen, abzurupfen, um den gräßlichen Feind, den Hunger, dadurch zu besänftigen. Doch wie nun die Kraft des Pferdes und die Ausdauer des Esels in dem Maulthiere vereinigt sind, so fehlt wiederum keiner der Fehler, die nur ein Pferd oder einen Esel unleidlich machen können. Furchtsamkeit, Störrigkeit, Widerspenstigkeit und Tücke sind die Uebel, mit welchen man besonders bei der Bändigung zu kämpfen hat, sie werden noch vergrößert, wenn die Heerde aus Thieren besteht, die erst durch einen harten Kampf unter sich mit einander bekannt werden müssen, und da viele nur ihrer Unbändigkeit wegen von ihren frühern Besitzern verkauft wurden, so ist man oft genöthigt, zu durchgreifenden, wenn auch grausamen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen. Zu dieser nicht geringen Arbeit sind Mexikaner und Indianer beinahe unentbehrlich. Nach einer flüchtigen Musterung der Heerde haben solche Leute fast instinctartig die wildesten Thiere herauserkannt, und lassen es ihre erste Sorge sein, diese zu fangen. Zu diesem Zwecke dient eine lange Leine, die mit dem einen Ende am Sattelknopf des wohlberittenen sogenannten Arriero befestigt ist, am andern in eine offene Schlinge endigt, und zu großen Ringen zusammengelegt in der Rechten desselben ruht. Dieser beginnt, sobald er sein erstes Opfer in's Auge gefaßt hat, die ängstlich zusammengedrängte Heerde galoppirend zu umkreisen, und den günstigen Zeitpunkt abzupassen, wann das Thier seinen Kopf bloß giebt. Kaum hat er diesen Augenblick gewonnen, so läßt er die Leine (Lasso) einige Male über dem eigenen Kopf kreisen und schnell und sicher schleudert er sie auf das scheue Thier, das, seiner Freiheit beraubt, jetzt machtlos stampft und sich bäumt. Die Schlinge hat sich ihm um den Hals gestreift, und schnürt denselben um so mehr ein, je größeren Gegenanstrengungen sie begegnet. Nach einem kurzen, aber mit Aufwand aller Kräfte geführten Kampfe fängt das erschöpfte Thier an zu fühlen, daß es sich, wenn es nicht erdrosselt werden will, dem etwas handgreiflichen Verfahren seines Siegers fügen muß. Willenlos läßt es sich unter ein Gerüst von vier aufrecht stehenden Balken bringen, zwischen denen es der Länge und Breite nach gerade Platz hat. Es wird dann vermöge eines klug ausgedachten Gurtenwerks um mehr als eine Elle von dem Boden aufgehoben, seine Beine werden mit Riemen an die entsprechenden Balken gefesselt, und ehe es ahnen kann, was eigentlich mit ihm geschehen soll, haben schon vier mit Zangen und Eisen bereit stehende Hufschmiede eine Arbeit vollendet, die auf gewöhnlichem Wege, selbst bei einem ruhigen Pferde, zehnmal so viel Zeit erfordert haben würde. Sobald die Eisen an ihren Stellen sind, geht das geängstigte Thier in die Hände der Wagentreiber über: die Schlinge mahnt immer noch nachdrücklich zum Gehorsam, eine tüchtige Peitsche zum Ziehen. Schon gebändigte Thiere, mit denen man den Neuling zusammenspannt, gehen mit gutem Beispiele voran, die Wuthanfälle werden seltener, bis nach Verlauf verhältnißmäßig kurzer Zeit das Maulthier für diensttauglich erklärt und seinen bereits gezähmten Genossen beigesellt wird.