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Die erste Nacht auf der Südseite des Colorado Chiquito war hell und klar; starker Frost überzog die Gewässer mit einer Eisrinde, und dicker Reif legte sich auf alle vorragenden Gegenstände. Mehrfach wurden wir auf die unangenehmste Weise in unserer nächtlichen Ruhe gestört. Es waren nämlich neue Erkrankungen an den Blattern vorgekommen, und einer der Patienten, der sich im Delirium befand, irrte ruhelos zwischen den Zelten umher, jeden Augenblick an denselben rüttelnd und deren Bewohner aus dem Schlafe schreckend. Auffallender Weise starb Keiner der 9 Erkrankten, trotzdem die schwersten Fälle im hohen Gebirge vorkamen, wo nur geringer Schutz gegen Schnee und Kälte geboten wurde und an eine Unterbrechung unserer Reise nicht gedacht werden konnte.
Leicht rollten am folgenden Morgen die Wagen über den gefrorenen Boden; die Sonne ließ in den Frühstunden den Reif blitzen und funkeln und dann, als sie höher stieg, allmälig verschwinden. Immer weiter nach Westen zogen wir, Meile auf Meile wurde zurückgelegt, die beschneiten San Francisco-Gebirge und ihre Umgebung, die zahlreichen vulkanischen Hügel, die Schluchten und hohen Waldungen, waren immer deutlicher zu erkennen. Bald ging es über scharfen, steinigen Boden, die Einfassung des Thales, bald durch das Thal selbst, bald sahen wir den Spiegel des Flusses dicht neben uns, bald nur die Bäume auf seinen Ufern in weiter Ferne, je nachdem der Fluß seine Windungen beschrieb und sich unserem Wege, den wir so gerade wie möglich zu machen suchten, näherte oder von demselben entfernte. Große rothschwänzige Bussarde (Buteo borealis Sws.) saßen wie sinnend auf den hervorragenden Cottonwood-Bäumen, während unten durch dichtes Gestrüpp die kleinen Rebhühner schlüpften. Nichts störte uns in unserer Reise, bis uns vulkanische Felsen so einengten, daß wir genöthigt waren, den einzigen Weg, der uns blieb, nämlich den Rückweg, wieder einzuschlagen. Immer höher hatten sich nämlich die kahlen Hügel südlich von uns erhoben, so daß wir nach dieser einzigen Richtung, die uns so lange offen gewesen, den Fluß nicht mehr verlassen konnten und 4 Meilen auf der Straße, auf welcher wir gekommen waren, zurückziehen mußten. An einer Stelle nun, wo eine allmälig ansteigende Schlucht einen Weg gegen Südwest zu eröffnen schien, machten wir Halt und beschlossen daselbst die Rückkehr unserer Recognoscirer zu erwarten.
Wieder wurden wir durch eine nächtliche Flucht der Maulthiere erschreckt. Dieselbe hatte indessen keine weiteren Folgen, indem die Heerde in eine sackähnliche Schlucht geflüchtet war, wo es den Leuten leicht gelang, ihrer wieder habhaft zu werden. Dieses Mal waren nicht die Wölfe Ursache der Entweichung, sondern ein großes Feuer, welches von unseren Leuten auf der Spitze eines hoch emporragenden Hügels angezündet worden war. Es geschah dies nämlich laut unserer Verabredung mit Lieutenant Whipple, um demselben anzugeben, welche Richtung er mit seiner kleinen Abtheilung einzuschlagen habe, um wieder mit uns zusammenzutreffen. Auch wir sahen uns des Abends nach Feuerzeichen um, doch gewahrten wir nichts, was uns über die Abtheilung und ihren Verbleib Aufschluß gegeben hätte.
In den Nachmittagsstunden des 20. Decembers – so lange hatte uns nämlich die dringendste Notwendigkeit aufgehalten – brachte einer der Hüter die Nachricht in's Lager, daß unsere Gefährten im Anzuge seien. Wir Alle gingen ihnen entgegen und überzeugten uns schon aus der Ferne, daß Keiner von ihnen fehlte, was uns natürlich sehr erfreute, denn es wäre nichts Außergewöhnliches gewesen, wenn sie im feindlichen Zusammenstoß mit den wilden Eingebornen des Gebirges Verluste erlitten hätten, und nur zu gut wußten wir durch Leroux, der schon vielfach Abenteuer mit ihnen bestanden hatte, daß diese Wilden sich bis jetzt noch jedem Weißen, auf den sie gestoßen waren, feindlich gezeigt hatten. Doch sei es nun, daß die Indianer sich vor der kleinen, aber wohlbewaffneten Macht gescheut hatten, oder daß sie durch den Schnee in wärmere Thäler getrieben waren, genug, unsere Kameraden waren auf keine frischen Spuren der Wilden gestoßen. Herzlich wurden die glücklich Zurückgekehrten begrüßt, und die Köche in Bewegung gesetzt, um die schon nothleidenden Freunde so rasch wie möglich durch ein tüchtiges Mahl zu erquicken. Dann aber ging es an ein Fragen und Erzählen; der Eine wollte über die Beschaffenheit des Landes, der Andere über die Jagd oder die Eingebornen Aufschluß haben, der jedoch nur sehr ungenügend ausfiel, denn von den Eingebornen war kein einziges Individuum gesehen worden, und der Boden überall fußhoch mit Schnee bedeckt; nur auf etwas Jagd konnten wir uns Hoffnung machen. Die Quelle aber, genannt Leroux Spring, hatten sie erreicht und bis zu diesem Punkte, wenn auch schwieriges so doch fahrbares Terrain gefunden. Es stand uns also in Aussicht, südlich am Gebirge vorbeizukommen, Leroux Spring mit unserem Wagenzuge zu erreichen, war unsere erste Aufgabe, und von dort aus mußten dann wieder neue Recognoscirungs-Abtheilungen vorausgeschickt werden. Um der aus dem Gebirge zurückgekehrten Abtheilung und besonders deren abgematteten Maulthieren einige Erholung zu gönnen, wurde der 21. December zum Ruhetag bestimmt, und am 22. sollte der Colorado Chiquito auf Nimmerwiedersehen verlassen werden.
Von Fort Smith waren wir nunmehr 1182 und vom Rio Grande del Norte 348 Meilen entfernt; wir befanden uns in einer Höhe von 4775 Fuß über dem Meeresspiegel, also 168 Fuß niedriger, als am Rio Grande. Niedriger sollten wir auf der östlichen Seite der San Francisco Mountains nicht mehr kommen; denn sobald wir den Colorado Chiquito verließen, hatten wir auch sogleich bergan zu steigen. Der Lauf des Flusses, der etwas nach Norden geht und dem wir so lange gefolgt waren, hatte uns in eine solche Stellung zu dem Gebirge gebracht, daß die nördliche Spitze desselben genau westlich von uns lag. Als wir daher am 22. den Fluß verließen, mußten wir uns stark südlich halten, um die südliche Basis der vier Hauptberge zu erreichen.
Eine trostlosere Umgebung, als die, in welcher wir an diesem Tage reisten, ist wohl kaum denkbar. Bergauf und bergab ging es über den scharfen, vulkanischen Boden. Die Hufeisen der Thiere und die eisernen Reifen der Wagen ließen bleifarbige Spuren auf dem scharfen, lavaartigen Gestein zurück; es war eine mühselige Reise, um so mehr, als wir ein Ansteigen des Bodens von 47 Fuß auf die englische Meile zu besiegen hatten und ein eisiger Nordwind uns den vulkanischen Staub in die Augen trieb. Mit Wasser hatten wir uns für unseren eigenen Bedarf versehen, denn die erste Quelle, die wir finden sollten, war zwei Tagereisen vom Colorado Chiquito entfernt, und unsere Thiere mußten sich daher so lange ohne Wasser behelfen, was wir um so mehr bedauerten, als die Nahrung, die ihnen geboten wurde, nur die allerdürftigste war und so dünne zerstreut auf dem steinigen Boden stand, daß sie kaum gerechnet werden konnte. Die Stelle zu einem Nachtlager war daher nicht schwer zu wählen; bis gegen Abend zogen wir fort, und schlugen am Fuße eines Lavahaufens, auf welchem etwas Gestrüpp uns Brennmaterial bot, unsere Zelte auf. Der Himmel bewölkte sich am Abend, kalter Wind strich heulend zwischen den kahlen Bergen und Hügeln hindurch, kurz, Alles deutete aus Unwetter und Schnee.
Mit dem Frühesten waren wir am 23. December schon unterwegs, denn einen weiten, gewundenen Weg hatten wir an diesem Tage zurückzulegen, um Wasser zu erreichen. Die Kälte war am Morgen noch schneidender geworden; bleifarben hing der Himmel um die weißen Kuppen der hohen Berge. Einzelne Flocken fingen an zu wirbeln, als wir unsere Thiere bestiegen, die Decken dichter an unsere Schultern zogen und den vorangeeilten Wagen nachfolgten.
Nach den ersten Meilen kamen wir an einer Gruppe kleiner, ausgebrannter Vulkane vorbei, deren einziger Schmuck die erkalteten, schwarzen Lavabäche waren, welche sich auf der grauen Färbung der Hügel von weitem deutlich auszeichneten; gegen Nordwesten erhoben sich immer neue Hügel, die sich gleichsam einer hinter dem anderen zu verbergen schienen. Mit jeder englischen Meile stiegen wir nahe an 50 Fuß und immer dichter spielten die Flocken um uns her, so daß wir fast gar nicht mehr um uns zu schauen vermochten und uns hüten mußten, zu weit von unserem Zuge abzukommen, um nicht die Spuren, die in wenigen Minuten wieder zuschneiten, zu verlieren. Heerden von Gabel-Antilopen begegneten uns; sie schienen die Schneeregionen verlassen zu wollen und eilten munter den Ebenen zu. Unsere Umgebung veränderte sich mit jeder Meile; einzelne Cedern begannen auf der weißen Decke aufzutauchen, sie wurden dichter und dichter, und bildeten, mit Tannen und Kiefern untermischt, Wälder, die an Höhe zunahmen, je weiter wir in denselben vordrangen. Manchen Umweg mußten wir machen, um für Wagen undurchdringliche Dickichte und tief ausgewaschene Felsenschluchten zu vermeiden. Unsere Führer, zu denen nunmehr alle Diejenigen gerechnet wurden, welche dieselbe Reise wenige Tage vorher zurückgelegt hatten, vermochten kaum in dem Schneegestöber die bekannte Richtung aufzufinden. Glücklicher Weise konnte uns der Sturm, der hoch oben im Gebirge tobte, nicht erreichen, und da wir von Berg und Wald geschützt waren, sanken die großen Flocken wie spielend um uns her.
Obschon wir an den Füßen von der Kälte zu leiden hatten, so ergötzten wir uns doch an dem schönen Naturschauspiel, welches uns umgab, und wohl Allen, die damals an der Expedition Theil nahmen, ist der erste Tagemarsch im tiefsten Winter noch erinnerlich, dieser plötzliche Uebergang von einer öden vulkanischen Wüste in einen stolzen, winterlichen Forst Angesichts himmelanstrebender Berge.
Wie malerisch nahmen sich die wilden Schluchten und Betten der Gießbäche ans, mit ihren beschneiten Felsblöcken und den unter denselben schwarz und düster hervorlugenden Höhlungen und Spalten, in welchen Cedern und Tannen Wurzel geschlagen hatten. Die schlanken Bäume aber auf den Abhängen und im Walde um uns her sahen alle so ruhig aus, sie erlaubten dem fallenden Schnee sich auf ihren mit dunkelgrünen Nadeln dicht besetzten Zweigen niederzulassen, und ohne ihn abzuschütteln neigten sie leise ihre ehrwürdigen Häupter, wenn ein voreiliger Windstoß aus hohem Gebirge auf sie niederschoß, um zwischen ihren starken Stämmen zu ersterben. Die ganze Naturumgebung hatte etwas feierlich Stilles. Der tiefe Schnee dämpfte das Klappern der Hufe und der Wagenräder auf dem festen Gestein, und die Wölfe, die im Forst umherschlichen, ließen nur selten ein abgebrochenes Geheul hören.
Es war noch ein Tag bis Weihnachten; reich behangene Bäume umgaben uns, an denen das Auge sich weiden konnte. Im Gepäck eines Jeden befanden sich noch wohlverwahrte volle Flaschen und sonstige Gegenstände, die dazu beitragen können, das Herz eines Reisenden fröhlich zu stimmen, die wundervolle Zusammenstellung aber von Berg, Wald und Thal war es, die Jeden an den gewaltigen Schöpfer dieser großartigen Natur erinnerte und eine andächtige Freude in ihm erweckte, welche ihn weich gegen seinen Nächsten und mitleidig gegen die Thiere stimmte; und wer in unserer ganzen Expedition hätte wohl nicht die arme Heerde auf's Tiefste bedauert, die allein darauf angewiesen war, unter fußhohem Schnee wenige vertrocknete Grashalme und spärliches Moos hervorzuscharren.
Die mancherlei Umwege, zu denen wir unserer Wagen halber gezwungen wurden und die Hindernisse, welche dieselben mitunter zu halten zwangen, bewirkten, daß wir erst spät die von der Recognoscirungs-Gesellschaft zum Lager ausersehene Stelle erreichten. Dieselbe befand sich nämlich an dem Rande einer Felsenschlucht; wild stürzende Wasser hatten die tief unten liegenden Felsen ausgehöhlt; das in den Spalten von allen Seiten geschützte Wasser war noch nicht gefroren und durch den hineinfallenden Schnee vermehrt worden, so daß die Höhlungen überflossen und das Ganze einer tief liegenden Quelle nicht unähnlich wurde. Nahe bei dieser Schlucht beabsichtigten wir das Weihnachtsfest zu verbringen. Lange bevor die Wagen anlangten, hatte sich unter den hohen Tannen eine ganze Gesellschaft von Leuten eingefunden, die emsig damit beschäftigt waren, den Schnee von den Stellen wegzuräumen, wo die Zelte hinkommen sollten. Mächtige Scheiterhaufen wurden errichtet und angezündet, so daß wir in der Nähe der hoch aufschlagenden Flammen uns ganz behaglich zu fühlen begannen. Ein Wagen nach dem anderen langte endlich an; der Schneefall hatte nachgelassen, dagegen die Kälte zugenommen, und sich dieser zu erwehren, gingen Alle munter und frisch an die Arbeit.
Die Wagen wurden an einer passenden Stelle zusammengefahren, die Thiere der Freiheit überlassen, hinunter an's Wasser und von dort nach einer kleinen baumlosen Niederung getrieben, wo noch einige Halme aus dem Schnee hervorragten und spärliches Futter unter demselben verriethen. Bäume wurden gefällt, Schnee geschaufelt, kurz, es verging keine halbe Stunde, und es sah wohnlich in dem neuen Lager aus.
Gruppenweise saß unser ganzes Personal um die Feuer herum, welche bei der hereinbrechenden Nacht heller und größer erschienen und auf malerische Weise die einzelnen Figuren beleuchteten. Da waren Köche, die sich emsig um ihre zischenden Braten und um brodelnde Kaffeekessel bewegten, halbverhüllte Gestalten, die wie in Gedanken versunken ihr kurzes Pfeifchen rauchten, Andere, die sich lebhaft mit einander unterhielten oder ein fröhliches Lied anstimmten; denn am folgenden Tage war ja der Weihnachtsheiligeabend, und Alle freuten sich darauf.
Längst schon hatte am folgenden Morgen die Sonne einen Blick über die Berge in unser Lager geworfen, als das erste Leben sich in demselben zu regen begann. Die Schildwachen hatten freilich ihre Posten nicht verlassen, doch standen sie ruhig auf ihre Büchsen gelehnt am Feuer und beobachteten auch wohl die Heerde, die von bewaffneten Mexikanern gehütet in der kleinen Ebene im Schnee nach Nahrung scharrte. Die Köche waren die ersten, die sich von einem Feuer nach dem anderen hin zurufend und sich unterhaltend, ihre Dienstgeschäfte vollzogen und dann nach Zubereitung des Frühmahls unsere ganze Gesellschaft weckten.
Es war ein herrlicher Wintertag, kein Lüftchen regte sich, das Wetter war so einladend zu Jagd und Spaziergängen, daß auch bald Einer nach dem Anderen das Lager verließ, die Einen, um nach Wild zu spüren, die Anderen, um eine Anzahl von Höhlen in Augenschein zu nehmen, die nicht weit von uns entdeckt worden waren und die unzweifelhaft seit uralten Zeiten schon den Eingeborenen als Wohnungen gedient hatten.
Das nördliche Ufer der oben erwähnten Schlucht bestand aus einer steilen Lavawand, die beim Erkalten große, meist horizontale Risse erhalten hatte, welche weit unter der Oberfläche des Bodens fortliefen. Diese nun hatten den Wilden eine willkommene Gelegenheit geboten, mit geringer Arbeit ein erträgliches Obdach herzustellen. Freilich waren es nur kümmerliche Wohnungen; doch fanden die wilden Tonton- und Yampay-Indianer, die ihre Wohnungen sonst nur aus einigen Stücken Baumrinde aufführen, dieselben gewiß außergewöhnlich bequem. Der Fußboden in diesen Höhlen war mit festgestampfter Erde bedeckt, so daß die scharfen Lavaspitzen nicht mehr hervorragten, und die unbekleideten Gestalten sich gemächlich und bequem auf demselben hinstrecken konnten. Durch dünne Erdmauern waren die Spalten in kleine Gemächer umgewandelt worden, die theils durch die Wände ganz von einander abgesondert waren, theils aber auch durch kleine Oeffnungen mit einander in Verbindung standen. Die Oeffnungen von einem Gemach in's andere sowohl als auch die, welche in's Freie führten, hatten die Bewohner soweit zugemauert, daß nur je ein Mensch durch dieselben zu kriechen vermochte. In neuerer Zeit schienen diese Höhlen nicht besucht gewesen zu sein, denn wir fanden keine Spuren, die auf einen Aufenthalt der Eingebornen in denselben hätten schließen lassen; doch sind die dort hausenden Wilden im Besitz von nur so außerordentlich wenigen Habseligkeiten, und diese sind ihnen so unentbehrlich, daß wohl nicht zu vermuthen ist, sie würden jemals die geringste Kleinigkeit verlieren oder vergessen. Es ist daher anzunehmen, daß nur im Sommer diese Höhlen bewohnt sind und bei Annäherung des Winters, der in diesen hohen Regionen sehr empfindlich ist, die Eingebornen in die Niederungen hinabziehen, wo ihnen die Natur mehr Schutz bietet. Die Eingänge in die unterirdischen Wohnungen befanden sich übrigens an solchen Stellen der Felswand, daß es beim Hinabsteigen zu denselben der größten Vorsicht von unserer Seite bedurfte, um nicht von dem gefährlichen Pfade, der durch den Schnee noch schlüpfriger gemacht worden war, in die Schlucht hinabzugleiten.
Der Futtermangel, so wie die schwere Arbeit, welche durch die harte aus rauhem Terrain zu brechende Bahn noch bedeutend erschwert wurde, zeigten schon vielfach ihre Folgen an unserer Heerde. Die sonst Strapazen so leicht erduldenden Maulthiere konnten so viel Noth nicht ohne Nachtheil ertragen; Jedem mußte es auffallen, wie sehr dieselben in den letzten Tagen gelitten hatten, und es wurde daher in diesem Lager zum ersten Male an die Verminderung unseres Gepäckes gedacht. Die Gegenstände also, welche als überflüssig erschienen und am leichtesten zu entbehren waren, wurden hervorgesucht, um zurückgelassen oder zerstört zu werden. Von unserer Munition, die wir in überflüssiger Menge bei uns führten, wurde ein Theil den Mexikanern gegeben, welche mit derselben auf würdige Weise den Weihnachtsabend zu feiern beabsichtigten. Leckerbissen, die in verschlossenen Büchsen bis hierher mitgenommen waren, wurden hervorgesucht, um mit einem Male verzehrt zu werden und zwar einestheils, um die Last der Wagen etwas zu vermindern, zugleich aber auch, um noch einmal ein frohes Fest in der Wildniß zu feiern.
Als wir Albuquerque verließen, hatten Mehrere unserer Gesellschaft an Weihnachten gedacht und ein Kistchen mit Eiern angeschafft, die, sorgfältig eingepackt, glücklich bis hierher gelangt waren, Andere hatten wieder einen Vorrath von Rum und Wein mitgeführt, und dieses Alles wurde nunmehr bestimmt, die Weihnachtsfeier verherrlichen zu helfen.
Schon am Nachmittage konnte man eine gewisse Geschäftigkeit im Zelte des Lieutenants Johns bemerken. Derselbe hatte nämlich die Bereitung einer Bowle Punsch übernommen und ließ also die Eier sorgfältig zu Schaum schlagen. Vor seinem Zelte hing über den Flammen ein großer Feldkessel, in welchem Wasser brodelte und siedete, ein Eimer stand dabei, der die Bestimmung hatte, die verschiedenen Ingredienzien aufzunehmen, die in ihm zu einem festtäglichen Getränke zusammengemischt werden sollten,
»Alle Herren werden ersucht, sich nach dem Abendbrod vor dem Zelte des Lieutenants Johns einzufinden, zugleich aber auch ihre blechernen Kaffee- oder Trinkbecher mitzubringen!« So lautete die Einladung, die an uns Alle erging. Daß pünktlich Folge geleistet wurde, bedarf wohl keiner Bekräftigung.
Sobald die Nacht sich eingestellt hatte und die Sterne vom tiefblauen Firmamente herab zwischen beschneiten Zweigen hindurch auf uns niederblickten, versammelten wir uns, wie verabredet war, vor Lieutenant Johns' Zelt, wo ein loderndes Feuer angenehme Wärme verbreitete und den nächsten Schnee weggethaut hatte. Lieutenant Johns hatte unterdessen die verschiedenen Bestandtheile in den Eimer vereinigt, und wohl war für uns Alle, die wir so lange nur auf Wasser beschränkt gewesen waren, dieser Pferdeeimer mit seinem dampfenden Inhalte und dem einladenden Schaum darauf ein lieblicher Anblick. Die Zahl unseres Corps wurde noch verstärkt durch Mr. Leroux und unseren mexikanischen Führer, die ebenfalls zu der Festlichkeit eingeladen waren,
»Vergessen wir auf einige Stunden unsere Strapazen und Entbehrungen, unsere Arbeiten und das Ziel unserer Reise; hier unter dem Dache, welches die Bäume über uns wölben, auf dem Boden, auf welchen uns der liebe Gott den fleckenlosen weißen Teppich ausgebreitet hat, hier, so ferne von unserer Heimath, wo die Unsrigen zur Zeit wohl am gemüthlichen Kaminfeuer sitzen und bei einem Glase Punsch vielleicht unserer gedenken: hier also laßt uns alle Sorgen in wohlgemischtem Toddy ›Eiergrog‹ ertränken, laßt uns froh und glücklich sein, laßt uns auf das Wohl unserer Lieben trinken und auf unsere glückliche Rückkehr!« So lautete die wohlgefügte Rede, mit welcher Lieutenant Johns seine Gäste empfing. Ohne im geringsten zu zögern, trat Einer nach dem Anderen zu dem Eimer, um seinen Becher hineinzutauchen und ihn schnell mit dem wärmenden Inhalte an die Lippen zu führen. Wir setzten uns dann in weitem Kreise um das Feuer; es wurde geraucht und getrunken; immer lauter und fröhlicher ward die Unterhaltung, Toaste und Scherze folgten aufeinander, ein Becher trieb den anderen, das Blut wurde warm, die Herzen leicht, zum lustigen Chor vereinigten alle Anwesenden ihre Stimmen und sangen, daß es in den Schluchten widerhallte und die im Walde schlafenden Truthühner aus ihrer Ruhe geweckt wurden. Nicht weit von uns hatten die Mexikaner ebenfalls ein Fest auf ihre eigene Weise arrangirt, wozu ihnen die aufgegebene Munition die besten Mittel lieferte. Schuß auf Schuß oder auch wohl ganze Salven krachten bei ihnen, daß durch die Lufterschütterung der Schnee von den gebogenen Zweigen herabfiel. Dazwischen sangen sie die heimathlichen Weisen und geriethen dabei in solche Aufregung, daß sie ein Freudenfeuer anzuzünden beschlossen.
In dichtes Cederngebüsch, dessen Zweige die Erde berührten, warfen sie Brände; die harzreichen Nadeln fingen leicht Feuer, und hinauf schlugen die Flammen bis in die Kronen der Tannen und sendeten Millionen Funken gegen den Himmel. Eine schönere Scene als die, welche uns an diesem Abend umgab, ist wohl kaum denkbar. Die von den brennenden Kiefern- und Tannennadeln des Waldes ausgehende Beleuchtung ließ alle Gegenstände in tiefrother Farbe erscheinen, der Schnee schillerte wie mit magischem Lichte Übergossen, und über denselben hin erstreckten sich wie von mächtigen Riesen die dunklen Schatten, die von den hohen versengten Tannen ausgingen. Zauberische Reflexe warf das rothe Licht auf die nahen Felsen und Berge, so daß der herrliche Anblick die Gemüther berauschte und die wilde Ausgelassenheit, die im ganzen Lager herrschte, verdoppelte, Mexikaner sangen ihre Soli mit einfallendem Chor, den sie durch fortwährendes Schießen zu verstärken suchten. Die beliebten Negerweisen schallten von den Lagerfeuern des amerikanischen Theiles unserer Expedition in den Wald hinein, und dazwischen riefen die Schildwachen mit lauter Stimme die Stunden ab. An unserem Feuer ging es nicht minder lebhaft zu; auch wir begrüßten jeden neuen vollen Becher mit Gesang. Da die ganze Gesellschaft schon seit langer Zeit der starken Getränke entwöhnt war, und jetzt auf einer Seite der Gluth des zu nahen Scheiterhaufens, auf der anderen dem Anwehen von Luftströmen ausgesetzt war, deren Temperatur bis 16° Fahr.(- 7° Réaumur) herabsank, so zeigte sich nur zu bald die anregende Wirkung der Bowle. Die zunehmende und gar laute Fröhlichkeit kannte weder Grenzen noch Ende. Unser mexikanischer Führer holte zwei von den Leuten seiner Bedienung, von denen der eine Gefangener der Navahoe-Indianer gewesen war, und veranlaßte sie, einen Navahoe-Tanz aufzuführen. Unter wildem Jubel stellten diese beiden sich neben einander, und die zusammenstoßenden Arme verschränkend, die beiden äußeren auf die Brust legend, sprangen sie taktmäßig mit krummen Knieen um das Feuer her. Das Applaudiren veranlaßte sie zu noch größeren Anstrengungen, und so tanzten und sprangen sie fast athemlos singend, bis ihnen der Schweiß über die Wangen lief.
Der alte Leroux schmauchte indessen wohlgefällig sein Pfeifchen; auch sein Gesicht verdankte die starke Röthe nicht der Nähe des Feuers allein; lachend bemerkte er: »Welch' herrliche Gelegenheit wäre es für die Eingebornen, uns heute bei unserem Feste zu überraschen!« Doch wäre die Ueberraschung nicht leicht möglich gewesen, da aufmerksame Schildwachen das Lager fortwährend umkreisten und jeder Einzelne unserer Expedition auch für diesen Abend Waffen an seiner Seite führte, deren Anblick der Scene unter den Bäumen einen noch romantischeren Charakter gab.
Die Nacht rückte unterdessen immer weiter vor, der Vorrath in der mächtigen Bowle neigte sich seinem Ende zu, und lichter wurde die Reihe der um das Feuer Versammelten. Einer nach dem Anderen verschwand hinter den Zeltvorhängen, und tiefe Stille herrschte bald im Lager, wo die Feuer tiefer brannten oder nur noch glimmten. Hohe Flammen spielten allein noch bei den Wachen oder tief im Walde, wenn hin und wieder eine dichte Ceder vom Brande ergriffen aufloderte, doch auch dies nahm bald sein Ende und Dunkelheit umhüllte Berg und Wald,
Der 25. December wurde in aller Stille unter den Bäumen gefeiert. Alles pflegte der Ruhe und gedachte vielleicht der vergangenen Zeiten; sicher aber wanderten die Gedanken Vieler in die ferne Heimath, wo feierliches Glockengeläute zur Andacht mahnte und zur gemeinsamen Gottesverehrung rief. Wir vernahmen freilich nicht den Schall der Glocken; doch wer nicht nur als ein blos vegetirendes Wesen ohne anregendes Naturgefühl auf seine Umgebung blickte, der mußte auch hier zur innigsten Andacht aufgefordert werden. Tief im Walde hämmerte der Specht am morschen Baume, lockte der Truthahn, zwitscherten die kleinen Vögel wie in lauterer Dankbarkeit für den schönen sonnigen Tag, für den lieblich blauen Himmel und für den Schutz, den ihnen die dichten Zweige der dunkelgrünen Cedern gegen Schnee und Kälte gewährten; und der Mensch sollte kalt und gefühllos bleiben? Mancher unter uns blickte mit frommen Gefühlen hinüber nach den stolzen Gipfeln der San Francisco-Berge und zollte die innigste Verehrung dem Schöpfer einer so mächtigen und schönen Natur, ohne durch die Worte von Menschen dazu aufgefordert zu werden oder die Werke von Menschenhänden zu vermissen.
Am 26. December in der Frühe verließen wir unser Weihnachtslager und schlugen die Richtung nach der südlichen Spitze der San Francisco Mountains ein. Als wir die waldigen Hügel, die uns fast fortwährend umgaben, hinter uns hatten und einer Lichtung nach Westen zu folgten, sahen wir das Gebirge in seiner ganzen Schönheit vor uns liegen. Wir mochten kaum noch 10 Meilen von der Basis der Hauptberge entfernt sein und konnten somit die Formation der letzteren genau unterscheiden. Es waren vier Hauptgipfel, die mit blendendem Schnee bedeckt, hoch über die anderen emporragten. Es lehnten sich freilich noch zahlreiche Kuppen an dieselben, als wenn sie gleichsam mit ihnen verwachsen oder von ihnen ausgegangen wären; doch halfen diese nur den Charakter der alten Vulkane vervollständigen, der nicht zu verkennen gewesen wäre, selbst wenn wir auch nicht in den letzten Tagen auf vulkanischem Boden gereist und auf die Nähe der Hauptfeuerheerde vorbereitet gewesen wären.
(Anmerkung 23) Von dem hohen Plateau, welches Zuñi vom Colorado Chiquito trennt, erblickt man genau gegen Westen in der Entfernung von mehr als 40 Lieues die Gipfel eines mächtigen Gebirges. Diese Bergkette, die bei den Trappern unter dem Namen Sierra de San Francisco bekannt ist, befindet sich unter 35° nördlicher Breite und 111° 30' Länge westlich von Greenwich. Sie nimmt die Widerlagen der Sierra Mogoyou ein, und wird von einer Reihe großer ausgebrannter Vulkane gebildet, welche sich bis l13° 30' Länge ausdehnen. In dieser Region befinden sich zahlreiche prachtvolle Krater, denen ich keine Namen zu geben vermag, da sie sonst noch unbekannt sind, mit Ausnahme zweier, welche von Capitain Sitgreaves auf seiner Forschungsreise nach dem Colorado als San Francisco- und Bill Williams-Berge bezeichnet worden sind. Diese vulkanische Region bedeckt den Raum zwischen den Linien der Eruptiv-Felsen der Sierra Mogoyen und den hohen Plateaus oder Mesas, die von den Sedimentschichten (Flözen) des Kohlenkalksteins und dem neuen rothen Sandstein (new red sandstone der englischen Geognosten) gebildet sind, indem sie sich bald über die einen, bald in die anderen dieser sedimentären und eruptiven Formationen verbreiten, und in einer Linie zu liegen scheinen, welche sich von Westen nach Osten zieht und einen Streifen bildet, in welchem sich die Vulkane der Sierra Madre, des Mount Taylor und Cerrito befinden. Auf dem rechten Ufer des Colorado Chiquito, vor den Fällen dieses Flusses erblickt man aus den Mesas eine Gruppe von 8 oder 10 Basalt-Hügeln, welche augenscheinlich zu dem großen Vulkan San Francisco gehören. Der große Krater des San Francisco-Berges befindet sich hinter Leroux's Quelle, und der höchste Punkt von dem, was vom Hauptgipfel geblieben ist, erhebt sich 12,500 Fuß über dem Meeresspiegel und 4700 Fuß über Leroux's Quelle. Diese gesammten Ländereien sind mit vulkanischen Felsen überdeckt, als Diorit, Grünstein, Basalt, Trachyt, Obsidian und Lava; man stößt oft auf vulkanische Asche, die mehrere Fuß hoch liegt, und man erblickt endlich Lavaströme, welche sich hauptsächlich gegen Süden ausdehnen, indem sie den Thälern der Zuflüsse des San Francisco-Flusses und der Bill Williams Fork folgen. Das Studium dieser Region aller Vulkane würde von größtem Interesse sein, aber unglücklicher Weise ist das Land fast unzugänglich wegen seiner Lage und wegen der dort hausenden feindlich gesinnten Indianer. Als ich im Monat Januar 1854 dort vorbeikam, war Alles mit Schnee bedeckt und der Thermometer fiel jede Nacht bis auf 20 oder 25 Grad (des hunderttheiligen Thermometers) unter Null.
(Marcou a. a. O.)
Tief ausgewühlte Betten der alten Lavaströme bildeten jetzt bewaldete Schluchten, die sich von der ganzen Höhe der Berge bis hinunter zur Basis zogen und an Weite zunahmen, je nachdem kleine Bäche, von den Seiten kommend, in dieselben mündeten. Bis über die Hälfte der Berge reichte die Tannen- und Cedernwaldung hinauf; von dort ab wurde sie indessen lichter, bis die Baumvegetation endlich ganz aufhörte und das höchste Drittheil der Berge in fleckenloser Weiße erscheinen ließ, auf welcher sich die Unebenheiten und Spalten nur durch leichte Schatten auszeichneten.
Als wir in die Nähe des Fußes der Berge kamen, wendeten wir uns südlich, um dieselben auf diese Weise zu umgehen. Ueber kleine baumlose Ebenen, durch hohe Tannenwaldungen führte unser Weg. Heerden von Antilopen und schwarzschwänzigen Hirschen sahen wir vielfach, doch waren sie scheu und wild, und nur selten gelang es uns, einzelner habhaft zu werden. Das prachtvolle Eichhorn, welches in diesen Wäldern einheimisch und erst seit kurzer Zeit bekannt ist, erlegten wir mehrfach. Leider suchten diese reizenden Thiere bei unserer Annäherung sich immer die höchsten Gipfel der hoch aufstrebenden Tannen zu ihrem Zufluchtsort aus, so daß wir dieselben nur mit unseren Büchsen erreichen konnten. Auf diese Weise mußten wir manches Eichhörnchen tödten, ehe wir einige Exemplare erhielten, deren Balg nicht ganz von der Kugel zerrissen war und sich noch zum Ausstopfen eignete. Doch waren die zerschossenen Thiere nicht ganz verloren, denn sie lieferten ein wohlschmeckendes Gericht auf unserem sehr einfach besetzten Tische. Die Länge dieses Eichhorns ( Sciurus dorsalis s. Abertii) von der Nasenspitze bis zur äußersten Schwanzspitze beträgt 2 Fuß, wovon 1l Zoll auf den Schwanz kommen. Die Ohren sind breit und fast rund, inwendig wie auswendig behaart, so wie an den Spitzen mit langen Haarbüscheln versehen. Die Hauptfarbe ist dunkelgrau, mit Ausnahme eines Streifens auf dem Rücken und dem hinteren Theile der Ohren, welcher schön rothbraun ist. Der Bauch ist weiß und diese weiße Farbe wird von der grauen des Rückens durch eine schwarze Linie an der Seite getrennt. Der Schwanz ist oben grau, mit langen, weißen, weit vorragenden Haaren, unten ist derselbe ganz weiß. Immer tieferen Schnee fanden wir, je mehr wir uns dem Gebirge näherten und je weiter aufwärts uns der Weg führte. Die Packthiere wurden den Wagen vorausgetrieben, um sie so viel wie möglich eine Bahn in dem mit einer Kruste bedeckten Schnee brechen zu lassen. Die Strecke von kaum 16 Meilen war daher schon ein langer, ermüdender Marsch; Wasser vermochten wir an diesem Tage nicht mehr zu erreichen und schlugen deshalb unser Lager in einer hohen Tannenwaldung auf, wo wir unsere Zuflucht zu geschmolzenem Schnee nehmen mußten; auch die Thiere leckten begierig von demselben, wenn sie nach Gras und Moos scharrten. An diesem Abende wurden wir darauf aufmerksam, daß sich unsere Hautfarbe im Gesicht und an den Händen veränderte. Der schwarze Rauch des kienigen, fetten Holzes, welches wir nun schon seit mehreren Tagen brannten, hatte sich als ein schwarzer Ruß überall so fest angesetzt, daß wir denselben gar nicht mehr gänzlich zu entfernen vermochten, um so mehr, als wir, um das Aufspringen der Haut zu vermeiden, uns vor zu häufigem Waschen hüten mußten.
Am 27. December waren wir schon mit dem Frühesten unterwegs und trafen nach kurzem Ritte bei Lieutenant Tittball ein, der am Abend vorher, in der Hoffnung auf Wasser zu stoßen, mit seiner Mannschaft eine Strecke vorausgezogen war. Doch auch er hatte sich mit Schneewasser begnügen müssen, und vereinigt zogen wir nun wieder die gemeinsame Straße. Nach einem Marsche von wenigen Meilen über unebenes, steiniges Land erreichten wir endlich einen kleinen Bach, der besonders in den Vertiefungen reichlich gutes Wasser hielt. Wir tränkten daselbst unsere Thiere und eilten dann unserem nächsten Ziele, der Leroux-Quelle, zu. Der Bach gehörte zu den Quellen des San Francisco-Flusses, der in südlicher Richtung dem Gila zufließt. Wir befanden uns mithin auf der Wasserscheide zwischen dem Gila und dem großen Colorado des Westens und hielten uns auf derselben, wie sich später auswies, nahe an 200 Meilen, nämlich bis zum Azteken-Paß.
Die steinigen Hügel, die wir hin und wieder zu überschreiten hatten, so wie das dichte Holz, welches wir unserer Wagen halber so viel wie möglich vermeiden mußten, verursachte uns manchen Aufenthalt. Wir gelangten indessen in den Nachmittagsstunden in eine ebene Schlucht, die uns nach kurzer Zeit an ein geräumiges Thal führte; dieses war auf drei Seiten von Waldung, auf der nördlichen aber von den wirklichen San Francisco Mountains begrenzt, von denen zwei wie ungeheure Colosse ganz sichtbar vor uns lagen, während die beiden anderen Hauptgipfel westlich hinter den ersteren nur mit ihren weißen Kuppen hervorragten. Quer durch das Thal lenkten wir unsere Schritte einem Winkel zu, der von den Hügeln und dem Sporn der Hauptberge gebildet wurde, und machten nahe Leroux Spring Halt.
Wir hatten nunmehr den höchsten Punkt seit Ueberschreitung der Sierra Madre erreicht und befanden uns an Leroux's Quelle in einer Höhe von 7472 Fuß über dem Meeresspiegel, also nur 278 Fuß niedriger, als auf der Sierra Madre. Von der Basis an gerechnet erhob sich der Hauptberg noch 4673 Fuß, was die Höhe seines Gipfels auf 12,145 Fuß über der Meeresfläche bringt: es fehlten also noch beinahe 2000 Fuß an der Erreichung der Schneelinie, die unter dieser Breite l4,000 Fuß ist. Die zurückgelegte Meilenzahl von Fort Smith bis zu diesem Punkte betrug 1239 und von Albuquerque 405 Meilen.
Wenn Leroux in früheren Zeiten diese Regionen auch durchwanderte, so hatte er damals doch nicht nöthig gehabt, auf das Durchbringen von Wagen Rücksicht zu nehmen; er war immer mit Maulthieren gereist und hatte, auf die Sicherheit dieser Thiere bauend, die geradesten Richtungen eingeschlagen. Doch nun war es anders, weil es eine unserer Hauptaufgaben blieb, die Wagen wenigstens bis an den Colorado des Westens mitzuführen; denn dieselben über den breiten reißenden Strom mit unseren wenigen Mitteln schaffen zu können, durften wir nicht hoffen. Bis zu Leroux Spring waren unsere ersten Recognoscirer gekommen, doch nicht über dieselbe hinaus, weshalb ein abermaliges Verweilen der Expedition an dieser Stelle angeordnet wurde, um auf's Neue eine Abtheilung voraus zu senden, die das von uns zu durchreisende Terrain so viel wie möglich untersuchen und durch zurückgesendete Boten dem Wagenzuge die vortheilhafteste Richtung angeben sollte.
Lieutenant Whipple begab sich daher mit seiner Abtheilung am 28. December gegen Mittag wieder auf den Weg. Er war auf 10 Tage mit Lebensmitteln für sich und sein Commando versehen und hatte zugleich einige Leute mehr mitgenommen, um durch das Zurücksenden von Boten seine eigene Abtheilung nicht zu sehr zu schwächen, dann aber auch um immer mehrere Leute zugleich abschicken zu können, wodurch dieselben in den Stand gesetzt wurden, sich in Augenblicken der Gefahr gegenseitig leichter beizustehen. Denn hatten wir auch bis jetzt noch keine frischen Spuren von Eingebornen gefunden, so mußten wir doch fortwährend auf ein unerwartetes Zusammentreffen mit denselben vorbereitet sein.