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Am 2. März verließen wir das Thal und die freundliche Quelle wieder, folgten der Schlucht immer tiefer in's Gebirge und erreichten deren Ende vor einem steilen Bergrücken. Langsam kletterte unsere Expedition aufwärts, bis wir am Gipfel der Höhe anlangten, auf welcher wir durch eine weite Aussicht, die sich uns gegen Westen darbot, überrascht wurden. Eine Ebene, leblos und öde, lag vor uns ausgebreitet, selbst die gegen Westen gedrängter stehenden Yuccas vermochten nicht die Einförmigkeit wesentlich zu unterbrechen; was indessen die ganze Naturscene hob, das waren die fern im Westen aufsteigenden Felsenketten und die hinter diesen uns entgegenschimmernden hohen Gebirgskuppen, welche wir für die südliche Spitze der Sierra Nevada hielten. Von dem Bergrücken stiegen wir hinab in die Ebene, wo wir eine verhältnißmäßig gute Straße fanden, und unseren Führern folgend, in südöstlicher Richtung weiter zogen. Wieder mußten wir in der dürren Wüste übernachten und uns mit dem kleinen mitgenommenen Wasservorrathe behelfen, doch konnten wir uns mit dem Gedanken trösten, daß wir unserem Ziele um 20 Meilen näher gerückt waren.
Am 3. März gelangten wir nach einem kurzen Marsche über hügliges, aber ebenfalls unfruchtbares, wüstes Land an die zweite Quelle, die uns von den Indianern versprochen war. Sie befand sich in einer Schlucht, die von Granitgerölle und Felsblöcken gebildet wurde, und rieselte nur sehr spärlich aus den Spalten des Gesteins. Ehe wir zum Tränken der Thiere schreiten konnten, mußten die Adern der Quelle mehr bloßgelegt und eine Vertiefung, in welcher sich dann das Wasser sammeln konnte, vor derselben gegraben werden; dann erst konnten wir die Thiere einzeln oder zu zweien an dieselbe bringen, wodurch der übrige Theil des Tages in Anspruch genommen wurde.
Nach den letzten scharfen Märschen schien ein Ruhetag für unsere Thiere fast unerläßlich, es wurde also beschlossen, den 4. März gemeinsam an der Quelle zu verbringen, besonders auch da eine andere Anordnung für unsere Reise von nun ab begonnen und die dazu nöthigen Vorkehrungen getroffen werden mußten. Die Indianer hatten uns nämlich auf scharfsinnige Weise darauf aufmerksam gemacht, daß die nächste Quelle, die wir erreichen würden, nur eine kleine Wasserhöhle sei, an welcher eine so große Anzahl von Menschen und Thieren, wie sie unsere Expedition aufzuweisen hatte, nicht zu gleicher Zeit ihren Durst stillen könne, sondern höchstens der dritte Theil derselben. Diese Mittheilung wurde natürlich nicht unberücksichtigt gelassen, und die Expedition deshalb in drei ziemlich gleich starke Abtheilungen getheilt, von denen die erste am 5. aufbrechen sollte, die zweite in der Frühe und die dritte in der Nacht des 6. März. Auf diese Weise konnten wir hoffen, daß die jedesmal 16 bis 20 Stunden später bei der erwähnten kleinen Quelle eintreffende Abtheilung dieselbe wieder gefüllt finden würde, und um dieses eher zu ermöglichen, erhielt die erste den Auftrag, die Quelle zu reinigen und die Höhle vor derselben zu vergrößern. Ich schloß mich der zuerst aufbrechenden Gesellschaft an. Wir nahmen in aller Frühe Abschied von unseren Gefährten und folgten dem einen unserer Führer, der wie gewöhnlich, schweigsam voranschritt. Der andere Indianer blieb zurück, um das zweite Commando zu begleiten. In der äußeren Erscheinung dieser beiden Indianer war seit der Zeit, wo sie ihre Heimath verlassen, eine bedeutende und nicht eben vortheilhafte Veränderung vorgegangen; als schöne musculöse nackte Gestalten hatten sie sich am Tage unserer Abreise vom Colorado zu uns gesellt, doch nunmehr waren ihre kräftigen Glieder unter einem Haufen von Kleidungsstücken und Decken nicht mehr zu erkennen, denn fast Jeder, der nur noch irgend Etwas von seinen Sachen entbehren konnte, hatte es mit Freuden den beiden Führern hingegeben, die Alles, was ihnen zu Theil wurde, mit stoischer Ruhe auf ihren Körper zogen und dadurch nicht wenig einem wandelnden Kleiderladen glichen. Wir reisten am Morgen des ersten Tages fast fortwährend durch wilde Schluchten, die hin und wieder mit vereinzelten Cedern und Yuccas bewachsen waren; in einigen derselben fanden wir sogar noch die Ueberreste eines früheren Schneefalles. Am Nachmittage führte unser Weg durch ein weites kesselförmiges Thal, welches ringsum von Gebirgsmassen eingeschlossen war und einen recht entmuthigenden Anblick gewährte. Wir glaubten in diesem Thale das trockene Bette eines Flusses zu erkennen, doch war in der unregelmäßigen Bildung des sich hebenden und senkenden Thales nicht genau zu bestimmen, nach welcher Richtung hin sich bei vorkommenden Regengüssen das Wasser verlaufe. Ohne nur irgendwo zu halten oder zu rasten, setzten wir unsere Reise bis gegen Abend fort, sattelten unsere Maulthiere ab und bereiteten unser Nachtlager, wo wir uns gerade befanden, nämlich 1 Meile vor einer aufstrebenden Felsenkette.
Am folgenden Morgen führte uns der Indianer in gerader Richtung an den ersten Berg und zeigte uns in einer kleinen Schlucht die verborgene Quelle; auch hier fanden wir die Schildkrötenschalen und sonstige Spuren von Indianern, doch keineswegs bestellte Aecker, denn selbst dicht bei der Quelle war der Boden so unfruchtbar und steinig, daß nicht das Geringste auf demselben gedeihen konnte. Es war genau so wie uns die Indianer vorhergesagt hatten; der Wasservorrath, der sich in einer tonnenähnlichen Vertiefung im Boden befand, reichte nur gerade so weit, daß unsere Thiere nothdürftig getränkt werden konnten; wir sorgten aber dafür, daß die Quelle gereinigt wurde, und nachdem wir uns überzeugt hatten, daß frisches Wasser zulief, begaben wir uns wieder auf den Weg. Nur noch wenige Meilen zogen wir in dem vor uns liegenden Hochlande weiter, als der Boden, der so lange im Steigen gewesen war, sich plötzlich vor uns senkte und dadurch eine weite Aussicht über das vor uns liegende wüste Gebirgsland eröffnete. Nach unserer Vermuthung mußte sich der Mohave River oder vielmehr sein Bette in einem weiten Bogen nordwestlich von uns herum- und dann gegen Osten ziehen. Nach den trockenen Betten der Gießbäche zu urtheilen, in denen das Regenwasser seinen Weg gegen Osten dem Colorado oder gegen Nordwest dem Mohave River zu gesucht hatte, befanden wir uns auf der Wasserscheide zwischen diesen beiden Flüssen; zugleich war dieses aber auch der höchste Punkt, den wir auf dem letzten Theile unserer Reise berührten. Die ganze Entfernung von Fort Smith bis hierher betrug 1647, vom Albuquerque 813 und vom Rio Colorado des Westens 97 Meilen. Da, wo wir den Colorado verließen, befanden wir uns 368 Fuß über dem Meeresspiegel, auf der eben bezeichneten Wasserscheide dagegen, die unter 35° 11' nördlicher Breite und 113° 21' westlicher Länge von Greenwich liegt, 5262 Fuß hoch, waren also auf den letzten 97 Meilen unserer Reise 4894 Fuß gestiegen. Die Senkung des Landes von dort aus gegen Westen war so stark, daß wir bis zum Mittage des folgenden Tages uns nach Zurücklegung jeder einzelnen Meile durchschnittlich um 101 Fuß niedriger befanden.
Es war ein alter Pfad, auf welchem der Indianer uns führte, ein Zeichen, daß selbst in dieser Wüste menschliche Wesen zu wandern pflegten, ja sogar lebten und wohnten, denn wir erblickten auf unserem Wege einen kleinen Aschenhaufen, unter welchem noch einige Kohlen glimmten und um den herum im Sande die Spuren von Männern, Weibern und Kindern abgedrückt waren. Ich wüßte nicht, wie ich die trostlose Wildniß, welche wir in diesen Tagen durchreisten, angemessen beschreiben könnte. Fortwährend zogen wir bergab, bald allmälig, dem Lauf felsiger Schluchten folgend, bald an schaurigen Abgründen uns hinwindend oder an steilen Abhängen hinunterkletternd, wo uns bei jedem Schritte loses Gestein nachrollte. Es war ein schrecklich ermüdender Marsch, was ich um so mehr empfand, als ich mein Maulthier, um es zu schonen, frei, nur mit dem Sattel und den von den Indianern eingetauschten Gegenständen beladen, mit den Heerden hatte laufen lasten. Der Indianer schien indessen Muskeln und Sehnen zu besitzen, die unempfindlich gegen Anstrengungen waren, denn ohne nur seine Gangart, die in einem langen wiegenden Schritte bestand, zu ändern, verfolgte er anscheinend gleichgültig seine Straße. Die Gebirgszüge, über welche wir von der Höhe aus hinweggesehen hatten, thürmten sich immer höher zu beiden Seiten auf, je tiefer wir hinabgeführt wurden, so daß wir uns gegen Abend in einem Felsenkessel befanden und in demselben einer sich allmälig erweiternden Schlucht folgten. Nach einer kurzen Biegung derselben hielten wir plötzlich unvermuthet am Rande eines weiten sich von Süden nach Norden erstreckenden Thales. Doch welcher Art war dieses Thal! Hatten wir auf den Höhen die felsige Wüste kennen gelernt, so lag nunmehr eine Sandsteppe in ihrer ganzen schreckenerregenden Wirklichkeit vor uns. Die Breite derselben von dem Punkte aus, wo wir uns befanden, bis zu den Felsen, welche die Ebene uns gegenüber begrenzten, mochte wohl 20 Meilen betragen. In der Mitte des Thales zog sich von Süden herauf gegen Norden eine Reihe von vulkanischen Felsen und Sanddünen, die gerade westlich von uns ihr Ende erreichten und gewiß keinen freundlicheren Anblick boten, als der trockene Sand, der sie von allen Seiten umgab. Durch diese Wüste, erklärte uns der Indianer, müßten wir ziehen, um auf Wasser zu stoßen und er zeigte uns, in welcher Richtung es sich befand. Wir sahen, wie die untergehende Sonne, uns gleichsam ermuthigend, sich in den Wellen eines See's oder Flusses spiegelte und feuerähnliche Strahlen von demselben ausgehen ließ. Wir erblickten einen weißen Streifen, der sich wie ein Schneefeld am Ende des Thales hinzog, doch war es noch weit, sehr weit bis dahin, und da Ruhe den Menschen und Thieren nöthiger als Nahrung war, so streckten wir uns auf dem Sande hin, um den folgenden Tag zu erwarten.
Am 7. März in aller Frühe schon begaben wir uns auf den Weg, der durch den losen Sand, in welchem unsere schwerbeladenen Thiere bei jedem Schritte bis über die Hufe einsanken, zu einem der beschwerlichsten wurde, um so mehr, als die Sonne mit voller Kraft den Boden erwärmte, und kein kühlender Luftzug die Atmosphäre erfrischte. Als wir bei den vulkanischen Hügeln und Sanddünen vorbeikamen, sahen wir hin und wieder feine Grashalme aus dem Boden hervorragen, wodurch wir veranlaßt wurden, der Thiere wegen eine kurze Zeit zu halten.
(Anmerkung 25) Mehrere kleine ausgebrannte vulkanische Kegel fand ich, nachdem wir den Colorado überschritten hatten. Man konnte fünf oder sechs derselben in dem Thale aufzählen, welches in Verbindung mit dem Soda Lake steht, in dem sich der Mohave River verliert und endigt.
(Marcou: Résumé explicat. etc. S. 115).
Von diesem Punkte nun hatten wir eine Aussicht über den zweiten Theil des sandigen Thales, welches wie ein weites Schneefeld vor uns lag. Im Anfange glaubten wir, daß die Luftspiegelung uns Alles weiß erscheinen ließe, doch erkannten wir bald, daß wir uns am Rande eines umfangreichen Seebettes befanden, in welchem jeder Tropfen Wasser ausgetrocknet war. Als eine weiße fingerdicke Kruste war indessen das Salz, mit welchem das Wasser vermischt gewesen, zurückgeblieben und lag nun auf loser Erde, so daß wir bis über die Knöchel durchbrachen, und dadurch, daß wir hinter einander herschritten oder ritten, ein tiefer Pfad entstand. Wir zogen in südwestlicher Richtung durch die weiße Ebene, die von uns Soda Lake genannt wurde.
(Anmerkung 26) Der Mohave River, welcher am Fuße der San Bernardino-Berge entspringt und gegen Osten fließt, verliert in einem Salzsee (Soda Lake), anstatt sich in den Colorado zu ergießen, wie man lange geglaubt hat. Dieser Salz- oder Soda-See, der mehr als 14 Lieues im Quadrat hat, ist ein See ohne Wasser, wenigstens scheinbar. Von Ferne erblickt man ein großes Becken von blendender Weiße, und wenn man sich nähert, findet man krause, schwammige, Salzrinden, welche einen schwarzen Schlamm, wirklichen Humus, bedecken. Wenn man in diesem Boden gräbt, so stößt man in der Tiefe von 6 Zoll auf Wasser welches bedeutend mit Kochsalz geschwängert und gänzlich untrinkbar ist. Das Wasser des Mohave River ist durchaus nicht salzig oder brackisch an irgend einer Stelle, welche er durchfließt; nur an den äußersten Enden wird durch Concentrirung und Ausdünstung, eine Folge des Mangels an Strömung, das Wasser salzig. Viele Quellen in der californischen Wüste verschwinden nach einem Lauf von wenigen Fußen und sind daher immer mehr oder weniger brackisch, mit Salzkrusten an ihrem Rande. Wenn ihr Lauf einige 100 Meter erreicht, sind sie nur da brackisch, wo sie sich verlieren. Diese Quellen und Flüsse der Wüste bilden eigenthümliche Niederlagen, welche man Formations fluviatiles salées nennen könnte.
( Marcou a. a. O., S. 97)
Ungefähr in der Mitte des Seebettes trat ich aus der Reihe, die ich an mir vorüberziehen ließ, um mit Muße nach allen Seiten hinzublicken und den Anblick dieser eigenthümlichen Scenerie dem Gedächtniß recht einzuprägen, da sie zu einförmig war, als daß sie sich zu einem Bilde geeignet hätte. Gegen Osten, Süden und Westen war das Ende des See´s abzusehen, denn gelbe Sandstreifen zogen sich zwischen der weißen Fläche und den angrenzenden Felsenreihen hin; gegen Norden aber war die Aussicht so interessant, so ganz verschieden von allem, was ich früher gesehen, daß ich mich lange nicht von dem Anblick zu trennen vermochte. Durch ein weites Thor, welches von den näher zusammenrückenden Felsen gebildet wurde, sah ich in weiter Ferne den See sich mit dem Horizont verbinden; wie Obelisken ragten hin und wieder abgesonderte Felsmassen empor, Inseln bildend in dem trockenen Salzsee. Ob ich das Ende des See´s überblickte oder ob derselbe sich noch weit gegen Norden erstreckte, konnte ich nicht errathen, denn da die Basis der Felseninselchen eben so abgerundet war wie deren Gipfel, und die Atmosphäre über dem See leise zitterte, so konnte ich nicht im Zweifel darüber sein, daß eine merkwürdige Strahlenbrechung die Gegenstände in veränderter Gestalt erscheinen ließ; doch so lange ich diese Gegend zu überschauen vermochte, was bis zum Vormittag des folgenden Tages möglich war, hatte ich immer dasselbe Phänomen vor Augen.
Wir erreichten in den Nachmittagsstunden das Ende des Soda Lake, doch befanden wir uns daselbst kaum erst in der Mitte des Thales, welches sich noch weithin gegen Süden verlängerte. Dort nun, wo der Sandboden wieder etwas zu steigen begann, deutete unser Indianer auf die Erde und gab uns zu verstehen, daß viel Wasser in derselben sei. Wir erblickten auch in der That einige Vertiefungen, die krystallklares Wasser enthielten; wir bückten uns zu demselben nieder, um unseren peinigenden Durst mit dem einladenden Trank zu löschen, doch kaum berührten die Lippen den kleinen Wasserspiegel, als Jeder erschreckt zurückfuhr vor dem widerlich bitteren Geschmack. Es war ein wenigstens für Menschen untrinkbares Wasser, auf welches wir gleichwohl ganz allein angewiesen waren, denn der kleine Vorrath, den wir mit uns geführt hatten, war schon am frühen Morgen ausgegangen, und wir daher genöthigt, unsere Speisen mit dem widerlich schmeckenden Wasser zuzubereiten. Wir gruben an verschiedenen stellen neue Vertiefungen, in welchen sich bald Wasser ansammelte, doch war nur wenig oder gar kein Unterschied in der Beschaffenheit desselben zu bemerken und selbst unsere Maulthiere wendeten sich mehrmals ab, ehe sie sich entschließen konnten davon zu trinken. Nachdem sie indessen gekostet, begann das Salz in ihrem Inneren zu wirken, und ihr Durst wurde immer stärker, so daß sie sich gar nicht weit von den Lachen entfernen mochten, sondern immer wieder zurückkehrten, um auf's Neue von dem bitteren, aber dennoch für den ersten Augenblick kühlenden Wasser zu schlürfen.
Uns Allen war es aufgefallen, daß wir, seitdem wir den Colorado verlassen hatten, außer einigen gehörnten Eidechsen auf kein einziges, lebendes Wesen gestoßen waren: nur einen todten Kolibri hatte ich gefunden, der mit ausgebreiteten Schwingen und gänzlich von der Luft ausgetrocknet auf dem Sande lag, als sei er im Fluge vom Tode ereilt worden. Ich hob das reizende Thierchen auf und legte es später in einen Brief, den ich von Californien nach Europa sendete. Der gänzliche Mangel an Thieren jeglicher Art in diesen Regionen, die auf so stiefmütterliche Weise von der Natur bedacht wurden, konnte uns nicht überraschen; eher noch die Spuren von Eingebornen, die in verschiedenen Richtungen über die Sandebene geeilt waren, und uns vielleicht aus nicht allzu großer Entfernung beobachteten, wo sie sich alsdann im Sande eingescharrt (eine Gewohnheit der dortigen Eingebornen, wenn sie unbemerkt bleiben wollen), um ähnlich den Wölfen, über das eine oder das andere zurückbleibende Maulthier herfallen, dasselbe zerreißen und verschlingen zu können, und die deshalb sich scheuten, offen in unserem Lager, wenn auch nur bettelnd, zu erscheinen. Wovon die dortigen Eingebornen, die unsere Mohave-Indianer mit Verachtung Pah-Utahs nannten, leben, blieb uns lange ein Räthsel, bis unser Führer uns mittheilte, daß diese Menschen ihr elendes Dasein mit Grassaamen, Wurzeln, Schlangen, Fröschen und Eidechsen fristen. Der brave Indianer rieth uns übrigens, auf unserer Hut zu sein, indem die Pah-Utahs sich sonst während der Nacht nähern und mit Pfeilen einige unserer Maulthiere tödten würden. Nach der Beschreibung, welche uns die Mohaves ferner gaben, müssen diese Wilden eine Art von Menschen sein, die sich in ihrem Wesen nur wenig von den Thieren unterscheiden; scheu wie diese und raubgierig zugleich umschwärmten sie uns später fortwährend, und fügten uns manchen Schaden zu, ohne daß wir im Stande gewesen wären, auch nur einen derselben zu erblicken. Die Warnung, welche uns unser Führer an den Salzquellen ertheilte, blieb nicht unbeachtet; und da unsere Gesellschaft nur aus einigen dreißig Mann bestand, theilten wir, um gegen einen nächtlichen Ueberfall gesichert zu sein, unser ganzes Personal in vier Ablösungen, von denen eine beständig auf dem Posten bleiben mußte. Da sich nun kein Einziger der Pflicht entzog, so waren wir immer von einer starken und gut bewaffneten Wache umgeben. Es mochte gegen Mitternacht sein, als die Aufmerksamkeit der Posten auf fernes, aber sich näherndes Pferdegetrappel gelenkt wurde. Da die Eingebornen der dortigen Regionen keine Pferde besitzen und das Geräusch auf der von uns zurückgelegten Straße vernehmbar war, so konnte es nur eine der uns nachfolgenden Abteilungen sein, obgleich wir dieselbe nicht sobald erwarteten. Es war so, wie wir vermuthet halten. Lieutenant Whipple mit seiner Abtheilung ritt in unser Lager ein; keinerlei Unfall hatte ihn, seine Gesellschaft oder seine Heerde betroffen. Auch Lieutenant Tittball mit seiner Mannschaft langte an, doch blieb derselbe nicht bei uns, sondern setzte seine Reise in der von den Indianern ihm bezeichneten Richtung fort. Ich hatte mein Maulthier bei Lieutenant Whipples Packtrain zurückgelassen und war während der drei Tage unserer Trennung mit dem Indianer immer vorauf gezogen, doch muß ich gestehen, daß es mir keine geringe Freude gewährte, als ich gleich nach Ankunft der Heerde hinlief und in der hellen Nacht meines Maulthieres ansichtig wurde, welches anscheinend rüstiger als je, auf dem mit Salz überzogenen Rasen einherschritt und mit regem Appetit dichte Grasbüschel abrupfte. Viel beruhigter legte ich mich darauf wieder zum Schlafen nieder, denn wenn ich auch an Mühseligkeiten jeder Art gewöhnt war, so wäre es mir doch unangenehm gewesen, noch einen Marsch zu Fuße zu machen, nachdem ich in drei Tagen nahe an 70 Meilen über wildes Terrain und noch dazu in dünnen indianischen Mokkasins zurückgelegt hatte, aus welchen meine Füße schon überall eine Aussicht in's Freie gewannen. Abermals hatte ich es bei dieser Gelegenheit empfunden, wie viel leichter man in den indianischen Halbstiefeln, als in unserem eigenen, schweren Schuhzeug wandert, vorausgesetzt, daß die Füße schon etwas von ihrer Empfindlichkeit verloren haben und beim Gehen über scharfes Gestein nicht mehr so sehr leiden. Ich hatte wie die meisten Mitglieder der Expedition schon seit längerer Zeit keinen Schuh oder Stiefel mehr aufzuweisen, da die letzten Reste derselben uns von den Füßen gefallen waren. Wir halfen uns indessen so gut wir konnten mit Lederstücken, die wir uns von den Mexikanern in Halbstiefeln oder kurze Strümpfe zusammennähen ließen, zu welchen die gefallenen und erschossenen Maulthiere Sohlen hergeben mußten; hätte jedoch unsere Reise noch viel länger gedauert, so wären wir zuletzt wie die Indianer auf einfache Sandalen beschränkt gewesen.
Vereint brachen wir am 8. März von den Salzquellen auf und zogen in südlicher Richtung der Stelle zu, wo die zu beiden Seiten hinlaufenden Felsenreihen zusammenstießen und eine enge Schlucht bildeten. Es war noch ein starker Marsch durch tiefen Sand bis zur Mündung der Schlucht, wo wir zu unserer unaussprechlichen Freude an den Mohave River gelangten, der als ein klares Flüßchen über glatt gewaschenes Gestein rieselte. Ohne an etwas Anderes als an den peinigenden Durst zu denken, eilte Jeder, so wie er dort ankam, an den Fluß, um nach Herzenslust von dem schönen klaren Wasser zu trinken, und Viele, damit noch nicht zufrieden, entkleideten sich und erfrischten ihren Körper in dem freilich kalten Wasser durch ein Bad. Nahe an der Stelle, wo Lieutenant Tittball sich gelagert hatte, blieben auch wir; Tittball aber, dessen Lebensmittel ebenfalls zu Ende gingen, war in Gewaltmärschen vorausgeeilt und wir bekamen ihn nicht mehr vor unserer Rückkehr nach Washington zu sehen, denn da er die fließenden Wasser des Mohave River erreicht hatte, brauchte er nicht mehr besorgt zu sein, sich zu verirren, weil er in dem Flußthale fortziehend, endlich zu den Ansiedelungen im San Bernardino-Thale und der San Diego-Straße gelangen mußte. Der Mohave River, der an der Stelle, wo wir lagerten, reichlich Wasser führte und dessen Lauf wir noch eine kleine Strecke weit mit den Augen verfolgen konnten, muß schon vor dem Soda Lake im Sande verschwinden; welches aber von den vielen trockenen Flußbetten, die wir theils berührten, theils nur aus der Ferne wahrnahmen, der eigentliche Mohave River ist, kann wohl nur bei genauer Forschung angegeben oder in der Regenzeit erkannt werden, wenn die im Soda Lake sich ansammelnden Wassermassen nach irgend einer Richtung einen Ausweg suchen. Gänzlich fließt das Wasser aus dem Soda Lake wohl niemals ab, denn die auf seinem trockenen Bette zurückbleibende Salzkruste deutet darauf hin, daß in dürren Jahreszeiten das Wasser theils in den Boden eindringt, theils vertrocknet.
Ehe wir am 9. März unsere Weiterreise antraten, wurden wir abermals von unseren Führern vor den bösen Pah-Utahs gewarnt, die nach ihrer Aussage die Höhlen und Klüfte der Felsen zu beiden Seiten des Mohave River belebten. Wir sahen auch vielfach frische Spuren, doch da die Wilden selbst sich nicht blicken ließen, und vor unserer Expedition zu fliehen schienen, so wurden unsere Leute sorglos, wodurch wir denn auch eine traurige Lehre erhielten.
Vor der Schlucht, aus welcher uns der Mohave River entgegenrieselte, wurde unsere Expedition getrennt, indem der Wagen mit dem Viameter, den bei denselben beschäftigten jungen Leuten und einer hinlänglichen Bedeckungsmannschaft den bequemeren Weg durch das schmale Thal des Flusses einschlug, während Reiter und Packthiere eine Biegung des Flusses abschneidend, einem Pfade, der über das Gebirge führte, folgten, um weiter oberhalb am Flusse wieder mit ersteren zusammenzutreffen. Doctor Kennerly und ich, etwas Jagd an dem Wasser vermuthend, hatten uns zu dem Wagen gestellt und waren schnell von steilen Felsen umgeben, die den Fluß bald einengten, bald aber auch, weiter zurücktretend, ihm mehr Spielraum zu seinen Windungen ließen. Auf beiden Seiten des Flüßchens, welches in seiner Breite zwischen 5 und 16 Fuß schwankte, blieb indessen hinlänglich Raum, auf welchem der leichte Wagen, von vier Maulthieren gezogen, bequem fortgebracht werden konnte. Einige Enten gaben uns Gelegenheit zur Jagd, und so ritten wir dahin, uns freuend über jedes grüne Grasplätzchen, das sich uns zeigte und wohlthuend die Augen berührte, die seit so langer Zeit auf Nichts als auf sandigen Steppen und dürren Gebirgen geruht hatten. Bei unserem Fortschreiten fanden wir das Anfangs spärlich wuchernde Rohr und Schilf immer dichter, so daß wir bei der Biegung, an deren Ende wir wieder mit unseren Gefährten zusammentreffen sollten, Mühe hatten, uns durchzuwinden. Wir erreichten indessen den Felsenpfad noch, ehe die Vordersten des Zuges, der nach unserem Aufbruche noch im Lager verweilt hatte, auf demselben herniederstiegen. Nur langsam setzten wir daher unsere Reise fort, zeitweise rastend, bis endlich die beiden Mohave-Indianer als Vorläufer des Zuges bei uns eintrafen. Wie sehr unsere Maulthiere auf der Reise durch die Wüste gelitten hatten, zeigte sich jetzt erst; denn immer mehr derselben ermüdeten und mußten, ihrer Last entledigt, langsam von den Packknechten nachgetrieben werden. Jeder einzelne der Letzteren erhielt indessen den Befehl, niemals die Waffen aus den Händen zu legen, weil wir immer häufiger auf Spuren stießen, aus welchen wir leicht ersehen konnten, daß die Eingebornen uns umschwärmten und vielleicht gar aus den hohen Felsspalten, selbst verdeckt und ungesehen auf uns niederschauten, um die günstige Gelegenheit zu erspähen und alles Zurückbleibende, seien es Leute oder Thiere, abzuschneiden.
Eine kurze Strecke zog unsere ganze Expedition vereinigt in dem immer breiter werdenden Thale fort und als die Mohaves in eine Schlucht einbogen, um auf Felsenpfaden wieder eine Krümmung des Flusses abzuschneiden, trennten wir uns abermals, wie am Morgen, mit dem kleinen Wagen von dem Hauptzuge und folgten dem Thale. Der Fluß beschrieb indessen so kurze Windungen und seine Ufer waren so dicht mit Rohr, Schilf und Buschwerk bedeckt, daß wir uns bald auf der einen, bald auf der anderen Seite an den Abhängen der Berge unseren Weg bahnen mußten. Nur auf die Entfernung von 1 bis 2 Meilen blieben wir in dem sandigen Bette selbst, weil auf dieser Strecke das Wasser unter der Oberfläche des Bodens fortrieselte. Da das rechte Ufer des Thales eine schmale Ebene bildete und sich etwas senkte, so arbeiteten wir uns zu demselben hinauf, sparten, auf demselben eine gerade Richtung beibehaltend, einen bedeutenden Umweg, den der Fluß machte, und berührten diesen erst gegen Abend wieder an einer Stelle, wo er sich durch eine grasige Wiese schlängelte. Der Hauptzug, der im Gebirge einige Stunden gerastet hatte, traf erst nach uns ein, wo wir dann gemeinschaftlich unser Lager bezogen. Wir waren in gemüthlicher Unterhaltung vor unseren Feuern versammelt, als der Majordomo des Quartiermeisters zu uns herantrat und rapportirte, daß ein Packknecht, der mit drei abgematteten Thieren zurückgeblieben war, vermißt würde. Die Nachforschungen unter den Mexikanern ergaben, daß Mehrere von ihnen an dem Vermißten vorbeigezogen seien, der am Ufer des Flusses gesessen und die drei Thiere ruhig habe grasen lassen; auf die Warnung eines seiner Landsleute, er möge die Büchse, die er nachlässiger Weise auf dem Rücken eines Packthieres befestigt hatte, herunternehmen und bei sich behalten, hatte der unbesonnene Mensch geantwortet, die Furcht vor den Indianern sei nur eine eingebildete, man möge seine Büchse nur mitnehmen, er würde mit den leeren Maulthieren schon nachfolgen. Als Mr. Leroux von dem Stand der Dinge in Kenntniß gesetzt wurde, äußerte er ganz einfach: »Wenn der Bursche nicht von den Indianern erschlagen wäre, würde er schon längst hier sein und wenn er nicht zu bequem gewesen wäre, seine Büchse bei sich zu behalten, so würde er nicht erschlagen worden sein. Ich kenne diese Sorte von Indianern, wo sie nur eine Büchse sehen, wagen sie sich nicht heran; nach dem Mexikaner oder den vermißten Thieren zu forschen, ist ganz vergebliche Mühe; der Bursche kann nicht wieder lebendig gemacht werden.« Wir Alle sahen das Richtige von Leroux's Worten ein, doch wurden am folgenden Morgen vier bewaffnete Mexikaner zurückgeschickt, um wo möglich die Spuren des Vermißten, der sich auch verirrt haben konnte, aufzufinden.
Die vier Mexikaner waren schon in aller Frühe aufgebrochen, und ihre Rückkehr sollte von der ganzen Expedition erwartet werden, denn Jeder im Lager war gespannt auf die Nachrichten, welche sie mitbringen würden. Es war um die Mittagszeit, als wir fern in der rohrbewachsenen Schlucht dichten Rauch aufsteigen sahen, der sich in schwarzen Wolken dahin wälzte. Wir Alle hielten dieses für ein Nothzeichen der Zurückgesendeten, denn Niemand anders als diese konnten den Brand an das dichtstehende Rohr und Schilf gelegt haben. Es dauerte nicht 10 Minuten, so waren ungefähr ein Dutzend der Unsrigen beritten und eilten auf dem Gebirgspfade der verhängnißvollen Stelle zu; zufälliger Weise ritt ich neben Leroux, der während des Galoppirens noch eine zweite Kugel in seine Büchse schob und dabei sagte: »Es ist Alles vergebens; der Mexikaner ist todt, die Maulthiere ebenfalls, die Indianer aber sitzen dort oben auf den Felsenzacken, beobachten uns, wie wir unsere Thiere müde reiten und verlachen uns. Wenn wir die Indianer überraschen wollen, so müssen wir ihnen schon während der Nacht nahe zu kommen suchen, und wir können ja auch weiter Nichts thun, als höchstens ein paar derselben im Lager todtschießen.« – In kurzer Zeit hatten wir die Schlucht erreicht, durch welche der Mohave River fließt. Das Erste, was wir bemerkten, war eins der vermißten Maulthiere, welches, mit Pfeilen erschossen, am Fuße eines Felsens lag, dann die Spuren der beiden anderen, die nach dem Gebirge gerichtet und bald nicht mehr auf dem mit Kies bedeckten Boden zu erkennen waren. Das Rohr war unterdessen auf einer ganzen Strecke niedergebrannt; vorsichtig suchten wir daher auf dem schwarzen Aschenfelde nach den Ueberresten des Mexikaners, den wir nunmehr sicher für getödtet halten mußten. Wir fanden eine Stelle, wo Haufen von gebleichten Pferdegebeinen uns den Ort bezeichneten, an welchem die Wilden dieser Regionen vielleicht mehrfach ihre Feste gefeiert hatten, wenn es ihnen gelungen war, auf der nicht mehr sehr weit entfernten Emigrantenstraße, die von den San Bernardino-Ansiedelungen nach dem Utah-See führt, den reisenden Mormonen Pferde zu rauben; doch Spuren, die uns über das Schicksal des Mexikaners hätten Aufschluß geben können, entdeckten wir nicht weiter, und mußten daher bei hereinbrechender Nacht, ohne etwas ausgerichtet zu haben, wieder zurückkehren. Die vier Mexikaner waren schon vor uns angelangt, auch sie hatten keinen der Eingebornen erblickt und das Rohr nur angezündet, um leichter nach den Ueberresten ihres Kameraden, von dessen Ende sie überzeugt waren, spüren zu können, dann aber auch, um die etwa im dichten Gestrüpp verborgenen verrätherischen Wilden herauszutreiben.
Unzufrieden über diesen schlechten Erfolg begaben wir uns am folgenden Morgen, als Lieutenant Whipple mit der einen Hälfte der Expedition vorauszog, um uns eine Tagereise weiter zu erwarten, 9 an der Zahl, unter diesen Lieutenant Ives, Doctor Kennerly, Lieutenant Stanley und ich, noch einmal zu Fuß auf den Weg, um die Wilden bis in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen und wenigstens durch ein paar gut angebrachte Schüsse die hinterlistige Ermordung eines unserer Leute an den Mördern zu rächen. Wir gingen deshalb zuerst zu dem erschossenen Maulthiere, nahmen daselbst die Spuren der beiden geraubten auf und folgten denselben in's Gebirge. Es war dies eine schwierige Aufgabe auf dem felsigen Boden, wo wir nur durch umgestoßene oder von der Stelle gerückte Steinchen bei unserer Verfolgung geleitet werden konnten. Bergauf, bergab ging es in dieser wahrhaft schauerlichen Wüste, doch verloren wir nie die rechte Spur, in deren Beibehaltung uns besonders ein alter Mexikaner, derselbe, der früher die beiden Tonto-Indianer gefangen hatte, behülflich war. In einer Felsenschlucht, wo eins der matten Thiere wohl nicht mehr im Stande gewesen war, das steile Ufer hinaufzuklettern, hatten die Wilden dasselbe getödtet, in Stücke zerschnitten und so mit fortgeschleppt. Wir fanden daselbst nur einen glatt abgenagten Beinknochen und den Inhalt der Eingeweide; selbst das Blut schienen diese Kannibalen getrunken oder auf irgend eine Weise aufgefangen und mitgeführt zu haben. Die Richtigkeit unseres Weges war durch diese Zeichen bewiesen, und rüstig, jedoch jedes Geräusch so viel wie möglich vermeidend, folgten wir daher dem alten Pfade.
Wir gelangten endlich in eine enge Schlucht, welche um einen, von drei Seiten abgesondert liegenden, spitzzulaufenden Felsen herum führte. Daß wir dem indianischen Lager nahe waren, wußten wir wohl, doch hatten wir keine Ahnung, daß sich dasselbe auf der anderen Seite des Felsens befand. Als wir nämlich um denselben herumbogen, erblickten wir in einer Vertiefung den Rauch eines kleinen Feuers, welches die Indianer in derselben Minute verlassen hatten, denn es war ihnen nicht Zeit genug geblieben, ihre Bogen und Pfeile mitzunehmen. Schnell vertheilten wir uns und liefen die nächsten Höhen hinan, um noch möglicher Weise einen Schuß auf die Flüchtlinge anbringen zu können, doch nichts erblickten wir, als die trostlosen nackten Felsen, die uns von allen Seiten entgegenstarrten. Das verlassene Lager nun glich im vollen Sinne des Wortes einer scheußlichen Mördergrube. Ein kleines Feuer, welches mit trockenem Gestrüpp genährt worden war, glimmte unter der Asche, und auf dieser lagen die Eingeweide der Thiere, die mit Blut angefüllt waren. Die abgeschnittenen Köpfe und die von den Wilden angefressenen Glieder der beiden Maulthiere lagen zerstreut umher und halfen das Ekelhafte der ganzen Scene vervollständigen. Unter den blutigen Ueberresten erblickten wir Waffen und Geräthe, letztere meisterhaft aus Weiden geflochten, wild durcheinander geworfen, und etwas abgesondert von diesen Gegenständen lagen die Mütze und die Beinkleider des ermordeten Mexikaners. Der arme Mensch mußte einen schrecklichen Tod erlitten haben, denn die blutigen Beinkleider waren an sieben verschiedenen Stellen von Pfeilen durchlöchert: das Opfer hatte also vor seinen Mördern hinlaufen müssen und war allmälig von unten herauf mit Pfeilen erschossen worden, und leicht war es denkbar, daß sein Blut mit dem der Maulthiere in dem widrigen Behälter vereinigt war. Lange suchten wir nach der Leiche des Erschlagenen, um ihm wenigstens ein Begräbnis zu Theil werden zu lassen, doch vergebens hatten wir zu diesem Zwecke Schaufeln mitgenommen: wir fanden nichts, gar nichts weiter von dem unglücklichen Menschen, der eine Frau und 5 unerwachsene Kinder in Neu-Mexiko zurückgelassen hatte, die nunmehr vergebens auf die Rückkehr ihres Gatten und Vaters harrten. Als ich den Felsen, an dessen Fuße sich das Lager befand, erstieg, wurde es mir klar, wie die Wilden kurz vor unserer Ankunft hatten entfliehen können. Nahe dem Gipfel des Felsens, von welchem man eine weite Aussicht über die angrenzenden Ländereien hatte, befand sich eine Art von Abstufung oder Höhle, die von der Natur gebildet worden war; auf dieser Stelle nun hatten mehrere der Kannibalen gelegen und bei ihrem blutigen Mahle mitunter einen Blick vor sich hinab in die Schlucht weisen können. Der übermäßige Genuß des Fleisches hatte sie vielleicht daran gehindert, sich rechtzeitig mit ihren Habseligkeiten davon zu machen, wodurch uns das Eigenthum der Bande, die wohl aus 12 bis 16 Mitgliedern bestand, in die Hände fiel. Die Waffen, so wie einige der zierlich geflochtenen Gefäße, behielten wir für uns zurück, alles Uebrige aber warfen wir mit den Ueberresten der Maulthiere in einem Haufen auf der glimmenden Asche zusammen, fügten zu diesem alles nur brennbare Gestrüpp, das in der Nachbarschaft aufzutreiben war, und verbrannten sodann die gesammten Habseligkeiten dieser wilden raubgierigen Höhlenbewohner.
Das traurige Geschick des armen Mexikaners ging uns Allen sehr zu Herzen, und wir konnten nicht umhin, uns die gräßlichen Martern und die Todesangst auszumalen, die der arme Mensch in den Händen seiner unbarmherzigen Mörder auszustehen gehabt hatte. Gern hätten wir das wilde Gesindel für seine Hinterlist und Tücke gezüchtigt, wäre nicht wenigstens auf sechs Tage Proviant nothwendig gewesen, um unausgesetzt im Gebirge herumstreifen zu können. Die Lebensmittel unserer ganzen Expedition reichten aber kaum noch für die Dauer einer Woche hin, und sehr sparsam mußte überhaupt mit denselben umgegangen werden, wenn wir noch, ohne vorher Noth zu leiden, die Ansiedelungen am Fuße der südlichen Spitze der Sierra Nevada erreichen wollten, deren Gipfel uns schon in westlicher Richtung entgegenschimmerten. Gegen Mittag kehrten wir wieder heim in unser Lager, welches am frühen Morgen schon von Lieutenant Whipple und einem Theil der Expedition verlassen war, während Lieutenant Johns verabredeter Weise auf unsere Rückkehr wartete. Nach einigen Stunden der Erholung von dem anstrengenden Marsche des Vormittags durch die 6 Meilen entfernten wilden Schluchten und Felsenthäler bestiegen wir gegen Abend unsere Thiere und schlugen den Weg ein, auf welchem die anderen Abtheilungen voran gezogen waren. Spät in der Nacht trafen wir bei Lieutenant Whipple ein, dessen Lagerfeuer uns schon lange weithin durch die Nacht entgegengeschimmert hatten. Wir fanden die ganze Gesellschaft noch wach und unserer Ankunft harrend, denn es war nicht ein Einziger, der sich nicht für das Schicksal des erschlagenen Mexikaners interessirt und sein schreckliches Ende bedauert hätte. Leider konnten wir nur bestätigen, was allgemein geahnt worden war.
Wir befanden uns nunmehr ganz in der Nähe der Emigrantenstraße, in Californien unter dem Namen » Spanish trail« bekannt. Ebenes Land, durch welches sich der Mohave River schlängelte, lag vor uns, die San Bernardino-Berge, an deren Fuße unsere Straße vorbeiführte, waren deutlich mit ihren stolzen Gipfeln zu erkennen; wir bedurften daher unserer beiden indianischen Führer, die uns so treu auf einem mehr als 150 Meilen langen Wege durch die Wildniß geführt hatten, nicht weiter, und ließen sie wieder zurückkehren in ihr geliebtes Thal zu den Ihrigen, die ihrer vielleicht schon lange harrten, und zu welchen zu gelangen sie noch einmal die weite Wüste durcheilen mußten. Doch was uns sehnsüchtig nach den blauen Gipfeln der Sierra Nevada hinüberschauen machte und der hinter derselben beginnenden Civilisation freudig gedenken ließ, das bewog die Indianer, ihre Blicke gegen Osten zu wenden. Aehnliche Gefühle regten sich in der Brust der eingebornen Kinder der Wildniß und in dem Herzen der einer vorgeschrittenen Civilisation angehörenden Weltbürger: es war die unzerstörbare Liebe zur Heimath, zum Vaterlande!