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Hell war der Morgen und noch heller das Lächeln der jungen Damen, die uns begleiteten, als wir uns in einer Art Familienkanu – so weit und geräumig war es – einschifften und dem gastlichen Marharweh und seiner Gefolgschaft Lebewohl sagten. Sie blieben noch lange am Strande stehen und winkten, während wir davonruderten, und riefen »Eroha! Eroha!« (»Lebt wohl! Lebt wohl!«) solange wir in Hörweite waren. Auch uns machte der Abschied traurig, aber wir versuchten uns mit der Gesellschaft unserer Reisegenossen zu trösten. Von zwei alten Damen im Schiff, die kein Wort mit uns sprachen, ist nicht die Rede, noch von den alten Männern, die ruderten. Wohl aber von drei mutwilligen, dunkeläugigen, jungen Hexen, die sich's in der Gondel bequem machten. An erster Stelle Marhar-Rarar, die helläugige; weder sie noch die beiden Rangen, ihre Gespielinnen, hatten je daran gedacht, an der Fahrt teilzunehmen, bis der Doktor und ich die Absicht ausgesprochen hatten. Ihr Mitkommen war ein toller Streich, und alle drei waren ein paar mutwillige, nichtsnutzige Rangen, die uns ins Gesicht lachten, wenn wir sentimental wurden, und sich beständig über uns lustig machten. Irgend etwas an uns reizte sie unaufhörlich zum Lachen. Der Doktor, der dies seiner bemerkenswerten Erscheinung zuschrieb, vermehrte ihr Vergnügen, indem er den Hanswurst machte. Aber seine Schellenkappe klingelte immer zu einem bestimmten Leitmotiv, und während er den Hansnarren spielte, versuchte er in Wirklichkeit, Hans Liederlich zu sein. Bei uns zu Hause gilt es für vorteilhaft, in Uniform um Damengunst zu werben, bei den Polynesiern hat das bunte Gewand des Narren am meisten Erfolg.
Da sich eine frische Brise erhob, setzten wir unser Bastsegel und glitten zwischen dem weißen Riff und dem grünen Ufer so ruhig dahin, wie auf einem Fluß. Als wir um eine Landspitze bogen, begegneten wir einem anderen Kanu, in dem die Leute mit Macht in entgegengesetzter Richtung ruderten; wir wechselten Rufe, und ein langer Kerl am Bug tanzte wie verrückt umher. Sie schossen wie ein Pfeil vorüber, unsere Reisegenossen riefen vergeblich, daß sie anhalten sollten. Die Leute in unserem Boot sagten uns, es wäre ein königliches Postkanu, das eine Botschaft der Königin nach irgendeinem entfernten Teil der Insel trug.
Wir kamen nun an einigen schattigen Häuschen vorbei, die ganz einladend aussahen, und beschlossen, die Eintönigkeit der Seereise durch einen Spaziergang am Strande zu unterbrechen. Wir trieben unser Kanu durch die Büsche, wo ein verwitterter Palmbaum zum Teil im Wasser lag, und während die alten Leute im Schatten ein Schläfchen taten, führten wir die jungen Damen galant in den Hain, in dem Schlingpflanzen und kriechendes Buschwerk sich um die Stämme wanden.
Am frühen Nachmittag gelangten wir ans Ziel, nach dem die anderen fuhren, einem einsamen Hause, das von vier oder fünf alten Frauen bewohnt war, die, als wir eintraten, im Kreis auf den Matten saßen und aus einer gesprungenen Kalebasse Poï aßen. Sie schienen entzückt, unsere Gefährtinnen zu sehen, wurden aber steif, als wir vorgestellt wurden. Sie betrachteten uns argwöhnisch und wollten wissen, wer wir wären; auch dann behandelten sie uns mit betonter Kälte und Zurückhaltung und schienen unserem Verkehr mit den Mädchen ein Ende machen zu wollen. Wir aber hatten wenig Lust zu bleiben, wo wir nicht willkommen waren, und beschlossen sogleich aufzubrechen, ohne auch nur eine Mahlzeit zu nehmen. Damit aber waren Marhar-Rarar und ihre Freundinnen keineswegs einverstanden, und wie munter sie eben noch gewesen waren, und ohne sich um die Einwendungen der alten Damen zu kümmern, brachen sie in Schluchzen und Klagen aus, denen wir nicht widerstehen konnten. Wir beschlossen zu bleiben, bis auch sie aufbrachen, also bis zum »Ehiharar«, dem Sinken der Sonne.
Als die Stunde kam, schifften sie sich nach einem warmen und gerührten Abschied ein, und als das Kanu um einen Vorsprung bog, nahmen sie den alten Leuten die Ruder aus den Händen und winkten uns schweigend damit zu. Das bedeutete Schmerz und Rührung, denn mit dem Ruder winken beim Abschiednehmen nur die, die auf kein Wiedersehen rechnen.
Wir aber setzten unsere Wanderung am Strande fort und kamen bald zu einem überhängenden hohen Ufer, das, stellenweise mit Bäumen bewachsen, sich um einen beträchtlichen Teil der Insel zog. An seinem Rande führte ein guter Weg entlang, und oft hielten wir an, um das Bild der Landschaft zu genießen. Der Abend war besonders still und schön, selbst für dieses himmlische Klima. So weit das Auge reichte, sahen wir nur den blauen Himmel und den Ozean. Und so weit wir gingen, sahen wir das Riff vor uns, an das die Brandung unaufhörlich schlug und donnerte. Wie sie so immer wieder gegen die Korallenmauer anstürmten, sahen die Wogen aus der Ferne wie eine Reihe anspringender weißer Pferde aus, die, plötzlich angehalten, ihre weißen Mähnen schäumend schütteln. Diese großen natürlichen Wasserbrecher, die fast alle Inseln der Gruppe umgeben, bieten ihnen einen herrlichen Schutz. Wenn die mächtige Dünung des Stillen Ozeans an das lockere Schwemmland gelangen könnte, das an vielen Stellen das Ufer bildet, würde es bald weggespült und die Eingeborenen des fruchtbarsten Landes beraubt sein.
Die Korallenbänke bilden auch alle Häfen auf der Gruppe, und merkwürdig genug liegen die Öffnungen in den Riffen, durch die allein die Schiffe zu ihrem Ankergrund gelangen können, stets gegenüber der Mündung eines fließenden Wassers – für die Schiffer, die des frischen Wassers wegen anlegen, ein unschätzbarer Vorteil. Es scheint, daß das fließende Wasser, das vom Lande kommt, die Salzlösung des Meerwassers so verändert, daß die Korallenbildung an diesen Stellen gehindert wird. Da und dort liegen kleine Inselchen, grün wie Smaragd und mit nickenden Palmen bewachsen, wie Schildwachen an der Einfahrt. Man kann sich keine schönere Unterbrechung der langen weißen Brandung denken. Mit echt taheitischer Liebe zum Wasser wählte Pomari II. solch ein Inselchen, an dem wir auf unserem Wege vorüber kamen, für einen königlichen Landsitz aus.