Hermann Melville
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Hermann Melville

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Drittes Kapitel

Von einer regelrechten Disziplin an Bord war keine Rede; auf dem Schiff herrschte ein Tohuwabohu. Der Kapitän war in letzter Zeit krank gewesen und ließ sich nur selten sehen. Um so mehr hörte man den Steuermann, der zu allen Stunden an Deck war. Bembo, der neuseeländische Harpunier, blieb meist für sich und redete fast nur mit dem Steuermann, der seine Sprache verstand und ihm darin antworten konnte. Oft saß er auf dem Bugspriet und fischte mit einer Knochenangel nach Thunfischen; und manchmal, in dunkeln Nächten, begann er plötzlich allein auf dem Vordeck irgendeinen kannibalischen Fandango zu tanzen und weckte alle Leute damit auf. Im ganzen verhielt er sich sehr still, wenn auch etwas in seinem Auge verriet, daß er keineswegs harmlos war.

Der Doktor hatte schriftlich seine Entlassung als Schiffsarzt eingereicht; er erklärte, als Passagier nach Sydney zu fahren und nahm das Leben leicht. Was die Mannschaft betrifft, so waren die Kranken merkwürdig zufrieden; die übrigen, denen die allgemeine Zügellosigkeit an Bord wohlgefiel, machten sich keine Gedanken über die Zukunft.

Die Lebensmittelvorräte der »Julia« waren armselig. Das Schweinefleisch in den Fässern sah aus wie in Eisenrost konserviert und roch wie abgestandenes Ragout. Das Rindfleisch war noch übler, eine mahagonifarbene Fasersubstanz, so zäh und ohne Geschmack, daß ich beinahe des Kochs Versicherung glaubte, man hätte einen Pferdehuf mitsamt dem Eisen in einem der Fässer gefunden. Der Zwieback war auch nicht viel besser; er war größtenteils zu steinharten Krümeln zerbröckelt und vollkommen durchlöchert, als ob die Würmer, die in den Tropen den Zwieback heimsuchen, ihn verzweifelt auf der anderen Seite wieder verlassen hätten, ohne Nahrung zu finden. Konserven hatten wir wenig; Tee dafür in Menge; nur glaube ich nicht, daß er aus China kam. Außerdem hatten wir jeden zweiten Tag »Schrotsuppe«, wie die englischen Seeleute sagen: große runde Erbsen, die wie Kieselsteine in lauem Wasser rollten. Ich ließ mir später erzählen, daß die Eigentümer des Schiffes verdorbene und ausrangierte Vorräte der Kriegsmarine auf einer Auktion in Sydney erstanden hatten.

Aber wie wässerig die Suppe, wie salzig Rind- und Schweinefleisch schmecken mochten, wir Matrosen wären schließlich damit zufrieden gewesen, wäre nur irgend etwas Zugemüse an Bord zu haben gewesen, ein paar Kartoffeln oder Yamswurzeln oder Wegerich; aber es gab nichts. Dafür gab's etwas anderes, das in der Schätzung der Mannschaft alle Mängel gutmachte: eine tägliche Ration Pisco.

Vielleicht wundert man sich, daß der Kapitän bei solchen Zuständen mit dem Schiff auf See blieb. Der Grund war der: wenn er im Hafen lag, lief er Gefahr, daß auch der Rest der Mannschaft desertierte; auch so fürchtete er, daß, wenn er nur in eine fremde Bucht einlief, er eines Tages vor Anker liegen könnte, ohne Leute, die Anker wieder einzuhieven.

Auf See können vernünftige Offiziere auch die schlimmsten Leute einigermaßen in Schach halten; aber sowie man eine Kabellänge vom Land liegt, ist's damit aus. Darum gehen viele Walfischfänger in der Südsee oft achtzehn, ja zwanzig Monate nicht vor Anker. Die Mannschaften solcher Fahrzeuge sind zum größten Teil der Abschaum aller Völker und Rassen; in den gesetzlosen Häfen des Spanischen Meeres oder unter den Wilden der Südsee angeworben. Wie Galeerensklaven, kann man sie nur mit Kette und Peitsche regieren. Die Offiziere gehen stets mit Messer und Pistole bewaffnet, sie tragen sie in der Tasche, aber immer zur Hand oder schußbereit.

In unserer Mannschaft waren nicht wenige von dieser Gattung; aber wie wüst sie gelegentlich sein mochten, die derbe, trunkene Energie Jermins war das richtige, sie grollend niederzuhalten. Wenn es nötig war, stürzte er unter sie, teilte nach rechts und links Schläge und Püffe aus, so daß sie nach allen Seiten wichen. Diese Autorität der rohen Faust ertrugen sie, wie ich schon sagte, mit sehr guter Laune. Ein ruhiger, nüchterner Offizier, der seine Haltung bewahrte, hätte nichts gegen sie ausgerichtet; sie hätten ihn mitsamt seiner Haltung über Bord geworfen.

So blieb nichts übrig, als das Schiff auf See zu halten. Der Kapitän hoffte immer, die Kranken würden sich bald erholen, und er selbst gleichfalls, und dann konnte man schließlich mit der Jagd Glück haben. Als ich an Bord kam, hieß es jedenfalls, Kapitän Guy sei willens, das Versäumnis nachzuholen und das Schiff in kürzester Zeit mit Walrat zu füllen.

In dieser Absicht nahmen wir Kurs auf Heitihu, ein Dorf auf der Insel Santa Christina – gleichfalls eine der Marquesas, der Mendana ihren Namen gegeben hat –, um acht Matrosen wiederzukriegen, die vor ein paar Wochen die »Julia« dort verlassen hatten. Der Kapitän nahm an, daß sie sich indessen hinreichend erholt hatten und froh sein würden, zu ihrer Pflicht zurückzukehren.

So rollten wir denn auf Heitihu zu, alle Segel beigesetzt, mit den warmen, brisigen Passatwinden scherzend, und glitten über die langen, langsamen Seen auf und nieder, während die Thunfische um das Schiff spielten.

 


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