Hermann Melville
Omu
Hermann Melville

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundzwanzigstes Kapitel

In der Tat war dieses Verfahren nicht nur kennzeichnend für die unvollkommene Disziplin auf französischen Kriegsschiffen, sondern für die ganze Nation. Auf einem amerikanischen oder englischen Schiff wird ein Junge, der geprügelt werden soll, entweder an einen Geschützverschluß gebunden, oder an die Wanten, genau wie ein Mann; aber er wird nie übermäßig geschlagen. Der junge Kerl wird auch selten oder nie einen Schrei ausstoßen; er beißt sich auf die Lippen und erträgt es als Held; wenn irgend möglich, lächelt er dabei. Und nie zeigen seine Kameraden das geringste Mitleid; im Gegenteil, sie lachen ihn noch aus; benimmt er sich kindisch und weint, dann kriegt er nachher in irgendeiner dunklen Ecke noch einmal Prügel.

Diese rauhe Erziehung trägt ihre Früchte;Ich möchte nun nicht, daß man glaube, ich wäre für die Prügelstrafe. Aber solange man Flotten braucht, wüßte ich nichts anderes. Der Krieg ist das größte Übel und was dazu gehört, ist ihm wesensverwandt; mehr wüßte ich zur Verteidigung der Prügelstrafe nicht zu sagen. der Junge wird mit der Zeit eine richtige Teerjacke, ebenso bereit, sich auszuziehen und ein Dutzend Streiche an Bord seines Schiffes in Empfang zu nehmen, als, das Messer in der Hand, an Bord eines feindlichen Schiffes zu springen; wogegen die jungen Franzosen, wie alle Welt weiß, nur sehr mäßige Seeleute werden; und obschon sie sich meist tüchtig schlagen, kämpfen sie doch selten tüchtig genug, um zu siegen. Wie wenig Seeschlachten haben die Franzosen gewonnen, und vor allem, wie wenig Schiffe haben sie geentert! Nur beim Entern zeigt sich der wahre Mut auf See. Ich will damit gar nichts gegen die französische Tapferkeit gesagt haben; es ist nur nicht die richtige Tapferkeit. Zu Lande kämpfen sie besser. Sie sind merkwürdigerweise ausgezeichnete Schiffsbauer, aber keine Seeleute.

Die »Reine Blanche« war wirklich alles, was man aus Holz und Eisen machen kann. Sie war ein neues Schiff und auf ihrer Jungfernfahrt; eine der schweren Fregatten, mit sechzig Geschützen bespickt, wie man sie jetzt überall konstruiert, die aber wir Amerikaner zuerst einführten. In der Schlacht sind es die mörderischsten Fahrzeuge, die je vom Stapel liefen. Sie galt für das »feinste« Schiff der französischen Marine. Das Modell hatte alle kriegerische Anmut, die ein schönes Kriegsschiff haben kann, und doch war etwas von französischem Geflunker daran, zuviel Messingplatten und anderer glitzernder Krimskrams. Achtern kam man aus der Kajüte in eine Galerie, die von zwei überlebensgroßen Karyatiden getragen wurde. Wenn man die reichen Vorhänge, die Spiegel und die Mahagonieinrichtung sah, so konnte man glauben, daß sie für eine Damengesellschaft bestimmt war, die hier frische Luft schöpfen wollte.

Kam man aber auf das Geschützdeck, so sah es ganz anders aus. Welche Batterie von Feuerschlünden, mit ein oder zwei Achtundsechzig-Pfündern als Zugabe! Und auf dem Spardeck Schiffshaubitzen von ungeheurem Kaliber. Da das Schiff so neu ist, sind alle Erfindungen und Verbesserungen der letzten Jahre verwertet und angebracht; es ist nur alles zu technisch-wissenschaftlich, wie es gallische Art ist. Sie haben eine Freude daran, was andere mit ein paar tüchtigen Handgriffen machen, auf komplizierte Weise mit Hebeln und Schrauben auszuführen.

Sie hatten an Bord der »Reine Blanche« auch nicht genug zu essen, und was sie hatten, taugte nicht recht. Anstatt daß die Leute sich an hartem Schiffszwieback die Zähne scharf feilten, wurden täglich erbärmliche kleine Semmeln gebacken. Nicht einmal Grog hatten sie; sie vergifteten ihre Mannschaft mit einem dünnen sauren Wein, etwas Rebensaft mit ganzen Eimern klaren Wassers verdünnt. Die Leute wollen Fleisch haben und bekommen Suppe, ein elendes Surrogat. Seitdem sie die Heimat verlassen hatten, waren sie auf halbe Rationen gesetzt. Die zur Bootsmannschaft gehörten und dadurch Gelegenheit hatten an Land zu kommen, verkauften ihre Rationen an ihre weniger glücklichen Kameraden für das Sechsfache des Wertes. Die Unzufriedenheit der Leute wurde noch dadurch vermehrt, daß sie einen schrecklichen Menschen zum Kapitän hatten, einen jener unausstehlichen Kommisköpfe, die nur für die Disziplin leben. Im Hafen mußten sie beständig an Rahen und Segeln exerzieren oder mit den Booten manöverieren und auf See unaufhörlich die riesigen Geschütze ein- und ausfahren. Überdies hatten sie den Admiral an Bord, der sicherlich auch sein väterliches Auge offen hielt.

Das unlustige und unexakte Verhalten der Leute im Dienst fiel uns auf. Da war nichts von französischer Lebhaftigkeit zu bemerken, noch von jener raschen Präzision, die man an Bord eines ordentlich gehaltenen Kriegsschiffes findet. Aber es war kein Wunder; wir erfuhren, daß drei Viertel der Leute gepreßt waren. Man hatte sie auf alten Kauffahrteischiffen gefaßt am Tage, an dem sie von großen Reisen heimkehrten; andere waren aus dem Lande herdenweise nach dem Hafen getrieben und auf See geschickt worden. Ich war ganz überrascht, in dieser Friedenszeit von derartigen Pressen zu hören. Aber die Franzosen wollen sich neuerdings eine große Marine schaffen zum Ersatz für die, die Nelson vor Trafalgar versenkt hat. Hoffentlich bauen sie die Schiffe nicht nur für die Engländer. Wenn ein Krieg käme, wie würde es der französischen Flagge ergeben!

Wenn ich sage, daß die Franzosen keine richtigen Seeleute sind, so will ich damit das Volk nicht unterschätzen. Es ist eine begabte, glänzende und tapfere Nation, und ich als Amerikaner bin stolz, es zu sagen.

 


 << zurück weiter >>