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Die sechs Komantschen hatten unterdessen am Ufer der Bucht gesessen und die Rückkehr des Sekretärs erwartet. Die Küste bildete hier einen zwanzig Schritt breiten Sandstrich, an den der Wald stieß, gebildet von fieberatmenden Wurzelbäumen, die von einem dichten Lianennetz umschlungen waren.
Am Rand des Waldes weideten die Pferde, während die Komantschen hart am Wasser saßen. Ihr Anführer hatte sein neues Gewehr, das er von Alfonzo erhalten, vorgenommen und betrachtete es mit den Augen eines Mannes, der sich freut, ein solches Eigentum zu besitzen.
Da schnaubte eines der Pferde, und er wandte den Kopf.
»Ugh!« rief er erschrocken.
Dieses Wort war sein letztes gewesen, denn soeben blitzten vom Wald her zwei Schüsse auf, und er sank tot nieder. Der, der neben ihm gesessen hatte, streckte den Arm aus und legte sich langsam in den Sand; auch er hatte eine Kugel in den Kopf erhalten.
Die Komantschen sprangen empor. Da krachten abermals zwei Schüsse, und zwei andere stürzten nieder. Nun waren nur noch zwei übrig. Diese hatten ihre Büchsen schnell gefaßt und strengten nun ihre Augen an, um dort, wo der Pulverrauch sich kräuselte, den Feind zu erkennen, und kaum hatte der eine von ihnen bemerkt, daß sich hinter einem Baum etwas bewegte, so hob er das Gewehr empor, zielte und drückte ab. – Er hatte getroffen, denn sogleich rief es hinter dem Baum, nach dem der Komantsche gezielt hatte: »Ugh!«
Es war Büffelstirn, der dort stand. Er fuhr sich mit der Hand nach der Hüfte.
»Ist mein Bruder verwundet?« fragte ihn Bärenherz, der sich hinter dem nächsten Baum postiert hatte. – »Ja«, antwortete der Mixteka. – »Wo?« – »Hier an der Hüfte.« – »So mögen diese beiden Hunde der Komantschen schnell sterben!«
Im nächsten Augenblick schossen Büffelstirn und Bärenherz wieder, und die beiden Komantschen fielen.
»Ugh!« sagte der Apache. »Nun lebt von diesen keiner mehr, um die Kunde nach ihren Weideplätzen zu bringen. Mein Bruder zeige mir seine Wunde!«
Es war ein Streifschuß, den Büffelstirn erhalten hatte, der zwar nicht gefährlich, aber doch sehr schmerzhaft war.
»Wir müssen schnell weiterreiten«, rief der Apache. – »Warum?« fragte der Mixteka. – »Weil hier am Salzwasser nicht das Wundkraut wächst!« – »Wir werden morgen wohl welches finden. Jetzt aber wollen wir uns die Toten betrachten.«
Damit traten sie aus dem Wald hervor und nahmen den Komantschen die Skalpe.
»Jeder hat zwei Büchsen!« versetzte der Apache verwundert. »Eine alte und eine neue!« – »Von wem mögen sie die gestohlen haben?« – »Die Gewehre sind nicht gestohlen. Sie haben sie von dem Grafen dafür erhalten, daß sie ihn begleiteten.« – »Wir nehmen sie ihnen.« – »Oh«, rief Büffelstirn. »Sie haben auch noch anderes erhalten, was wir gebrauchen können. Wir nehmen ihnen alles. Mein Bruder hole unsere Pferde herbei.«
Der Apache ging und brachte nach einiger Zeit ihre Pferde, die sie versteckt hatten.
»Was tun wir mit ihren Tieren?« fragte Bärenherz. – »Eins nehmen wir.« – »Wozu?« – »Es soll alles tragen, was wir diesen Komantschen wegnehmen. Aber wo ist der Weiße, der bei ihnen war?«
Büffelstirn betrachtete den Rand der Küste und antwortete, auf die weiche Erde deutend:
»Erblickt mein Bruder nicht die Spur eines Bootes, das hier gewesen ist?« – »Ja, es war kein Kanu, sondern ein Boot, wie es die Schiffe der Bleichgesichter haben«, antwortete der Apache, nachdem er den Eindruck untersucht hatte, den das Boot zurückgelassen hatte. – »Der Weiße ist nach einem der Schiffe gefahren, die im Hafen liegen.« – »Er hat den Korb mitgenommen, den wir gesehen haben.« – »Wird er zurückkehren?« – »Danach brauchen wir nicht zu fragen«, sagte der Apache. »Es ist der Schreiber des Grafen; er hat uns nichts getan, wir haben keine Blutrache mit ihm und werden ihm nichts tun.« – »Mein Bruder hat recht«, antwortete der Mixteka. »Wir werden ihm nur die Pferde nehmen, damit wir vor ihm nach Mexiko kommen und er den Grafen nicht warnen kann.«
Damit zog er das Messer und stieß es einem der Pferde nach dem anderen in das Herz. Es war dies eine Grausamkeit, die aber einen triftigen Grund in seiner indianischen Vorsichtigkeit hatte.
Sie bepackten nun dasjenige der Pferde, dem sie das Leben geschenkt hatten, mit den vorgefundenen Waffen und anderen Gegenständen, stiegen dann auf ihre Tiere und ritten davon, indem sie sich gar keine Mühe gaben, die skalpierten Leichen der Komantschen zu verbergen.
Gerade um dieselbe Zeit war es, da Pablo Cortejo vom Schiff zurückkehrte. Er war durch die Stadt gegangen und schlenderte längs des Waldes am Strand dahin, als er nahenden Hufschlag vernahm. Rasch versteckte er sich in den Büschen und erblickte die beiden Häuptlinge, die an seinem Versteck vorbeiritten.
Sie waren noch nicht zehn Schritte vorbei, so hielt der Apache sein Pferd an.
»Uff!« rief er, auf den Boden deutend.
Auch Büffelstirn bückte sich von seinem Pferd herab und erblickte die frische Fußspur Cortejos. Ein anderer hätte sie unmöglich sehen können, aber die Augen der beiden Häuptlinge waren so scharf geübt, daß kein solcher Fußdruck ihnen entgehen konnte.
»Ein Weißer!« sagte der Mixteka, indem er zur Büchse griff.
Der Apache blickte umher und war mit einem raschen Sprung vom Pferd. Er hatte nur einen Zweig sich leise bewegen sehen, stand aber bereits im nächsten Augenblick vor Cortejo, der vor Schreck völlig erstarrt war und keinen Versuch zur Flucht machte. Bärenherz zog ihn hervor.
Sie erkannten ihn sofort, denn sie waren ihm von Mexiko bis hierher unablässig gefolgt und konnten sich also gar nicht täuschen. Dennoch fragte Büffelstirn:
»Wer bist du?« – »Ich bin aus Mexiko«, antwortete der Gefragte angstvoll. – »Ich habe gefragt, wer du bist!« – »Ich bin der Sekretär des Grafen de Rodriganda.« – »Und wie heißt du?« – »Pablo Cortejo.« – »Wir kennen dich. Wenn du nicht besser bist, als dein Graf, so werden wir uns einst deinen Skalp holen. Kennst du uns?« – »Nein.« – »Ich bin Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas, und dieser ist Bärenherz, der Häuptling der Apachen. Wenn du nach Mexiko kommst, haben wir bereits mit deinem Grafen gesprochen. Er soll uns Rede stehen über die Hacienda del Erina. Warum versteckst du dich?« – »Ich wußte nicht, wer kam.« – »Uff! So hast du ein böses Gewissen. Du suchst deine Freunde, die Komantschen?« – »Ja.« – »Du wirst sie finden. Es waren die letzten der Hunde, die die Hazienda überfielen. Sie werden die ewigen Jagdgründe der tapferen Toten niemals sehen. Ugh!«
Hierauf ritten die Indianer weiter und ließen den Sekretär unbeschädigt stehen. Dieser blickte ihnen nach, bis er sie nicht mehr zu sehen vermochte, und nun erst verlor sich sein Schreck.
»Sie haben ein Pferd von uns und die Waffen der Komantschen. Was ist geschehen?« sprach er zu sich. »Es sind die beiden berühmten Häuptlinge, von denen Alfonzo mir erzählt hat. Alle Wetter, sie sind den Komantschen gefolgt, um sich an ihnen zu rächen, und sie wollen auch nach Mexiko zu Alfonzo. Ich muß ihnen zuvorkommen. Dieser Büffelstirn war verwundet. Vielleicht macht ihm seine Verletzung Beschwerde, und dann steche ich sie aus.«
Er eilte nach dem Ort, wo er die Komantschen gelassen hatte. Dort fand er ihre Leichen und auch die toten Pferde. Nun hielt er sich keinen Augenblick hier auf, sondern begab sich schleunigst nach Verakruz, um sich mit einem guten Pferd zu versehen und die Rückkehr sofort anzutreten.
Es gelang ihm, zwei tüchtige Renner zu bekommen, einen bestieg der Führer, den er sich vorsichtigerweise mietete. Der Ritt ging in höchster Eile über Solodad, Lomalto, Paso del Macho, Cordova, Orizaba, Puebla nach Mexiko.
Cortejo hatte während des ganzen Ritts stets die Befürchtung gehegt, daß er den beiden Indianern begegnen werde, doch war dies nicht der Fall. Die Häuptlinge hatten eine weniger bewohnte Richtung eingeschlagen, und dabei stellte sich heraus, daß die fieberschwangere Niederung des Meeres in der Gegend von Verakruz der Wunde des Mixteka schädlich gewesen war. Er fühlte sich so ermattet, daß sie zwei Tage ruhen mußten, und erst, als sie in höher liegender Gegend das berühmte Wundkraut fanden und auflegten, konnte er das Pferd wieder besteigen.
So kam es, daß sie volle zwei Tage nach Cortejo in Mexiko anlangten.