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12. Kapitel.

Die Komantschen zählten wirklich zweihundert Mann. Sie wurden angeführt von einem ihrer berühmtesten Häuptlinge, der Tokvitey, Der Schwarze Hirsch, hieß. Ihm zur Seite ritten zwei Kundschafter, von denen der eine die Gegend um die Hazienda genau kannte, während der andere zu denen gehörte, die von den Mexikanern unter Anführung des Deutschen und des Apachen besiegt worden waren. So konnten sie sich in der Richtung nach der Estanzia gar nicht irren.

Sie ritten, ohne zu ahnen, daß sie von dem berühmten Apachenhäuptling verfolgt wurden, nach indianischer Weise über die Berge, immer einer hinter dem anderen, und gelangten schließlich an den nördlichen Fuß des Reparo, dessen Abhang sie erstiegen, um dann unter dichten Bäumen des Waldes haltzumachen.

»Weiß mein Sohn hier einen Ort, wo wir uns während des Tages verbergen könnten?« fragte Der Schwarze Hirsch den einen der Führer, der die Gegend kannte.

Der Gefragte sann nach und antwortete:

»Ja. Auf der Höhe des Berges.« – »Was ist es für ein Ort?« – »Die Ruine eines Tempels, dessen Vorhöfe Platz für tausend Krieger haben.« – »Kann man da verborgen sein?« – »Ja, wenn kein Auge uns kommen sieht.« – »Weiß mein Sohn den Ort genau?« – »Ich werde nicht irren.« – »Und glaubt mein Sohn, daß wir ihn erst auskundschaften müssen?« – »Es ist besser und sicherer so.« – »So werden wir beide gehen, während die anderen warten.«

Sie stiegen darauf von ihren Pferden, nahmen die Waffen zur Hand und drangen in den Wald ein.

Der Indianer besitzt für Örtlichkeitsverhältnisse einen angeborenen Instinkt und einen so gut geübten Scharfsinn, daß er sich fast nie verirren kann. Der Führer strich daher mit einer bewundernswerten Sicherheit durch den nächtlich stockfinsteren Wald auf die Ruine zu. Der Häuptling folgte ihm. Trotz der Schwierigkeiten, welche die Dunkelheit bot, erreichten sie die verfallenen Mauern des Tempelwerks und begannen, dasselbe zu durchsuchen.

Sie fanden nicht die mindeste Spur von der Anwesenheit eines Menschen und hegten schon die Überzeugung, daß sie sicher seien, als sie plötzlich anhielten und lauschten. Es war ein Schrei erklungen, ein Schrei, der aus keiner menschlichen Kehle zu stammen schien.

»Was war das?« fragte Der Schwarze Hirsch. – »Ein Schrei, aber von wem?« – »Es klang fast wie der Todesschrei eines Pferdes.« – »Ich habe einen solchen Laut noch nie gehört«, erklärte der Führer.

Da erklang der Schrei abermals, langgezogen und gräßlich.

»Ja, ein Mensch«, stimmte der Führer jetzt bei. – »In Todesangst!« – »In tiefster Verzweiflung!« – »Wo war es?« – »Ich weiß es nicht. Das Echo täuscht.« – »Man muß diese Mauern verlassen.«

Die Indianer kletterten nun über das Trümmerwerk hinaus ins Freie, und als der markerschütternde Ruf dann abermals erscholl, hörten sie, aus welcher Richtung er kam.

»Gerade vor uns«, sagte der Führer. – »Ja, gerade vor uns. Wir wollen sehen, was es ist!«

Sie schlichen sich vorsichtig weiter und kamen an den Rand des Teichs, den sie entlanggingen, bis der Schrei gerade vor ihnen ausgestoßen wurde. Die Wilden konnten sich eiserner Nerven rühmen, aber sie erschraken doch, als diese fürchterliche Stimme so in ihrer unmittelbaren Nähe erscholl.

»Hier ist es«, sagte der Führer, »im Wasser.« – »Nein, über dem Wasser ist es«, verbesserte der Häuptling. »Horch!« – »Das plätschert und klappt, als seien es Krokodile.«

Ein phosphoreszierender Schein ging von dem Wasser aus, das durch die Tiere bewegt wurde.

»Sieht mein Sohn diesen Schimmer?« – »Ja.« – »Es sind Krokodile.« – »Und der Mensch unter ihnen? Unmöglich!« – »Nein, der Mensch über ihnen, auf diesem Baum.«

Der Indianer deutete dabei auf die Zeder, an der sie standen.

»So muß er angebunden sein!« – »Sicher!«

Nun erschallte der Schrei abermals, und sie hörten, daß er aus der Luft kam, zwischen dem Wasser und der Krone des Baumes.

»Wer ruft?« fragte da der Häuptling mit lauter Stimme. – »Oh!« antwortete es im Ton des Entzückens. – »Wer ist es?« – »Hilfe!« – »Wo bist du!« – »Ich hänge am Baum.« – »Ugh! Über dem Wasser?« – »Ja. Kommt schnell.« – »Wer bist du?« – »Ein Spanier.« – »Ein Spanier, ein Bleichgesicht«, flüsterte Der Schwarze Hirsch seinem Begleiter zu. »Er soll hängen bleiben!«

Dennoch aber fragte er weiter:

»Wer hat dich aufgehängt?« – »Meine Feinde.« – »Wer sind sie?« – »Zwei Rothäute.« – »Uff!« flüsterte der Häuptling. »Er hängt zur Rache hier.«

Dann fragte er, welche Rothäute es gewesen seien.

»Ein Mixteka und ein Apache. O kommt, helft! Ich kann nicht mehr; die Krokodile werden mich zerreißen!« – »Ein Apache und ein Mixteka!« sagte der Häuptling leise. »Das sind unsere Feinde. Dann werden wir ihn vielleicht retten. Zuerst aber muß ihn das Feuer beleuchten.«

Rasch ging er zu einem Gestrüpp, von dem er vorhin beim Hindurchschlüpfen bemerkt hatte, daß es dürr und trocken sei, riß es aus und trug den Haufen an das Ufer. Dann zog er sein Punks – Präriefeuerzeug – hervor und zündete den Haufen an. Das Feuer loderte hell empor und beleuchtete die ganze Szene: Von dem Baum herab hing ein Bleichgesicht bis nahe über das Wasser und schwang die Füße hoch empor, sobald eines der Krokodile nach ihnen schnappte.

»Das ist eine große Rache!« sagte Der Schwarze Hirsch. »Er soll uns jetzt antworten, ohne die Alligatoren zu fürchten.«

Damit kletterte er auf den Baum empor, faßte den Lasso und zog den daran Hängenden weiter hinauf, so daß sich dieser nun vor den Ungeheuern in Sicherheit befand. Alfonzo hatte beim Schein des Feuers sofort die Indianer wahrgenommen und an ihrer Bemalung erkannt, daß es Komantschen seien, die sich auf dem Kriegspfad befanden. Er erriet alles und betrachtete sich bereits als halb gerettet.

»Warum hingen dich die roten Männer hier auf?« fragte der Häuptling weiter. – »Weil ich mit ihnen kämpfte, um sie zu töten. Wir waren Feinde.« – »Warum hast du die Hunde nicht getötet? Die Apachen und Mixtekas sind Feiglinge.« – »Es war Bärenherz, der Häuptling der Apachen.« – »Bärenherz?« rief der Komantsche. »Er war hier?« – »Ja, er und Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas.« – »Und Büffelstirn!« rief der Komantsche abermals. »Wo sind sie?« – »Befreie mich, so sollst du sie haben!« – »Schwöre es!« – »Ich schwöre es!« – »So sollst du frei sein!«

Der Schwarze Hirsch zog mit aller Anstrengung an dem Lasso und brachte den Grafen auch glücklich so weit empor, daß dieser sich mit dem Oberkörper auf den Ast legen und stützen konnte. Dadurch bekam der Komantsche die Hand frei. Er zog sein Messer und durchschnitt den Lasso und die Banden des Spaniers, der sich nun trotz aller Schwäche selbst festzuhalten vermochte.

»Ah!« rief dieser. »Frei! Frei! Frei!« Dann brüllte er in unendlichem Entzücken in die Nacht hinaus: »Aber nun Rache! Rache! Rache!« – »Rache sollst du haben«, sagte da der Komantsche, der in ihm einen brauchbaren Verbündeten ahnte. »Aber warum schreist du so? Der Wald hat Ohren. Ist niemand in der Nähe?« – »Kein Mensch! Es befand sich niemand auf dem Berg als nur ich und diese verdammten Krokodile. Mein Leben lang werde ich diese Nacht nicht vergessen!« – »Vergiß sie nicht und räche dich! Jetzt aber steige mit mir herab!«

Sie kletterten von dem Baum hernieder, und nun erst, als Alfonzo festen Boden unter sich fühlte, wußte er, daß er gerettet sei.

»Ich danke euch!« sagte er. »Verlangt, was ihr wollt, ich werde es tun!«

Der Komantsche entgegnete ruhig:

»Setze dich zu uns und beantworte uns, was wir dich fragen!«

Als sie nun im Gras sich niederließen, streckte der Graf seine gepeinigten Glieder mit einer Wonne aus, die er in seinem Leben noch niemals gefühlt hatte, und fragte:

»Ihr seid vom Volk der Komantschen?« – »Ja.« – »Du bist ein Häuptling derselben?« – »Ich bin Tokvitey, Der schwarze Hirsch.« – »Und ihr befindet euch auf einem Kriegszug?«

Der Häuptling nickte. Dann fragte er:

»Kennst du die Hacienda del Erina?« – »Ich kenne sie.« – »Wie heißt der Mann, der dort wohnt?« – »Er heißt Pedro Arbellez.« – »Hat er eine Tochter?« – »Ja.« – »Und ist bei dieser Tochter eine Indianerin vom Stamm der Mixtekas?« – »Ja. Es ist Karja, die Schwester von Tecalto.« – »Die Schwester Büffelstirns?« fragte der Häuptling überrascht. – »Ja.« – »Ugh! Das haben die Söhne der Komantschen nicht gewußt, sonst hätten sie die Tochter der Mixtekas fester gehalten. Die beiden Squaws waren unsere Gefangenen.« – »Ich weiß es.« – »Du weißt es?« fragte Der Schwarze Hirsch. – »Ja, denn sie wohnen bei mir.« – »Bei dir? Deine Stimme spricht in Rätseln! Ich denke, sie wohnen auf der Hazienda?« – »Dies ist auch wahr; denn die Hazienda gehört mir.« – »Dir? So bist du Señor Pedro Arbellez?« – »Nein. Ich bin Graf Alfonzo de Rodriganda y Sevilla. Arbellez ist nur mein Pächter.« – »Ugh!« sagte da der Komantsche kalt, indem er sich erhob. »So wirst du wieder über dem Wasser hängen, damit dich die Alligatoren fressen!«

Alfonzo war seiner Sache so sicher, daß er lächelnd antwortete: »Warum?« – »Weil du der Beschützer der beiden Squaws bist.« – »Setze dich wieder, Schwarzer Hirsch. Ich bin nicht ihr Beschützer; ich bin ihr Feind und dein Freund. Diese Squaws sind schuld, daß ich hier aufgehängt wurde, du aber hast mich gerettet. Ich werde dir danken, indem ich die drei größten Feinde der Komantschen in deine Hände liefere.« – »Wer ist dies?« – »Shoshinliett.« – »Bärenherz, der Apache?« – »Ja. Ferner Mokaschimotak.« – »Büffelstirn, der Mixteka?« – »Ja.« – »Und der dritte?« – »Der dritte ist ein Bleichgesicht; die roten Männer nennen ihn Itintika.« – »Donnerpfeil, der große Rastreador?« rief der Komantsche. »Sagst du die Wahrheit?« – »Ja.« – »Wo ist Donnerpfeil?« – »Bei den anderen.« – »Wo sind diese?«

Der Komantsche fragte mit fast leidenschaftlicher Hast. Die Hoffnung, diese drei berühmten Männer in seine Gewalt zu bekommen, brachte ihn um die kalte Ruhe und Selbstbeherrschung, in der der Indianer sonst seine Ehre sucht.

»Ich werde es dir sagen, wenn du mir vorher etwas versprichst.« – »Was begehrst du?« – »Du bist gekommen, um die Hazienda zu überfallen?« – »Ja«, gestand der Indianer. – »Wird es dir gelingen?« – »Der Schwarze Hirsch wurde noch nie besiegt.« – »Du hast viele Komantschen mit?« – »Zehn mal zehn mal zwei.« – »Zweihundert? Das ist genug. Du sollst die drei berühmten Häuptlinge haben, ferner alle Skalpe der Bewohner der Hazienda, auch alles, was in der Hazienda zu finden ist, wenn du das Haus schonst, da es mein Eigentum ist, und mir die Tochter meines Pächters überantwortest.«

Der Komantsche sann nach, dann antwortete er:

»Es sei, wie du begehrst. Wo also sind die drei Häuptlinge?« – »Sie sind«, sagte der Graf, zufrieden lächelnd, »nirgends anders als eben in der Hazienda.« – »Ugh! Du hast mich überlistet!« gestand Der Schwarze Hirsch. – »Aber ich habe dein Wort!« – »Der Häuptling der Komantschen bricht sein Wort niemals. Das Haus ist dein, und du bekommst das Mädchen. Die drei Feinde, die Skalpe und alles, was das Haus enthält, gehört jetzt aber den Söhnen der Komantschen. Ist die Hazienda von Stein erbaut?« – »Von festen Steinen und mit Palisaden umgeben. Aber ich kenne alle Schliche; ich werde euch führen. Ihr werdet euch im Inneren des Hauses befinden, während die Bewohner alle noch fest schlafen. Sie werden nur erwachen, um unter euren Messern und Tomahawks zu sterben.« – »Hat der Haziendero viele Waffen?« – »Er hat genug Waffen, aber sie werden ihm nichts nützen.« – »Wie viele Männer besitzt er?« – »Vielleicht vierzig.« – »Vier mal zehn? Das macht sieben mal zehn, denn jeder der drei Häuptlinge ist zehn wert.« – »Donnerpfeil darf nicht gerechnet werden.« – »Warum?« –»Er ist verwundet, vielleicht tot. Ich traf ihn mit der Keule auf den Kopf.« – »Uff! Du hast mit Donnerpfeil gekämpft?« – »Warum nicht?« – »Wer mit ihm kämpft, der muß ein tapferer Krieger sein.« – »Ich bin kein Feigling, obgleich du mich als Gefangenen getroffen hast.« – »Ich werde es sehen, wenn du uns zur Hazienda führst. Meinst du, daß sie ahnen, daß die Krieger der Komantschen kommen, um Rache zu nehmen?« – »Ich glaube es nicht. Ich habe nicht gehört, daß davon gesprochen worden ist.« – »Ich werde einen Kundschafter senden.« – »Er mag sich nicht sehen lassen!« – »Uff! Er wird gerade in die Hazienda gehen.« – »So ist er verloren!« – »Er ist nicht verloren. Er ist kein Komantsche, sondern ein christlicher Indianer von dem mexikanischen Stamm der Opatos. Man wird ihm nicht mißtrauen, und er wird genau sehen, ob man sich auf einen Kampf mit den Kriegern der Komantschen vorbereitet. Jetzt aber weiß ich alles. Mein Sohn mag gehen, um die Krieger nach den Ruinen zu führen, wohin ich mit diesem Mann gehe, einem Graf der Bleichgesichter.«

Der Führer eilte davon, und der Häuptling schritt mit Alfonzo den Tempelruinen zu. Vorher aber warf der letztere noch einen Blick auf den kleinen See, über dessen Wassern er die schrecklichsten Stunden seines Lebens zugebracht hatte und an dessen Ufer die Alligatoren lagen und mit weit aus der Flut hervorragenden Köpfen das Opfer anglotzten, das ihnen entgangen war.

Am anderen Morgen ging der Häuptling mit dem Grafen und dem Führer durch den Wald, um zu rekognoszieren. Sie kamen dabei auch an den Rand des Bergplateaus, von dem aus man in die Ebene hinabblicken konnte. Da ertönte unter ihnen ein dumpfer Knall.

»Was war das?« fragte Der Schwarze Hirsch. – »Ein Schuß«, meinte der Führer. – »Aber kein Büchsen-, sondern ein Sprengschuß«, erklärte Alfonzo, der sogleich vermutete, was da unten vorgegangen war.

Sie traten so weit wie möglich an den Felsenabhang heran und blickten zu dem Bach hinab. Da sahen sie Büffelstirn mit seinen Indianern davonreiten. Alfonzo gewahrte das Lastpferd und die Decken, die es trug, und ahnte, daß darinnen ein Teil der Schätze verborgen sei.

»Was für Männer sind dies?« fragte der Häuptling. – »Es sind Mixtekas«, antwortete der Graf. – »Mixtekas, die sterben und verdorren werden«, sagte der andere verächtlich. – »Oh, sie haben noch Kraft genug. Siehe einmal ihren Anführer!« – »Ist er ein Cibolero?« – »Ja, er ist ein Büffeljäger, und zwar der kühnste von allen. Es ist Büffelstirn, der König der Ciboleros!« – »Ugh! Das – das ist Büffelstirn!« rief der Komantsche, indem er den Mixteka da unten mit finsterem Auge betrachtete. »Es wird nicht lange währen, so stirbt er an dem Marterpfahl im Lager der Komantschen.«

Als sie nach der Ruine zurückkehrten, wurde der Kundschafter abgesandt. Er trug die Kleidung eines zivilisierten Indianers, erhielt eine alte Flinte und das schlechteste Pferd, das vorhanden war, und hatte den Befehl, einen Umweg zu machen, damit es scheine, daß er nicht von Norden, sondern von Süden komme.

Er umritt also die hintere Seite und den südlichen Abhang des El Reparo und kam von Mittag her auf die Hazienda zu.

Büffelstirn stand mit dem Haziendero und Bärenherz am Fenster, als er in den Hof ritt. Kaum hatte der Apache ihn erblickt, so stieß er mit höhnischem Lächeln den Ruf: »Uff!« aus.

»Wie?« fragte Arbellez verwundert. – »Unser Freund will sagen, daß dies der erwartete Kundschafter ist«, erläuterte Büffelstirn den Ausruf des Apachen. – »Oh, das ist kein Komantsche!« meinte da Arbellez. – »Nein, es ist ein Majo oder Opato, aber jedenfalls ein Überläufer.« – »Wie soll ich ihn behandeln?« – »Freundlich. Er darf nicht ahnen, daß wir an Kampf und Feindseligkeit denken.«

Der Haziendero ging nun in den Hof hinab. Der Indianer, der gerade im Begriff stand, nach der Gesindestube zu gehen, grüßte höflich.

»Das ist die Hacienda del Erina?« fragte er. – »Ja.« – »Wo Señor Arbellez gebietet?« – »Ja.« – »Wo ist der Señor?« – »Ich bin es selbst.« – »Oh, Verzeihung, Don Arbellez, daß ich dies nicht wußte. Darf ich bei Euch einkehren?« – »Tut dies in Gottes Namen. Es ist mir ein jeder Gast willkommen. Wo kommt Ihr her?« – »Ich komme von Durango über die Berge herüber.« – »Das ist weit.« – »Ja. Ich war einige Jahre dort, aber das Fieber hat mich vertrieben. Hier scheint es besser zu sein. Braucht Ihr keinen Vaquero, Señor?« – »Nein.« – »Auch keinen Cibolero?« – »Auch nicht.« – »Ist Euch nicht sonst ein Mann nötig?« – »Ich habe jetzt Leute genug, aber Ihr könnt trotzdem bleiben und Euch ausruhen, so lange es Euch gefällt.« – »Ich danke. Da Ihr niemand braucht und Eure Hazienda die beste ist gegen die Grenze hin, so werde ich sehen, wie es sich als Gambusino leben läßt. Wenn nur die Wilden nicht wären!« – »Fürchtet Ihr Euch vor einem Indianer?« – »Vor einem nicht, aber vor fünf oder zehn. Man hört, daß die Komantschen Lust haben, über die Grenze zu kommen.« – »Da hat man Euch falsch berichtet. Sie werden sich hüten, herüberzukommen, denn sie wissen, daß sie eine tüchtige Lehre erhalten würden. Also bleibt, ruht Euch aus und eßt und trinkt in der Leutestube, so viel wie Ihr wollt.«

Der Haziendero ging weiter und ließ den Indianer mit der festen Gewißheit zurück, daß auf der Hacienda del Erina kein Mensch daran denke, daß Indianer in der Nähe sein könnten. Der Kundschafter schien der Ruhe nicht sehr zu bedürfen, denn er schweifte auf der Hazienda und in ihrer nächsten Umgebung unermüdlich herum und setzte sich am Nachmittag auf sein Pferd, um weiterzureiten.

Natürlich wandte er sich nicht nach der Grenze hin, sondern kehrte auf einem Umweg zu den Komantschen zurück, wo sein Bericht mit Spannung erwartet wurde. Als er dem Häuptling erzählte, was er gesehen hatte, nickte dieser mit einem blutdürstigen Lächeln und sagte:

»Die Hazienda wird schrecklich aus dem Schlaf erwachen, die Söhne der Komantschen werden mit Beute und vielen Skalpen heimkehren in ihre Wigwams.«

Er ließ sich darauf von dem Grafen und dem Kundschafter die Lage und Beschaffenheit des Gebäudes beschreiben, dann wurde großer Kriegsrat gehalten.

Das Ergebnis desselben war, daß man mit Einbruch der Dunkelheit aufbrechen wolle. Um Mitternacht langte man in der Nähe der Hazienda an. Diese sollte von allen vier Seiten umschlossen werden, dann sollten die Komantschen auf ein Zeichen ihres Häuptlings über die Palisaden steigen und innerhalb des Hofes das Haus umzingelt halten, während fünfzig Mann durch eines der Fenster in dasselbe eindrangen, um sich durch die Gänge zu verbreiten. Dann könne das Morden losgehen.

Während dies in den Ruinen des Tempels besprochen wurde, hielt man auch auf der Hazienda Kriegsrat.

»Ist Feuerwerk da?« fragte Büffelstirn. – »Ja, genug. Die Vaqueros können sich keinen Festtag ohne Feuerwerk denken«, entgegnete der Haziendero. »Warum?« – »Die Hauptsache ist, den Komantschen die Pferde zu nehmen, damit sie nicht so schnell entkommen können. Man muß sehen, wo sie ihre Tiere lassen, und im geeigneten Augenblick Feuerwerk unter sie werfen.« – »Das soll besorgt werden.« – »Aber es gehören kühne und vorsichtige Leute dazu.« – »Die habe ich. Wann fangen wir an, die Schanzen zu bauen?« – »Eigentlich war bestimmt, die Dunkelheit abzuwarten, da aber der Kundschafter so sehr befriedigt davongeritten ist, so glaube ich nicht, daß wir noch weiter beobachtet werden. Wir können also anfangen.«

Nun begann eine rege Geschäftigkeit. Es befand sich bei Anbruch des Abends kein Vaquero auf der Weide, wie zu anderer Zeit, sondern alle waren innerhalb der Palisaden bemüht, die Verteidigung des Hauses vorzubereiten.

So verging der Abend in lebhafter Erwartung, und eine Stunde vor Mitternacht brach der Apache auf, um auf Kundschaft zu gehen. Er nahm zwei wohlbewaffnete Knechte mit, die genug Feuerwerkskörper trugen, um eine Pferdeherde von tausend Stück in alle Winde zu zersprengen.

Der Häuptling kam sehr bald zurück, aber allein.

»Kommen sie?« fragte der Haziendero. – »Ja.« – »Wo sind sie?« – »Abgestiegen. Sie umzingeln die Palisaden, die Pferde stehen draußen am Bach.« – »Sind viele Wächter bei ihnen?« fragte Büffelstirn. – »Nur drei.« – »Uff! Unsere beiden Männer werden ihre Schuldigkeit tun.«

Jetzt begab sich der Haziendero nach der Krankenstube, wo die beiden Mädchen wie gewöhnlich bei dem Kranken saßen. Sie waren bleich, aber gefaßt.

»Kommen sie?« fragte Emma. – »Ja. Schläft der Patient?« – »Fest.« – »So könnt ihr auf euren Posten gehen. Nehmt die Lunten.«

Die Mädchen brannten sich Lunten an und eilten hinauf auf die Plattform des Hauses, wo an jeder Ecke ein großer, mit Öl getränkter Holzhaufen lag. Auch mächtige Steine und einige geladene Gewehre gab es da, um den Frauen Gelegenheit zu geben, bei der Verteidigung mitzuwirken.


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