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I.
Das Begriffspaar Objekt und Subjekt bildet seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den Mittelpunkt der Erkenntnistheorie, und ist trotzdem und trotz der übermenschlichen Anstrengungen der deutschen Philosophie nicht so klar herausgearbeitet worden wie das adjektivische Begriffspaar objektiv und subjektiv. Wobei nicht übersehen werden darf, daß das adjektivische Begriffspaar in keiner der modernen Kultursprachen so festen Boden gewonnen hat wie in der deutschen; bei uns gehört das adjektivische Begriffspaar völlig zur Gemeinsprache der Gebildeten, während es z. B. im Französischen eben erst anfängt, aus der Gelehrtensprache in den Sprachgebrauch der populären Wissenschaft überzugehen; in der sehr interessanten fünften Ausgabe des Dictionnaire de l'Académie française (von 1814; die neuen Worte seit dem Beginn der großen Revolution werden verschämt in einem Anhange mitgeteilt) ist subjectif noch gar nicht gebucht, objectif nur im Sinne des Objektivglases der Optik und außerdem in einer ganz veralteten theologischen Bedeutung. Dafür erinnert die französische Sprache viel deutlicher als die deutsche an die längst bekannte Tatsache, daß das substantivische Begriffspaar Objekt und Subjekt seinen Sinn, und zwar vollkommen im Lichte der historischen Zeit, ganz und gar umgetauscht hat, so daß wir Objekt nennen, was das Mittelalter und noch eine lange spätere Zeit Subjekt nannte, und umgekehrt. Eine Geschichte dieser auffallenden Begriffsvertauschung wäre nur in einer ausführlichen Monographie zu geben, die nach meiner Meinung das überraschende Ergebnis haben würde, daß diese Vertauschung nicht etwa mit dem Bewußtsein einer Umkehrung vorgenommen wurde, daß vielmehr das Wort objectum bis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts langsam in die Bedeutung des Außendings, das Wort subjectum ebenso langsam in die Bedeutung einer die Dinge wahrnehmenden Person hinüberglitt. Eine ungemein reiche Zusammenstellung der Daten zur Wortgeschichte findet man unter den Überschriften Objekt und Subjekt in dem »Wörterbuch der philosophischen Begriffe« von Eisler.
Ich möchte mich hier zunächst darauf beschränken, auf die Wichtigkeit hinzuweisen, welche die Grammatik für diese Unterscheidung der Grundbegriffe aller Erkenntnistheorie hatte; ich möchte die Aufmerksamkeit dahin lenken, zu untersuchen, ob nicht die junge Disziplin der Psychologie, da sie sich auch den alten Kategorien der Grammatik zuwandte, zu der Überzeugung kam und kommen mußte: was wir bisher (in der Sprache der Scholastik) als das allein Wahrnehmbare mit dem Worte subjectum bezeichnet haben, das ist im Grunde nur in unserm eigenen Ich vorhanden; wir wollen darum fortan dieses unser eigenes Ich, welches das allein unmittelbar Wahrnehmbare ist, auch fortan das alleinige subjectum nennen.
Die Bedeutung der Grammatik für die Vertauschung der beiden Begriffsinhalte erhellt vielleicht deutlich, wenn ich wieder den französischen Sprachgebrauch zu Hilfe nehme. Im Französischen kann heute noch das, was wir Gegenstand eines Gedankenganges nennen, sowohl mit sujet als mit objet ausgedrückt werden, und Littré hat Mühe gehabt, doch noch einen feinen Unterschied im Sprachgebrauche nachzuweisen: man nennt den Gegenstand eines Vortrags oder die Fabel eines Dramas gleicherweise sujet, würde aber die moralische These des Dramas doch eher als objet bezeichnen. Historisch läßt sich diese Differenz kaum begründen. Aber jeder französische Schüler wird in einem französischen Satze sehr leicht und sicher das Subjekt des Verbums vom Objekte des Verbums unterscheiden können. Es würde zu weit führen, wollte ich nachweisen, daß überall in unserem grammatischen Subjekt der Sinn des mittelalterlichen subjectum, also der des Gegenstandes steckt, von welchem eine Eigenschaft oder eine Wirkung ausgesagt werden kann.
Das Ich war also zum Subjekte geworden, für den Solipsismus das einzige Subjekt; mit der höchsten Wahrscheinlichkeit nimmt aber mein eigenes Ich an, daß die andern Menschen, welche unmittelbar nur Objekte meiner Wahrnehmung sind, an und für sich eben solche Subjekte sind wie ich; es gab also ebenso viele Subjekte auf der Welt als Menschen. Was mein Ich wahrnimmt, ist individuell subjektiv von dem Standpunkte des Innenlebens, ist objektiv insofern, als ich es als real voraussetze; was alle Menschen wahrnehmen, das ist allgemein subjektiv, vom innerlichen Standpunkte aus, und ist objektiv, insofern es die Menschen als real voraussetzen. Ich werde noch darauf zurückkommen und zeigen, daß unter der Herrschaft dieser erkenntnistheoretischen Anschauung die Sprache gut daran täte, die Bedeutungsinhalte des Begriffspaares abermals zu vertauschen, d. h. zu dem Sprachgebrauche der Scholastik zurückzukehren.
Ich möchte aber doch auch bemerken, daß die Grammatik nicht das letzte Wort gesprochen hat, daß von einer höheren Warte aus die Begriffe Subjekt und Objekt ineinander übergehen, so wie für den Luftschiffer Berg und Tal zu einer Fläche werden. Für den Schüler der Grammatik haben die beiden Sätze »ich sehe den Baum« und »ich fälle den Baum« eine ganz gleiche Struktur; in beiden Sätzen tritt zu dem aktiven Verbum als Ergänzung ein Ding, an welchem die Tätigkeit ausgeübt wird. Bei dem Wahrnehmungssatze »ich sehe den Baum« ist aber das Verhältnis zwischen Verbum und Objekt ein besonderes. Auch hierin hat die französische Sprache einen Rest des scholastischen Sprachgebrauchs bewahrt; sujet kann auch die Ursache einer psychischen Handlung bedeuten. Man nannte nun einst das Subjekt, man nennt heute allgemein das Objekt einer Wahrnehmung dasjenige vorausgesetzte Außending oder Außen-Etwas, das unsere Sinnesorgane oder unser Denken derartig beeinflußt, daß wir ein Etwas außer uns zu setzen uns für berechtigt halten. Nun haben wir aber durch Kant und seit Kant gelernt, daß das Objekt außer uns nicht fertig ist als ein Objekt, daß unsere spezifischen Sinnesenergien erst die Qualitäten hinzufügen oder formen oder doch ordnen, die wir an dem wahrgenommenen Objekte nachher objektiv wahrzunehmen glauben. Es ist also das, was wir objektiv nennen, erst recht subjektiv, allgemein subjektiv. Und der Satz »ich fälle einen Baum« ist ebenso gebaut wie der Satz »ich sehe einen Baum«, in einem ganz andern Sinne als ein Schüler der Grammatik sich träumen läßt.
Das Weltproblem, welches eigentlich seit Menschengedenken und neuerdings wieder seit dem Streite zwischen Idealismus und Realismus die Geister beschäftigt hat, das Problem nämlich, wie wir zu der Annahme von Objekten außer uns gelangen, – dieses immer ungelöste Problem scheint mir dadurch, daß wir die Objekte scharf als bloß die einen Bedingungen unserer Wahrnehmungen auffassen – während die andern Bedingungen in uns liegen – eine etwas veränderte Fragestellung zu gestatten. Subjekt und Objekt (nach dem heutigen Sprachgebrauch) gehören beide der unwirklichen, der substantivischen Welt an; und gerade das Adjektivische an den Objekten, das Wirkliche, ist für uns subjektiver Natur geworden. Ist aber das Objekt die Bedingung oder die Ursache für die Betätigung von Kräften, so scheint jetzt die neue Fragestellung möglich: auf welcher Stufe der Reihe von Objekten (die wir dabei naiv als wirklich voraussetzen) sind diese Objekte Ursachen einer Betätigung von Kräften? Ich meine das so: für das Tier sind gewiß Objekte da, noch viel realer vielleicht als für den philosophierenden Menschen; es ist aber fraglich, ob für die Pflanzen, für die Stoffe oder gar für die mechanischen Kräfte die Bedingungen oder Ursachen, die sie zu einer Tätigkeit reizen, als Objekte vorhanden sind. Ich weiß, daß ich da von Wort zu Wort mit dem realistischen und idealistischen Standpunkte gewechselt habe; aber ich vermag im Banne der Sprache die Frage nicht anders zu stellen. Und kann sie natürlich nicht beantworten.
Ich kann nur auf einen wunderlichen Umstand hinweisen. Wir nehmen Objekte wahr; wir sind darum nicht gewöhnt, den Außendingen, welche selbst nicht menschlich wahrnehmen können, die Bedingungen ihres Wirkens wieder als Objekte zuzuweisen. Aber das Wahrnehmen gehört ja gar nicht zu unserer substantivischen Welt; es gehört der verbalen Welt an, die wir auch die Welt der Veränderungen nennen können; und diese verbale Welt verbindet – wir wissen nicht wie – die substantivische Welt der Subjekte, von welcher wir eigentlich nur unser Ich kennen, mit der Welt der Objekte, die unsere adjektivische Welt ist, unsere, weil wir sie schaffen helfen, und dennoch die Welt der Wirklichkeit.
II.
In unserem Sprachgebrauch ist das Wort subjektiv so häufig und wird namentlich von Männern der gelehrten Stände so zuversichtlich gebraucht, daß man glauben sollte, es ließe sich etwas Bestimmtes dabei denken. Der Arzt sagt z. B., der Kranke befinde sich subjektiv besser, objektiv aber habe die Krankheit sich verschlimmert. Der Jurist spricht von dem subjektiven Ermessen des Richters, das durch objektive Regeln eingeschränkt werden müsse. Ließe man den Gegensatz der beiden Fremdwörter fort, so würde sich vielleicht bald herausstellen, daß ein Gegensatz gar nicht vorhanden sei. Bei dem Kranken liegt die Sachlage so, daß zugleich die Schmerzen nachgelassen haben und die Zerstörung des Organismus fortgeschritten ist; beides ist Wirklichkeit und insofern nach unserm Sprachgebrauch objektiv. Ebenso ist das subjektive Ermessen des Richters ein relativer Begriff; nur im Verhältnis zu der Handgreiflichkeit der geschriebenen Rechtsregel nennt es der Sprachgebrauch subjektiv, wenn der Richter sich von der ungeschriebenen Sittenregel allein leiten läßt.
Wem solche Beispiele aus dem alltäglichen Leben klar gemacht haben, daß das Wort subjektiv sehr oft unklar und fast nur wie eine Arabeske gebraucht wird, der wird nicht so sehr darüber erstaunen, daß dasselbe Wort auch in seiner Anwendung bei philosophischen Schriftstellern oft wenig oder nichts bedeutet.
Nun ist ein Wort, welches in seiner Bedeutung so herumspringen kann von einem Pol zu dem entgegengesetzten, sicherlich verdächtig. Wenn es möglich wäre, daß eines Tages links bedeuten könnte, was bisher rechts geheißen hat, daß plötzlich oben bedeuten könnte, was bisher unten geheißen hat, so würden wir alle Orientierung in der Welt verlieren. Aber wir erinnern uns, daß in der Geschichte der Sprache verwandte Erscheinungen vorkommen. In verschiedenen Dialekten sind sogenannte Sprachwurzeln zu entgegengesetzten Bedeutungen auseinandergetreten. Dieselben Laute, die in den germanischen Sprachen das Kältegefühl bezeichnen ( kalt), sind in romanischen Sprachen das Zeichen für ein Wärmegefühl ( caldo). Wir können vielleicht doch annehmen, daß es eine Zeit gegeben hat, in welcher diese Silbe noch in unbestimmter Weise bloß die Tatsache einer Änderung der Temperatur aussagte. Wie wäre es, wenn wir daraus den Schluß zögen, daß unser schönes Wort subjektiv sich noch wie Adam vor dem Sündenfall in dem Stande der Unschuld befinde, wo es ganz unklar irgendeine Beziehung zwischen dem Einzelmenschen und dem Weltganzen bezeichnet?
Der Übergang von der alten in die neue Bedeutung ebenso wie der Doppelsinn im Französischen mag damit zusammenhängen, daß das mittelalterliche Wort subjektiv das Substrat unseres Denkens, zugleich aber schon damals in der Grammatik die denkende Person selbst bedeutete, das Subjekt des Satzes. Der Übergang wäre aber ganz gewiß nicht erfolgt, wenn nicht vor etwa 200 Jahren sich langsam die Überzeugung Bahn gebrochen hätte, daß unsere Kenntnis von der Wirklichkeitswelt gar nicht unmittelbar bis an die Dinge selbst herantritt, sondern sich auf unsere Sinnesempfindungen beschränkt. Was wir heute das Objekt unseres Denkens nennen, das Substrat unseres Denkens, wurde also erkannt als etwas, was sich innerhalb unserer Haut, in unserm Gehirn, in jeder Einzelperson abspielt, und so konnte es kommen, daß das Wort subjektiv, das sich früher auf die Wirklichkeitswelt bezog, auf die Außenwelt also, später auf die Innenwelt allein bezogen wurde.
Lassen wir aber die Geschichte des Wortes beiseite und sehen zu, ob die neue Bedeutung wenigstens einen klaren und festen Sinn habe.
Was ist denn eigentlich das, was wir subjektiv nennen? Es gibt seit Berkeley Metaphysiker, welche das Weltganze einen Traum des Menschengeistes, eine Phantasie nennen, also etwas Subjektives. Dann aber, wenn überhaupt nichts auf der Welt vorhanden ist als unser Gehirn, oder vielmehr – da wir auch von unserm Gehirn nur unsere Vorstellung haben – nichts als unsere Vorstellungen, so fällt für diesen traumartigen Idealismus das Subjekt wieder mit dem Objekt zusammen und wir können den mittelalterlichen Sprachgebrauch wieder aufleben lassen. Glauben wir aber an eine objektive Wirklichkeitswelt, an ein unerkennbares Ding-an-sich, so sind für uns unsere Vorstellungen subjektiv, und in diesem Sinne dürfte das Wort gegenwärtig von den meisten Schriftstellern gebraucht werden, wobei gewöhnlich übersehen wird, daß unser gesamtes Denken auf unsere Vorstellungen zurückgeht, also unser gesamtes Denken zu etwas Subjektivem wird, daß unser Denken aber mit der Sprache zusammenfällt, daß also eigentlich von der modernen Weltanschauung die Sprache als subjektive Erkenntnis dem unerkennbaren Objekt, dem Ding-an-sich entgegengestellt wird. In diesem Sinne nennen wir heutzutage die Farben des Regenbogens und die hörbaren Töne der Musik subjektiv, sind aber geneigt, die nachweisbaren Schallwellen und die ausgerechneten Lichtwellen, die zugrunde liegen, objektiv zu nennen. Da aber diese Schallwellen und Lichtwellen doch nur wieder am letzten Ende durch unsere Sinne zu unserm Bewußtsein kommen, also im Verhältnis zum unerkennbaren Ding-an-sich wieder subjektiv sind, stellt sich sofort auch diese Subjektivität als ein relativer Begriff heraus.
Ich hoffe, es führt uns dieser Gedanke zu den Beispielen zurück, mit denen ich diesen Abschnitt begonnen habe. Dort stellte es sich heraus, daß der praktische Jurist, der praktische Arzt eine Wahrnehmung, ein Urteil je nach seinem Standpunkte, also doch eigentlich nach dem jeweiligen Interesse, subjektiv oder objektiv nennt. Und jetzt sehen wir, daß auch der abstrakteste Gebrauch des Wortes von einem relativen Maßstabe abhängt. Aus dieser unklaren Empfindung heraus mag es gekommen sein, daß das Wort subjektiv nun wieder einen neuen Sinn bekam, in welchem wir es alle gebrauchen, abermals im Gegensatz zu objektiv; und diese neue Bedeutung fließt störend und verwirrend mit der eigentlich philosophischen Bedeutung zusammen. In dieser philosophischen Bedeutung bezeichnet subjektiv das auf Sinnesempfindungen beruhende Wesen unseres Denkens, bezeichnet es also unsere gesamte Erkenntnis im Gegensatz zum Unerkennbaren; in der neuen Bedeutung bezeichnet subjektiv das persönliche Empfinden und Denken eines Einzelmenschen im Gegensatz zu dem Empfinden und Denken, in welchem alle Menschen, soviel wir wissen, übereinstimmen. Einmal bedeutet subjektiv unsere Empfindung von den Farben im Gegensatz zu den Lichtwellen der Wissenschaft; das andere Mal bezeichnet dasselbe Wort subjektiv die Empfindung z. B. eines Pariser Malers und seiner Nachahmer, die den Schatten violett sehen, im Gegensatz zu der allgemeinen Empfindung, die denselben Schatten grau sieht.
Der Ursprung und Ausgangspunkt dieser Sprachverwirrung liegt offenbar darin, daß die Sicherheit und Festigkeit unseres Denkens in dem Augenblicke zu schwanken begann, da die Wirklichkeitswelt als etwas außer uns verloren zu gehen schien und als eine reine Vorstellungswelt erkannt wurde, als etwas in uns. Konnte ich die Existenz des Baumes da draußen nicht mehr nachweisen, besaß ich von diesem Baume da draußen nichts weiter als die Sinneseindrücke in mir, als die Daten oder Angaben, welche das Gesicht und der Tastsinn auf meiner Nervenbahn in mein Gehirn schickt, so hörte die objektive Gewißheit auf; so wie die Welt zu einem Produkt des Menschengehirns wurde, wurde sie auch eigentlich das Produkt des Einzelgehirns. So mußte es dahin kommen, daß das Wort subjektiv sowohl die gewissermaßen objektive Vorstellung von der Welt als die ganz und gar unzuverlässige subjektive Vorstellung des Einzelnen bedeutete. Das Wort hat also folgenden Entwicklungsgang genommen. Subjektiv bedeutete im Mittelalter die Außenwelt im Gegensatz zur Innenwelt. In den modernen Sprachen bedeutet subjektiv – in Nachahmung der deutschen Terminologie – die allein erkennbare Innenwelt. Nun aber soll es gar die Innenwelt bedeuten, insofern sie ein Bild der Außenwelt ist, und gleichzeitig doch wieder die Innenwelt, insofern sie kein Bild der Außenwelt ist. Und fast immer, wenn das Wort subjektiv ernsthaft von unsern Denkern gebraucht wird, könnten wir noch eine dritte, vielleicht die künftige Bedeutung des Wortes feststellen: es bezeichnet unsere Innenwelt, insofern wir ihre Übereinstimmung mit der Außenwelt nicht beweisen können, insofern wir nicht sagen können, ob sie subjektiv oder objektiv sei. (Vgl. Art. Relation.)
Aus diesem Wirrsal kommen wir nicht heraus, wenn wir die Worte subjektiv und objektiv noch weiter gebrauchen wollen. Freilich werden wir uns sagen, daß gerade die feinsten Begriffe unseres Denkens in ähnlicher Weise gefährlich sind, daß also das sogenannte philosophische Denken auf sein Handwerkszeug verzichten, also verstummen müßte, wollte es sich unbedingte Klarheit zum Gesetz machen. Ist alles Denken nur auf Vorstellungen gegründet, so kann es die Wirklichkeitswelt nie erfassen. Das wissen wir und haben uns resigniert damit abgefunden; wir sind schon zufrieden, wenn unser Denken eine gewisse Ordnung bringt in unsere Vorstellungen von der unerkennbaren Außenwelt. Wenn aber unser Denken auch noch in dem Sinne subjektiv ist, daß es die Eindrücke unseres Einzelgehirns unkontrollierbar durcheinanderwebt, dann ist es nicht mehr wert als der Traum eines Kindes oder als das Gerede eines Wahnsinnigen.
Hier aber kommt uns plötzlich das Wesen der Sprache zu Hilfe, die wir bisher als ein so verächtliches Handwerkszeug der Welterkenntnis kennen gelernt haben. Wir wissen, daß die Sprache im Einzelmenschen gar nicht entstehen konnte, daß sie etwas zwischen den Menschen ist. Das Kind kann seinen Traum mitteilen, der Traum aber war individuell, ihm allein gehörig, er war nicht etwas zwischen ihm und den andern; das Gerede des Wahnsinnigen kleidet sich in menschliche Sprache, aber es ist nicht wirkliche Sprache, es ist nicht etwas zwischen ihm und den andern, es gibt (soweit Wahnvorstellungen in Betracht kommen) nichts Gemeinsames zwischen Wahnsinnigen. Die menschliche Sprache aber ist etwas zwischen den Menschen, ist zugleich die Empfindung davon und der Beweis dafür, daß sie ähnliche Sinnesempfindungen haben, daß ihre Vorstellungen ungefähr gemeinsam sind, daß also ihrer höchst subjektiven Innenwelt, d. h. den Sinneseindrücken jedes Einzelnen, eine gemeinsame subjektive Innenwelt zugrunde liegt, und dieser gemeinsamen Innenwelt wahrscheinlich eine einheitliche Außenwelt.
So brauchen wir nicht zu fürchten, daß die Begriffe außen und innen sinnlos geworden seien, weil das Wort subjektiv bald das eine, bald das andere bedeutet hat und noch bedeutet. Dieses Wort selbst aber sollten wir jedesmal, wenn wir es lesen oder selbst gebrauchen, nach seiner Herkunft fragen; es ist ein verdächtiges Wort.
Ich habe schon kurz angedeutet, daß es der gegenwärtigen Erkenntnistheorie recht gut entsprechen würde, wenn wir uns entschließen könnten, das Begriffspaar objektiv und subjektiv wieder in dem scholastischen Sinne zu gebrauchen, ungefähr wenigstens. Subjektiv würde dann bezeichnen, was irgendein wirklicher Gegenstand (objectum) unserer Vorstellungen ist; objektiv würde das Gedankending heißen, das wir ohne Beweis, nur in unserer Phantasie als die Ursache des allein Wirklichen voraussetzen. Es ist nicht anders: der Bedeutungswandel der beiden Worte hat seit der Scholastik zu ihrer vollständigen Umwechslung geführt, so daß wir die scholastischen Sätze, welche die Worte enthielten, ohne Beachtung der Wortgeschichte gar nicht verstehen zu können glaubten; und dennoch hat die psychologische Entwicklung der Erkenntnistheorie seit etwa 200 Jahren uns dahin gebracht, daß wir den Rücktausch der Begriffe vornehmen könnten. Wir sollten aus diesem immerhin ungewöhnlichen Falle wenigstens das Eine lernen: daß die beiden Begriffe subjektiv und objektiv Worte der Psychologie sind, sich beide auf unsere Innenwelt beziehen und nur fälschlich nach einer Beziehung auf außen und auf innen unterschieden worden sind.