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Sechstes Kapitel.

Ist sehr belehrend und handelt mit großer Gelehrsamkeit von den verschiedenen Sinnen und von »Menschennatur«; verbreitet sich auch über die beste Methode, einen Moralphilosophen zu bilden. – Kurz, es enthält Materialien zum Bau eines ganzen Systems und eines halben Dutzends von Theorien, wie dergleichen Dinge heutzutage gemacht werden.

Nachdem mir Marie Stapleton das Geheimniß anvertraut hatte, war ich ziemlich begierig, wie sich ihr Vater benehmen würde; aber als wir eine Zeitlang mit einander geplaudert hatten, und es ihm gar nicht schwer zu fallen schien, auf jede Bemerkung zu antworten, die in gewöhnlicher Stimme an ihn gerichtet wurde, sagte ich, er wäre doch nicht so taub, als ich geglaubt hätte.

»Nein, nein,« erwiederte er, »im Hause höre ich sehr gut; aber in der freien Luft höre ich schon auf zwei Schritte Entfernung nichts mehr. Im Freien mußt du mir immer nahe an's Ohr sprechen, aber nicht laut, dann höre ich dich prächtig.«

Ich holte einen lächelnden Blick aus Mariens blauem Auge und gab keine Antwort.

»Dieser Frost wird anhalten, wie ich fürchte,« fuhr Stapleton fort, »und wir werden einige Tage nichts zu thun haben, als in die Hände zu hauchen und unsern Verdienst dran setzen; aber 's gibt nie viel zu thun um diese Jahrszeit. Der Winter thut uns Fährleuten entsetzlich Abbruch. Was mich betrifft, so rauche ich meine Pfeife und denke über Menschennatur nach; aber was du thun sollst, Jacob, das weiß ich nicht.«

»O, er lehrt mich lesen und schreiben,« sagte Marie.

»Wüßte nicht warum?« versetzte Stapleton. »Wozu lesen und schreiben? Wir haben, meine ich, schon zu viel Sinne; wenn wir nun gar noch Gelehrsamkeit dabei hätten, so wäre es ja noch schlimmer.«

»Wie viel Sinne gibt's denn, Vater?«

»Wie viele! das kann ich dir nicht sagen, aber mehr als genug, um uns von Sinnen zu bringen.«

»Es gibt, glaube ich, nur fünf,« sagte ich; »da ist erstens das Gehör

»Nun,« versetzte Stapleton, »hören kann zuweilen von Nutzen sein, aber nicht hören ist oft noch besser. Ich verdiene zweimal so viel Geld, seitdem ich den besten Theil meines Gehörs verloren habe.«

»Gut, und dann haben wir das Gesicht,« fuhr ich fort.

»Sehen ist bisweilen nützlich, das gebe ich zu; aber das weiß ich, wenn Einer ein junges Paar aufm Strom auf- und abrudern kann und zu Zeiten im Stande ist, auch nicht zu sehen, daß dann manche halbe Krone in seine Tasche fällt.«

»Gut, nun kommen wir an den Geschmack

»Taugt gar nichts, ist nur 'ne Qual. Wenn der Geschmack nicht wäre, so wäre es uns gleich, ob wir schwarz Brod oder Braten äßen, ob wir Wasser oder Doppelbier tränken; und in diesen schweren Zeiten würden wir dadurch unendlich viel ersparen.«

»Nun dann, wie steht's mit dem Geruch

»Der Geruch taugt wieder zu gar nichts auf der Welt. Für Einen guten Geruch am Strome, gibt es zehn garstige; und so ist's überall, so viel ich weiß.«

»Was ist der nächste Sinn, Jacob? fragte Marie mit einem schlauen Lächeln.

»Das Gefühl

» Fühlen, das ist der schlimmste Sinn von allen. Im Winter fühlen wir's immer zu kalt, und im Sommer zu heiß – und 'nen Schlag fühlen wir auch. Fühlen macht nur Schmerz; – das ist 'en ganz fataler Sinn.«

»Nun, so würden wir wohl ohne Sinne besser fahren?«

»Nein, ganz können wir sie nicht entbehren. Ein wenig hören und ein wenig sehen ist ganz gut; aber's gibt noch andere Sinne, die du vergessen hast, Jacob. Unterm ganzen Bündel, meine ich, ist der beste das Rauchen

»Ich habe nie gehört, daß das ein Sinn wäre,« versetzte ich lachend.

»Dann hast du deine Erziehung noch nicht halb vollendet, Jacob.«

»Sind Lesen und Schreiben auch Sinne, Vater?« fragte Marie.

»Das versteht sich, Mädchen, denn ohne Sinne könntest du nicht lesen und schreiben; und Rudern ist auch ein Sinn; und's gibt noch eine Menge andere Sinne; aber nach meiner Meinung sind die meisten Sinne Unsinn, und führen zu nichts, als zum Verderben.«

»Jacob,« sagte Marie, mir in's Ohr flüsternd, »ist Liebe auch ein Sinn?«

»Nein, das ist ein Unsinn,« versetzte ich.

»Nun gut.« erwiederte sie, »ich stimme meinem Vater bei, daß Unsinn besser ist. als Sinn; aber immer sehe ich noch nicht ein, warum ich nicht lesen und schreiben lernen soll, Vater.«

»Ich habe es in meinem Leben nie gekonnt, und noch nie ein Bedürfnis darnach verspürt. – Warum sollst du's nicht auch entbehren können?«

»Weil ich ein Bedürfniß darnach verspüre.«

»Nun, du kannst's lernen, aber's führt zu nichts Gutem. Sieh einmal diese Burschen in den Federn, alle waren glücklich, ehe Jim Holder kam, der ein Gelehrter ist, und nun seit der ihnen vorliest, thun sie nichts mehr als brummen und murren und räsoniren, ich weiß nicht über was Alles – über Korngesetze, Steuern und Freiheit und allen übrigen Unsinn. Nun, was könntest du denn weiter, als du jetzt kannst, wenn du lesen und schreiben lerntest?«

»Ich könnte mich unterhalten, Vater, so oft ich nichts zu thun habe, wenn Ihr und Jacob fort sind. Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, sitze ich oft auf meinem Stuhl und denke, was soll ich jetzt thun, und zuletzt sehe ich zum Fenster hinaus und schneide Gesichter gegen die Leute, weil ich nichts Besseres weiß. Ja, Vater, Ihr müßt ihm erlauben, daß er mich lesen und schreiben lehrt.«

»Nun, Marie, wenn du willst, so willst du; aber merk' dir's, daß du mir keinen Vorwurf machst – ich nehm's nicht auf mich, 's kommt auf dein Gewissen. Ich lebe jetzt etliche vierzig oder fünfzig Jahre in der Welt, und all mein Unglück kam davon her, daß ich zu viele Sinne hatte, während das Glück anfing, als ich sie über Bord warf.«

»Ich wollte, Ihr würdet mir erzählen, wie das kam,« sagte ich: »ich möchte Euch gar zu gern zuhören, und für Marien wär's auch eine Lektion.«

»Nun, 's liegt mir nichts d'ran, Jacob, nur muß ich meine Pfeife zuerst anzünden, und du, Marie, geh' fort und hole einen Krug Bier.«

»Laßt den Jacob gehen, Vater. Ich habe mir's in den Kopf gesetzt, daß er jetzt meine Gänge machen soll.«

»Du darfst den Jacob nichts heißen, Marie.«

»Nein, nein – heißen will ich ihn nichts, aber ich weiß, daß er's thut – nicht wahr, Jacob?«

»Ja, mit Vergnügen,« versetzte ich.

»Nun, dann habe ich gar nichts dagegen, vorausgesetzt, daß es aus Liebe geschieht,« sagte Stapleton.

»Natürlich aus Liebe,« meinte Marie mit einem Blicke auf mich, »oder um's Latein, Jacob?«

»Was ist Latein?« fragte ihr Vater.

»Ah! das ist ein neuer Sinn. Jacob hat mir schon was davon beigebracht, was sich wie so viele andere Sinne als Unsinn erwiesen hat.«

Ich ging nach dem Biere fort; als ich zurückkehrte, flackerte das Feuer lustig und der alte Stapleton hatte einen gewaltigen Rauch sinn entwickelt. Er puffte einige Mal und begann dann, die Pfeife aus seinem Mund nehmend, folgendermaßen:

»Ich kann nicht genau sagen, wann und wo ich geboren wurde, denn ich fragte Vater und Mutter nicht, und sie sagten mir's nicht, von wegen weil ich sie nicht fragte, und das ist ganz der Menschennatur angemessen.«

Hier unterbrach sich Stapleton mit drei Zügen aus der Pfeife. »Ich erinnere mich, als ich ein kleiner Balg von zwei Fuß Höhe war, pflegte mich meine Mutter den ganzen Tag lang herumzupuffen, und ich pflegte in gleichem Maße zu heulen. Der Vater sprach dann von Sünd' und Schande, worauf die Mutter auf ihn darstürzte und er sie wacker durchwalkte. Sie setzte sich dann in einen Winkel und flennte in ihre Schürze hinein, während ich in einem andern stand und meinem Geiferlätzchen die gleiche Ehre erwies. Das war Alles nichts als Menschennatur.«

Eine Pause und sechs oder sieben Züge aus der Pfeife.

»Ich wurde in eine Kleinkinderschule geschickt, damit man meiner Person und meiner Streiche los würde. Dort lernte ich ruhig auf der Bank sitzen und das Maul halten; nebenher vertrieb ich mir die Zeit damit, daß ich meine Daumen um einander drehte und nach den Mücken gaffte, die zur Sommerszeit in der Stube herumsummten, und Winters, von wegen weil es da gar keine Mücken gibt, sah ich der alten Schulmeisterin zu, wie sie ihre Strümpfe strickte, und dachte, wie lange es noch anstehe, bis ich heim dürfte und mein Mittagessen bekäme, was bei einem Kind nicht als Menschennatur war. (Puff, puff, puff.) Vater und Mutter wohnten in einem Souterrain; Mutter verkaufte Kohlen und Erdäpfel, und Vater ging in's Taglohn auf die Barken. Wie ich's Alter hatte, ließ die Schulmeisterin dem Vater sagen, ich müßte jetzt lesen und schreiben lernen, und das mache drei Pfenninge die Woche, deshalben nahm mich mein Vater aus der Schule, von wegen weil er dachte, ich habe jetzt genug Erziehung gehabt, und Mutter setzte mich auf einen umgestürzten Korb, auf welchem ich Acht geben sollte, ob Niemand nichts nehme, so lange sie unten zu thun hatte. Und da saß ich den langen lieben Tag, hütete die Kohlen und Erdäpfel, und sprach mit Niemanden ein Sterbenswörtchen. Weil ich nichts Besseres zu thun hatte, dachte ich dann über dieß und das, und wenn das Essen fertig sein würde und ich von meinem Korb hinunter dürfte; den ihr müßt wissen, Denken ist wieder ein Sinn, und wenn einer nichts zu thun und nichts zu sagen hat, so ist Denken nicht mehr als Menschennatur. (Puff, puff, und eine Pfeife für einen Trunk Bier.) Mit der Zeit wurde ich ein starker dicker Junge, und Mutter sagte, ich esse zu viel, weßhalb ich irgendwie mein Brod selber verdienen müsse, und Vater sagte ohne Weiteres Ja dazu. Aber da war eine kleine Schwierigkeit, wie das zu machen sei; und bis man die heben konnte, that ich eine Zeitlang wieder nichts, als Kohlen und Erdäpfel hüten, wie vorher. Da gab mir einmal Mutter nicht genug zu essen, und ich nahm mir was zum Schnabeliren, derowegen sie mir steckte, und weil ich stark war, steckte ich ihr wieder. Sobald übrigens der Vater nach Hause kam, gab er mir's tüchtig heim. Nun aber nehme ich den Weg unter die Füße, laufe so eine Meile vor mich hin, und denke noch immer nicht daran, wie ich mich durchschlagen wolle, bis ich müd' und hungrig werde und mich ganz unglücklich fühle. (Puff, puff, puff, und ein Akt des Ausspuckens.) Ich laufe fort und fort; endlich kommt eine Kutsche und ich sitze hinten auf; der Kutscher gibt mir Eins mit der Peitsche, worauf ich stracks hinunter springe und in die Straße falle, und ehe ich wieder aufstehen kann, kommt ein Herr in 'nem Gig – das Rad geht über mich hinüber und zerbricht mir den Fuß. Ich schreie vor Schmerzen, und wenn ich den Sinn des Fühlens nicht gehabt hätte, wäre mir das nicht eingefallen. Er hält, steigt aus und fragt mich, ob mir's weh thue, und ich sag: ja. Sein Bedienter holt Leute und die tragen mich in ein Wirthshaus, wo sie mich auf einen Tisch zwischen lauter Bierkrüge legen und einen Doktor holen, der mich auf's Bett legt und mir den Fuß wieder einrichtet. Da war ich denn auf wenigstens sechs Wochen versorgt, und der Herr kam allemal und fragte mich, wie mir's gehe, und ich sagte so so, la la, Dank der gütigen Nachfrage.« Puff, puff – die Asche wird ausgeklopft, die Pfeife wieder eingefüllt, angezündet und ein Trunk gethan; dann geht es weiter. »Wie ich geheilt war und wieder auf den Füßen stand, sagte der Herr: ›Was kann ich für dich thun?‹ Der Wirth aber unterbrach ihn und sagte, er brauche einen Krugjungen, und ob ich nicht Lust zur Profession habe. Nun, die Krüge liebt' ich nicht, aber die Züge, und da ich zu Haus nichts unter die Zunge hatte, so sagte ich ja. Der Herr bezahlt die Zeche, gibt mir eine halbe Guinee in die Tasche und sagt mir, ich soll ein anders Mal nicht mehr mitten in die Straße hineinliegen. Ich sage ja, ich wolle es nicht mehr thun, und er springt in seinen Gig, und ich hab' ihn seither mit keinem Aug' mehr gesehen. Drei Jahre blieb ich bei meinem Herrn, trug Bier zu seinen Kunden und that allemal auch einen Zug aus dem Kruge, denn das ist nichts als Menschennatur, wenn einem so was schmeckt, aber ich verderbte es nie bei meinem Meister, bis ich einmal meine Meisterin in der Hinterstube mit meinem Musterkartenreiter schön thun sah. Ich schwieg lange, aber wie ich endlich zu viel sah, sage ich's meinem Herrn. Der wird zornig, läuft zu seinem Weibe hinein, bleibt eine halbe Stunde bei ihr, kommt heraus, wirft mich vor die Thüre, schilt mich einen Lügner und sagt, ich solle mich nie mehr vor ihm blicken lassen. Ich werfe ihm einen Krug an den Kopf, und zeigte ihm was anderes als mein Gesicht, denn ich nehme Fersengeld und laufe so schnell mich meine Füße tragen können. So viel vom Sehen; hätte ich nicht gesehen, so wäre das nicht passirt. Jetzt war ich also wieder mein eigener Herr, und gute Nacht Krüge und Züge! (Puff, puff; ›Marie, wo ist mein Pfeifenstopfer?‹ – Niedergedrückt – puff, puff – ausgespuckt und fortgefahren.) »Gut, ich gehe nach London, denke an Männer und Weiber, Bier und Menschennatur, bis ich drinn bin, sehe aber nichts, als brennende Ampeln, und da fällt mir ein, daß ich kein Nachtlager habe. Jetzt denk' ich plötzlich wieder an Vater und Mutter, und wie es ihnen wohl gehen möge. Und ich denk', ich will einmal hin und sehen, nehme den Weg unter die Füße, komme an den Kohlenkeller und gehe hinunter. Da sitzt meine Mutter bei einem Krüglein Wachholder und steht auf, läuft auf und ab, und flennt. Und ich sage, Mutter, was fehlt Euch?« Und sie springt auf und fällt mir um den Hals, und nennt mich den einzigen Trost, der ihr geblieben sei. Ich schiele nach dem Krüglein und denke, ich müsse nicht der einzige Trost sein. Und ich setze mich zu ihr hin, und sie schüttet mir ein Glas ein, und schüttet ihr Herz aus, und erzählt mir, wie mein Vater sie verlassen habe und einem andern Weibsbild nachgelaufen sei, das einen andern Kohlenkeller in einer andern Straße habe, und wie sie sehr unglücklich sei, und wie sie zum Wachholder ihre Zuflucht nehme, was nichts anderes war, als Menschennatur, wie Ihr seht – und wie sie meine, daß es aus mit ihr sei; und dann holte sie noch mehr Krüglein, und mit diesen war es auch bald aus. War es die Freude, mich zu finden, und der Schmerz, meinen Vater zu verlieren und die Krüglein Wachholder – kurz, sie legte sich betrunken nieder und fiel in einen festen Schlaf. Und das that ich auch, und dachte, Heimath ist eben doch Heimath. Am nächsten Morgen übernehme ich das Geschäft und finde, daß der Handel eben doch nicht so übel ist; und so nehme ich die Leitung des Ganzen über mich, führe die Kasse, halte meine Mutter zur Ordnung an, und leide kein Trinken und kein Unwesen im Hause, aber jeden Abend gehe ich in die Schenke und rauche meine Pfeife und trinke mein Bier.

»Gut; einen Monat lang geht das Ding ganz prächtig. Wer kommt da auf einmal in's Haus? – Niemand anders, als mein Vater; und das konnte ich nicht leiden, von wegen weil ich Herr sein wollte. Ein kecker Bursche, wie ich war, sage ich zu ihm, wenn Ihr gekommen seid, um meine Mutter zu mißhandeln, so werf' ich Euch zum Haus hinaus, Vater. Macht Euch zu Eurem neuen Weib. Schämt Ihr Euch nicht vor Euch selbst? sage ich. Der Vater begehrt auf und sagt, ich solle mich meiner Wege scheren, oder er wolle mich tranchiren, wie eine Katze; und dann läuft er zu meiner Mutter, und nach einer halben Stunde, während welcher sie schluchzt und er streichelt, küssen sie sich und schließen Frieden: und dann geht's auf mich los, und beide heißen mich zum Henker gehen, und ich solle mich nicht mehr vor ihnen blicken lassen. Ich sperre mich; der Vater stürzt auf mich dar, und da ihm die Mutter hilft, so nehmen sie mich in die Mitte und stoßen mich zum Keller hinaus, gutem Sprüch: ›Da suche dein Brod, wie und wo du kannst.‹ Habe seither keines Weibes Partei mehr genommen. (Puff, puff, puff, und ein tiefer Seufzer.) Ich gehe an's Wasser, und weil ich ein paar Schillinge in der Tasche habe, so wand're ich in ein Wirthshaus, um einen Tropfen zu trinken, und ein Bett zum Schlafen zu bekommen. Und wie ich hineinkomme, sehe ich Jemand der Wirthin eine Note zum Wechseln geben, und sie gibt ihm 'raus. ›Reicht nicht,‹ sagt er – er war ordentlich angetrunken – ›Ich gab Euch eine Zehnpfundnote und dieser Bursche da ist Zeuge.‹ – ›'s war nur 'ne Einpfundnote,‹ sagte das Weib. ›Ihr seid eine verfluchte alte Hexe,‹ sagt er, ›und wenn Ihr mir mein Geld nicht herausgebet, so zünde ich Euch das Haus über dem Kopfe an und verbrenne Euch lebendig.‹ Jetzt war Feuer im Dach; er holt einen Polizeidiener und läßt sie verhaften; auch ich werde als Zeuge mitgenommen, und sie läßt ihn arretiren, und so geht's mit uns Allen auf die Wachstube, wo wir auf der Pritsche schlafen müssen. – Am nächsten Morgen geht's vor's Amt, der Mann erzählt seine Geschichte und ruft mich als Zeugen aus; aber weil mich das Sehen schon so viel gekostet, so will ich einmal nicht sehen, 's mag eine Zehnpfundnote gewesen sein, sie sah wenigstens nicht aus, wie 'ne Einpfundnote; aber meine Aussage zeugte mehr für als gegen das Weib, denn ich sagte nichts, als der Mann sei betrunken gewesen; und sie wurde frei gelassen, und ich ging mit ihr heim. Da sagt sie: ›Du bist ein artiger Bursche, und ein Dienst ist des andern werth. Mein Mann ist ein Schiffmann, und ich will dich auf dem Strom einschreiben lassen; denn er hat keinen Lehrling, und du kannst an's Land kommen und im Wirthshaus bleiben, wenn man dich nicht braucht.‹ Ich sprang vor Freude in die Höhe und sagte ja. Und so bekam ich ein sicheres Brod durch's Nichtsehen. Nun, wie gefällt dir dies, Jacob?«

» Gar nicht übel,« erwiederte ich.

»Und du, Marie?«

»O mir gefällt's ganz gut; aber bitte, Vater, macht fort, ich möchte so gern hören, wie Ihr Euch verliebtet und meine Mutter heirathetet.«

»Ihr sollt Alles hören, aber nur eins nach dem andern, ich muß auch einmal ausschnaufen.


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