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Siebentes Kapitel.

Das Geheimniß wird immer anziehender, und ich fasse den Entschluß, es ausfindig zu machen. – Indem ich nach eingeschlossenen Gegenständen fahnde, werde ich selbst eingeschlossen. – Fleming führt den Beweis, daß er mir einen guten Rath gab, als er mir empfahl, schwimmen zu lernen.

Bei unserer Ankunft am Medway war ich gerade zu Bett gegangen und kleidete mich aus, als ich Fleming auf das Verdeck kommen und das Boot niederlassen hörte. Ich sah durch die Lücke; es war sehr finster, aber doch konnte ich bemerken, wie ihm Marables den Sack und das Taschentuch hinabbot, mit welchem er an's Land fuhr. Es war bereits lichter Tag, als er zurückkam. Ich traf ihn, wie er eben an Bord stieg. »Du hast mich ertappt, Jacob; sagte er. »Ich war am Lande bei meinem Liebchen; aber Knaben wie du, brauchen noch nichts von dergleichen Sachen zu wissen. Lege das Boot an. So ist's recht, Junge.«

Als wir einmal Nachts unsere Ladung löschten, welche für die Regierung bestimmt war, hörte ich Stimmen neben mir. In Folge der Gewohnheit weckte mich das geringste Geräusch; beim Anstoßen eines Bootes war ich gewiß, daß ich erwachte. Es war ungefähr Mitternacht. Ich sah durch die Lücke und bemerkte zwei Männer, welche Gepäck an Bord brachten, und in die Kajüte trugen. Ungefähr nach zehn Minuten kamen sie mit Fleming wieder heraus und verließen die Barke. Nachdem wir ausgeladen hatten lichteten wir Anker und fuhren zurück. Drei Tage darauf lagen wir wieder vor Herrn Drummond's Werfte. Marables und Fleming waren beide sehr freundlich gegen mich. Sie lebten auf einem weit besseren Fuße, als man von Männern ihres Gewerbes erwarten sollte, und ich befand mich wohl dabei.

Bei unserer Ankunft in der Werfte, kam Marables auf mich zu und sagte: »Ich habe dir mein Geheimniß redlich mitgetheilt, Jacob, hoffe aber auch, du wirst mich nicht verderben, und gegen Herrn Drummond zu schweigen wissen.« Schon vorher hatte ich den Entschluß gefaßt, nichts gegen meinen Herrn zu erwähnen, bis sich mein Verdacht bestätigen würde, und leistete deßhalb das Versprechen; aber ich hatte mir auch vorgenommen, sowohl was ich argwöhnte, als was ich gesehen hatte, dem alten Domine mitzutheilen. Dem zu Folge machte ich mich am dritten Tage nach unserer Ankunft auf den Weg nach der Schule, setzte den Domine von Allem, was vorgegangen war, in Kenntniß, und bat ihn um seinen Rath.

»Du hast wohlgethan, Jacob,« sagte er, »aber du hättest noch besser thun können. Wenn du das Versprechen nicht gegeben hättest, das dir jetzt heilig sein muß, wäre ich mit dir zu Herrn Drummond gegangen, damit du ihn sogleich von Allem unterrichtet hättest. Die Sache will mir nicht gefallen. Böse Thaten werden in der Finsterniß verübt. Noctem peccatis et fraudibus objice nubem. Uebrigens ist, wie du sagtest, noch nichts bewiesen. Wache daher, Jacob, wache sorgfältig über das Wohl deines Herrn und das Wohl der Gesellschaft im Allgemeinen. Ich darf sagen, es ist deine Pflicht vigilare noctesque diesque. Es mag sein, wie Marables gesagt hat, und vielleicht kann Alles verantwortet werden; aber sei auf deiner Hut, sage ich, sei treu.«

Ich folgte dem Rathe des Domine. Bald führten wir wieder eine Ladung von Backsteinen, welche an dieselbe Stelle geliefert werden mußten. Wir traten unsere Fahrt an. Da Marables und Fleming gefunden hatten, ich sei gegen Herrn Drummond stumm geblieben, so behandelten sie mich äußerst freundlich. Fleming bot mir eines Tags Geld an, aber ich lehnte es ab, indem ich sagte, ich habe keine Bedürfnisse. Ich stand in dem besten Vernehmen mit ihnen, während ich im Stillen auf Alles, was vorging, genau Acht gab, ohne mir auch nur Eine Bemerkung zu erlauben, welche Verdacht erwecken konnte. Doch um nicht allzu weitschweifig zu werden, sei es genug, wenn ich sage, daß wir im Laufe mehrerer Monate viele Fahrten machten, während welcher Zeit ich folgende Beobachtungen zu machen Gelegenheit fand. – An gewissen Stellen fuhr Fleming bei Nacht an's Land, und nahm Säcke und Bündel mit; dann kehrte er gewöhnlich mit neuem Gepäcke zurück, welches in die Kajüte geschafft wurde. Bisweilen erschienen des Nachts auch fremde Leute an Bord, und blieben eine Zeit lang bei ihm in der Kajüte, und dieß Alles geschah zu einer Zeit, wo man mich in tiefem Schlafe vermuthete. Wenn die Barke an den Werften lag, oder Fleming am Lande war, blieb die Kajüte stets verschlossen, und mir wurde der Eintritt zu keiner Zeit gestattet. Fleming betrachtete Marables als eine bloße Null. Er ordnete Alles an, wie es ihm beliebte; und in den Gesprächen, bei denen man sich weit weniger Zwang anthat, zeigte sich keine Spur, als wollte uns Fleming sobald verlassen. In der Ueberzeugung, daß ich ohne besondere Anstrengung von meiner Seite durchaus keine Aussicht auf Entdeckung habe, während doch mein Verdacht täglich stärker wurde, beschloß ich, etwas zu wagen.

Mein Hauptwunsch ging dahin, die Kajüte zu betreten und ihren Inhalt zu untersuchen; aber das war nicht so leicht, und allem Anschein nach ein gefährlicher Versuch. In einer Nacht stieg ich im Hemde auf das Verdeck. Wir lagen bei Rotherhithe vor Anker, es war finster und seiner Regen rieselte auf das Verdeck. Ich wollte schnell wieder hinunter, als ich Licht in der Kajüte gewahrte, und Marables' und Fleming's Stimmen hörte. Die Gelegenheit schien mir günstig; da ich keine Schuhe hatte, so schlich ich auf dem nassen Boden nach der Kajütenthüre, welche nach vorn etwas offen war, und schielte durch die Spalte hinein. Marables und Fleming saßen einander gegenüber an einem kleinen Tische. Vor ihnen lagen einige Papiere, und sie theilten Geld unter einander. Marables behauptete, er bekomme zu wenig, Fleming aber sagte lachend, er habe nicht mehr verdient. Ich fürchtete Entdeckung und ergriff den Rückzug nach meiner Schlafstätte. Es war mein Glück, denn kaum hatte ich den Kopf unter der Luke, und das Brett vorgeschoben, als die Thüre geöffnet wurde, und Fleming heraustrat. Ich dachte über den Auftritt nach, und die Aeußerung Fleming's, Marables habe nicht mehr verdient, brachte mich zur Ueberzeugung, daß die Geschichte, die mir Marables von Fleming erzählt hatte, ein Mährchen sei. Mein Eifer wurde dadurch noch mehr angespornt. Manche Nacht durchwachte ich in der Hoffnung, eine Gelegenheit zur Untersuchung der Kajüte zu erlauern; aber es war umsonst. Immer befand sich der eine oder der andere von beiden Männern an Bord. Ich theilte dem Domine fortwährend Alles mit, was ich entdecken konnte, und er war endlich selbst der Ansicht, Herrn Drummond Alles zu verschweigen, bis ich die vollständigen Beweise über ihr Thun und Treiben in Händen hätte.

Die Kajüte war jetzt der einzige Gegenstand meiner Gedanken, und ich entwarf Pläne auf Pläne, um mir dieselbe zugänglich zu machen. Fatima konnte keine größere Sehnsucht nach dem furchtbaren Gemache Blaubart's haben, als ich nach der Entdeckung der Geheimnisse dieses Verstecks. Einmal hatte Fleming Nachts die Barke verlassen, und ich stieg aus meinem Verschlage auf das Verdeck. Marables saß auf der Wassertonne, den Ellbogen auf die Brustwehr und den Kopf auf die Hand gestützt, als wäre er in tiefen Gedanken. Die Thüre der Kajüte war zu, aber das Licht brannte noch darin. Ich stand eine Zeitlang auf der Lauer, und als ich bemerkte, daß sich Marables nicht rührte, trat ich leise auf ihn zu. Er schlief; ich blieb eine Zeitlang neben ihm stehen. Endlich schnarchte er. Diese Gelegenheit durfte ich nicht versäumen. Ich schlich an die Kajütenthüre; sie war nicht verschlossen. Ob ich gleich den Zorn Marables, im Falle einer Entdeckung weniger fürchtete, als den Zorn Flemings; so öffnete ich doch nur mit klopfendem Herzen und zitternder Hand, ehe ich eintrat, eine Zeit lang stehen bleibend, um mich zu versichern, ob Marables nicht gestört worden sei. Er rührte sich nicht; ich ging hinein, und schloß die Thüre hinter mir ab. Ich ergriff das Licht und sah mich im Gemache um. Auf jeder Seite stand ein Bett, wie ich schon einige Mal im Vorübergehen bemerkt hatte, und vor jedem Bette ein Koffer zum Sitzen. Ich untersuchte sie, sie waren nicht verschlossen, und enthielten die Kleider Marables' und Fleming's. Im Hintergrunde der Kajüte waren drei Schränke. Ich öffnete den mittleren, er enthielt Porzellangeschirr, Gläser und Tischbestecke. Dann untersuchte ich den nächsten; er war verschlossen, aber der Schlüssel steckte. Ich drehte ihn langsam um, aber das Schloß war gut, und schnappte mit lautem Geräusch zurück. Aengstlich lauschte ich – Marables schlief fort. Der Schrank hatte drei Simse,, und auf jedem derselben lagen silberne Löffel, Gabeln und Platten, nebst Uhren, Armbändern und Schmucksachen aller Art. An jedem Stücke war ein Papier befestigt, das ein besonderes Zeichen hatte. Da ich Alles genau zu untersuchen wünschte, und durch meine Entdeckung ermuthigt war, trat ich an den dritten Kasten, der auf der Backbordseite stand, und öffnete auch diesen. Er enthielt seidene Taschentücher aller Art, Spitzenschleier, eine Menge anderer Gegenstände von Werth und auf dem untersten Brett lagen drei Paar Pistolen. Jetzt war ich befriedigt; ich lehnte die Thüre des letzten Schrankes, der nicht verschlossen gewesen war, wieder an, und war im Begriff, den Rückzug zu ergreifen, als ich mich erinnerte, daß ich den zweiten Kasten nicht verschlossen hatte. Aus Furcht, man möchte Verdacht schöpfen, wenn man ihn offen fände, drehte ich den Schlüssel. Die Feder schnappte lauter als vorhin. Ich hörte Marables aus seinem Schlafe auffahren. Augenblicklich blies ich das Licht aus und blieb regungslos stehen. Marables stand auf, ging ein paar Mal auf und nieder, sah nach der Kajütenthüre, welche zugedrückt war, und öffnete sie ein wenig; da er aber sah, daß die Lampe nicht mehr brannte, zog er sie wieder zu und drehte zu meiner Bestürzung den Schlüssel um. Da stand ich und war eingeschlossen, bis Fleming zurückkam, um mich seiner Wuth zu opfern. Ich wußte nicht, was ich thun sollte. Endlich entschloß ich mich, Marables zu rufen, weil ich seinen Zorn weniger fürchtete. Da fiel mir ein, Marables könnte von selbst hereinkommen um die Lampe wieder anzuzünden, und während er auf der einen Seite einträte, fände ich vielleicht Gelegenheit im Dunkeln auf der andern hinauszuschleichen. Diese schwache Hoffnung hielt mich immer noch zurück. Doch endlich entschloß ich mich, meinen Vorsatz auszuführen, und lief gegen die Thüre um zu rufen. Da vernahm ich Ruderschläge. Ich blieb stehen – zögerte – das Boot legte an, und ich hörte Fleming auf das Verdeck springen.

»Hurtig!« sagte er zu Marables, als er an die Kajütenthüre kam und sie zu öffnen suchte; »wir haben keine Zeit zu verlieren, wir müssen alles in Säcke packen und versenken. Zwei von ihnen haben geplaudert, und das Versteck wird untersucht.«

Er nahm den Schlüssel aus Marables' Hand und öffnete die Thüre. Ich hatte die Lampe wieder auf den Tisch gestellt. Fleming trat ein, setzte sich auf den Koffer an der Backbordseite und suchte die Lampe mit den Händen. Marables folgte seinem Beispiele und setzte sich auf den Koffer an der Steuerbordseite. – Flucht war unmöglich. Mit pochendem Herz erwartete ich mein Schicksal und rührte mich nicht. Mittlerweile hatte Fleming einen Phosphorfeuerzeug aus der Tasche genommen. Ich hörte das Klappen des zinnernen Deckels und vernahm das Knistern des Hölzchens. Noch eine Sekunde, das Schwefelholz war aus dem Fläschchen gezogen, und eine goldene Flamme erhellte die Kajüte, auch meine Gestalt ihren Blicken enthüllend. Erstarrt über meine Anwesenheit ließ Fleming das Holz fallen, und alles war wieder finster wie zuvor; aber die Finsterniß kam mir nicht mehr zu Statten, – man hatte mich bereits gesehen. »Jacob!« rief Marables.

»Wird nicht so lange leben, um zu plaudern,« fügte Fleming mit entschlossenem Tone hinzu, als er ein zweites Hölzchen in das Fläschchen steckte und die Lampe anzündete. »Komm,« rief er grimmig; »marsch heraus aus der Kajüte.«

Ich schickte mich an, ihm zu gehorchen. Fleming ging voran, und ich folgte ihm durch das Gemach, als Marables Einsprache that.

»Halt, Fleming, was hast du vor?«

»Ihn stumm zu machen!« erwiederte Fleming.

»Du wirst ihn doch nicht ermorden?« rief Marables, am ganzen Leibe zitternd. »Du wirst nicht, du darfst nicht.«

»Was wäre das, was ich nicht dürfte, Marables? Doch alle Worte sind hier unnütz – entweder er oder ich. Einer muß geopfert werden, und ich will nicht sterben um seinetwillen.«

»Du sollst nicht – bei Gott, Fleming, du sollst nicht!« schrie Marables, mich beim andern Arme ergreifend und festhaltend.

Ich verstärkte den Widerstand Marables mit meinem eigenen. Fleming sah, daß wir ihn überwältigen würden. Er nahm eine Pistole aus seiner Tasche und versetzte meinem Vertheidiger einen Schlag über den Kopf, der ihn der Besinnung beraubte. Dann warf er das Pistol weg und schleppte mich aus der Kajüte. Ich war stark, aber er hatte übermäßige Kräfte. Mein Widerstand war erfolglos. Er brachte mich nach und nach an den Rand der Barke, umfaßte mich mit seinen Armen, und schleuderte mich hinaus in die Finsterniß und in die rasch dahin fluthende Themse. Es war ein Glück für mich, daß ich den Rath, den mir Fleming gleich bei unserem ersten Zusammentreffen ertheilte, befolgt und mich im Schwimmen geübt hatte, aber ein noch größeres Glück, daß ich durch kein anderes Kleidungsstück in meinen Bewegungen gehemmt wurde, als durch mein Hemde, in welchem ich auf das Verdeck gestiegen war. Eine geraume Strecke riß mich die Fluth mit sich fort, und erst in einiger Entfernung, wo mich Fleming, der mich ohne Zweifel beobachtete, wahrscheinlich nicht mehr sehen konnte, tauchte ich aus dem Wasser empor. Dennoch hatte ich wenig Hoffnung, mich in der finstern Nacht zu retten; zumal da ich ungefähr eine Viertelmeile vom Ufer entfernt war. Ich kämpfte mit den Wellen, um mich über dem Wasser zu halten; da vernahm ich auf einmal Ruderschläge, und nach wenigen Secunden sah ich die Ruder über meinem Kopfe. Sie strichen über mich hin, ich griff darnach, erfaßte das Letzte und rief um Hülfe.

»Was Teufel!« schrie der Mann, der es führte. »Die Ruder gestemmt, Männer; es ist Jemand über Bord.«

Sie hielten. Er zog sein Ruder an sich, bis er mich fassen konnte; dann hoben sie mich in's Boot. Die Kälte und der Kampf mit den Wellen hatte meine Kräfte erschöpft; man mußte mich vorher in einen warmen Rock hüllen und mit gebrannten Wassern stärken, ehe ich sprechen konnte. Sie fragten mich, zu welchem Fahrzeuge ich gehöre.

»Zu der Barke Polly.«

»Eben diese suchen wir. Wo ist sie, Junge?«

Ich bezeichnete ihnen die Richtung. Das Fahrzeug war groß und hatte sechs Ruder. Es gehörte zur Strompolizei. Der Beamte, der das Steuer führte, fragte mich, wie ich in's Wasser gekommen sei.

»Ich wurde von einem Manne, Namens Fleming, über Bord geworfen,« antwortete ich.

»Diesen Namen hat er sich beigelegt,« sagte der Beamte. »Vorwärts, Bursche! Da scheint also auch noch Mord zu den übrigen Anklagen zu kommen.«

Nach einer Viertelstunde lagen wir an der Seite des Lichters. Der Beamte sprang mit vier Mann aus dem Boote und hieß mich mit den zwei übrigen zurückbleiben. Trotz der Kälte und Erschöpfung, die ich fühlte, war ich doch zu sehr bei der Sache betheiligt, um mich nicht aufzurichten und zu beobachten, was vorging. Als der Beamte mit seinen Begleitern das Verdeck erstiegen hatte, wurden sie von Fleming empfangen, wahrend Marables einige Schritte hinter ihm stehen blieb.

»Was soll das?« rief Fleming mit trotzigem Tone. »Seid ihr Flußpiraten und kommt ihr uns zu plündern?«

»Das gerade nicht,« antwortete der Beamte; »wir kommen nur, um euch zu besuchen. Gebt uns den Schlüssel zu Eurer Kajüte,« fuhr er fort, als er die Thüre verschlossen fand.

»Herzlich gern, sobald Ihr Euch mit einer Vollmacht ausweiset,« erwiederte Fleming; »aber ich kann Euch sagen, Ihr werdet keinen Schmuggelbranntwein finden. Marables, gib den Schlüssel her; ich sehe, sie gehören zur Stromwache.«

Marables, der noch kein Wort gesprochen hatte, überlieferte den Schlüssel. Der Beamte öffnete eine Blendlaterne, ging in die Kajüte und begann sein Geschäft, während er zwei seiner Männer zur Bewachung Marables' und Flemings zurückließ. Aber seine Untersuchung hatte keinen Erfolg. Er kehrte auf's Verdeck zurück, ohne etwas gefunden zu haben.

»Nun, haben Sie einen Fang gemacht?« fragte Fleming spöttisch.

»Etwas Geduld,« sagte der Beamte; »wie stark ist die Mannschaft dieser Barke?«

»Sie sehen sie vor sich,« erwiederte Fleming.

»Ja; aber ihr habt auch einen Jungen – wo ist er?«

»Wir haben keinen Jungen,« versetzte Fleming; »zwei Mann sind für dieses Fahrzeug genug.«

»Und doch muß ich fragen, was ist aus dem Jungen geworden? denn diesen Nachmittag war ein Junge bei euch auf dem Verdeck.«

»Wenn dieß der Fall ist, so wird er vermuthlich wieder an's Land gegangen sein.«

»Beantwortet mir eine andere Frage, welcher von euch Beiden hat ihn über Bord geworfen?«

Auf diese Frage des Beamten stutzte Fleming, und Marables rief:

»Ich nicht, ich wollte in retten. O, daß der Knabe hier wäre, um es zu bezeugen.«

»Ich bin hier, Marables,« rief ich auf's Verdeck kommend, »und zeuge für Sie, daß Sie mich zu retten suchten, als Sie von diesem Meuchelmörder zu Boden gestreckt wurden; er aber warf mich über Bord, damit ich nichts von dem Silber und Gold aussagen könnte, das ich in der Kajüte gefunden und das ihr, wie ich ihn sagen hörte, in Säcke packen und versenken mußtet, weil zwei von den Leuten geplaudert hätten.«

Fleming drehte sich bei meinem Anblicke um, als könnte er ihn nicht ertragen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen: aber nachdem er einige Sekunden lang diese Stellung beibehalten hatte, streckte er schweigend seine Hände dem Polizeibeamten hin, der bereits die Handschellen aus der Tasche genommen hatte. Marables dagegen sprang, sobald ich geredet hatte, auf mich zu und schloß mich in seine Arme.

»Guter, braver Junge! Gott sei Dank – Gott sei Dank! Alles, was er gesagt hat, ist wahr, Sir. Sie finden die Sachen am Stern versenkt und das Bojetau ist an der untern Ruderschleife befestigt. Jacob, Gott sei Dank, du bist gerettet. Ich dachte nicht, daß ich dich wiedersehen würde. Hier, Sir,« fuhr er zum Beamten fort, seine Hände hinhaltend, »ich verdiene Alles. Ich hatte nicht Stärke genug, ehrlich zu sein.«

Beiden wurden die Handschellen angelegt. Mir erlaubte der Beamte, hinunter zu gehen und meine Kleider anzulegen; dann zog er die Säcke mit den versenkten Kostbarkeiten herauf, ließ zwei Männer auf der Barke zurück und ruderte auf seinem Boote mit uns an's Land. Es war ungefähr drei Uhr Morgens, und ich fühlte mich eigentlich glücklich, als wir das Wachthaus erreichten und ich mich am Feuer wärmen konnte. Sobald mir wohler war, streckte ich mich auf die Bank und fiel in einen festen Schlaf.


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