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Ich erwachte am andern Morgen nicht eher, als bis mich die Polizei weckte, um mich vor Gericht zu führen. Die Menge, welche uns verfolgte, schien keinen Unterschied zwischen den Gefangenen und Zeugen zu machen, und war sehr freigebig mit Bemerkungen, die für mich nicht sehr schmeichelhaft und unterhaltend waren. »Ein junger Bursche für ein solches Gewerbe,« rief Einer; »der Galgen ist ihm auf die Stirn gedrückt,« sagte ein Anderer, dem ich – so viel ich an seinen Zügen bemerkte, als ich mich nach ihm umwandte – die Schmeichelei mit Fug und Recht hätte zurückgeben können.
Das Gericht war nicht weit vom Wachthause entfernt und wir langten bald daselbst an. Der Oberbeamte ging in's innere Zimmer und besprach sich mit den Geschworenen, bevor sie in die Amtsstube traten und ihre Sitze einnahmen.
»Wo ist dieser Jacob Ehrlich? Junge, weißt du etwas von der Bedeutung eines Eides?«
Ich antwortete bejahend. Der Eid wurde mir abgenommen und meine Aussage niedergeschrieben. Dann las man den Gefangenen die Anklage vor und fragte sie, ob sie etwas zu ihrer Vertheidigung vorzubringen wüßten. Fleming hatte von seinem Anwalt, den er berufen, die Weisung erhalten, keine Antwort zu geben. Marables erwiederte ruhig, die Angaben des Jungen seien sämmtlich richtig.
»Glaubt aber ja nicht,« sagte der Beamte, »daß wir Euch als Königszeuge Königszeugniß wird die Aussage eines Mitschuldigen genannt, auf welche hin ein Verbrecher überwiesen wird. Das Königszeugniß hat für den, welcher es ablegt, Begnadigung zur Folge. annehmen können; das Zeugniß des Knaben ist hinreichend.«
»Ich wollte auch nicht als Zeuge auftreten,« versetzte Marables; »ich suche nur mein Gewissen zu erleichtern, nicht Verzeihung zu erlangen.«
Hierauf wurden die Verbrecher verhört und in's Gefängniß gebracht. Ich konnte nicht umhin, zu Marables hinzugehen und ihm die Hände zu drücken, ehe man ihn abführte. Er erhob seine beiden Hände, denn er hatte die Handschellen noch an, und wischte sich die Augen, indem er sagte: »Laß es dir eine Warnung sein Jacob – nicht als ob ich glaubte, du bedürftest einer Warnung; aber ich war einst eben so ehrlich, als du, und nun sehe mich jetzt an.« Er sah mit einem Schmerzensausdruck auf seine gefesselten Handgelenke. Sie verließen das Zimmer. Fleming warf mir einen Blick zu, der es deutlich genug aussprach, was ich zu gewarten hätte, wenn ich ihm je in die Hände fallen sollte.
»Wir müssen dich hier behalten, Junge,« bemerkte einer der Geschworenen, »wenn du nicht einen genügenden Bürgen stellen kannst, daß du dich bei der Untersuchung als Zeuge einfindest.«
Ich erwiederte, ich kenne Niemand, als Herrn Drummond und meinen Schulmeister, habe aber keine Mittel, sie von meiner Lage in Kenntniß zu setzen.
Der Oberrichter beauftragte den Polizeidiener, mit der ersten Kutsche nach Brentford zu fahren, das Vorgefallene Herrn Drummond mitzutheilen und ihm zugleich zu eröffnen, daß der Lichter so lange unter der Aufsicht der Strompolizei bleibe, bis er Leute an Bord schicke. Ich erhielt die Erlaubniß, mich auf eine Bank hinter die Schranken zu setzen.
Es war schon Mittag vorüber, als Herr Drummond in Begleitung des Domine erschien. Um Zeit zu ersparen, gab Ihnen der Beamte meine Aussage zum Durchlesen. Sie leisteten Bürgschaft, und ich konnte den Gerichtssaal verlassen. Wir fuhren mit einander in der Landkutsche hinab, aber da sie im Innern saßen und ich mich auf einem Außensitze befand, so hatte ich nicht viele Fragen zu beantworten, bis wir in Herrn Drummonds Hause anlangten, wo ich über alles Vorgefallene umständlichen Bericht erstattete.
»Proh! Deus!« rief der Domine, als ich meine Erzählung beendet hatte. Welch ein Entrinnen! Wie nahe warst du daran, uns entrissen zu werden, wie Propertius, freilich in Beziehung auf ein Weib, sagt: ›Eripitur nobis jam pridem carus puer‹. Wie gut war es, daß du schwimmen gelernt hattest – wahrlich, du mußt wacker um dein Leben gekämpft haben. ›Pugnat in adversas ire natator aquas‹, ja, gewiß, wacker, mein Kind. Nun, Gott sei gepriesen!«
Aber Herrn Drummond war daran gelegen, daß der Lichter in die Werfte zurückgebracht würde. Er ließ mir daher das Essen reichen (denn ich hatte den ganzen Tag noch nichts über die Lippen gebracht) und schickte mich in einem Boote mit zwei Männern nach der Barke, um sie heraufzuführen. Am nächsten Morgen kamen wir zurück; und da Herr Drummond noch keinen neuen Schiffer angenommen hatte, blieb ich wieder einige Tage lang am Lande, indem ich meine Zeit zwischen dem Domine und dem Drummond'schen Hause theilte, wo ich nicht nur von dem Herrn, sondern auch von seiner Gattin und der kleinen Sarah sehr freundlich behandelt wurde.
Bald war ein Führer für den Lichter gefunden; und da ich eine geraume Zeit unter seiner Oberherrschaft stand, so muß ich ihn etwas genauer beschreiben. Er hatte den größten Theil seiner Lebenszeit als Soldat an Bord eines Kriegsschiffes zugebracht, manchem größeren und kleineren Seetreffen beigewohnt, und in der Schlacht bei Trafalgar seinen Dienst mit dem Verluste seiner beiden Beine beschlossen – ein Unglück, das ihm einen Jahrgehalt aus dem Greenwich-Hospital verschaffte, welchen er, als Gatte und Vater, der Aufnahme in diese Anstalt vorzog. Seit dieser Zeit arbeitete er auf dem Flusse. Er war sehr beweglich und breitschulterig, und hatte vor dem Verluste seiner Beine gewiß seine fünf Fuß elf Zoll, wo nicht volle sechs Fuß gemessen; als er aber fand, daß er sich auf kurzen Stümpfen besser im Gleichgewicht erhalten konnte, als auf langen, so hatte er seine hölzernen Beine ungefähr um acht Zoll gegen seine früheren verkürzt und dadurch bei seinem breiten Körperbau das Ansehen eines großen Zwerges gewonnen. Den vortrefflichen Ruf, dessen er sich erfreute, verdiente er in vollem Maße. Er war stets heiter und trank gern sein Gläschen. Ein leichter Sinn bildete den Grundzug seines Charakters. Er sang unaufhörlich. Seine Stimme war sehr schön und kräftig. So lange er an Bord des Kriegsschiffes war, mußte er häufig dem Kapitän und den Officieren singen, wie er denn überhaupt als die Seele der Back galt. Sein Gedächtniß war vorzüglich, sein Vorrath an Liedern unerschöpflich. Uebrigens sang er selten oder nie mehr als eine oder zwei Liederstrophen, die ihm bei irgend einer Veranlassung des Augenblicks beifielen, wobei er die Worte häufig veränderte, um sie der Gelegenheit anzupassen. Ihn begleitete sein Sohn Tom, ein Junge von meinem Alter, so lustig, als sein Vater, mit einer guten Tenorstimme und einem ordentlichen Vorrath an Humor. Häufig nahm er die Strophen seines Vaters auf, um sie mit Worten von seiner eigenen Erfindung und einem allzeit fertigen Witze in richtiger Tonweise weiter auszuführen. Wir drei bildeten die Mannschaft des Lichters, und da durch Verzögerung schon eine geraume Zeit verloren worden war, so schifften wir uns bei der Ankunft der beiden Tome sogleich ein. Der Vater hieß Tom Beazeley, war aber auf dem Flusse bekannter unter dem Namen »der alte Tom«, oder wie ihn irgend ein sachkundiger Spaßvogel getauft hatte, »der Meermann auf zwei Stümpfen«. Sobald wir unsere Armatur an Bord hatten, wie es der alte Tom nannte, erhielt er seine Verhaltungsbefehle, und wir stießen von der Werfte ab. Der Wind war günstig. Der junge Tom geberdete sich so ruhig und muthwillig, wie ein Affe. Sein Vater ergriff das Steuer. Wir Jungen spannten die Segel und ließen uns dabei von einem kleinen Neufoundländer Hunde helfen, den Tom dazu abgerichtet hatte, ein Tau mit den Zähnen zu halten und überhaupt beim Auftakeln Dienste zu leisten. – Die Barke glitt dahin und der alte Tom sang, daß man es an beiden Ufern hören konnte:
»Wohlauf, die Segel gerichtet;
Gebt allen Winden sie frei!
Der See bin ich immer verpflichtet,
Doch bleib' meinem Liebchen ich treu.«
»Tom, du Betteljunge, ist der Bündel für deine Mutter fertig? Wir müssen auf Battersea-Revier den Kahn aussetzen, Jacob, und der Alten die Kleider an's Land schicken, sonst bekommen wir keine reinen Hemden auf den Sonntag. Lege auch die deinigen dazu, Jacob, sie wird nichts dagegen haben, denn sie hat sonst schon für die ganze Mannschaft gewaschen. Ziehet Beide an – noch einen Ruck, dann laßt das Lien fallen. So ist's recht, meine Hähnchen.
»Die Segel dem Winde gerichtet,
Er treibt uns die Fluthen entlang!
So bringet noch, dem wir verpflichtet,
Ein Gläschen beim frohen Gesang.«
»Tom, wo ist mein Theetopf? Komm, Junge, wir müssen zum Frühstück pfeifen. Jacob, da hängt ein Tau über Bord. Nun Tom, gib mir meinen Thee; mit der einen Hand will ich trinken, mit der andern steuern, und was die Beine betrifft, je weniger wir davon sagen, desto besser ist's.
Ich ford're nicht Schätze, noch Ehren,
Ich sehne mich nicht nach der Höh',
Nur Eins soll der Herr mir gewähren –«
Hier fiel Tom mit seinem Tenor ein, indem er ihm den Topf hinreichte:
»Zum Frühstück ein gutes Glas Thee.«
»Still, du Seehahn! wie wagst du es, deine Pfenningspfeife hier anzustecken? Wie ist der Wasserstand, Tom?
»Drei Viertel Ebbe.«
»Nein, Schuft, es ist nicht wahr. Jacob, sprich du.«
»Ungefähr halb, denke ich.«
»Und du hast Recht.«
»Was für Wasser haben wir hier unten auf der Seite?«
»Ihr müßt um die Ecke biegen,« erwiederte ich; »die Bank springt vor.«
»Dank, Junge, meinte es auch, war aber meiner Sache nicht gewiß.« Und nun stimmte der alte Tom in lieblicher Weise die Strophe an:
»Wandelst du des Wassers Pfade,
Gib dem Meinen kein Gewicht!
Folge einem guten Rathe,
Dieser Kompaß trüget nicht.«
»Bist du es alter Tom?« rief ein Mann von einer anderen Barke.
»Ja, was noch übrig ist, mein Herzblatt.«
»Mit dieser Strömung wirst du nicht durch die Brücken kommen, – dort rechts auf den untern Revieren weht ein starker Wind.«
»Hat nichts zu sagen, wir wollen sehen, wie wir's machen.
›Wenn nicht Sturm und Wetter toben,
Und der Wind sich günstig weist,
Sei die Stunde nicht verschoben,
Welche uns Erfolg verheißt.«‹
»Bravo, alter Tom! warum werfen die Jungen die Angeln nicht aus? Alle Fische gehören dir zu.« rief der Mann, als Wind und Strömung die Barke trennte.
»Ich diente meist auf einem kleinen Fahrzeuge, das sie Arion nannten,« sagte der alte Tom, »und von einem Kerle, der eben so hieß, erzählten sie, er habe die Fische hinter sich herlocken können, so oft es ihm beliebt habe. Wie wir in der Nordsee waren, sah ich selbst, daß Einem Schaaren von Seekälber folgten, wenn man pfiff; aber dieses Vieh hat Ohren – die Fische haben keine.
›Wohl denk' ich an's kalte und traurige Land,
Wo des Nordlichts Pracht
In des Winters Nacht
Vergoldet den schneeigen Strand‹.«
»Bist du mit deinem Frühstück«; fertig, Jacob? Da, nimm das Steuer; indessen will ich mit Tom das Fahrzeug wie eine Aepfeltorte aufstutzen.«
Der alte Tom humpelte nach dem Vorderschiff und der Sohn folgte mit dem Neufoundländer Hunde, der sich als eine der brauchbarsten Personen an Bord zu betrachten schien. Sie wandten die Taue auf, scheuerten das Verdeck und gingen dann in die Kajüte, um dort ihre Anordnungen zu treffen.
»Ein gutes Schloß, das, Tom,« rief der Vater, den Schlüssel am Wandschranke drehend. (Ich erinnerte mich desselben; es schnappte einst so laut, daß ich deßhalb über Bord geworfen wurde.) »Diesen Schrank, sage ich, Tom,« fuhr der Alte fort, »machst du mir nicht auf; darin will ich den Zucker und Grog verschließen, du Schuft. Es geht zu schnell damit, seitdem du Haus- und Hofmeister bist.
›Denn Grog ist der Backbord und Steuerbord,
Der Hauptmast und Besan und Log;
Am Land und zur See, im sichern Port,
Ist's Matrosen Kompaß der Grog‹.«
»Aber kein Kompaß, Vater, mit welchem man sicher steuert,« bemerkte Tom.
»Darum mache dir nichts mit ihm zu schaffen, Tom.«
»Ich trinke nur deßhalb ein wenig, Vater, damit Ihr nicht zu viel trinkt.«
»Schönen Dank für Nichts! wann trinke ich zu viel, du Schuft?«
»Nicht zu viel für einen Mann, der auf seinen eigenen Spazierhölzern einhergeht, aber zu viel für einen, auf zwei Besenstielen.«
»Halte deine Zunge im Zaume, Musje Tom. oder ich schraube einen meiner Besenstiele ab und gebe dir damit eins auf's Dach.«
»Und bevor er aus der Schraubenmutter ist, gebe ich Euch das Fersengeld. Was wollt Ihr dann thun, Vater?«
»Dich fangen, sobald ich kann, Tom, wie die Spinne die Fliege.«
»Wozu aber das, wenn Ihr den Aerger nicht zehn Minuten lang ertragen könnt?«
»Sehr wahr, Tom; danke also dem Himmel, daß du zwei gute Fersen hast und dein armer Vater keine.«
»Und sehr wahr, daß ich dem Himmel auch oft dafür danke; aber wozu sich über einen Tropfen Rum und eine Hand voll Zucker ärgern?«
»Weil du mehr nimmst, als dir zusteht.«
»Nun, so nehmet Ihr weniger, dann ist Alles in der Ordnung.«
»Und warum soll ich weniger nehmen?«
»Weil Ihr nur ein halber Mann seid; Ihr habt für keine Beine zu sorgen, wie ich.«
»Ich sage dir aber, Tom, das ist eben der Grund, warum ich mehr bedarf; ich muß meinen alten Leib über den Verlust seiner Beine trösten.«
»Wenn Ihr Eure Beine verlort, Vater, so verlort Ihr Euern Ballast, und deßhalb müßt Ihr nicht zu viel Segel beisetzen, sonst könntet Ihr in einer dunkeln Nacht über Bord humpeln. Wenn ich den Grog trinke, so geschieht es also zu Eurem Besten, wie Ihr seht.«
»Du bist zwar in diesem Punkte ein gewissenhafter Sohn und so weit der Zucker in's Spiel kömmt, ein süßes Kind; aber doch soll Jacob bei mir in der Kajüte schlafen, und du kannst deine Federn vorne schütteln.«
»Nun, das finde ich ganz unnatürlich; warum Vater und Sohn trennen?«
»Nicht Vater und Sohn, blos Sohn und Rumflasche.«
»Das ist eben so grausam, warum zwei so gute Freunde trennen?«
»Von wegen, weil er für dich zu stark ist, Tom, und dich bisweilen wirft.«
»Nun, ich vergebe es ihm; er thut das in der besten Laune von der Welt.«
»Du bist ein spitzfindiger Kauz, aber du spitzest deine Zunge umsonst. Branntwein ist für einen Jungen, wie du, zu stark, und wächst dir über den Kopf.«
»Nun, wachse ich nicht auch? wir wachsen mit einander.«
»Du wirst aber höher wachsen ohne ihn.«
»Ich möchte kein so hoher Mann werden, wie Ihr, mit verkürztem Unterstocke.«
»Wäre ich nicht ein so hoher Mann gewesen, so würde mir auf immer der Athem verkürzt worden sein; die Kugel, welche mir die Beine abschlug, hätte dich mitten entzwei geschlagen.«
»Und die Kugel, welche Euch den Kopf abschlüge, würde über den meinigen wegpfeifen; so sind wir also wieder gleich.«
»Und hier ist der Grog aufgehoben,« versetzte der alte Tom, den Schlüssel umdrehend und in seine Tasche steckend, »und der Riegel vorgeschoben. So, jetzt wollen wir auf das Verdeck.«
Ich schrieb die ganze Unterredung nieder, weil sie dem Leser den besten Begriff von Tom und seinem Benehmen gegen seinen Vater gibt. Tom liebte seinen Vater, und wenn er auch boshaft war und den starken Geist ebenfalls liebte, wo er ihn erhaschen konnte, so war er doch nicht ungehorsam oder lasterhaft. Wir hatten bereits Battersea-Fields erreicht, als sie auf das Verdeck zurückkehrten.
»Weißt du, Jacob, wodurch das Kirchspiel Battersea in den Besitz dieser Felder kam?
»Nein, ich weiß es nicht.«
»Nun, so will ich dir's sagen; – weil die Leute von Battersea menschlicher und barmherziger waren, als ihre Nachbarn. Es war eine Zeit, wo diese Felder keinen Werth hatten, und jetzt sollen sie so viel werth sein, als eine Münzstätte. Die Leiche eines armen Teufels, der im Strome ertrank, wurde hier an's Land gespült, und keines der Kirchspiele wollte die Kosten der Beerdigung tragen; aber die Leute von Battersea, denen man die Last am wenigsten aufbürden konnte, mochten es nicht länger mit ansehen, daß der arme Tropf im Schlamm liegen blieb, und verstanden sich zu dem Begräbnisse. Wie nun die Felder einen Werth bekamen, waren die übrigen Kirchspiele mit ihren Ansprüchen gleich bei der Hand, aber man untersuchte die Sache, und weil nachgewiesen wurde, daß Battersea den Todten begraben hatte, wurden die Güter dieser Gemeinde zugesprochen. Auf diese Art wurden sie für ihre Menschlichkeit gut bezahlt, und sie verdienten es auch. Herr Drummond sagte mir, du kennest den Strom genau, Jacob.«
»Ich ward auf demselben geboren.«
»So hörte ich und weiß Alles von deines Vaters und deiner Mutter Tod. Ich erzählte es Tom, weil er auch ein Freund von der Rumflasche ist.«
»Nun, Vater, wir wollen den Jacob nicht daran erinnern; die Thränen stehen ihm schon in den Augen,« sagte Tom theilnehmend.
»Ich wollte, du hättest nie einen andern Tropfen im Auge, – aber vergiß es Jacob, ich bedachte nicht, was ich sagte. Siehst du dort jenes Häuschen mit den beiden Schornsteinen? – das ist mein, dort wohnt meine Alte – möchte wissen, was sie gerade schafft.«
Der alte Tom schwieg eine Zeitlang. Seine Augen waren auf das Haus gerichtet. Dann begann er:
»Ich kreuzte durch die Meere, ich suchte den fernen Strand,
Ich triumphirt' in Schlachten, ich warf den Feuerbrand;
Ich trug den wilden Donner durch wilder Wogen Graus,
Ich fand nicht Ruhm, noch Schätze, – doch fand ich Herd und Haus.«
»Tom, lasse das Boot hinab und rudere mit dem Bündel an's Land; frage die Alte, was sie macht und melde ihr, ich sei munter.« »Im nächsten Augenblicke stand Tom im Boot und ruderte lustig nach dem Ufer.
»Das erinnert mich an meine Rückkehr zu meiner Mutter. Es war nach den ersten drei Jahren meines Seedienstes. Ich entlehnte den Nachen vom Schiffer – mein erstes Schiff war ein Grönländer – und steuerte nach meiner Mutter Hütte unter dem Riff. Die alte Seele wäre beinahe vor Freude gestorben.«
Der alte Tom schwieg, wischte sich eine Thräne aus den Auge und stimmte wie gewöhnlich eine Strophe an, die er sotto voce vortrug.
»Was kümmert's dich, wenn sich die Augen füllen?
Auch in der Thräne liegt ein süßer Trost.«
»Wie jammerte das alte Ding,« fuhr er nach einer Pause fort, »als ich zur See gehen wollte! – Das war ein Bitten und Betteln – Knaben haben kein Gefühl, – das ist nur zu gewiß.«
»Kind, laß mich nicht im fernen Himmelsstrich!
Kind, laß mich nicht, ich habe nichts als dich!
Denk' an den Sturm, denk', eine Mutter fleht,
Ach, eine Mutter, die am Grabe steht!«
»Doch endlich gewöhnte sie sich daran, wie das Weib sagte, wenn sie den Aalen die Haut abzog. Tom ist ein guter Junge, Jacob, aber nicht so gesetzt, wie du dem Vernehmen nach sein sollst. Seine Mutter verzärtelt ihn und ich kann ihm auch nicht schief kommen; denn er hat eben doch das Herz am rechten Flecke. Dort schüttelt die alte als Signal das Tischtuch nach uns. Ich wollte, ich wäre selbst an's Land gegangen, aber ich kann diese kleinen papierenen Boote nicht besteigen, ohne den Boden mit meinen Zimmerhölzern zu durchstoßen.«