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Lemminkäinen zieht aufs neue mit seinem frühern Kampfgenossen Tiera aus, um das Nordland zu bekriegen 1–222. Des Nordlands Wirtin sendet ihnen heftigen Frost entgegen, der ihr Boot auf dem Meere einfrieren läßt und auch beinahe die Helden selbst umgebracht hätte, wenn ihn nicht Lemminkäinen mit seinen kräftigen Zauber- und Bannsprüchen davon abgebracht hätte 123–316. Lemminkäinen wandert mir seinem Kampfgenossen aus dem Eise zum Strande, irrt lange in trauriger Lage durch die Wildnis, bis er endlich in seine Heimat gelangt 317–500.
Ahti, der gewandte Bursche,
Er, der muntre Lemminkäinen,
Geht des Morgens in der Frühe,
Zu der Zeit der ersten Dämmrung
Zu der Schiffe Lagerstätte,
Zu dem Landungsplatz der Boote.
Dorten weint der Bretternachen,
Stöhnt aus seinen Eisenpflöcken:
»Muß, ich Ärmster, hier nun liegen,
Muß gar elend hier vertrocknen:
[10]
Ahti rudert nicht zum Kriege,
Nicht in sechs, in zehn der Sommer,
Wenn nach Silber auch Gelüste
Und nach Gold er Sehnsucht trüge.«
Schlägt der muntre Lemminkäinen
Auf das Boot mit seinem Handschuh,
Mit dem buntverbrämten Fäustling,
Redet selber diese Worte:
»Sorge nicht, du Fichtenfläche
Mit den auserlesnen Leisten,
[20]
Wirst schon noch zum Kriege ziehen,
Zu dem Kampfe dich bewegen,
Bist vielleicht schon voll von Rudrern
Bei des nächsten Tages Ende.«
Geht nun hin zu seiner Mutter,
Redet selber diese Worte:
»Weine nicht, o liebe Mutter,
Klage nicht, o teure Alte,
Wenn ich jetzt von dannen gehe,
Zu dem Kampfplatz mich bewege;
[30]
Meinen Sinn erfaßt der Einfall,
Mein Gehirn faßt der Gedanke,
Daß des Nordens Volk ich tilge,
An den Schlechten Rache nehme.«
Abzuhalten sucht die Mutter,
Warnet ihren Sohn die Alte:
»Gehe nicht, mein liebes Söhnchen,
Zu dem Kampfe nach Pohjola!
Dorten könnte Tod dich treffen,
Könnt' Verderben dich ereilen.«
[40]
Wenig achtet's Lemminkäinen,
Denkt nur noch daran zu gehen
Und gelobt sich aufzubrechen,
Redet Worte solcher Weise:
»Wo wohl find' ich den Gefährten,
Einen Mann samt seinem Schwerte
Mir zur Hilfe in dem Kampfe,
Mir, dem Kräftigen, zum Beistand?
»Wohlbekannt ist mir Tiera,
Kuura ist wohlvertraut mir,
[50]
Diesen nehm' ich als Gefährten,
Diesen Mann mitsamt dem Schwerte,
Mir zur Hilfe in dem Kampfe,
Mir, dem Kräftigen, zum Beistand.«
Wandert durch die Dörferreihe
Hin am Weg zum Hof Tieras,
Spricht, als er dorthin gekommen,
Redet, als er dort erschienen:
»Tiera mein, du Vielbewährter,
Liebster, bester du der Freunde!
[60]
Denkst du noch der alten Zeiten,
Was wir beide einst erlebten,
Als wir zogen in Gemeinschaft
Auf die großen Kampfgefilde;
Gab da wohl nicht eins der Dörfer,
Wo nicht zehn der Höfe waren,
Gab da wohl der Höfe keinen,
Wo nicht zehn der Helden waren,
Gab da wohl der Helden keinen,
Keinen von den starken Männern,
[70]
Den wir beide nicht getötet,
Den wir nicht gestürzet hätten.«
An dem Fenster saß der Vater,
Schnitzte dort am Schaft des Speeres,
Auf der Kammer Schwell' die Mutter,
Klopfte dort im Butterfasse,
An dem Gattertor die Brüder
Zimmerten an einem Schlitten,
An der Brücke End' die Schwestern
Walkten dort die wollnen Tücher.
[80]
Sprach der Vater von dem Fenster,
Von der Schwelle her die Mutter,
Von dem Gattertor die Brüder,
Von der Brücke so die Schwestern:
»Tiera hat nicht Zeit zum Kämpfen,
Seine Lanze nicht zum Kriegen;
Tiera schloß nun großen Handel,
Einen Kauf er für sein Leben,
Nahm soeben sich ein Weibchen,
Eine Wirtin sich zu eigen,
[90]
Unberührt sind noch die Brüste,
Unermüdet noch der Busen.«
Tiera saß dort an dem Herde,
Kuura auf dem Rand des Ofens;
Einen Fuß beschuht er oben,
Auf der Ofenbank den andern,
Nimmt den Gürtel um beim Tore,
Schnallt ihn zu erst weiter draußen;
Tiera greift nach seinem Speere,
Nicht gehört er zu den größten,
[100]
Keineswegs auch zu den kleinsten,
Ist ein Speer von Mittelgröße:
An dem Rande steht ein Rößlein,
Auf der Fläche läuft ein Füllen,
An der Fügung heulen Wölfe,
An dem Ringe brummen Bären.
Schüttelte nun seine Lanze,
Schüttelt' sie und schwang sie klirrend,
Warf den Schaft dann einen Klafter
In den lehm'gen Grund des Ackers,
[110]
In den festen Wiesenboden,
In die hügelleere Erde.
Tiera stieß da seine Lanze
Mitten unter Ahtis Lanzen,
Ging sodann und stürmt' voll Eile
Als des Ahti Streitgenosse.
Schob der Inselländer Ahti
Seinen Nachen in die Fluten,
Gleich der Schlange in den Stoppeln,
Gleich der Natter voller Leben,
[120]
Segelte nun hin nach Nordwest
Zu dem Meere von Pohjola.
Doch die Wirtin von Pohjola
Ließ den Frost, den Bösen, ziehen
Zu dem Meere von Pohjola,
Zu der weitgedehnten Öde,
Selber sprach sie diese Worte,
Gab ihm Weisung und befahl ihm:
»Hör' mich, Frost, mein kleines Söhnchen,
Liebling, den ich auferzogen,
[130]
Gehe hin, wohin ich schicke,
Ich dich schicke und entsende,
Laß des Burschen Boot erfrieren,
Lemminkäinens schnellen Nachen
Auf des Meeres klarem Rücken,
In der weitgedehnten Öde!
Mach', daß auch der Wirt erfrieret,
In dem Boote er, der Muntre,
Daß er nimmer dort entrinnet,
Nicht entkommt, solang er lebet,
[140]
Wenn ich selber ihn nicht löse,
Wenn ich selbst ihn nicht befreie!«
Frost, der Sohn aus schlechtem Stamme,
Dieser Knab' von üblen Sitten,
Ging das Meer nun kalt zu machen,
Ging die Fluten fest zu bannen;
Während er des Weges schreitet,
Auf dem Lande hin noch wandert,
Nimmt er alles Laub den Bäumen,
Nimmt die Fasern er den Gräsern.
[150]
Als er darauf hingekommen
Zum Gestad des Nordlandmeeres,
Zu den ungeheuren Ufern,
Ließ er in der Nächte erster
Buchten dort und Seen erfrieren,
Ließ des Meeres Strand erstarren,
Ließ es selber doch noch offen,
Ungebannet noch die Fluten;
Ist ein Finklein auf der Fläche,
Ist ein Wippsterz auf den Wogen,
[160]
Nicht erfroren sind die Klauen,
Nicht erstarrt das kleine Köpfchen.
Drauf erst in der Nächte zweiter
Fing er an sich breit zu machen,
Ward er übermäßig schamlos,
Wuchs er an zu großer Frechheit;
Ließ es reichlich da gefrieren,
Schuf da grimmig arge Kälte,
Fror das Eis zu Ellendicke,
Sandte Schnee von Klafterhöhe,
[170]
Ließ des Muntern Boot erfrieren,
Ahtis Fahrzeug in den Wogen.
Wollte Ahti selbst, den Helden,
In dem Eis erfrieren lassen;
Frug bereits nach seinen Fingern,
Forderte schon seine Zehen;
Unwirsch ward da Lemminkäinen,
Unwirsch ward er und verdrießlich,
Drängt den Frost da in das Feuer,
Stößt ihn in die Eisenschmelze.
[180]
Hält den Frost mit seinen Händen,
Faßt den Bösen mit den Fäusten,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Frost, du böser Sohn des Nordwinds,
Du gewalt'ger Sohn des Winters,
Laß die Finger mir nicht frieren,
Rühre nicht an meine Zehen,
Packe du nicht meine Ohren,
Laß den Kopf mir nicht erstarren!
[190]
»Hast genug ja noch zu bannen,
Vieles kannst du frieren machen,
Laß der Menschen Haut in Ruhe
Und den Leib der Mutterkinder;
Sümpfe laß und Land erstarren,
Laß die kalten Steine frieren
Und die Weiden in dem Wasser,
Laß die Espen lieber bersten,
Schäle ab der Birken Rinde
Und zerzause du die Tannen,
[200]
Aber schon' die Haut der Menschen
Und das Haar der Weibgebornen!
»Wenn dir dies genug nicht scheinet,
Laß du andres noch erfrieren,
Laß die heißen Steine frieren
Und die glutenreichen Blöcke,
Starke Eisenfelsen frieren,
Berge, die mit Stahl gefüllet,
Laß den Wuoksen du erstarren,
Laß den Imatra verstummen,
[210]
Stopfe du des Strudels Kehle,
Schlag den grausen Gischt in Fesseln!
»Soll ich deinen Ursprung sagen,
Deine Herkunft ich verkünden?
Wohlbekannt ist mir dein Ursprung,
Weiß genau, wie du geworden:
Frost erwuchs im Weidenbusche,
In dem Birkenhain der rauhe,
An dem Rand vom Haus Pohjolas,
An des Düsterlandes Stube
[220]
Von dem Vater voller Frevel,
Von der Mutter voller Schande.
»Wer hat wohl den Frost gesäuget,
Hat dem rauhen Kraft gegeben,
Da die Mutter Milch nicht hatte,
Ihr die Brüste gänzlich fehlten?
»Nattern haben ihn gesäuget,
Schlangen haben ihn gesättigt
Mit den Warzen ohne Spitze,
Mit den ausgedörrten Eutern;
[230]
Wiegen mußt' den Frost der Nordwind,
Böses Wetter bracht' zum Schlafen
Ihn in schlechten Weidenbächen,
In den schwellenden Morästen.
»Schlimm geartet ward der Knabe,
Ward erfüllt von argem Sinne,
War kein Name noch erfunden
Diesem mißgeratnen Knaben,
Ward ein Name ihm gegeben,
Ihm der Name Frost verliehen.
[240]
»Lebte darauf an den Zäunen,
Weilte stets in dem Gesträuche,
Sommers wiegt' er sich in Sümpfen,
Auf des Moores weitem Rücken,
Winters lärmt' er in den Fichten,
Stürmt' er in den Tannenhainen,
Tobt' er in den Birkenwäldern,
Wütet' er in Erlenbüschen,
Ließ dort Baum und Kraut erfrieren,
Machte alle Fluren eben,
[250]
Biß die Blätter von den Bäumen,
Nahm den Kräutern ihre Blüten,
Riß die Rinde von den Föhren,
Löst' die Borke von den Fichten.
»Bist du schon zu groß geworden
Und bereits zu hoch gewachsen,
Willst mich selber du erstarren,
Meine Ohren schwellen lassen,
Willst die Füße du mir nehmen,
Meine Fingerspitzen rauben?
[260]
»Sollst mich nicht erstarren lassen,
Nimmer machst du mich erfrieren:
Werde Feuer in die Strümpfe,
In die Schuhe Brände stecken,
Kleine Kohlen in die Säume,
Glut ich unter meine Riemen,
Daß der Frost mich nicht erfasse,
Mich die Kälte nicht berühre.
»Dorthin werd' ich dich nun bannen,
Zu des Nordens weiten Grenzen;
[270]
Bist dahin du angekommen,
In die Heimat du gelanget,
Laß die Kessel dort erkalten,
Auf des Ofens Herd die Kohlen,
In dem Teig der Frauen Hände,
Auf des Weibes Schoß den Knaben,
Alle Milch du bei den Schafen,
In der Stute Leib das Füllen!
»Solltest du auch dies nicht achten,
Werde ich von hier dich bannen
[280]
In des Hiisi Kohlenhaufen,
Zu dem Ofenherd des Lempo;
Dringe dort du in das Feuer,
Setze dort dich auf den Amboß,
Daß der Schmied dich mit dem Hammer,
Mit dem Schlegel tüchtig walke,
Mit dem Hammer kräftig schlage,
Mit dem Schlegel dich zermalme.
»Solltest du auch dies nicht achten,
Solltest nicht von hinnen weichen,
[290]
Kenn' ich eine andre Stelle,
Einen angemeßnen Ort dir:
Deinem Mund des Sommers Stätte,
Deiner Zunge seine Wohnung,
Daß du lebenslang gefangen
Niemals dich von dorten losmachst,
Wenn ich selber dich nicht löse,
Wenn ich selbst dich nicht befreie.«
Endlich merkt der Sohn des Nordwinds,
Er, der Frost, daß Unheil nahet,
[300]
Bittet selber jetzt um Gnade,
Redet Worte solcher Weise:
»Wollen wir uns so vergleichen,
Daß der eine nicht dem andern
Schade in dem Lauf der Zeiten,
Nie solang das Mondlicht glänzet.
»Hörst du, daß ich Kälte brachte,
Daß ich übel mich betragen,
Stoße dann mich in das Feuer,
Dränge dann mich in die Flammen,
[310]
Zwischen heiße Schmiedekohlen,
In die Esse Ilmarinens,
Führe meinen Mund zum Sommer,
Meine Zung' zu seiner Stätte,
Daß ich lebenslang gefangen
Nie von dort befreiet werde!«
Ließ der muntre Lemminkäinen
In dem Eise seinen Nachen,
Ließ zurück das Kriegesfahrzeug,
Zog dann selber fort des Weges;
[320]
Tiera folgte als Gefährte
Seines muntern Freundes Spuren.
Ging nun auf dem ebnen Eise,
Schritt behende auf der Glätte;
Schreitet einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage
Kommt die Hungerspitz' zum Vorschein,
Wird das schlimme Dörflein sichtbar.
Schreitet zu der Burg der Spitze,
Redet Worte solcher Weise:
[330]
»Gibt's wohl Fleisch in diesem Schlosse,
Fische hier auf diesem Hofe
Für die Helden, die ermüdet,
Für die Männer, die ermattet?«
War kein Fleisch dort in dem Schlosse,
Fische nicht auf diesem Hofe.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
»Feuer mag die Burg verzehren,
Wasser sie von dannen führen!«
[340]
Ging dann selber immer weiter,
Schritt dann vorwärts durch die Wildnis
Auf den hüttenlosen Strecken,
Auf den unbekannten Wegen.
Schor der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli,
Weiche Wolle von den Steinen,
Schnitt sich Fasern von den Felsen,
Flocht sie sich zurecht zu Strümpfen,
Macht' sich Schuhe draus behende
[350]
Gegen die Gefahr des Frostes
Und der Kälte arges Wüten.
Ging den Weg nun zu erkunden
Und die Richtung aufzusuchen;
Zu dem Walde ging die Richtung,
Führte ihn die Bahn des Weges.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
»O du Tiera, lieber Bruder!
Böses ist uns widerfahren,
[360]
Müssen Tage, Monde wandern,
Ewig an dem Himmelsrande.«
Tiera redet diese Worte,
Läßt sich selber also hören:
»Sind zur Rache, ach, wir Armen,
Zur Vergeltung, Unglücksvolle,
In den großen Krieg gezogen
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Um das Leben zu verwirken,
Um für immer zu vergehen
[370]
An den allerschlimmsten Stellen,
Auf den unbekannten Wegen.
»Können es ja nimmer wissen,
Nimmer wissen es und sagen,
Welcher Weg uns wohl mag führen,
Welcher Fußsteig uns geleiten,
An des Waldes Rand zu sterben,
Auf den Flächen umzukommen,
In dem Heimatland der Raben,
Auf der Krähe Ackerfeldern.
[380]
»Fleißig schleppen hier die Raben,
Tragen hier die bösen Vögel,
Fleisch erhaschen hier die Vögel,
Heißes Blut die gier'gen Krähen,
Ihren Schnabel tauchen Raben
In den Leichnam von uns Armen,
Tragen das Gebein auf Steine,
Tragen es zu stein'gen Klippen.
»Ach, nicht weiß die arme Mutter,
Sie, die mühvoll mich getragen,
[390]
Wo ihr Fleisch sich jetzt befindet,
Wo ihr Blut sich jetzt beweget,
Ob auf großen Sumpfesflächen,
Ob im Kampf mit gleichen Köpfen,
Oder auf des Meeres Rücken,
Auf den weitgestreckten Fluten,
Oder an dem Tannenhügel,
In dem dichtverwachsnen Busche.
»Gar nichts kann die Mutter wissen
Von dem ärmsten ihrer Söhne,
[400]
Denket nur, er sei gestorben,
Wähnt, er sei schon umgekommen;
Also weinet da die Mutter,
Klaget so die greise Alte:
›Dort nun ist mein armes Söhnchen,
Dort, der Unglücksel'gen Stütze,
Säet aus die Saat Tuonis,
Egget bei den Häusern Kalmas;
Wohl erlangt von meinem Sohn nun,
Von dem Kind der ganz Verlassnen
[410]
Volle Ruhe nun der Bogen,
Daß die edle Waffe dorret,
Schön kann sich der Vogel mästen,
In dem Laub das Feldhuhn flattern,
Bären nun gemächlich leben,
Auf der Flur das Renntier spielen.‹«
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
»Also ist es nun, o Mutter,
Ärmste, die du mich getragen!
[420]
Hast der Hühner Schar gezogen,
Einen ganzen Schwarm von Schwänen,
Kam der Wind, sie zu zerstreuen,
Lempo, um sie zu zersprengen,
Eins hierher, dorthin das andre,
Und das dritte irgendwohin.
»Wohl gedenk' ich frührer Zeiten,
Trag' im Sinne bessre Tage,
Wanderten da gleich der Blume,
Gleich der Beere in der Heimat;
[430]
Mancher sah auf unser Antlitz,
Schaute, wie wir schön gewachsen,
Anders als in dieser Stunde,
Als in dieser Zeit voll Unheil:
Da den Wind allein wir kennen,
Und allein die Sonne schauen,
Doch auch sie verhüllen Wolken
Und der Regendunst verdeckt sie.
»Aber nicht soll's mich bekümmern,
Bange soll es mich nicht machen,
[440]
Wenn nur froh die Mädchen leben,
Wenn die Schöngelockten schwatzen,
Wenn die Weiber alle lachen,
Süßgestimmt die Bräute stehen,
Wenn sie nicht vor Sehnsucht weinen,
Nicht vor Kummer sich verzehren.
»Noch sind wir hier nicht verzaubert,
Nicht verzaubert und verhexet,
Auf den Wegen hier zu sterben,
Auf der Reise hinzusinken,
[450]
In der Jugend hinzustürzen
Und so frisch noch umzukommen.
»Was die Zaubrer immer zaubern,
Was die Seher auch beschwören,
Soll die eignen Häuser treffen,
Auf die eigne Heimat fallen,
Mögen selber sich verzaubern,
Ihre Kinder sie behexen,
Ihr Geschlecht zum Tode bringen,
Zu Verderben die Verwandtschaft!
[460]
»Niemals hat mein Vater früher,
Niemals er, der greise Alte,
Einem Zaubrer sich gebeuget,
Einem Lappensohn gefronet;
Also redete mein Vater,
Also rede ich auch selber:
Schirme mich, o starker Schöpfer,
Hüte mich, holder Jumala,
Schütz' mit deinen Gnadenarmen
Mich, mit deinen mächt'gen Kräften,
[470]
Vor den Anschlägen der Männer,
Vor der Weiber bösen Plänen,
Vor der Bartgeschmückten Reden,
Vor der Bartberaubten Reden!
Sei du uns zu ew'ger Hilfe,
Uns ein zuverläss'ger Hüter,
Daß der Knab' nicht fortgerate,
Sich der Mutter Kind verliere
Von dem Wege seines Schöpfers,
Dem von Jumala bestimmten!«
[480]
Schuf der muntre Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli,
Dann aus Sorgen rasche Rosse,
Schwarze Pferde aus dem Kummer,
Zügel aus den bösen Tagen,
Sättel aus geheimem Schaden:
Hebt sich auf des Rosses Rücken,
Auf das Kreuz des weißgestirnten,
Macht sich schweren Schritts von dannen
An der Seite seines Tiera,
[490]
Jagt am Strande gar beschwerlich,
In dem Sande voller Mühe
Hin zu seiner lieben Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten.
Lasse nun den Kauko länger
Fort aus meinem Liede bleiben,
Weise Tiera auf die Wege,
Daß er nach der Heimat komme,
Selber will den Sang ich wenden,
Ihn auf andre Pfade führen.
[500]
Anmerkungen
Vers 209 f. S. Anmerkungen zu III 181 f.