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Wäinämöinen segelt in seinem neuen Boote hin nach dem Nordland, um des Nordlands Jungfrau zu freien 1–40. Ilmarinens Schwester sieht ihn und spricht mit ihm vom Strande her, erhält Auskunft über seinen Weg und eilt es dem Bruder zu melden, daß ein anderer seiner Braut nachstrebe und er auf seiner Hut sein möge 41–266. Ilmarinen rüstet sich und eilt gleichfalls zu Pferde dem Strande entlang nach dem Nordland 267–470. Als des Nordlands Wirtin die Freier kommen sieht, rät sie der Tochter, den Wäinämöinen zu wählen 471–634. Die Tochter selbst will Ilmarinen, der den Sampo geschmiedet, heiraten und empfängt Wäinämöinen, der früher in die Stube tritt, mit einer abschlägigen Antwort 635–706.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Dachte nach und überlegte
Hinzugehn und heimzuführen
Eine schöngelockte Jungfrau
Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola,
Nordlands weitberühmte Tochter,
Nordlands Braut, die Ohnegleiche.
Gibt dem Boote blaue Decke,
Kleidet rot des Nachens Hälfte,
[10]
Schmückt mit Gold das vordre Ende,
Ziert es aus mit gutem Silber;
Drauf an einem schönen Morgen,
In des Tages erster Frühe
Stößt das Fahrzeug er ins Wasser,
In die Flut das plankenreiche
Von den borkentblößten Rollen,
Von den runden Fichtenblöcken.
Richtet auf den starken Mastbaum,
Ziehet Segel auf die Masten,
[20]
Ziehet auf ein rotes Segel,
Zieht ein Segel blauer Farbe,
Steigt dann selbst hinab ins Fahrzeug,
Gehet in sein neues Schifflein,
Geht um durch das Meer zu steuern,
Um die blaue Bahn zu furchen.
Redet Worte solcher Weise,
Läßt sich also dann vernehmen:
»Komm nun in das Boot, Jumala,
In das Schiff, Erbarmungsreicher,
[30]
Zu dem Schutz des schwachen Helden,
Zu des kleinen Mannes Stütze
Auf den weiten Wogenflächen,
Auf den schrankenlosen Fluten!
»Wiege, Wind, den schönen Nachen,
Treibe, Welle, mir mein Schifflein,
Ohne daß ich Ruder brauche
Und das Wasser damit schlage
Auf des Meeres weitem Rücken,
Auf der offnen Wogenfläche!«
[40]
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Die am Abend noch geschäft'ge,
Die am frühen Morgen wache,
Hatte Wäsche durchzuklopfen,
Hatte Kleider auszuspülen
An der roten Brücke Ende,
An des breiten Steges Kante,
Auf der nebelreichen Spitze,
Auf dem dunstumwobnen Eiland.
[50]
Blickt rundum nach allen Seiten
In die wolkenfreien Lüfte,
Blickt nach oben hin zum Himmel,
Blickt vom Strande hin zum Meere:
Oben schien gar schön die Sonne,
Unten schimmerten die Wogen.
Warf die Augen hin zum Meere,
Wandt' den Kopf gerad' zur Sonne;
An des Suomiflusses Mündung,
Bei des Wäinöstromes Ausfluß
[60]
Sieht sie auf dem Meer ein Dunkles,
Sieht ein Blaues auf den Wogen.
Redet Worte solcher Weise,
Läßt sich selber also hören:
»Dunkles auf dem Meer, was bist du,
Du was, Blaues auf den Wogen?
Bist du eine Gänseherde
Oder auch ein Schwarm von Enten,
Nun so schwinge dich im Fluge
In die Höhe zu dem Himmel!
[70]
»Bist von Lachsen eine Schar du
Oder sonst ein Schwarm von Fischen,
Nun so plätschre doch im Schwimmen,
Tauche nieder in die Wogen.
»Bist du eine Felsenklippe
Oder in der Flut ein Baumstamm,
Möge dich die Welle decken,
Dich die Woge überspülen.«
Weiter rückte da das Fahrzeug,
Segelte das junge Schifflein
[80]
Längs der nebelreichen Spitze,
Längs dem dunstumwobnen Eiland.
Annikki mit gutem Namen
Sah nun schon das Fahrzeug kommen,
Sah das plankenreiche nahen,
Ließ sich solcherart vernehmen:
»Bist du meines Bruders Fahrzeug,
Du der Nachen meines Vaters,
Eile rascher nach der Heimat,
Wende dich zum eignen Lande,
[90]
Kehre diesem Strand die Spitze,
Anderm Strande zu das Steuer;
Bist du, Boot, aus fremder Ferne,
Schwimm hinaus und immer weiter,
Kehre anderm Strand die Spitze,
Diesem Strande zu das Steuer!«
War kein Boot des Heimatlandes,
War auch nicht aus fremder Ferne,
War der Nachen Wäinämöinens,
War des ew'gen Sängers Fahrzeug;
[100]
Kommt bereits in größre Nähe,
Eilt herbei zur Unterredung,
Bringt ein Wort und holt ein andres,
Und ein drittes wird gewechselt.
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Fraget so gewandt zum Fahrzeug:
»Wohin ziehst du, Wäinämöinen,
Wohin du, o Freund der Wogen,
Wohin eilst du, Zier des Landes?«
[110]
Darauf redet Wäinämöinen
Er, der Alte, her vom Boote:
»Bin auf Lachsfang ausgezogen,
Zu dem Laichen muntrer Lachse
In dem schwarzen Strom Tuonis,
In des schilf'gen Baches Tiefe.«
Annikki mit gutem Namen
Redet Worte solcher Weise:
»Sprich nicht lauter leere Lügen!
Kenne gut der Fische Laichzeit,
[120]
Früher fuhr mein Vater oftmals,
Fuhr gar oft der greise Alte,
Lachse aus dem Fluß zu fangen,
Lachsforellen mitzubringen:
Netze lagen in dem Boote,
Voll von Garnen war das Fahrzeug,
Netze hier und dorten Schnüre,
Große Stangen an den Seiten,
Gabeln unter'n Ruderbänken,
Lange Stöcke bei dem Steuer;
[130]
Wohin gehst du, Wäinämöinen,
Ziehst du aus, o Freund der Wogen?«
Sprach der alte Wäinämöinen:
»Zog hinaus zum Gänsejagen,
Zu dem Spiel der Buntbeschwingten,
Um die speichelreichen Vögel
In dem Sachsensund zu fangen,
Auf der offnen Wogenfläche.«
Annikki mit gutem Namen
Redet Worte solcher Weise:
[140]
»Kenne wohl den Wahrheitsprecher,
Kann den Lügner bald entdecken;
Früher fuhr mein Vater oftmals,
Fuhr gar oft der greise Alte
Aus um Gänse einzufangen,
Rotgeschnäbelte zu jagen:
Wohl bespannet war der Bogen,
Aufgezogen war die Sehne,
Schwarze Hunde an der Koppel,
An der Kette festgebunden,
[150]
Welpe liefen an dem Strande,
Kläffer eilten durch die Steine;
Sprich die Wahrheit, Wäinämöinen,
Wohin soll die Reise gehen?«
Spricht der alte Wäinämöinen:
»Wie nun wenn ich fernhin ziehe,
Hin zum großen Kampfgetümmel,
Wo die Schlacht die Köpfe gleichmacht,
Wo das Schienbein blutbeflecket,
Bis zum Knie besprengt die Beine?«
[160]
Wieder antwortet Annikki,
Sie, die Zinngeschmückte, redet:
»Kenne wohl den Gang zum Kampfe,
Früher ging mein Vater oftmals
Hin zum großen Kampfgetümmel,
Wo die Schlacht die Köpfe gleichmacht:
Hundert Männer saßen rudernd,
Tausend Müß'ge standen drinnen,
An der Spitze hingen Bogen,
Schwerter an den Ruderbänken;
[170]
Sage endlich doch die Wahrheit,
Ohne allen Lug getreulich,
Wohin gehst du, Wäinämöinen,
Steuerst du, o Freund der Wogen?«
Spricht der alte Wäinämöinen,
Läßt sich solcherart vernehmen:
»Komm, o Mädchen, in mein Fahrzeug,
Steig, o Jungfrau, in den Nachen,
Dann will ich die Wahrheit sagen
Ohne allen Lug getreulich.«
[180]
Annikki, die Zinngeschmückte,
Gibt zur Antwort solche Worte:
»Mag der Wind ins Boot dir steigen
Und der Sturm in deinen Nachen!
Will dein Boot dir kentern machen,
Stürz' es samt dem Vorderstamme,
Wenn die Wahrheit du nicht meldest,
Wohin du zu gehen denkest,
Nicht genau die Wahrheit meldest
Und das Lügen nicht beendest.«
[190]
Spricht der alte Wäinämöinen,
Läßt sich solcherart vernehmen:
»Will genau die Wahrheit sagen,
Log ich auch zuvor ein wenig:
Ging die Jungfrau heimzuführen,
Um das Mädchen anzuhalten
Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola,
Wo die Männer man verzehret
Und ins Meer die Helden senket.«
[200]
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Als die Wahrheit sie gehöret
Ohne allen Lug getreulich,
Läßt die Tücher ungeklopfet,
Läßt die Röcke ungespület
An des breiten Steges Kante,
An der roten Brücke Ende,
Raffet mit der Hand die Röcke,
Mit der Faust faßt sie die Säume,
[210]
Macht sich hastig auf von dannen,
Eilt alsbald in starkem Laufe,
Kommt so in das Haus des Schmiedes,
Hurtig geht sie hin zur Esse.
Dorten weilte Ilmarinen,
Er, der ew'ge Hämmerkünstler,
Schmiedet eine Bank aus Eisen,
Schmückt sie sorgsam aus mit Silber,
Ruß liegt armhoch auf dem Kopfe,
Kohlen klafterhoch am Halse.
[220]
Hin zur Türe tritt Annikki,
Redet Worte solcher Weise:
»Bruder, Schmieder Ilmarinen,
Hämmerkünstler aller Zeiten!
Schmiede mir ein Weberschiffchen,
Schmied' mir feine Fingerringe,
Zwei, ja drei der Ohrgehänge,
Fünf, ja sechs der Gürtelketten,
Werde dir die Wahrheit sagen,
Ohne allen Lug getreulich!«
[230]
Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Sagest du mir gute Worte,
Schmied' ich dir ein Weberschiffchen,
Schmied' dir feine Fingerringe,
Schmied' ein Kreuz dir für den Busen,
Bess're aus dir deinen Kopfschmuck;
Sagst du aber schlechte Worte,
Brech' ich deinen Schmuck in Stücke,
Werfe ihn dir in das Feuer,
Stoße ihn in meine Esse.«
[240]
Annikki mit gutem Namen
Redet Worte solcher Weise:
»O du Schmieder Ilmarinen,
Denkst du wohl noch heimzuführen
Die du einstmals dir verlobet,
Dir zum Weibe auserlesen?
»Schmiedest ohne aufzuhören,
Hämmerst ja zu allen Zeiten,
Rossen machst du Sommers Hufe,
Schmiedest Winters dazu Eisen,
[250]
Nachts baust du an deinem Schlitten,
Machst die Seiten an dem Tage,
Um zur Brautfahrt hinzuwandern,
Nach dem Nordland aufzubrechen,
Dahin eilet nun ein Schlaurer,
Kommt dir nun zuvor ein Flinkrer,
Führt hinweg was dir gehöret,
Nimmt für sich was du geliebet,
Zwei der Jahre angeblicket,
Drei der Jahre drum geworben;
[260]
Wisse, schon fährt Wäinämöinen
Auf des blauen Meeres Rücken,
In dem Boot mit goldnem Schnitzwerk,
An dem Kupfersteuer sitzend,
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem düstern Sariola.«
Eine Pein kommt da dem Schmiede,
Schwere Zeit dem Eisenmanne,
Aus der Faust prallt ihm die Zange,
Aus der Hand sinkt ihm der Hammer.
[270]
Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Annikki, du liebe Schwester!
Werde dir ein Weberschiffchen,
Feine Fingerringe schmieden,
Zwei, ja drei der Ohrgehänge,
Fünf, ja sechs der Gürtelketten,
Wärme du die süße Badstub',
Füll' mit Rauch die Honigkammer
Mit den feingespaltnen Scheiten,
Mit den klein gebrochnen Spänen,
[280]
Gib mir auch ein wenig Asche
Und bereit' ein wenig Lauge,
Daß den Kopf ich damit wasche,
Meine Glieder damit rein'ge
Von den Kohlen seit dem Herbste,
Von den Schlacken seit dem Winter!«
Annikki mit gutem Namen
Wärmet heimlich drauf die Badstub',
Heizt mit Holz, das Wind gebrochen,
Das der Donnerkeil zerschlagen,
[290]
Sammelt Steine aus dem Strome,
Mehrt durch Sprengen drauf die Hitze,
Durch das Wasser aus der Quelle,
Aus dem sanftbewegten Borne,
Bricht dann Besen im Gebüsche,
Macht aus Laub die weichen Quaste,
Bäht die honigreichen Besen
Auf des süßen Steines Spitze,
Macht aus saurer Milch die Lauge,
Macht aus Knochenmark die Seife,
[300]
Macht aus glattem Stoff die Seife,
Macht sie aus geschmeid'ger Masse,
Um des Freiers Kopf zu waschen,
Seine Glieder rein zu reiben.
Und der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew'ge Hämmerkünstler,
Schmiedet was die Jungfrau wünschte,
Bessert aus den Schmuck des Kopfes,
Während sie die Badstub' heizte,
Eilend ihm das Bad besorgte;
[310]
Legt ihr alles in die Hände,
Also redet nun die Jungfrau:
»Hab' die Badstub' schon geheizet,
Schon gewärmt die dampf'ge Kammer,
Habe schon gebäht die Besen,
Schon geschwungen dort die Quaste;
Bade du nun zur Genüge,
Gieße Wasser nach Belieben,
Wasch das Haupt zu Flachses Weiße,
Deine Augen gleich dem Schneeglanz!«
[320]
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Geht nun selber hin zu baden,
Wäscht sich dorten zur Genüge,
Scheuert blank den ganzen Körper,
Wäscht die Augen, daß sie glänzen,
Wäscht die Schläfen, daß sie blühen,
Seinen Hals so weiß wie Eier,
Seine Glieder, daß sie strahlen;
Kommt ins Zimmer aus dem Bade,
Kommt, daß man ihn kaum erkennet,
[330]
Wunderschön sind seine Wangen,
Wohlgerötet ihre Fläche.
Redet Worte solcher Weise:
»Annikki, geliebte Schwester!
Bringe mir ein Hemd von Leinwand,
Bringe mir die besten Kleider,
Daß ich meine Glieder schmücke,
Daß ich mich zum Freien rüste!«
Annikki mit gutem Namen
Holt ihm nun ein Hemd von Leinwand
[340]
Für die schweißbefreiten Glieder,
Für den unbedeckten Körper,
Holt ihm enggewirkte Hosen,
Die die Mutter selber nähte,
Für die schmutzbefreiten Hüften,
Deren Knochen nicht zu sehen.
Holet ihm dann weiche Strümpfe,
Die einst seine Mutter strickte,
Um das Schienbein zu bedecken,
Um die Waden zu verhüllen;
[350]
Darauf Schuhe, die gut passen,
Schöne Stiefel aus der Fremde,
Auf die Strümpfe sie zu ziehen,
Die die Mutter einst genähet;
Ein Gewand von blauer Farbe,
Unten von der Leberfarbe,
Auf das Hemd von schöner Leinwand,
Die aus reinstem Flachs bereitet;
Dann den Rock aus wollnem Zeuge,
Wohl verbrämt mit Tuchesstreifen,
[360]
Aufs Gewand von blauer Farbe,
Das das neuste von den neuen;
Einen Pelz mit tausend Knöpfen,
Ausgeschmückt mit hundert Zierden,
Auf den Rock aus wollnem Zeuge,
Welchen feines Tuch umkreiset;
Noch den Gürtel um die Hüften,
Die mit Gold gezierte Binde,
Die die Mutter einst gestricket,
Die als Mädchen sie gewirket;
[370]
Buntgezierte Handschuh' ferner,
Fingerhandschuh' goldenkantig,
Von den Lappen angefertigt,
Auf die schöngeformten Hände;
Eine Mütze, die sich hebet
Auf dem Haupt mit goldnen Locken,
Die der Vater einst gekaufet,
Als zum Freien er sich schmückte.
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Kleidet sich und macht sich fertig,
[380]
Achtet, daß die Kleider passen,
Redet dann zu seinem Knechte:
»Schirre mir das flinke Füllen
Vor den buntgeschmückten Schlitten,
Daß ich auf die Fahrt mich mache,
Nach dem Nordland hin verreise!«
Also gibt der Knecht zur Antwort:
»Haben grade sechs der Rosse,
Pferde, welche Hafer fressen,
Welches soll ich davon schirren?«
[390]
Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Nimm den besten von den Hengsten,
Spann' das Füllen ins Geschirre,
Vor den Schlitten du das falbe,
Setze sechs der Kuckucksvögel,
Sieben von den blauen Vögeln,
Daß sie an dem Krummholz zwitschern,
An des Joches Riemen lärmen,
Daß die Mädchen hastig aufschaun,
Sich die Jungfraun staunend freuen;
[400]
Bringe her das Fell des Bären,
Mir zum Sitz sei es bereitet,
Bringe auch die Haut der Robbe
Her als Decke auf den Schlitten!«
Darauf spannt der stets gewärt'ge,
Der mit Geld bezahlte Diener
Ins Geschirr das flinke Füllen,
Vor den Schlitten hin das falbe,
Stellet sechs der Kuckucksvögel,
Sieben von den blauen Vögeln,
[410]
Daß sie an dem Krummholz zwitschern,
An des Joches Riemen lärmen;
Bringt herbei das Fell des Bären,
Daß der Wirt sich darauf setze,
Bringt sodann die Haut der Robbe
Her als Decke auf den Schlitten.
Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew'ge Hämmerkünstler,
Flehet nun zu Ukko oben,
Betet also zu dem Donn'rer:
[420]
»Sende frischen Schnee, o Ukko,
Lasse weiche Flocken fallen,
Daß der Schlitten drüber gleite,
Auf dem Schnee vorübersause!«
Frischen Schnee entsendet Ukko,
Läßt die weichen Flocken fallen,
Deckt der Heidekräuter Stiele
Und verbirgt die Beerenbüschel.
Setzt der Schmieder Ilmarinen
Nun sich in den Eisenschlitten,
[430]
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Glück, sei nun bei meinen Zügeln,
Gott, beschütze du den Schlitten,
Nicht zerreißt das Glück die Zügel,
Nicht zerschmettert Gott den Schlitten!«
Raffet mit der Hand die Zügel,
Mit der andern dann die Peitsche,
Schlägt das Roß mit seiner Peitsche,
Redet selber diese Worte:
[440]
»Weißstirn, jage nun von dannen,
Tummle dich, du Flachsesmähne!«
Springend jagt das Roß des Weges
An des Meeres sand'gem Ufer,
An dem Rand des Honigholmes,
An des Erlenhügels Seite,
Lärmend jagt es hin am Strande,
Rauschend durch den Kies am Ufer,
In die Augen fliegt der Flugsand
Und das Meer spritzt an den Busen.
[450]
Jagt so einen Tag, den zweiten,
Jagt auch noch am dritten Tage.
Endlich an dem dritten Tage
Holt er ein den Wäinämöinen,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»O du alter Wäinämöinen,
Laß uns friedlich uns vergleichen,
Daß, obwohl wir um die Wette
Um die Jungfrau uns bewerben,
[460]
Sie nicht wider ihren Willen,
Sondern frei dem Manne folge!«
Sprach der alte Wäinämöinen:
»Will in Frieden mich vergleichen,
Mit Gewalt sie nicht zu nehmen;
Wider ihren Willen nimmer:
Daß sie dem gegeben werde,
Welchem sie sich selbst bestimmet;
Werd' nicht lange Feindschaft tragen,
Zähen Groll werd' ich nicht hegen.«
[470]
Fuhren drauf des Weges fürder,
Jeglicher auf seinem Pfade,
Rauschend schoß das Boot am Strande,
Schoß der Hengst, die Erde bebte.
Wenig Zeit war hingegangen,
Kaum ein Augenblick verflossen,
Sieh, da bellte schon der Haushund
Und des Hofes Wächter kläffte
In dem nimmerhellen Nordland,
In dem düstern Sariola;
[480]
Anfangs murrte er nur leise,
Knurrte dann zuweilen zornig,
Auf dem Ackerrain gelagert,
Seinen Schwanz zu Boden senkend.
Sprach der Hauswirt von Pohjola:
»Gehe, Tochter, nachzuschauen,
Laut gegeben hat der Graue,
Angeschlagen hat das Langohr!«
Klüglich antwortet die Tochter:
»Bin zurzeit nicht müßig, Vater,
[490]
Muß den großen Stall besorgen,
Muß die große Herde hüten,
Muß mit breitem Steine mahlen,
Fein das Mehl durch Siebe lassen,
Fein das Mehl und breit die Steine,
Und gering die Kraft zum Mahlen.«
Leise bellt des Schlosses Unhold,
Knurrt nur selten und voll Ärger,
Spricht der Hauswirt von Pohjola:
»Sehe, Alte, nachzuschauen,
[500]
Laut gegeben hat der Fahle,
Angeschlagen hat der Torwart!«
Also antwortet die Alte:
»Hab' nicht Muße noch Verlangen,
Muß die große Wirtschaft sätt'gen,
Muß das Mittagsmahl besorgen,
Muß das große Brot bereiten,
Muß den Teig recht kräftig kneten,
Groß das Brot, das Mehl vom feinsten,
Und gering die Kraft zum Backen.«
[510]
Spricht der Hauswirt von Pohjola:
»Immer haben Weiber Eile,
Mädchen immer viel zu schaffen,
Wenn am Ofen sie sich braten,
In dem Bette lang sich strecken;
Gehe du, Sohn, nachzuschauen!«
Also antwortet der Bursche:
»Hab' nicht Zeit um nachzuschauen,
Muß das stumpfe Beil jetzt schleifen,
Einen großen Block zerhauen,
[520]
Einen Haufen Holz nun spalten,
Es in feine Scheite schlagen,
Groß der Haufen, fein die Scheite,
Und gering die Kraft zum Hauen.«
Immer bellte noch der Kläffer,
Immer knurrte noch der Hofwart,
Lärmte noch der Hund, der garst'ge,
Klagte noch des Hügels Wächter,
Sitzend auf dem Saum des Feldes,
Seinen Schwanz nach oben krümmend.
[530]
Sprach der Hauswirt von Pohjola:
»Ohne Grund bellt nicht der Fahle,
Nimmer schlägt er an vergebens,
Knurret nicht der Föhren wegen.«
Geht nun selber nachzuschauen,
Schreitet durch den Raum des Hofes
Zu des Feldes letztem Rande,
Zu dem hintersten der Äcker.
Schauet auf des Hundes Schnauze,
Sieht die Nase hingerichtet
[540]
Zu des Sturmeshügels Spitze,
Zu des Erlenberges Rücken;
Sieht nun wohl die ganze Wahrheit,
Was der Graue so gebellet,
So geklagt die Zier des Bodens,
So geheult der Wollschwanzträger;
Rotgefärbt ein Fahrzeug segelt
An dem Strand des Lempibusens
Und ein bunter Schlitten eilet
An dem Strand des Honigholmes.
[550]
Geht der Hauswirt von Pohjola
Alsogleich in seine Stube,
Macht sich auf nach seinem Hause,
Läßt sich solcherart vernehmen:
»Fremde sind schon unterwegs her
Auf des blauen Meeres Rücken,
Angefahren kommt ein Schlitten
An dem Strand des Honigholmes,
Angesegelt kommt ein Fahrzeug
An dem Strand des Lempibusens.«
[560]
Spricht die Wirtin von Pohjola:
»Woher nehmen wir ein Zeichen,
Weshalb her die Fremden kommen?
Mach' dich auf, mein kleines Mädchen,
Leg' erlesnen Zweig ins Feuer,
Von dem Ebereschenholze!
Fließet er von rotem Blute,
Werden wir in Krieg geraten,
Fließt dagegen reines Wasser,
So verharren wir im Frieden.«
[570]
Nordlands Magd, die kleine Jungfrau,
Sie, ein Mädchen gar bescheiden,
Legt erlesnen Zweig ins Feuer,
Von dem Ebereschenholze;
Fließet nicht von rotem Blute,
Nicht von Blute, nicht von Wasser,
Honig sieht hervor sie fließen,
Süßen Seim zum Vorschein kommen.
Aus dem Winkel spricht Suowakko,
Redet aus dem Bett die Alte:
[580]
»Fließet Honig aus dem Holze,
Träufelt es von süßem Seime,
Sind die Gäste, die jetzt kommen,
Eine große Schar von Freiern.«
Darauf geht des Nordlands Wirtin,
Mit der Wirtin auch die Tochter
Gar geschwinden Schritts zum Hofe,
Eilen rasch hinaus ins Freie,
Werfen ihre Augen dorthin,
Wenden ihren Kopf zur Sonne;
[590]
Sehen aus der Ferne kommen,
Angesegelt einen Nachen,
Hundert Bretter hat die Barke,
Die im Lempibusen kreuzet,
Bräunlich scheint das Boot von unten,
Rötlich glänzt die obre Hälfte,
Voller Kraft stützt an dem Steuer
Sich ein Mann aufs Kupferruder;
Laufen sehen sie das Füllen,
Sie den roten Schlitten gleiten,
[600]
Fahren ihn, den buntgeschmückten,
An dem Strand des Honigholmes;
Sechs der goldnen Kuckucksvögel
Lärmen an dem Krummholzbogen,
Sieben blaugefärbte Vögel
Singen an des Joches Riemen,
Sitzt ein stolzer Held im Schlitten,
Hält die Zügel in den Händen.
Spricht die Wirtin von Pohjola,
Redet selber diese Worte:
[610]
»Welchem Manne willst du folgen,
Wenn sie kommen dich zu freien,
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?
»Welcher mit dem Boote kommet,
Mit dem roten Fahrzeug schiffet,
Das im Lempibusen kreuzet,
Ist der alte Wäinämöinen,
Führt im Schiffe guten Vorrat,
Schätze auf des Bootes Boden.
[620]
»Welcher in dem Schlitten fähret,
In dem buntgeschmückten gleitet
An dem Strand des Honigholmes,
Ist der Schmieder Ilmarinen,
Kommet her mit leeren Händen,
Hat den Schlitten voll mit Sprüchen.
»Treten sie in unsre Stube,
Bring' du Honigtrank im Kruge,
Bringe ihn im doppelohr'gen,
Leg' den Krug in dessen Hände,
[630]
Dem zu folgen du gesonnen;
Gib ihn nur dem Wäinämöinen,
Der im Schiffe Güter brachte,
Schätze auf des Bootes Boden!«
Doch des Nordlands schöne Tochter
Gibt zur Antwort solche Rede:
»Teure, die du mich getragen,
Mutter, die mich auferzogen!
Werde nicht den Reichtum wählen,
Nicht den Mann mit großen Schätzen,
[640]
Wähl' den Mann mit güt'ger Stirne,
Den an allen Gliedern schönen;
Nimmer ward in frühern Zeiten
Wohl ein Mädchen je verkaufet;
Ohne Schätze folgt die Jungfrau
Ilmarinen, ihm, dem Schmiede,
Der den Sampo hat geschmiedet,
Der den Deckel hat gehämmert.«
Spricht die Wirtin von Pohjola:
»O du kleines dummes Schäflein!
[650]
Wählst den Schmieder Ilmarinen,
Dessen Stirn vom Schweiße triefet,
Seine Laken rein zu spülen
Und des Schmiedes Kopf zu waschen.«
Also antwortet die Tochter,
Redet Worte solcher Weise:
»Will den Wäinämöinen nimmer,
Nicht den alten Mann beschützen,
Würde Mühe mit ihm haben,
Langeweile mit dem Greise.«
[660]
Drauf gelangte Wäinämöinen
Früher an das Ziel der Reise,
Stößt den rotgefärbten Nachen,
Setzt das dunkelfarb'ge Fahrzeug
Auf die eisenfesten Rollen,
Auf die kupferreichen Walzen,
Dringt dann selber in die Stube,
Geht geschwinde ein zum Hause,
Redet auf dem Boden stehend,
Vor der Türe, unterm Balken,
[670]
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Willst du, schöne Jungfrau, werden
Mir Gefährtin für das Leben,
Meine Tage mit mir teilen
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?«
Nordlands Maid, die schöne Jungfrau
Gibt geschwinde diese Antwort:
»Hast du schon das Boot gezimmert,
Schon gebaut das große Fahrzeug
[680]
Aus den Splittern meiner Spindel,
Aus den Trümmern meiner Spule?«
Spricht der alte Wäinämöinen,
Redet selber solche Worte:
»Hab' ein gutes Boot gezimmert,
Wohl gefüget diesen Nachen,
Daß dem Winde stand er halte
Und dem Wetter widerstehe,
Wenn er durch die Wogen treibet,
Auf dem Meeresrücken gleitet,
[690]
Wie ein Bläschen sich erhebet,
Wie ein Blättchen sich beweget
Durch des Nordlands weite Fluten,
Durch die schaumbedeckten Wogen.«
Nordlands schöngewachsne Tochter
Gibt zur Antwort diese Worte:
»Mir gefällt kein Mann vom Meere,
Keiner der auf Wogen weilet,
Seinen Sinn entführen Stürme,
Sein Gehirn zersprengen Winde,
[700]
Deshalb mag ich dir nicht folgen,
Mag ich mich an dich nicht binden
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen,
Dir die Schlafstatt zu besorgen,
Dir das Kissen zu bereiten.«
Anmerkungen
Vers 41. Annikki: Ilmarinens Schwester.
137. Saksa: der Deutsche, auch der Handelsmann; Sachsensund: der von Kaufleuten befahrene Sund.
158. Dieser Vers wird verschieden gedeutet: die Schlacht macht die Köpfe gleich, wörtlich: sie ist »eine Schlacht mit gleichen Köpfen«, weil diese in der Menge (aus der Ferne gesehen) als eine ebene Fläche erscheinen (Lönnrot und Ahlqvist), oder weil sie in gleicher Weise gefährdet sind (Rothsten), oder weil es in dieser Schlacht viele Krieger, »Köpfe« von gleicher Stärke gibt (Ausg. von 1887 unter Hinweis auf Ilias XI 72).
290. Niedergeschlagene Bäume galten als besonders wirksam.
291. Der Dampf wird dadurch erzeugt, daß Wasser auf glühende Steine gegossen wird (vgl. Anm. zu IV 411).
395 ff. Schellen, die wie Vögel geformt waren.