Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierundzwanzigste Rune

Der Bräutigam wird ermahnt, wie er seine Braut behandeln soll, und ihm geraten, nicht schlecht mit ihr umzugehen 1–264. Ein alter Bettler erzählt, wie er vormals sein Weib zur Vernunft gebracht habe 265–296. Die Braut ist betrübt, daß sie nun ihre liebe Geburtsstätte auf immer verlassen muß, und sagt allen ein Lebewohl 297–462. Ilmarinen schwingt seine Braut in den Schlitten, macht sich auf den Weg und kommt am Abend des dritten Tages heim 463–528.

Schon empfing den Rat die Jungfrau,
Weisung ward der Braut gegeben;
Rede nun zu meinem Bruder,
Zu dem Bräutigame sprech' ich:
»Bräutigam, mein lieber Bruder,
Von den Brüdern du der beste,
Meiner Mutter Kinder liebstes,
Du, der sanfteste der Söhne,
Höre, was ich jetzt dir sage,
Was ich sage, was ich spreche [10]
Von dem Hänfling, der nun dein ist,
Von dem Hühnchen, das du fingest!

»Lobe, Bräutigam, dein Schicksal,
Lobe du, was du erhalten,
Lobst du, lobe aus dem Grunde,
Gutes hast du ja gewonnen,
Gutes hat verliehn der Schöpfer,
Gutes gnädig er gewähret!
Danke du nun auch dem Vater,
Mehr noch danke du der Mutter, [20]
Daß sie solch ein stattlich Mädchen,
Eine solche Braut gewieget!

»Lauter ist bei dir die Jungfrau,
Glänzend hell die dir Gesellte,
Eine Lichte ist dein eigen,
Eine Schöne dir gegeben,
Eine Starke dir am Busen,
Eine Blühende zur Seite,
Stark um dreschen dir zu helfen,
Wohl geeignet Heu zu mähen, [30]
Stattlich, um mit Kraft zu waschen,
Mit Bedacht das Zeug zu bleichen,
Kunstvoll Fäden gut zu spinnen,
Kräftig am Gewand zu weben.

»Läßt den Weberkamm so tönen,
Wie der Kuckuck auf dem Berge,
Läßt das Schifflein also gleiten,
Wie das Hermelin im Holze,
Also rasch dreht sie die Spule,
Wie das Eichhornmaul die Eichel, [40]
Fest hat nie das Dorf geschlafen,
Nie der Schloßbezirk geschlummert
Vor des Weberkammes Klappern,
Vor des Weberschiffleins Schnarren.

»Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Schmiede eine scharfe Sense,
Statt' sie aus mit gutem Stiele,
Schnitz' ihn an der Pforte Schwelle,
Hämmre sie auf einem Baumstumpf; [50]
Wenn dann Sonnenschein gekommen,
Führ' die Jungfrau auf die Wiese,
Schaue, wie das Heu da rauschet,
Wie das harte Gras da zischet,
Wie das Riedgras dorten kreischet,
Wie der Sauerampfer sauset,
Wie die Hügelchen verschwinden,
Wie die jungen Sprossen brechen!

»Ist ein andrer Tag gekommen,
Reiche ihr das Weberschifflein, [60]
Gib des Weberkammes Kette,
Einen Weberbaum auch passend
Und den Webertritt, den schönen,
Gib ihr sämtliches Geräte,
Führ' die Jungfrau dann zum Webstuhl,
Reiche ihr des Kammes Kette,
Dann wird hoch der Kamm ertönen,
Wird der Webstuhl laut beweget,
Bis zum Dorfe tönt das Klappern,
Weiter noch des Kammes Rauschen, [70]
Das bemerken bald die Alten,
Fragen so des Dorfes Weiber:
›Wer wohl webet am Gewebe?‹
Antwort mußt du ihnen geben:
›Meine Goldne ist's, die webet,
Ist mein Herzenskind, das klappert;
Lockerte sich wohl ein Faden,
Schlug sich gar hinein ein Knoten?‹
›Lockerte sich nicht ein Faden,
Schlug sich nicht hinein ein Knoten, [80]
Also webt des Mondes Tochter,
Also webt der Sonne Tochter,
So des Großen Bären Tochter,
So gerät's der Sterne Tochter.‹

»Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Machest du dich auf die Reise,
Fährst du dann von dieser Stelle
Mit der zarten Jungfrau weiter,
Mit dem anmutvollen Hühnchen, [90]
O, so achte auf das Finklein,
Achte auf den hübschen Hänfling,
Fahre du sie nicht in Gruben,
Fahr nicht gegen Zaunes Ecken,
Laß sie nicht auf Stämme fallen,
Laß sie nicht auf Steine stürzen!
Niemals ward im Haus des Vaters,
Niemals in dem Hof der Mutter
Je in Gruben sie gefahren,
Niemals gegen Zaunes Ecken, [100]
Umgeworfen nicht auf Stämme,
Nicht auf Steine hingestürzet.

»Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Lasse nimmer du die Jungfrau,
Lasse nie dein Schätzlein gehen,
Daß sie in den Ecken hocke,
Daß sie in den Winkeln krame!
Niemals hat im Haus des Vaters,
Niemals in der Mutter Stube [110]
In den Ecken sie gehocket,
In den Winkeln sie gekramet,
Saß beständig an dem Fenster,
Wiegt' sich auf des Bodens Mitte,
Abends zu des Vaters Freude,
Morgens zu der Mutter Wonne.

»Niemals magst du, armer Gatte,
Niemals dieses Hühnchen führen
Zu dem Mörser, der voll Sumpfkraut,
Um die Lohe dort zu stoßen, [120]
Brot aus schlechtem Stroh zu backen,
Rindenbrotteig dort zu kneten!
Niemals ward im Haus des Vaters,
Nie im Hof der schönen Mutter
Sie geführet zu dem Mörser,
Um die Lohe drin zu stoßen,
Brot aus schlechtem Stroh zu backen,
Rindenbrotteig dort zu kneten!

»Führen magst du dieses Hühnchen
Auf getreidereiche Fluren, [130]
Aus der Roggenlad' zu schöpfen,
Aus der Gerstenlad' zu nehmen,
Starkes Brot zurecht zu kneten,
Gutes Bier daraus zu brauen,
Weizenbrote schön zu backen
Und den Teig zurecht zu klopfen!

»Bräutigam, mein lieber Bruder,
Mögst du nimmer dieses Hühnchen,
Niemals unser liebes Gänslein
Je zu Tränen kommen lassen! [140]
Käme je ein schlechtes Stündchen,
Hätt' die Jungfrau Langeweile,
Spann' den Braunen an die Deichsel,
Ins Geschirre du den Schimmel,
Bring' ins Vaterhaus die Jungfrau,
Nach der lieben Mutter Stube!

»Niemals mögst du dieses Hühnchen,
Niemals unsern hübschen Hänfling
Gleich der Dienerin behandeln,
Der bezahlten Magd gleich halten, [150]
Nie den Keller ihr verbieten,
Nie die Vorratskammer schließen!
Niemals hat im Vaterhause,
In dem Hof der lieben Mutter
Sie als Dienerin gegolten,
Ward der Magd sie gleichgestellet,
Nie vom Keller abgehalten,
Nimmer von dem Vorratshause;
Schnitt das Weizenbrot beständig,
Schaute nach den Hühnereiern, [160]
Auf der Milchgefäße Reihen,
Auf der Biergefäße Inhalt,
Morgens tat sie auf die Kammer,
Abends schloß sie ihre Türe.

»Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Hältst du gut die liebe Jungfrau,
Dann wirst freundlich du empfangen,
Kommst du in das Haus des Schwähers,
In die Näh' der Schwiegermutter, [170]
Wirst dann selber du gespeiset,
Wirst gespeiset, wirst getränket,
Ausgespannet wird dein Rößlein,
In den Stall sodann geführet,
Dort gefüttert, dort getränket,
Ihm gebracht der Haferscheffel.

»Niemals mögst du unsre Jungfrau,
Diesen hübschen Hänfling schelten,
Daß sie nicht aus großem Stamme,
Nicht aus breitem Haus geboren! [180]
Groß ist unsrer Jungfrau Herkunft,
Ihr Geschlecht von weitem Stamme:
Sät man eine Metze Bohnen,
Würde jedem eine Bohne,
Sät von Flachs man eine Metze,
Jedem eine Faser werden.

»Nimmer mögst du, armer Gatte,
Diese Jungfrau schlecht behandeln,
Mit des Knechtes Peitsch' sie lehren,
Mit dem Lederriemen schlagen, [190]
Mit der Gert' zum Jammern bringen,
An der Scheune sie zum Ächzen!
Niemals ward die Jungfrau früher,
Niemals in dem Vaterhause,
Mit des Knechtes Peitsch' belehret,
Mit dem Lederriem geschlagen,
Nicht zum Jammern je getrieben
Mit der Gerte an der Scheune.

»Vor ihr stehe gleich der Mauer,
Stell' dich gleich der Türe Pfeiler, [200]
Laß die Mutter sie nicht schlagen,
Deinen Vater sie nicht schelten,
Keinen Gast sie je bedrohen,
Keine Nachbarn sie beschimpfen;
Treibt zum Schlagen die Verwandtschaft,
Andres Volk dich an zur Zücht'gung,
Mögst du's übers Herz nicht bringen,
An der Liebsten so zu handeln,
Die du drei Jahr hast erwartet,
Unablässig du umworben! [210]

»Rate, Gatte, deinem Mädchen,
Unterweise deinen Apfel,
Rate ihr sowohl im Bette,
Als auch draußen vor der Türe,
Tue so das ganze Jahr lang;
Ein Jahr sprich zu ihr mit Worten,
In dem zweiten mit den Augen,
Mit dem Fuße stampf' im dritten!

»Wenn sie dieses nicht beachtet,
Dieses sie nicht kümmern sollte, [220]
Hole dann ein Rohr des Röhrichts,
Schachtelhalme hol' vom Felde,
Rate damit deinem Mädchen,
Rat ihr so im vierten Jahre,
Schrecke sie mit diesen Halmen,
Mit des Grases straffen Rändern,
Streiche sie noch nicht mit Riemen,
Schlage sie noch nicht mit Ruten!

»Wenn sie dieses nicht beachtet,
Dieses sie nicht kümmern sollte, [230]
Hole eine Rut' vom Walde,
Eine Birke aus dem Tale,
Trag sie unter deinem Pelze,
Daß der Nachbar es nicht wisse,
Zeige sie dann deinem Weibe,
Ihr zur Schande, ohn' zu schlagen.

»Wenn sie dieses nicht beachtet,
Dieses sie nicht kümmern sollte,
Dann belehr' sie mit der Rute,
Mit dem frischen Birkenzweige [240]
Innerhalb des Hauses Ecken,
In den moosgefüllten Wänden,
Strafe sie nicht auf der Wiese,
Schlag sie nicht am Saum des Feldes,
Hörbar würd' der Lärm im Dorfe
Und der Streit in andern Häusern,
Bei dem Nachbarn das Geweine,
In dem Walde das Getöse!

»Mußt stets auf die Schultern klopfen,
Ihres Rückens Fleisch erweichen, [250]
Niemals auf die Augen schlagen,
Auch die Ohren nicht berühren,
Kämen Beulen an die Schläfe,
Blaue Flecken an die Augen,
Würde bald die Schwägrin fragen,
Es der Schwiegervater merken,
Es des Dorfes Pflüger sehen
Und des Dorfes Weiber lachen:
›Ist wohl in dem Krieg gewesen,
Ist im Kampfe mitgezogen, [260]
Oder ward vom Wolf zerfleischet,
Arg zerkratzt vom Bär des Waldes,
Oder war der Wolf ihr Gatte,
War der Bär ihr Ehgenosse?‹«

Auf dem Ofen lag ein Alter,
Wärmte sich ein Bettler oben,
Von dem Ofen sprach der Alte,
Er, der Bettler, von dort oben:
»Niemals mögst du, armer Gatte,
Nie dem Sinn des Weibes folgen, [270]
Ihrem Sinn, der glatten Zunge,
So wie ich, der arme Knabe!
Kaufte Fleisch und kaufte Brote,
Kaufte Butter, kaufte Bier auch,
Kaufte Fische jeder Gattung,
Speisen von verschiednen Arten,
Gutes Bier vom eignen Lande,
Weizen ich aus fremden Ländern.

»Doch es wollt' nicht gut gedeihen,
Wollte sich nicht gut gestalten; [280]
Kam mein Weib in unsre Stube,
Wie um mich am Haar zu reißen,
Mit verändertem Gesichte
Und mit wild verdrehten Augen;
Stöhnt' und fauchte unablässig,
Redete gar böse Worte,
Nannte mich nur einen Breitsteiß,
Schimpfte mich stets einen Hackklotz.

»Doch ich wußt' ein neues Mittel,
Einen andern Weg zu finden: [290]
Schält' ich einen Zweig der Birke,
Nannt' umarmend sie mich Vöglein,
Schnitt ich des Wacholders Wipfel,
Grüßt' sie mich als goldnen Liebling,
Schlug ich sie mit Weidenruten,
Fiel alsbald sie um den Hals mir.«

Ach, das arme Mädchen seufzte,
Seufzte sehr und holte Atem,
Fing gar heftig an zu weinen,
Redet Worte solcher Weise: [300]
»Nahe ist das Scheiden andrer,
Vor der Türe ihre Trennung,
Näher ist mein eignes Scheiden,
Näher meine eigne Trennung,
Wird mir doch so schwer das Scheiden,
Gar bedrückend mir das Fortgehn
Von dem weitberühmten Dorfe,
Von dem wunderschönen Hofe,
Wo so schön ich aufgewachsen,
Freudvoll in die Höh' geschossen [310]
In den Zeiten meines Wachstums,
In dem Lauf der Kinderjahre.

»Habe früher nicht gewähnet,
Habe nie daran geglaubet,
Nie gewähnet, daß ich scheide,
Nicht geglaubt an eine Trennung
Von dem Saume dieses Hügels,
Von dem Rücken dieses Berges;
Jetzt wohl glaub' ich's, daß ich scheide,
Sehe ich es, daß ich gehe, [320]
Leer schon ist der Krug des Abschieds,
Schon das Abschiedsbier getrunken,
Schon der Schlitten umgewendet
Mit dem Vorderteil nach außen,
Mit der Seite zu dem Stalle,
Zu dem Viehhof mit den Leisten.

»Wie vergelte ich beim Scheiden,
Wie, ich Arme, bei der Trennung,
Wohl die Milch der lieben Mutter,
Wie die Güte meines Vaters, [330]
Wie die Liebe meines Bruders,
Wie die Freundlichkeit der Schwester?

»Dank sei dir, du lieber Vater,
Für das ganze frühre Leben,
Für die Kost, die ich genossen,
Für die allerbesten Bissen.

»Dank sei dir, du liebe Mutter,
Für das Wiegen in der Kindheit,
Daß die Kleine du getragen,
Mit den Brüsten mich genähret. [340]

»Dank sei dir, du lieber Bruder,
Dir, o Bruder, dir, o Schwester,
Dank sei auch dem Hausgesinde,
Allen Freunden meiner Jugend,
Den Genossen meines Lebens,
Denen zugesellt ich aufwuchs.

»Mögst du nie, o lieber Vater,
Niemals du, geliebte Mutter,
Du auch nicht, mein Stamm voll Größe,
Du nicht, werte Schar der Vettern, [350]
Mögt ihr niemals Sorgen haben,
Nie in großen Kummer kommen,
Daß in andres Land ich ziehe,
Daß ich anderswohin gehe!
Scheint ja doch des Schöpfers Sonne,
Leuchtet doch der Mond des Schöpfers,
Schimmern auch des Himmels Sterne,
Liegt das Licht des Großen Bären
Ausgebreitet in den Lüften
Anderswo auch auf der Erde, [360]
Nicht allein im Hof des Vaters,
Auf der lieben Jugendstätte.

»Freilich muß nunmehr ich scheiden
Von dem goldnen Heimatshause,
Von dem Saale meines Vaters,
Von der Mutter offnem Keller;
Lasse Sümpfe, lasse Felder,
Lasse meine Rasenplätze,
Lasse meine klaren Bäche,
Lasse meine sand'gen Ufer, [370]
Daß die Weiber sich dort baden,
Dort die Hirtenknaben plätschern.

»Lass' den Watenden die Sümpfe,
Lass' den Furchenden die Felder,
Lass' den Ruhenden die Wälder,
Lass' den Schwärmenden die Heiden,
Lass' den Schreitenden die Zäune,
Lass' den Wandelnden die Gassen,
Lass' den Laufenden die Höfe,
Lass' den Ziehenden die Wände, [380]
Lass' den Säubernden die Dielen,
Lass' den Kehrenden die Bretter,
Lass' den Renntieren die Felder,
Lass' den Luchsen frei die Haine,
Gänsen lasse ich die Fluren,
Allen Vögelein die Büsche.

»Scheide wahrlich nun von hinnen,
Scheide an des andern Seite,
In die Arme einer Herbstnacht,
Auf das glatte Eis des Frühjahrs, [390]
Daß man keine Spuren wahrnimmt,
Auf der Glätte nicht die Tritte,
Auf der Kruste nicht der Röcke,
Auf dem Schnee des Saumes Eindruck.

»Kehr' ich einstmals hieher wieder,
Komm' ich nach der lieben Heimat,
Hört die Mutter nicht die Stimme,
Nicht der Vater mehr das Weinen,
Wenn ich über ihren Schläfen,
Über ihren Köpfen klage; [400]
Schon ist junges Gras gewachsen,
Schon Wacholder aufgeschossen
Auf dem Leibe meiner Mutter,
Auf dem Haupt der lieben Alten.

»Wenn ich wieder einst erscheine
Auf dem weitgestreckten Hofe,
Wird mich niemand sonst erkennen,
Einzig zwei der kleinsten Dinge:
Unten an dem Zaun das Bändchen,
An des Feldes End' die Stange, [410]
Hab' gar jung sie eingestecket,
Hab' als Mädchen es gebunden.

»Meiner Mutter güste Hauskuh,
Die gar klein noch ich getränket,
Die als Kalb ich stets gefüttert,
Brüllt mir zu mit schwacher Stimme
Von des Hofes Kehrichthaufen,
Von den winterlichen Fluren,
Diese wird mich noch erkennen,
Daß ich Tochter bin des Hauses. [420]

»Meines Vaters Lieblingspferdchen,
Das gar klein ich stets gefüttert,
Das als Mädchen ich gesättigt,
Wiehert wohl mit schwacher Stimme
Von des Hofes Kehrichthaufen,
Von den winterlichen Fluren,
Dieses wird mich noch erkennen,
Daß ich Tochter bin des Hauses.

»Meines Bruders Lieblingshündchen,
Das als Kind ich oft gefüttert, [430]
Das als Mädchen ich belehret,
Bellt mir zu mit schwacher Stimme
Von des Hofes Kehrichthaufen,
Von den winterlichen Fluren,
Dieses wird mich noch erkennen,
Daß ich Tochter bin des Hauses.

»Andre werden mich nicht kennen,
Wenn ich nach der Heimat komme,
Sind die Furten auch dieselben,
Meine Wohnung noch die alte, [440]
An dem Platz des Schnäpels Buchten,
Unverrücket noch die Netze.

»Leb' nun wohl, geliebte Stube,
Stube mit dem Bretterdache,
Ist gar gut zurückzukehren,
Schön hieher zurückzuwandern!

»Lebe wohl, geliebtes Vorhaus,
Vorhaus mit dem Bretterboden,
Ist gar gut zurückzukehren,
Schön hieher zurückzuwandern! [450]

»Lebe wohl, o Hof des Hauses,
Hof mit deinen Ebereschen,
Ist gar gut zurückzukehren,
Schön hieher zurückzuwandern!

»Lebet wohl, die ich verlasse,
Land und Wald mit deinen Beeren,
Raine ihr mit euren Blumen,
Heide du mit deinem Kraute,
Seeen mit den hundert Inseln,
Tiefe Sunde mit den Schnäpeln, [460]
Schöne Hügel mit den Fichten,
Waldesschluchten mit den Birken!«

Schwang der Schmieder Ilmarinen
Drauf die Jungfrau in den Schlitten,
Schlug das Roß mit seiner Peitsche,
Redet Worte solcher Weise:
»Lebet wohl, des Seees Ufer,
Seees Ufer, Feldes Ränder,
Alle Fichten auf dem Berge,
Lange Bäume in dem Walde, [470]
Elsbeerbaum an dieser Wohnung,
An dem Brunnen du Wacholder,
Alle Beeren auf dem Boden,
Beerenstiele, Graseshalme,
Weidenbüsche, Tannenwurzeln,
Erlenblätter, Birkenrinde!«

Also ging nun Ilmarinen
Von dem Hofe von Pohjola;
Singend blieben dort die Kinder,
Sangen Lieder solcher Weise: [480]
»Flog hieher ein schwarzer Vogel,
Eilte durch den Wald behende,
Wußt' das Entlein zu gewinnen,
Lockte fort von hier die Beere,
Nahm uns unsern lieben Apfel,
Führte fort den Fisch des Wassers,
Täuschte sie mit kleiner Münze,
Lockte sie mit blankem Silber;
Wer führt uns nun zu dem Wasser,
Wer wird uns am Bache tränken? [490]
Stehen bleiben nun die Eimer,
An dem Nagel bleibt die Stange,
Ungekehret bleibt der Boden,
Ungefeget auch die Bretter,
Dick von Schmutz des Bechers Ränder
Und des Kruges Ohren dunkel!«

Selbst der Schmieder Ilmarinen
Eilte mit der jungen Gattin,
Daß der Schlitten heftig zischte,
An den Ufern von Pohjola, [500]
An des Honigsundes Seite,
An des sand'gen Berges Rücken,
Steine rollen, Sand erhebt sich,
Auf dem Wege rauscht der Schlitten,
An dem Joch die Eisenringe,
Laut ertönt die Maserstütze,
Kreischend auch die Weidenbänder,
Zittern muß das Faulbaumkrummholz,
Winseln muß der Deichsel Schlinge,
Kupferringe müssen klirren [510]
Bei dem Lauf des guten Rosses,
Bei dem Trab des weißgestirnten.

Jagte einen Tag, den zweiten,
Jagte auch am dritten Tage,
Eine Hand hat er am Lenkseil,
In der Jungfrau Arm den andern,
Einen Fuß zur Seit' des Schlittens,
Von dem Filz bedeckt den andern.

Lustig lief das Roß des Weges,
Daß die Bahn sich stets verkürzte, [520]
Endlich an dem dritten Tage,
Als die Sonne sich schon senkte,
Kam des Schmiedes Haus zum Vorschein,
Rückte Ilmas Wohnung näher,
Stieg empor der Ruß in Streifen,
Dichtes Rauchgewölk nach oben,
Aus der Stube raucht es munter,
Dampft es reichlich zu den Wolken.


Anmerkungen

Vers 391 ff. »D. h. auf dem Wege, der es vom Vaterhause scheiden soll, wird von dem Mädchen keine Spur verbleiben« (Léouzon le Duc).

467 ff. Offenbar ironisch, als Persiflierung der langen Klagegesänge gemeint.


 << zurück weiter >>