Artur Landsberger
Bankhaus Reichenbach
Artur Landsberger

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21.

Die gesamte Presse bemächtigte sich dieses Prozesses mit einer Leidenschaft, die eigentlich nicht recht verständlich war. Ungewöhnlich war doch nur, daß die Staatsanwaltschaft, scheinbar verärgert über die Beschlußkammer, an ihrem Opfer – man kann auch sagen: an ihrer Überzeugung festhielt und den verdächtigen Zeugen Reichenbach in der Hauptverhandlung schließlich doch noch zur Strecke brachte. Ob das von vornherein beabsichtigt war, ließ sich schwer feststellen. Denn erst der Versuch Reichenbachs, die überführten Angeklagten noch im letzten Augenblick zu retten, hatte die Attacke des Staatsanwalts gegen den Zeugen zur Folge gehabt. Mit Recht fragte sich die Presse: was wäre geschehen, wenn der Zeuge Reichenbach geschwiegen hätte. Die Antworten lauteten verschieden. Manche meinten, daß in diesem Falle einer der Angeklagten, vermutlich eine der beiden Frauen, ihn verraten hätte. Aber hätte man ihnen Glauben geschenkt? – Andere schätzten die Klugheit des Staatsanwalts höher ein. Sie meinten, daß er die Schlinge für Reichenbach von Beginn der Verhandlung an bereit hielt, den Zeugen aber erst in Sicherheit wiegen wollte, um die Angeklagten leichter überführen zu können. Denn aus einem Angeklagten Reichenbach war entschieden schwerer etwas herauszubringen als aus dem Zeugen Reichenbach. Und vielleicht, so meinte der besonders gescheite Berichterstatter einer großen Tageszeitung, hätte der Staatsanwalt seinen Trumpf gern noch in der Tasche behalten. Da er wußte, daß der Zeuge Reichenbach die Flucht nach Rio plante, so wäre es ihm ein leichtes gewesen, das fliehende Paar im Augenblick, in dem es den Ozeandampfer bestieg, festzunehmen. Und das wäre entschieden ein Meisterstück gewesen.

Aber mehr als die Gedankengänge der Staatsanwaltschaft interessierte die Herren von der Presse das »cherchez la femme«. Setzte man hier geschickt an, so ließ sich aus der Affäre tatsächlich eine Cause célèbre machen. Die Andeutung des Staatsanwalts, daß vielleicht eine Flucht zu zweien geplant war, genügte, um von der Frau die phantasievollsten Bilder zu entwerfen. Einer jener mit allen Hunden gehetzten Filmreporter besuchte einfach die erste beste Diva, von der er wußte, daß sie für Reklame besonders zugänglich war, und sagte ihr auf den Kopf zu:

»Ich habe Beweise in Händen, daß Sie die Dame sind, die mit Heinz Reichenbach nach Rio fliehen wollte.«

Der weibliche Star, in dauernder Bereitschaft, wenn er Reklame witterte, erwiderte:

»Nach Rio wollte ich allerdings schon längst. Man hat mir erzählt, daß es da noch eleganter als in Paris sei.«

»Was sagen Sie zu meiner Nase!« rief begeistert der Reporter. Aber der Star erwiderte sachlich: »Ihre Nase? – Man kann sich daran gewöhnen.«

»Ich meine natürlich meine Witterung. Wie ich geahnt habe, daß Sie nach Rio wollten.«

»Ich glaube, dahin möchten viele.«

»Ja, um zu filmen! Aber nicht wie Sie mit einem der größten Bankräuber aller Zeiten! Der Schmuck« – er wies auf eine Perlenkette, die der Star um den Hals trug – »ist natürlich auch von ihm?«

»Seien Sie doch nicht so indiskret! – Natürlich ist er von ihm – von wem sollte er sonst sein?«

»Er hat Ihnen viel geschenkt?«

»Nicht mehr, als einer Frau wie mir zukommt. Oh, ich könnte Männer haben, die zehnmal reicher sind als er und mindestens so gut Black Bottom tanzen. Aber eine Künstlerin wie ich sieht nicht nur auf das Portefeuille und die Beine – was ich brauche, ist Seele.«

»Hat er sich sehr verausgabt für Sie?«

»Er ist sehr leidenschaftlich.«

»Ich meine materiell.«

»Selbstredend! Ich verlange von einem Mann, der mein Freund ist, daß er sich für mich ruiniert. Wie soll ich sonst wissen, daß er mich liebt?«

»Hatte er die Absicht, Sie zu heiraten?«

»Er? – Sie meinen, ob ich die Absicht hatte? Nein! Einen Freund ruiniert man, aber man heiratet ihn nicht. Dafür kommt ein ganz anderer Jahrgang in Frage!«

»Haben Sie auch in Verbrecherkreisen verkehrt?«

»Und ob! Glauben Sie, ich wäre sonst in meinem letzten Film ›Die auf der Straße suchen‹ so echt gewesen? Ich habe mich in der Gesellschaft so wohl gefühlt, daß ich Mitglied von drei ihrer Klubs geworden bin. Hier sind Sie sicher! Bei mir bricht man nicht ein.«

»Dann sind Sie es also gewesen, der ihn in diese Gesellschaft gebracht hat?«

»Natürlich! Er wollte nicht mit. Aber allein wollte er mich nicht lassen. Dazu ist er viel zu eifersüchtig. Na, da sind aber auch Kerle drunter! Ich kann Ihnen sagen – Knorke.« – Sie führte erschrocken die Hand vor den Mund, fuhr sich mit der Puderquaste über das Gesicht und sagte geziert: »O pardon! Ich habe natürlich nur die Leute parodieren wollen.«

»Sie gestatten mir doch, dies Interview zu veröffentlichen?«

»Wenn ich es nicht gestatte – Sie veröffentlichen es ja doch.«

Wenige Stunden später brachte ein Abendblatt auf der ersten Seite groß das Bild der Künstlerin. Darunter stand in großen Lettern ihr Name – und darüber »Heinz Reichenbachs Geliebte – mit der er nach Rio flüchten wollte – die intellektuelle Schuldige des Bankdiebstahls«.

Erst als es im In- und Auslande kaum ein Blatt mehr gab, das ihr Bild nicht gebracht hatte, veröffentlichte sie eine Erklärung, daß sie vor Empörung einen Nervenzusammenbruch erlitten habe und sämtliche Blätter, die sie in Zusammenhang mit diesem Bankräuber gebracht hätten, wegen verleumderischer Beleidigung verklagen und vor Gericht unter Beweis stellen werde, einen Mann Namens Heinz Reichenbach niemals gekannt zu haben. – Neben derart heiteren Begleitumständen, die der Prozeß nach sich zog, gab es auch ernste, die weder die Beteiligten und die Betroffenen, noch die Gerichte zur Ruhe kommen ließen.

Karl Morener war noch am Abend der Urteilsverkündung zu Frau Reichenbach gefahren. Er traf nur Hanni an, da sich die Mutter zu Verwandten begeben hatte, um mit ihnen zu besprechen, was man im Interesse Heinz Reichenbachs und der von dem Urteilsspruch gleich stark betroffenen Familie unternehmen sollte. Darin lag das Wesentliche: daß kein Reichenbach auch nur einen Augenblick darüber nachdachte, ob Heinz Reichenbach schuldig war. Der Gedanke kam ihnen gar nicht. Vielmehr ging ihr Zusammengehörigkeitsgefühl so weit, daß sich jeder als Glied einer geschlossenen Kette und diese Kette wieder als ein Ganzes fühlte, das an Glanz und Wert verlor, wenn auch nur ein Glied beschädigt wurde. Für diese Art Weltanschauung des »einer für alle und alle für einen« waren die meisten Familien in sich nicht mehr genügend gefestigt. Man sehnte sich viel mehr danach, aus jeder Verantwortung den Nächsten gegenüber herauszukommen, da man die Wege, die der einzelne ging und die ehemals durch Generationen vorgeschrieben waren, kaum noch kontrollieren konnte. Diese einst in Tradition aufgehenden Kreise, die den Kampf ums Dasein nur vom Hörensagen kannten, waren in derselben Stunde entwurzelt, in der sie sich vor die Notwendigkeit gestellt sahen, um ihre Existenz zu kämpfen. Denn nun war statt der Überlieferung plötzlich Zweckmäßigkeit das Gebot der Stunde. Familien aber, die das nicht erkennen konnten oder wollten – und zu ihnen gehörten die Reichenbachs – konnten nicht fortbestehen.

Daß aber selbst in den ältesten Familien die junge Generation diesen rückläufigen Sinn verloren hatte, bewies Hanni Reichenbach, die dabei doch ganz das Gegenteil des typisch modernen jungen Mädchens war. Die durch das gedankliche Fortleben mit Generationen geschaffene Kontinuität hatte bei ihr statt Rückständigkeit Festigkeit erzeugt, statt Bodenständigkeit Charakter. Nicht, daß sie den Wert, eine Reichenbach zu sein, unterschätzte. Aber während die anderen Ansprüche daraus herleiteten und sich betrogen fühlten, wenn diese Ansprüche unbefriedigt blieben, sagte sich Hanni, daß man als Erbe solchen Namens zunächst einmal Pflichten hatte, daß man – um mit ihrem Lieblingsdichter Goethe zu reden, das Ererbte erst einmal erwerben mußte, um es zu besitzen. Dann erst war der Name mehr als nur etwas Äußerliches. Wuchs man aber nicht in seine Größe hinein, was war man dann anders als ein Kind, das man in eine Ritterrüstung steckte, in der es sich nicht fortbewegen konnte? Daher war sie nicht kritiklos wie ihre Familie, sondern hatte den Verlauf des Prozesses mit offenen Augen verfolgt. Und als jetzt Karl Morener ins Zimmer trat und ihr das Urteil bestätigte, geriet sie weder in Zorn noch brach sie zusammen, sondern sagte in aller Ruhe, während sie ihm die Hand reichte:

»Ich hatte es nicht anders erwartet.«

»Sie finden es doch nicht etwa gerecht?« fragte Karl erstaunt – und sie erwiderte:

»Zum mindesten verschuldet.«

»Entsinnen Sie sich noch, wie wir vom Anwalt kamen und ich Sie nach Haus begleitete? – Da habe ich Ihnen alles so vorausgesagt, wie es nun gekommen ist.«

»Nein, Herr Morener! Sie irren! Sie haben an den Erfolg des Anwalts und die Rehabilitation meines Vetters geglaubt.«

»Gewiß! Aber ich habe Ihnen auch gezeigt, wo die Gefahr liegt.«

»Für wen?« fragte Hanni resigniert. »Von einer Gefahr kann doch nun nicht mehr die Rede sein.«

»Für ihn nicht – aber für die Frau.«

Hanni sah zu ihm auf und sagte kalt:

»Um sie nicht zu kompromittieren, haben wir es mit angesehen, daß er ins Zuchthaus kommt.«

»Wir haben damit nur seinen Willen erfüllt.«

»Nicht auch Ihren, Herr Morener?«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Ich kenne Sie zu gut, um zu glauben, daß Sie soviel Eifer für – die Gattin Ihres Onkels aufbringen.«

»Sie und ich, wir sind die einzigen, die sich trotz allem, was vorgefallen ist, einen klaren Kopf bewahrt haben! Lassen Sie daher unsere Gefühle aus dem Spiel. Das verwirrt und erschwert das Handeln.«

»Wer weiß! Es klärt vielleicht manches auf.«

»Ich frage Sie ja auch nicht, ob Sie Ihren Vetter lieben.«

»Sie dürfen es fragen – obgleich es für den Fall ja ohne Bedeutung ist. – So, wie ich ihn geliebt habe, liebe ich ihn nicht mehr. – Aber das ist nicht seine Schuld – viel eher verletzte Eitelkeit. Ich habe mir Jahre hindurch Dinge eingeredet, an die er nie gedacht und die zu glauben er mir nie Veranlassung gegeben hat.«

»Ich bin erstaunt, daß Sie mir das sagen.«

»Nachdem Sie mir erklärt haben, daß wir die beiden einzigen sind, die sich einen klaren Kopf bewahrt haben, müssen wir schon ehrlich zueinander sein, wenn wir ihm helfen wollen.«

»Ist es nicht sonderbar: mir geht es mit jener Frau ähnlich wie Ihnen mit Ihrem Vetter. Auch sie hat mich nie geliebt. Aber ich war schon zufrieden, daß sie keinen anderen liebte. Seitdem ich mir aber klar bin, daß sie Reichenbach gehört, empfinde ich kaum noch etwas für sie.«

Hanni horchte auf. Vorsichtig fragte sie:

»Und Sie glauben, Sie werden trotzdem nicht mehr loskommen voneinander?«

»Es gibt auch andere Dinge als die Liebe, die zwei Menschen aneinander ketten.«

»Ein Geheimnis – oder ein Verbrechen.«

»Vielleicht.«

»Finden Sie ein solches Band nicht unmoralisch?«

»Liebes Fräulein Reichenbach! Ich kenne keine Frau, die strenger mit sich ins Gericht geht als diese Frau. Dinge belasten sie, die eine andere Frau mit einem Glase Sekt hinunterspült. Ihr Gewissen läßt sie Verantwortungen konstruieren, über die selbst der Mann, den sie gekränkt hat, staunen würde.«

»Eine Frau, die so veranlagt ist, hat die Pflicht, besonders vorsichtig zu sein.«

»Gegen Leidenschaft gibt es keine Sicherung. Eine Frau mag Berge von Moral zu ihrem Schutze vor sich auftürmen – dem richtigen Mann glückt der Einbruch doch – und zwar immer von neuem – auch wenn kein seelischer Kontakt vorhanden ist.«

»Warum erzählen Sie mir solche Dinge? Ich will sie nicht hören!«

»Ich habe geglaubt, Offenheit mit Offenheit erwidern zu müssen.«

»Es handelt sich nicht um Sie und nicht um mich – auch nicht um diese Frau, die Sie vielleicht ganz falsch beurteilen. – Wir alle sind frei und werden mit uns auf irgendeine Art schon fertig werden. – Worauf es jetzt ankommt, ist, den Bankdiebstahl aufzuklären, um Heinz frei zu bekommen.«

»Auf meine Veranlassung hat die Kriminalpolizei sämtliche Wechselstellen, Hotels und Restaurants angewiesen, genau acht darauf zu geben, ob bei ihnen unbekannte Leute hohe Dollar- oder Pfundnoten zu wechseln suchen. Es sind auch schon ein paar Sistierungen erfolgt, die sich aber als falsch erwiesen haben.«

»Das ist ja ganz schön – aber ich glaube, daß wir einen anderen Weg beschreiten müssen.«

»Wissen Sie einen?«

»Ich glaube.«

»So reden Sie doch!« drängte Karl ungeduldig.

»Wenn die Frau wirklich ein so stark entwickeltes Verantwortungsgefühl hat, wie Sie annehmen, warum hat sie dann nicht an Heinz' Stelle die beiden Fragen des Staatsanwalts beantwortet?«

»Weil ich sie daran gehindert habe – und zwar mit Gewalt. Sie war nicht nur entschlossen – sie war im Begriff, es zu tun.«

»Und weshalb haben Sie sie – daran gehindert?«

»Weil im selben Augenblick sich der Staatsanwalt erhoben und ihre Verhaftung verfügt hätte.«

»War denn im Schloß an jenem Abend niemand, der bekunden konnte, daß die Angaben stimmen?«

»Die Dienerschaft hätte unter Eid bekundet, daß man sie gegen ein Uhr ins Bett geschickt hat. Von ein Uhr nachts bis zu dem Augenblick, in dem Heinz nach seinen mir gemachten Angaben die Kaschemme betrat, um an die Dame zu telephonieren, liegen drei Stunden. Diese drei Stunden hat er im Schloß verbracht. Kann er das sagen – ganz abgesehen davon, daß es ihm niemand glauben wird? Der Staatsanwalt aber wird erklären: ein Mann, der eine Dame derart kompromittiert, dem ist schließlich auch das zuzutrauen.«

»Ich könnte mir denken, daß er noch etwas anderes fragt,« erwiderte Hanni und sah Karl fest in die Augen.

»Es gibt natürlich Erklärungen aller Art,« erwiderte er.

»Ich wüßte nur eine.«

»Sie machen mich neugierig.«

»Vielleicht ist das meine Absicht, Sie auf die Folter zu spannen.«

»Ich wüßte nicht, wieso Ihnen das Vergnügen machen könnte.«

»Ich würde mir nach einem solchen Geständnis als Staatsanwalt die Frage vorlegen: welche Gründe kann die Dame gehabt haben, die Dienerschaft zu Bett zu schicken und Heinz Reichenbach noch drei Stunden lang bei sich festzuhalten.«

Karl Morener machte ein verlegenes Gesicht und lächelte gezwungen. Er legte die Hände mehrmals ineinander, öffnete sie wieder und sagte:

»Sie sind – sehr gut erzogen, Fräulein Reichenbach, sonst wüßten Sie, weshalb zwei junge Menschen – des Nachts – allein zu sein – wünschen.«

»Sie täuschen sich über mich. Ich weiß das sehr genau. Wenn auch nicht aus eigener Erfahrung. Aber ich weiß auch, daß mein Vetter seit ein paar Monaten keine Nacht außer dem Hause verbracht hat.«

»Wie können Sie das wissen?«

»Das ist mein Privatgeheimnis. – Ich habe ihn eben sehr geliebt. – Glauben Sie nicht etwa, daß ich die Nächte vor seinem Haus gewacht und ihn kontrolliert habe. Dazu bin ich denn doch nicht mehr jung genug. – Jedenfalls ist es so. Und daher würde sich mir als Staatsanwalt die Frage aufdrängen: Was hat die Dame veranlaßt, meinen Vetter gerade diesen Abend nach so langer Zeit zu sich zu bitten?«

»Sie glauben doch nicht . . .?«

»Doch glaube ich! Es kann natürlich ein Zufall sein. Aber ein sehr merkwürdiger. Ich würde, bis mir dieser Zufall nachgewiesen ist, als Staatsanwalt annehmen, daß die Dame meinen Vetter aus einem ganz bestimmten Grunde gerade an diesem Abend zu sich lockte und bei sich festgehalten hat.«

»Hören Sie auf!« rief Karl entsetzt. »Sie konstruieren sich da in dem verständlichen Bestreben, Heinz zu retten, etwas zusammen . . .!«

»Ich gebe mir nur Mühe, logisch zu denken – was einer Frau ja selten glücken soll!«

»Im ersten Augenblick, das gebe ich zu, hat Ihre Deduktion etwas Verblüffendes.«

»Ich bin nicht eigensinnig! Ich werde Ihnen im Gegenteil dankbar sein, wenn Sie mich widerlegen.«

»Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, daß meine Tante in irgendeinem noch so losen Zusammenhange mit diesem Diebstahl steht und . . .«

»Bitte, reden Sie zu Ende, was Sie sagen wollen!« drängte Hanni – und Karl Morener fuhr fort:

». . . und um den Dieb zu decken, den Verdacht auf Ihren Vetter lenkte?«

»Es könnte sein!« erwiderte Hanni Reichenbach in aller Ruhe.

»Und der Dieb? – der wäre dann am Ende gar ich.«

»Auch das halte ich nicht für ausgeschlossen.«

»Und das sagen Sie mir so in aller Ruhe ins Gesicht?«

»Wem sonst sollte ich es als anständiger Mensch zuerst sagen, wenn nicht Ihnen?«

»Sie verlangen womöglich noch, daß ich Ihnen dankbar dafür bin.«

Hanni schüttelte den Kopf und sagte:

»Nein! Das verlange ich nicht. Ich weiß, Sie werden mich nun hassen. Und das tut mir weh. Denn auch ich habe einmal so geliebt, daß ich verstehe, wie man aus Liebe zum Verbrecher werden kann.«

»Sie haben Mitleid mit mir?«

»Ja.«

»Sie brächten es fertig, mich zu schonen, wenn ich wirklich diesen Irrsinn begangen hätte?«

»Nennen Sie mir einen Ausweg!«

»Lassen Sie uns den Dieb gemeinsam suchen, Fräulein Hanni!«

»Belügen Sie mich nicht! Sagen Sie mir die Wahrheit! – Vielleicht kommen wir dann weiter. – Sehen Sie denn nicht, wie ich mich quäle?«

»Sie sind ein Engel, Hanni! Und ich würde mich Ihnen anvertrauen – aber ich kann doch unmöglich . . .«

»Sagen Sie's bitte!« bettelte Hanni und ergriff seine Hände.

»Ich schwöre Ihnen, daß ich es nicht war!«

Hanni ließ ihn los und schluchzte laut auf.

»Ich . . . hatte . . . gehofft . . . Sie würden – mir vertrauen,« sagte sie unter Tränen.

»Bei meiner Liebe zu Ihnen . . .«

»Schweigen Sie!« sagte sie laut und wankte zum nächsten Sessel, auf den sie niedersank. Karl rang verzweifelt die Hände.

»Wir werden ihn suchen und finden!« wiederholte er.

»Bitte, gehen Sie!« drängte Hanni.

Karl trat vor sie hin. Sie sah ihn nicht an.

»Es bleibt mir nichts anderes übrig,« sagte er, schüttelte den Kopf und ging.


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