Artur Landsberger
Bankhaus Reichenbach
Artur Landsberger

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17.

Da die von den Ärzten erwartete Besserung in Heinrich Moreners Befinden nicht eintrat, drang Frau Hedda darauf, daß man einen berühmten Nervenarzt aus Wien hinzuzog, von dem sie vor allem zu erfahren hoffte, ob mit einer Genesung ihres Mannes überhaupt zu rechnen sei.

Frau Hedda klärte den Wiener Professor, dem die Ärzte des Sanatoriums einen genauen Krankheitsbericht gaben, über das mehr Menschliche des Falles auf. Sie erzählte ihm auch von dem Heilmittel, das sie sich ersonnen hatte – wobei sie offen ließ, ob Reichenbach wirklich der Vater ihres Kindes war, oder ob sie ihn Heinrich Moreners wegen nur dafür ausgab. Und da es ja nur auf eben diese Wirkung ankam, so unterließ er es, sie danach zu fragen.

Der Wiener Arzt beschäftigte sich drei Tage lang mit dem Kranken und erklärte Frau Hedda am Morgen des vierten Tages:

»Ich fand Ihren Gatten bei meiner Ankunft in ziemlich desperatem Zustand vor. Selbst in den wenigen lichten Augenblicken, in denen er aufhört, sich für Leonard Reichenbach zu halten und sich klar ist, Heinrich Morener zu sein, wechselt seine seelische Einstellung derart, daß ich mir von Ihrem Geständnis nichts verspreche. Ob das Opfer, das sie ihm gewiß in guter Absicht brachten, überhaupt jemals seinen Zustand günstig beeinflussen wird, scheint mir zweifelhaft. Es kann ebensogut die gegenteilige Wirkung auslösen. Denn bei Ihrem Gatten wechselt – was als Krankheitsbild durchaus folgerichtig ist – der Begriff Reichenbach zwischen Gut und Böse. Bald ist es der Gott, dem ähnlich zu werden sein sehnlichster Wunsch ist, bald ist es der Feind, der ihn zugrunde gerichtet hat, und dem er Rache schwört. Ich halte es für durchaus geboten, diese zweite Stimmung in ihm zu pflegen, weil ich hoffe, dadurch die krankhafte Sucht und Vorstellung, Reichenbach zu sein, zum Abklingen zu bringen. Mit dieser Methode – die meine Kollegen in der hiesigen Anstalt übrigens ablehnen – habe ich in den drei Tagen bereits sichtbaren Erfolg gehabt. Er ist in seinen lichten Stunden frei von Depression und in einer Stimmung, die man bei einem Gesunden als gute Laune bezeichnen würde. Wie weit auch dieser Stimmungsumschwung auf krankhafte Einwirkung zurückzuführen ist, wird die weitere Beobachtung ergeben. Ich bin für einen Aufenthaltswechsel – für andere Luft und halbe Höhe. Ich schlage das Sanatorium Schönegg, oberhalb des Vierwaldstättersees, vor, teile mit meinen hiesigen Kollegen im übrigen die Ansicht, daß auch fernerhin noch alle Personen von ihm fernzuhalten sind, die vor seinem Nervenzusammenbruch um ihn waren.«

Auch Frau Heddas Wunsch, wenigstens während der Reise um ihren Mann zu sein, lehnten die Ärzte ab.


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