Hermann Kurz
Der Sonnenwirt
Hermann Kurz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunundzwanzigstes Kapitel

Ein stiller Herbstabend breitete seinen Frieden über die Welt. Vom Brunnen, wo sie sich satt getrunken, wurden Pferde und Kühe heimgetrieben, wobei einige Füllen und Kälber munter um sie her sprangen und wohl auch hie und da eine Kuh, deren Alter ein gesetzteres Betragen erwarten ließ, zu ein paar Bocksprüngen verführten. Nachdem das Vieh den Trog verlassen hatte, kamen Weiber und Mädchen, um ihre Wassergelten unter dem Rohr zu füllen; sie plauderten und lachten unter sich oder mit den Leuten, die vor den Häusern Feierabend machten. Allmählich wurde es am Brunnen und auf der Straße leer, die Menschen gingen in die Häuser, da und dort hörte man das Vieh in den Ställen brüllen, aber immer tiefer sank das Dorf, schon während der Dämmerung, in die Stille der Nacht, so daß endlich der gesellige Brunnen für sich allein murmelte, doch nicht ganz von den Stimmen des Lebens verlassen, denn ihn begleitete das Plätschern des vorüberziehenden Flüßchens. Die Schatten verdichteten sich mehr und mehr, da kam noch eine Nachzüglerin zum Brunnen, um Wasser zu holen; entweder hatte sie sich über häuslichen Geschäften verspätet, oder scheute sie die Gesellschaft, die zu einer früheren Stunde am Brunnen nicht zu vermeiden war, denn ihre Tracht, die von der Tracht des Dorfes abwich, bezeichnete sie als eine Fremde, die sich vielleicht unter den andern nicht heimisch fühlte; das um den Kopf geschlungene dunkelblaue Tuch ließ nicht erraten, ob sie ein Weib oder Mädchen sei. Sie stand mit über dem Leib nachlässig gefalteten Händen am Brunnen und wartete in dieser geduldigen Haltung, welche meist von überstandenen Leiden zeugt, auf das Vollwerden ihres Gefäßes. Während sie so am Brunnen träumte, erscholl ein rascher, zuversichtlicher Schritt durch das schlummernde Tal. Bald hatte der Wanderer das Dorf erreicht; er ging langsamer, verweilte hie und da und setzte dann seine Schritte wieder fort. Wie er näher kam, ein kräftiger, untersetzter Mann, entdeckte er die Gestalt am Brunnen und trat auf sie zu. Kaum aber hatte er sie voll ins Auge gefaßt, so umschlang er sie und drückte sie heftig an sich. Mit einem leisen Schrei des Schreckens und Unwillens suchte sie sich loszumachen, da sagte er mit unterdrückter Stimme: »Christine!« Sie sah ihm in das Gesicht und stürzte mit einem zweiten Schrei an seine Brust, die Arme um ihn schlagend. Nach einer langen Umarmung, in welcher sie zuweilen tief Atem holte, sagte sie weinend: »Mein Frieder, mein Frieder! Was für ein Engel führt dich zu mir? Wo kommst denn her?«

»Von Hohentwiel, von Frankfurt, von Ebersbach, aus dem Gefängnis, aus der Welt, aus der Heimat, woher du willst!« antwortete er fröhlich.

»Daß du von Hohentwiel entkommen bist«, sagte sie, »ist das letzt, was ich von dir weiß. Das hat einen solchen Lärmen durchs Land geben, daß ich's sogar im Zuchthaus erfahren hab. Kannst dir vorstellen, wie mich's gefreut hat.«

»Im Zuchthaus!« versetzte er. »Ich weiß, daß sie dich dorthin getan haben. Oh, 's ist scheußlich! scheußlich!«

»Sie haben gesagt, sonst werd eine erst beim dritten Kind so gestraft, mir aber müss man's schon beim zweiten andiktieren, für meinen Umgang mit dir, weil du dich so aufgeführt habest, daß man dich lebenslänglich hab auf die Festung sperren müssen.«

Er lachte wild.

Sie fiel ihm abermals um den Hals; dann sah sie sich scheu um, ob niemand ihr Tun bemerkt habe. Hierauf fragte sie hastig: »Und von Ebersbach kommest, sagst? Was machen meine Kinder?«

»Sie sind ganz wohl«, antwortete er: »Das Kleine hat all seine Zähn, du mußt's ja gesehen haben, wie du letzt dort gewesen bist, und lauft ganz allein; und der Groß hat vorgestern zum erstenmal in die Schule dürfen zum Zuhören. Er hat mir aufgeben, ich solle die Mutter schön grüßen.«

Sie schluchzte. »Aber ich vergeß mich ganz«, sagte sie dann erschrocken. »Meine Herrschaft ist im Pfarrhaus, sie sind oft nach'm Nachtessen dort, und die Kinder sind allein. Die Schulmeisterin tät mir's nicht verzeihen, und ich möcht's ihr auch nicht zuleid tun, daß einem von den Kindern etwas geschah.«

»Hat die Kathrine Kinder?« fragte er, sie aufhaltend.

»Ha, was meinst?« antwortete sie, »drei, und das ältest davon ist sicher fünf Jahr alt.«

»Was man nicht erleben kann!« sagte er, »ist mir's doch, als hätt sie erst gestern noch im Ebersbacher Amthaus gedient, mit ihrem Bleichschnabele und ihrer schmächtigen Gestalt, und jetzt hat sie schon ein fünfjähriges Kind.«

»Es ist auch in die sechs Jahr, daß sie den Schulmeister hier geheiratet hat. O Frieder, das Weib hat den Himmel an mir verdient. Aber jetzt laß mich, nur 'n Augenblick laß mich, ich komm wieder! Sieh, wenn den Kindern etwas zustieß, die sie mir anvertraut hat, es wär mein Tod.«

»Gleich laß ich dich gehen«, sagte er und faßte sie an der Hand. »Wenn du aber wiederkommst, bleibst dann bei mir und ziehst mit mir fort? Ich leid's nicht, daß mein Weib im Dienst ist. Sieh, bloß um deinetwillen bin ich von Frankfurt hergewandert, um dir zu halten, was ich dir versprochen hab. Meines Bleibens ist im Ländle nicht, kannst dir wohl denken, warum, aber draußen können wir das und jenes probieren, werden uns schon durchschlagen, und das ehrlich, hoff ich. Auch ist jetzt leichter in der Welt fortkommen: es ist Krieg, und der bringt manchen Verdienst unter die Leut. Der König von Preußen ist in Sachsen eingefallen, es geht alles drunter und drüber.«

»Ja, man spricht hier auch davon«, versetzte sie. »Ach Gott, was ist das für eine Welt!«

»Gehst mit mir? und das gleich?« fragte er dringender.

»So weit ich seh!« rief sie, ihm noch einmal um den Hals fallend. »Aber von meiner Schulmeisterin muß ich Abschied nehmen, sie meint's so gut mit mir.«

Sie griff nach ihrer Selte. Er wollte dieselbe tragen, aber sie gab es nicht zu. »Geh zwischen den Häusern da den Fußweg 'naus, daß dich niemand bemerkt. Bei den drei großen Bäumen stoß ich wieder zu dir. Die Kathrine will ich von dir grüßen; sie spricht oft von dir, aber was hätt sie davon, wenn du in ihrem Haus gefangen würdest?«

Sie eilte mit dem Wasser fort. Er trank in gierigen Zügen am Brunnen, ging dann den Fußweg hin und wartete an dem bezeichneten Orte. Nach einer Viertelstunde kamen hastige Schritte. Sie war's; an ihrer Hand schwankte ein kleines Bündelein, das er ihr sogleich abnahm. »Ich hab nicht Abschied nehmen können«, sagte sie; »sie sind noch im Pfarrhaus, es ist Besuch ankommen, und da wird der Schulmeister immer eingeladen, denn er gilt beim Pfarrer viel. Weil du nun so pressierst, so hab ich die Kinder einer Nachbarin übergeben und hab meiner Frau sagen lassen, meine Mutter sei plötzlich krank worden, der Bot hab mich am Brunnen troffen, und ich hab ohne Verzug mit ihm fort müssen. Sie wird wohl von selber draufkommen, wie sich's in Wahrheit verhält, und damit sie's um so eher erraten kann, so hab ich mit dem Griffel auf die Schieferplatt im Tisch geschrieben: ›Will und Lieb, die stiehlt kein Dieb.‹«

»Das ist die rechte Parole«, sagte er. »Das hat mich auch wieder ins Land geführt.«

»Jetzt aber erzähl einmal«, sagte sie. »Wenn wir immer so durcheinanderschwätzen, so erfährt kein's vom andern was Recht's.«

»Zuerst müssen wir den Marsch antreten, Frau Landfahrerin«, entgegnete er. »Geh du voran und führ mich den Weg auf die Straße hinaus. Dort können wir nebeneinander gehen und erzählen nach Herzenslust. Hier, so nah am Dorf, ist's doch nicht recht geheuer.«

»Ja, wo naus willst du, Herr Landfahrer?« fragte sie.

»Das versteht sich doch: nach Ebersbach und die Kinder holen, denn ohne die ziehen wir nicht in die Welt hinaus.«

»Jetzt freut mich mein Leben erst!« rief sie entzückt und schritt rüstig in der Dunkelheit voran. Er folgte. »Mir ist's, als wärst du kräftiger geworden«, sagte er hinter ihr her, »du trittst ja auf wie eine Burgermeisterin, auch kommst du mir viel runder vor wie ehedem.«

»Ich hab auch ein besseres Leben gehabt in der letzten Zeit«, antwortete sie, immer vorwärts eilend, »kann sein, daß ich mich wieder ein wenig rausgemacht hab. Aber wenn du mich morgen bei Tag siehst, da wirst finden, daß ich nicht mehr das glatt Gesicht von ehedessen hab. Ach Frieder, Sorgen und Not machen den Menschen alt vor der Zeit. Ich fürcht, ich werd dir nicht mehr so gut gefallen.«

»Schwätz mir nicht so verkehrt raus!« erwiderte er. »Daß du nicht siebzehn Jahr alt bleiben kannst, das hab ich gewußt, wie ich dich liebgewonnen hab, und hab mir's auch sagen können, wie ich, gleichfalls aus dem besten Leben raus, fort bin, um dir das Wort zu halten, das ich dir zugeschworen hab. Hast übrigens gar nicht so alt ausgesehen, vorhin am Brunnen, wie ich zu dir kommen bin. Ich hab dich just fragen wollen: Jungferle, wo ist das Schulhaus?, da seh ich auf einmal, daß du's selber bist.«

Sie hatten unter diesen Gesprächen ein Gewirr sich kreuzender Feldwege, welchen sie oft eine Strecke folgen mußten, längs des Dorfes hin durchschritten. Hie und da bellte ein Hund, aber sie verfolgten unangefochten ihren Weg. Von einem Rain, an welchem der Fußsteig steil emporkletterte, flog sie mit einem leichten Sprung auf die Straße hinab und er ihr nach. Er faßte sie eng um den Leib, sie ihn desgleichen, und so wanderten sie in der Nacht zusammen hin. Sie drückte ihn noch einmal fester an sich. »So, jetzt erzähl!« sagte sie.

»Also!« begann er. »Wie ich vor drei Jahren nach Hohentwiel kommen bin, das weißt du. Ich wär aber doch begierig, ob du auch weißt, was dein Hannes, mein hochachtbarer Herr Schwager, dazu beigetragen hat. Gelt, das wird er dir nicht gesagt haben?«

»Ich weiß gar nichts«, sagte sie, »als daß du den Tag, nachdem wir uns das letzt'mal gesehen haben, in der ›Sonne‹ bist gefangengenommen worden und daß es da wieder einen Kampf und ein Getümmel geben hab, wie vor sechs Jahr, wo du vom Dach ins Zuchthaus geflogen bist, und daß man dich dann weit fortgebracht hat, nach Hohentwiel. Kannst dir selber sagen, was mir das gewesen ist, daß ich dich zeitlebens nicht mehr sehen soll, und dazu zwei unversorgte Kinder, von denen eins nicht einmal auf der Welt gewesen ist. Aber von meinem Hannes weiß ich nichts.«

»Der hat eine Pique auf mich gehabt, von damals her, wo er mit mir ins Zuchthaus kommen ist, und du weißt doch selber am besten, wie unschuldig ich daran gewesen bin. Wie's nun Lärm geben hat wegen der Dummheit im Pfarrhaus –«

»Du sagst recht«, unterbrach sie ihn: »freilich ist's eine Dummheit gewesen. Weißt noch, was ich zu dir gesagt hab, wie du mir nachts mit den Sachen übers Bett kommen bist? ›Bist denn immer noch ein Bub? willst denn gar nie kein Mann werden?‹ hab ich gesagt. Und warum hast denn nicht, wie du mir doch versprochen hast, den Kelch gleich wieder in's Pfarrers Garten geworfen? Ich hab dir doch gesagt, das sei ja der Krankenkelch, werd wohl hundert Gulden wert sein, und wenn's auf dich bekannt werd, so kommest an Galgen.«

»Sei doch vernünftig!« sagte er. »Ich hab ja nicht können. Wie ich mich wieder gegen das Pfarrhaus hingeschlichen hab, hat mich der Nachtwächter gesehen, und da hab ich nimmer trauen dürfen. Ich hab dann eben die Sachen zu Haus im Stroh versteckt, und da hat's am Morgen der Knecht gefunden und meinem Vater bracht, und der hat in der Todesangst alles dem Pfarrer geschickt. Er hat gemeint, man könnt ihn selber als Hehler beim Kopf nehmen, und die Frau Stiefmutter hat ihm natürlich die Höll noch heißer gemacht.«

»Hätt'st aber auch den Spaß können bleibenlassen!« eiferte sie. »Wenn du nur ein klein bißle Grütz im Kopf gehabt hätt'st, so hätt'st doch wissen müssen, daß ein Einbruch in einem Pfarrhaus, sonderlich wenn Kirchensachen dabei wegkommen, so laut schallt wie die Posaun von Jericho. Und wenn nur auch was dabei rauskommen wär! aber der ganz' Bettel ist ja des Einsteigens nicht wert gewesen.«

»Das ist wahr«, versetzte er, »außer der silbernen Sackuhr, dem goldenen Ring und den paar Batzen Geld ist an der ganzen Lumperei nichts echt gewesen. Das andere Uhrle war von Messing und zerbrochen, und dein kostbarer Nachtmahlskelch, den du hast auf hundert Gulden taxieren wollen, was ist er gewesen? Von Kupfer und ein wenig verguld't.«

»Drum eben!« sagte sie noch eifriger. »Und doch hast bei der Lumperei nicht bedacht, daß es um den Hals gehen oder, wie sich's nachher auch zeigt hat, eine Lebenslänglichkeit dabei rausspringen kann.«

»Du hast gut reden«, entgegnete er verdrießlich. »Bin ich darum aus meiner sichern Freistatt zu dir kommen, um mir gleich von dir vorpredigen zu lassen? Du hast, scheint's, ganz vergessen, wie man's uns gemacht hat –«

»Das hätt freilich den besten Mann verzürnen können«, unterbrach sie ihn begütigend.

»Zuerst«, fuhr er heftig fort, »stecken sie mich um nichts und wieder nichts auf anderthalb Jahr ins Zuchthaus. Wie ich das überstanden hab und ins bürgerliche Leben zurückkehren will, so nimmt kein Hund mehr ein Stück Brot aus meiner Hand. Da hab ich erst gesehen, daß meine beiden früheren Zuchthausstrafen für nichts geachtet worden sind; aber die dritte, die hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. In meines Vaters Haus hab ich mehr wie ein Vagabund auf dem Heu und Stroh als wie ein Kind im anererbten Bett geschlafen. Mein Mütterlich's, hat mir mein Pfleger mit Lachen gesagt, sei über den Prozeß- und Ersatz- und Zuchthauskosten draufgegangen, und so hat mir meine Volljährigkeit nichts mehr geholfen. Rechnung hat man mir gar nicht abgelegt, und mein Vater hat mich dabei im Stich gelassen: mein Pfleger, hat er gesagt, sei eben einmal ein Herr auf dem Rathaus, und mit diesem müsse man delikat verfahren. Ich hoff ihm noch eine besondere Delikatesse anzutun. Die Metzger, bei denen ich als Knecht hab herumschaffen wollen, haben mehr oder weniger deutlich das Kreuz vor mir geschlagen. Weil man mir nun von Haus aus gar keinen Vorspann geleistet, vielmehr noch Fußangeln in den Weg geworfen hat, so hab ich um so mehr drauf pressiert, daß es zwischen uns beiden endlich zum Heiraten käme; denn abgesehen davon, daß mir's ohnehin angelegen gewesen ist, so hab ich gedenkt, wenn die Leute sehen, daß ich gegen meinen Schatz ehrlich bin und dem ledigen Leben mit seinen Lumpenstreichen Valet sage, so werden sie mir nach und nach auch wieder Vertrauen schenken. Aber ich brauch dir ja nicht lang vorzumalen, wie uns das fehlgeschlagen hat. Die dritte Proklamation haben wir mit Leichtigkeit erlangt – um Geld und gute Worte; nur daß ich um des spöttisch mitleidigen Tones willen, mit dem der Pfarrer unsere Namen ablas, ihm das Gesangbuch hätt an den Kopf werfen mögen. Dann aber hat wieder alles dran getrieben, daß die Sache rückgängig worden ist, Vater und Mutter, Amtmann und Pfarrer. Weißt noch, wie wir vier Wochen lang herumgezogen sind zwischen dem Staufen und der Teck, von einem Pfarrhof zum andern, ob wir nicht einen Geistlichen fänden, der uns um Gottes willen und aus christlichem Herzen kopulierte? War aber alles vergebens, und wie wir heimkommen, so stecken sie uns wegen Entführung und Landstreicherei vierzehn Tage lang ein und bringen mir dann eine Verzichtleistung von dir, die mich so rappelköpfig macht, daß ich erklärt hab, jetzt wolle ich auch nichts mehr von dir wissen. Wie wir dann frei wurden, war's leicht, sich über die falsche Vorspiegelung zu verständigen. Drauf klag ich in Göppingen, und der Vogt sagt selber, das sei keine Art, eine angefangene Kopulationssache nach dreimaliger Proklamation also zu hintertreiben, und gibt einen Bescheid für den Pfarrer, daß er fortfahren solle. Wie ich dich nun damit ins Pfarrhaus schicke und der Pfarrer an dich hinzankt und schimpft, das Oberamt solle ihm zuvor die Tax bezahlen, wenn es ihm mit solchem Bettlerpack beschwerlich fallen wolle, was hast du dann zu mir gesagt, du Biedermännin, die mir jetzt predigen will? Hast du nicht gesagt, der Geizhals von einem Pfaffen hab Uhr und Ring an der Wand hängen, man sollt's ihm nur nehmen, dann hätt ich Geld und könnte nach Stuttgart gehen, um ihn zu verklagen und die Kopulation zu erzwingen?«

»Ach, freilich hab ich's gesagt«, seufzte sie, »aber ich bin eben auch ganz außer mir gewesen vor Jammer und Verzweiflung und vor Zorn über so ein ungeistliches Betragen gegen die Armen. Aber mein Herz hat nicht dran denkt, daß du das tun würdest, was ich im Zorn rausgeschwätzt hab. Vom Gedanken bis zur Tat ist doch noch ein weiter Weg, und besser hätt'st doch getan, wie du jetzt selber einsiehst, wenn du noch einmal ans Oberamt gangen wärst.«


 << zurück weiter >>