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Gleich noch am nämlichen Abend ging Christine in das Pfarrhaus, um im Auftrag ihres Verlobten, der auf sie wartete, den Herrn Pfarrer zu bitten, daß er sie am nächsten Sonntag proklamieren möge. Sie kam aber bald wieder zurück und erzählte, der Pfarrer habe gesagt, er wisse nichts von Majorennisation und Regierungsresolutionen, sei auch nicht verpflichtet, den Amtmann zu fragen, ob etwas Derartiges eingelaufen sei; so könnte ihm jeder kommen.
»Gleich morgen gehst zum Amtmann«, sagte Friedrich, »denn jetzt ist er auf der Jagd. Es ist besser, du gehst, weil er mir gesagt hat, ich soll nicht ungeboten vor ihn kommen.«
»Ja«, sagte sie, »und wenn du kämst, könnt's leicht Häupeleien geben, weil du so strobelig bist. Wir müssen jetzt trachten, daß wir vollends im Frieden durchkommen. Lieber geh ich, ich fürcht mich nicht mehr so vor den Herren. Aber was soll ich denn dem Amtmann sagen, woher wir wissen, daß die Resolution da ist? Die Kathrine dürfen wir nicht verraten, die ist unser guter Engel.«
»Sagst, ich wiss es von Stuttgart her, daß die Resolution vor einigen Wochen schon abgegangen ist. Gib acht, das wird ihm Füß machen.«
»Das ist der Red noch einmal wert«, rief Christine und lachte; »Jetzt meint er, du habest ihn verklagt, und kriegt Angst.«
»Laß ihn nur nicht schlupfen, weder links noch rechts«, sagte er. »Bekennen muß er. Morgen ist Samstag, und am Sonntag müssen wir das erstmal proklamiert sein.«
Mit lachendem Munde kam Christine den andern Morgen aus dem Amthause. »Ich hätt nicht glaubt«, sagte sie, »daß so ein rundes Gesicht so in die Länge gehen könnt. Sieh, so lang ist's worden, wie ich mein Sprüchlein aufgesagt hab. Er hat sich dann aber gleich gefaßt und hat gesagt, die Resolution sei allerdings da, und er würd sie dir schon noch eröffnet haben, es sei ja nichts Pressantes.«
»So, nichts Pressantes? Ich wollt, das Wasser ging ihm einmal bis an Hals, und ich stünd dabei und könnt sagen: 's pressiert gar nicht, Herr Amtmann, mit Ihrem Wohlnehmen.«
»Es hat ihm aber doch rechtschaffen pressiert«, fuhr sie fort. »Sieh, da ist die Schrift, die soll ich dem Pfarrer bringen, daß es mit dem Proklamieren weiter kein Anstand hab.«
»Lauf, Christine, lauf tapfer! Du arm's Weib, du, mußt dich halb tot springen um unsere Heirat, und trägst doch den Ehkontrakt mit Brief und Siegel an dir.«
»Halt's der Pfarrer auch nicht für pressant?« fragte er, als sie wiederkam.
»Er hat gesagt, es sei eine Sünd von dir, daß du deinem Vater nicht gehorchest, und er sag mir's ins Gesicht, daß so eine ungleiche Heirat eine rechte Dummheit sei und auch ein bös End nehmen wird, aber er hab jetzt sein Gewissen salviert und uns gewarnt; morgen werd er uns proklamieren.«
»Er soll uns ausrufen und einsegnen, nachher mag er schwätzen, soviel er will. Jetzt ist's gewonnen.«
Als er von ihr wegging, begegnete er seiner Schwester Magdalene, die eben über die Gasse ging. »Du«, sagte er seelenvergnügt, »morgen werd ich von der Kanzel runtergeschmissen. Du gehst doch auch in die Kirch?«
»Ach Gott, ist's soweit?« rief sie. »Ja, wenn ich kann, will ich gehen.«
»Können!« sagte er, »ich hab noch nie gehört, daß die Weibsleut nicht in die Kirch gehen können, sonderlich, wenn's Neuigkeiten drin gibt.«
»Weiß 's denn der Vater schon?« fragte sie. »Grad will ich zu ihm.«
»Er erfährt's jetzt gleich. Wir haben einen Weg.«
»So, du bist also jetzt majorenn, und ich hab dir nichts mehr zu befehlen?« sagte der Sonnenwirt, als sein Sohn ihm die Neuigkeit angekündigt hatte. »Nun, jetzt kannst du freilich tun, was du willst, aber ich bin jetzt auch nicht mehr verantwortlich dafür.«
»Vater«, sagte die Chirurgin, »der Bruder fragt, ob ich morgen in die Kirch geh. Gehet Ihr?«
»Es wär schon not, daß man für ihn beten tät«, sagte die Sonnenwirtin, die sich der Antwort bemächtigte; »aber ich sorg nur, die Leut könnten's so ansehen, als ob wir unsre Billigung dazu gäben, und der Vater wälzt ja selber alle Verantwortung von sich ab.«
»Ich sag nicht, du sollest daheim bleiben«, antwortete der Sonnenwirt seiner Tochter, »und dein Mann kann's dir auch nicht verbieten, in die Kirch zu gehen. Auch wär's christlich, wenn's einmal sein soll, daß wenigstens eins von der Familie dabei wär. Aber ich kann mich nicht dazu entschließen, ich tät mich ja selber aufs Maul schlagen.«
»Aus Christenpflicht ging ich auch gern dazu«, nahm wieder die Sonnenwirtin das Wort, »aber ich könnt's nicht prästieren, den Blicken so ausgesetzt zu sein, denn natürlich, die ganz Gemeind guckt uns an, wenn wir gegenwärtig sind. Ich weiß nicht, mit was ich die Straf verdient haben sollt, ich hab mich nicht vergangen.«
»Das ist wahr«, seufzte die Chirurgin, »ich könnt die Augen nicht auftun und tät's doch spüren, wie ich die Zielscheib wär, und alle Andacht wär mir verdorben.«
Die Türe ging auf, und der Krämer trat mit seiner Frau herein. »Ich muß um Entschuldigung bitten«, sagte er, »daß ich in meinen Hauspantoffeln komm, aber es läßt mir keine Ruh. Weiß's denn der Herr Vater schon? Es ist im ganzen Flecken herum, daß der Schwager morgen mit seiner Jungfer Christine proklamiert werd. Ist's denn wahr? Was, und die Familie erfährt so was zuletzt?«
»Das wird aber morgen ein Geläuf sein!« rief die Krämerin. »Mein Mann, der los Vogel, hat gesagt, wir könnten einen hübschen Profit machen, wenn wir unsern Kirchenstuhl vermieten täten. Gebt acht, morgen gibt's am heiligen Ort Händel, denn's fehlt an Platz.«
»Wir reden eben davon, ob wir auch gehen sollen«, sagte die Sonnenwirtin, »aber die Chrirurgussin und ich, wir meinen, wir könnten's nicht aushalten, wenn einen alles so ansieht.«
»Herr meine Sünd!« schrie die Krämerin. »Ich weiß nicht, was mir für ein Unglück passieren könnt, wenn alles um mich rum druckt und guckt und murmelt! Da könnt mich ja was ankommen, wovon man in Ebersbach noch nach hundert Jahr reden tät.«