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»Ich kann keine davon hergeben«, sagte der Fischer. »Die Alte tät mich mit dem Besen zum Haus hinausjagen. Sie hat morgen ein Pfarrerskränzlein, und da braucht sie die Fische alle.«
»Soso, die hochwürdigen Herren begnügen sich nicht mit dem geistlichen Fischzug und wollen daneben auch leibliche Gräten beißen?«
»Ihr lebet ja auch nicht vom Wasser allein, obgleich Ihr Müller seid«, erwiderte der Fischer, indem er trotz seiner abschlägigen Antwort den Kübel herüberholte und mit seinen zappelnden Insassen auf den Tisch setzte.
»Pflanz dich nur her«, sagte der andere. »Du gehörst ja in ein Element mit uns. Ein Glas Wein für den Fisch! Willst nicht? Und meinethalb noch einen Freitrunk drüber, daß der Weinkauf richtig ist.«
»So macht nur geschwind, daß die Alte nicht dazukommt«, erwiderte der Fischer. »Aber mehr als einen auf den Mann kann ich nicht hergeben, und hier könnet ihr sie auch nicht essen, denn die Sonnenwirtin darf beileib nichts davon wissen.«
»Freilich, 's ist ein halber Kirchenraub!« rief der ältere Müller lachend, fuhr in den Kübel, griff mit sicherer Hand eine große schöne Forelle heraus, zu welcher der Fischer gewaltig sauer sah, schlug sie mit dem Kopf gegen die Tischecke und steckte sie eilig in die Tasche. Der jüngere war ebenso schnell seinem Beispiel gefolgt.
»So, Fischerhanne«, sagte der ältere, nachdem sie den Handel beendigt hatten, »wir wollen das Element leben lassen, das unsere gemeinschaftliche Nahrung ist. Nahrung, wohlverstanden! Denn für den Hunger ist's zwar gut, aber nicht für den Durst. Der Eulenspiegel hat's allezeit den starken Trank geheißen; es treibe Mühlräder, sagte er, und deshalb sei es ihm zu stark für seine Natur.«
Er klingelte am Glase, um noch eine Flasche zu bestellen. »Aber jetzt ist's recht«, rief er, als die Türe aufging, »jetzt kommt auch einmal die Oberkellnerin, die Magdalene. Komm her, du Hübsche und du Feine, da gibt's schmachtende Herzen zu laben.«
Das Mädchen, das auf den Ruf der durstigen Sturmglocke erschienen war, konnte man nicht ansehen, ohne ihr freundlich gesinnt zu werden. Sie trug auf einem wohlgewachsenen Körper ein rundes, unschuldiges, gutmütiges Gesichtchen, ein weiblich mildes Abbild von den derben Zügen ihres Bruders und zugleich eine Bürgschaft, daß auch hinter dieser rauhen Schale ein guter Kern verborgen sein könnte.
»Hab ich's nicht gesagt?« rief der ältere Müller, »und es verlohnt sich der Müh, es zweimal zu sagen, wiewohl wir nicht in der Mühle sind! Das Mädle gäb einen staatsmäßigen Arm voll, nicht zu viel und nicht zu wenig, für einen braven Junggesellen.« Er blickte dabei mit einer Spaßvogelsmiene auf den andern.
»Wenn Ihr sie zu Eurer Käther hin heiraten wollt, so müßt Ihr eben ein Türk werden«, erwiderte dieser trocken. »Aber jetzt ist's wieder an mir! Eine Butell für mich!« rief er barsch, auf die Flasche deutend, dem Mädchen zu und konnte es doch nicht lassen, ihr nachzublicken, bis sie in der Türe verschwand. Sie war feuerrot geworden und hatte die Flasche mit niedergeschlagenen Augen vom Tische genommen.
»Und wie sie so leibhaftig geht und steht!« rief der erste, der nicht müde werden konnte. »O du Milch und Blut!«
Magdalene erschien nicht wieder. Statt ihrer kam die Hausfrau, stellte die gefüllte Flasche auf den Tisch und nahm die Forellen, die der Fischer indessen auf den Stuhl zurückgebracht hatte, mit hinaus.
»Da trink, Fischer!« rief der jüngere Müller einschenkend. »Der treibt die Seelenmühle, vielleicht treibt er dir auch ein wenig Blut in die farblosen Backen.«
»Ja, das ist wahr, du siehst aus, wie wenn du's mit einer Wasserjungfer hättest«, sagte der ältere.
»Und so alt bist du geworden, Kerl!« fügte der jüngere hinzu.
»Wenn man sich tagtäglich im Wasser hetzen und verkälten muß und hat magere Bissen dabei«, entgegnete der Fischer unmutig, »so ist's kein Wunder, wenn der Firnis abgeht.«
»Wie alt bist du denn, Fischerhanne? Du siehst aus, wie wenn du schon das Schwabenalter erreicht hättest, und bist doch, glaub ich, mit dem Sonnenwirtle aus der Schul gekommen.«
»Ja, den hat man aber auch sorgfältiger aufgehoben als mich, da ist's kein Wunder«, versetzte der Fischer mit hämischem Tone, und ein Strahl leuchtete flüchtig in seinen toten grauen Augen auf. »Der ist ja so gut verwahrt, daß ihn kein rauhes Lüftle anwehen kann. Wie lang sitzt er denn noch im Zuchthaus?«
»Er wird seine Zeit jetzt so ziemlich abgesessen haben.«
»Was, der Sonnenwirt hat einen Sohn im Zuchthaus?« rief der Müllerknecht aus voller Lunge herüber. Er hatte die frühere Antwort nicht begriffen.
»Sachte, Peter, sachte mit der Braut!« sagte sein Herr und hielt ihm die Flasche hin, um einzuschenken. »Mußt nicht so laut schreien. Im Haus des Gehenkten ist nicht gut vom Strick reden.«
»Aber wie ist so was möglich? Guter Leute Kind im Zuchthaus!« sagte der Knecht leise, auf den äußersten Rand seiner Bank vorrückend, die Hände auf den Knien und den Kopf so weit als möglich vorgestreckt.
»Es ist just kein Wunder«, versetzte der Fischer.
»Er ist eben ein heißgrätiger, unbändiger Bursch«, sagte der jüngere Müller.
»Ei, du kennst ihn ja am besten, Fischerhanne«, rief der ältere. »Gib acht, Peter, der kann's dir sagen, der ist mit ihm in die Schul gangen.«
»Da wirst du wenig Gut's von ihm zu hören bekommen«, lachte der jüngere Müller. »Wenn der Sonnenwirtle am jüngsten Tag dem Fischerhanne gegenübergestellt werden tät' und es käm auf sein alleiniges Zeugnis an, wie sein Urteil in der andern Welt lauten sollt, ich glaub, der Frieder müßt in die unterste Hölle fahren.«
»Wahr ist's«, sagte der Fischer, »ich kann ihn nicht leiden und hab ihn nie leiden können. Wir sind einander von Anfang an spinnenfeind gewesen. Ich weiß eigentlich selbst nicht recht, wie's gekommen ist, 's ist weiter nichts Besonderes zwischen uns vorgefallen. Die Buben hadern und raufen viel miteinander und werden doch nachher oft die besten Freunde. Aber bei uns hat der Haß immer tiefer gefressen; es ist, als ob's uns von Natur eingepflanzt gewesen wäre. Das erste Mal, daß wir einander zu Gesicht kriegten, sah er mich mit bösen Augen an, und ich war wider ihn und er wider mich.«
»Da ist auch kein Wunder dran«, meinte der untere Müller. »Ob seine Augen, die er an dich hingemacht hat, so bös gewesen sind, das weiß ich nicht, er ist nicht gerade besonders gezeichnet in den Augen. Aber er war ein Muttersöhnchen, hatte immer was zu beißen und zu knacken; mit den Gröschlein und Sechserlein von den Paten und Patinnen konnte er allzeit den großen Hansen machen; und in der Schule saß er beständig obenan, denn das Spruchbuch und den Katechismus lernte er wie's Wasser.«
»Ich weiß schon, wo du hinauswillst, Georg«, versetzte der Fischer, ohne Gesicht und Augen zu erheben. »Es ist wahr, ich bin ein armer Teufel, und ein Bub, der im Wachsen ist, hat einen starken Appetit, und es mag sein, daß mir die überflüssigen guten Bissen, die man bei ihm sah, manchmal zu schaffen machten; aber so gar mißvergünstig bin ich doch nicht und werd's auch damals nicht gewesen sein. Seine Gelehrsamkeit hat mir's auch nicht angetan. Der Ehrgeiz hat mich nie gestochen; meine Vorfahren sind arme Fischer gewesen, soweit man hier in Ebersbach zurückdenken kann, und darum hab ich auch weder Vogt noch Professor werden wollen.«
»Aber womit hat er dir's denn angetan?«
»Warum stellen sich Hund und Katze widereinander, wenn sie einander ansichtig werden? Warum gibt's Leute, die manche Tiere nicht leiden können? Gerade so geht's auch dem Menschen mit dem Menschen. Ein Gesicht gefällt einem, ein anderes ist einem zuwider. Übrigens hat er's nicht an tätlichem Anlaß fehlen lassen. Er war ein stolzer, übermütiger Bub, der keinen was neben sich gelten ließ. Beim Soldätlespiel war er der General, und wenn man Räuberles spielte, mußte er der Hauptmann sein. Kommandieren und die andern herumpudeln, das war sein Pläsier. Die ihm recht untertänig waren, denen spendierte er, was er nur aufbringen konnte. Mir hat er nie was geschenkt.«
»Das muß man ihm lassen«, sagte der ältere Müller, »gutherzig und freigebig ist er allezeit gewesen.«
»Ja, aber da hat der Fischerhanne doch recht«, fügte der jüngere hinzu, »am gutherzigsten war er eben gegen solche, die seinem Stolze am besten hofieren konnten.«
»Gutherzig?« rief der Fischer. »Eine eigene Art von Gutherzigkeit hat er von jeher gehabt. Er war noch nicht acht Jahre alt, so jagte er den Nachbarn zum Spaß die Hühner fort, aus purer guter Laune schlug er ihnen die Gänse tot, hetzte die Hunde auf Weiber und Kinder und lachte wie ein kleiner Teufel über ihre Angst. Und wie er dann zu seinem Namenstag eine Flinte bekam, da hieß es erst: Hellauf! Da schoß er mitten im Ort auf Hühner, Enten, Gänse, was er erwischen konnte, und der Sonnenwirt bezahlte den Schaden und war stolz darauf, daß er ihn zahlen konnte!«
»Und noch mehr darauf, daß die Blitzkröte schon so ein guter Schütz war«, fiel der jüngere Müller ein. »Das war's ja eben! Durch die Nachsicht, die man ihm schenkte, und durch den Beifall der Speichellecker, die bei den Eltern einen Stein im Brett gewinnen wollten, wurde er immer noch mehr verhetzt, und so kam er von einem Schabernack zum andern. Die ärgsten Streiche erfuhr der Alte gar nicht. Die sind von der Mutter vertuscht worden. Da ist mancher Sechsbätzner, mancher Krug Wein als Schmerzensgeld hinter seinem Rücken aus der ›Sonne‹ gewandert.«
»Wenn man das Ding nachdenkt«, sagte der obere Müller, »so hat es mit so einem verzogenen Söhnle eigentlich nicht anders kommen können. Ich glaub, ein anderer wär auch so geworden.«
»Vielleicht lauft er sich die Hörner noch ab«, versetzte der jüngere. »Wiewohl, es wird schwer halten. Er ist eben einmal an die Gewalttätigkeit gewöhnt. Wenn man ihm irgendwie einen Riegel vor die Tür schiebt, so muß er mit dem Kopf durch die Wand, das tut er nicht anders.«
»Ja, und sein Hochmut wird ihn auch nicht anders werden lassen«, sagte der Fischer, »denn das ist der Hauptteufel, der ihn reitet.«
»Der steckt in der ganzen Sippschaft. Ist die Magdalene vorhin wieder hereingekommen? Nein, weil man sich einen kleinen Spaß mit ihr herausgenommen hat, so hat sie den Wein durch die Mutter geschickt.«
»Aha!« sagte der ältere Müller leise, dem Fischer zuwinkend, »hast ihn hören trappen?«