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Ursprünglich als Fußnote zu dem voranstehenden Kapitel.
Unheimlich ist der Anschluß des Gedankenganges zu »Der und welcher«, welcher in dem voranstehenden Kapitel betreten wurde, an die Untersuchung, die in dem Abschnitt durchgeführt ist: »Vom Bäumchen, das andere Blätter hat gewollt«, den ich vom Zeitpunkt seines Erscheinens bis zu der Nacht nach dem Vortrag des neuen Kapitels nicht angesehen hatte. Dort gelangte die Untersuchung, ausgehend von dem Problem der mit dem Artikel zusammengezogenen Präposition, zu eben derselben Unterscheidung der Relativbegriffe, nur daß noch nicht deren Besetzung mit »welcher« und »der« vorgenommen erscheint. Es wird zwischen dem koordinierten Relativsatz unterschieden und dem subordinierten, bei dem aber das Verhältnis so fest sei, »daß der Hauptsatz in ihm einen Gefangenen gemacht hat, der ihn nicht mehr losläßt«. Hier eben sei die Zusammenziehung des Vorworts mit dem Artikel (vom, am, zum, im, beim) verfehlt. (Es ist, als ob die eine Verhaftung die andere ausschlösse.) Ein Beispiel war: »Vom ältesten Wein, den ich gekostet habe« und »Von dem ältesten Wein, den ich gekostet habe«. Dem ersten Fall – wo ich sagen will, daß ich den überhaupt ältesten Wein gekostet habe – wäre im Sinne der neuen Untersuchung »welchen« angemessen. Im zweiten Fall (»Von dem«) hat der Artikel hinweisenden Charakter, kann also nicht mit »von« verschmolzen werden: hier wäre »den« angemessen. Es ist unter den Weinen, die ich gekostet habe, der älteste, während dort von dem ältesten Wein als solchem die Rede ist, welcher nur noch überdies als derjenige, den ich gekostet habe, bezeichnet (identifiziert) ist. Der Unterschied zwischen dieser attributiven und jener »definierenden« Bedeutung des Relativums wurde klar gemacht. Am klarsten wohl an dem fehlerhaften Schillerwort »Zum Werke, das wir ernst bereiten«. Das »Zum« vertrüge nur die Fortsetzung: »welches wir (nämlich, übrigens, eben) ...« Zum Werke, nämlich zu demjenigen, das wir ... = Zum Werke, welches wir ... Gedacht aber ist: Zu demjenigen Werke, das wir ... = Zu dem Werke, das wir ... (Artikel demonstrativen Inhalts.) Zu einem (solchen) Werke, das ernst getan wird, muß auch ernst gesprochen werden. Sehr wesentlich war ferner die Unterscheidung von dem anderen klassischen Fehler: »Vom Rechte, das mit uns geboren ist«. In beiden Fällen enthält der Relativsatz kein bloß hinzutretendes, erläuterndes Moment, sondern erst den vollen Begriff des Gegenstandes. Im zweiten ist der Fehler größer, da hier mit dem dichterischen Gedanken auch dem äußern Sinn Abbruch geschieht. Im Schiller-Zitat spielt sich die Antithese von ernstem Tun und ernstem Reden ab, doch das »Werk« ist dasselbe. Es besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gedanken des Hauptsatzes: der Forderung des ernsten Wortes, und dem des Relativsatzes: dem Moment des ernsten Bereitens, jener wird von diesem bedingt; doch die Vorstellung des Werkes ist gegeben. Bei Goethe ist die Antithese an die vorher gesetzten »Rechte« geknüpft, die sich forterben; es wird nunmehr von einem ganz andern »Recht« gesprochen, demjenigen, das mit uns geboren ist. Folgerichtig würde das der Konstruktion » Vom Rechte« entnommene Recht etwa das umfassende Jus bedeuten, von dem dann sonderbarer Weise ausgesagt wäre, daß es mit uns geboren ist. Dazu und zu allem, was in jenem Kapitel enthalten ist, ergibt sich nun freilich etwas noch Schwierigeres, das den Fall zur Falle macht. Hier scheint die determinative Beziehung in die attributive überzugehen. Hier – in dem Fall einer Wesensbestimmung, wo die Anwendung von »welches« nicht möglich ist – fällt doch der Hauptton dem Prädikat des Relativsatzes anheim. Wie geht das zu? Im Hinblick auf das Beispiel: »Der eine, welchen ich gegrüßt habe ... der andere, welchen ich nicht gegrüßt habe« und das davon abgeleitete Betonungsmoment könnte man sich in ein Chaos versetzt fühlen. Da ich ein solches für äußerst tauglich halte, um zur Ordnung zu führen, will ich dem, der den Willen hat, den Weg weisen bis zu dem Punkt, wo der Unterschied klar wird. Es geht also um den Vergleich mit bereits charakterisierten Rechten, und nun gelangt man zunächst zu dem Ergebnis: Von dem Rechte, das mit uns geboren ist = Von dem andern Rechte, (nämlich) welches mit uns geboren ist. Das ist, wie sich zeigen wird, nur äußerlich richtig. Es ist nur scheinbar der Fall wie mit dem »einen, welchen ich gegrüßt habe«. Denn darin kontrastieren zwei schon vorhandene Begriffe, deren Kontrast relativisch dargestellt wird. In der Goethezeile aber entsteht der eine Begriff erst durch die relative Bestimmung, um dann mit dem vorhandenen zu kontrastieren. Was hier geschieht, ist, daß der durch den Relativsatz gleichsam erworbene Begriff des »gebornen Rechtes« dem Begriff der »sich forterbenden Rechte« entgegengestellt wird. Das Kontrastmoment erzwingt auch hier die Betonung wie in dem Fall jener rein attributiven Beziehung; aber man könnte hier nicht »welches« setzen und die Präposition nicht mit dem Artikel verschmelzen, während man in jenem Fall sehr wohl sagen könnte: » vom einen, welchen ich gegrüßt habe ...«. »Vom Rechte, welches« wäre nur möglich, wenn der Begriff dieses Rechtes (als Naturrecht, als Menschenrecht) bereits feststünde. Selbst dann nur wäre auch möglich: »Von dem Rechte, welches« oder »Vom andern Rechte, welches«. Denn auch dieses wird erst durch das Moment des Mitgeborenseins definiert. Es kann, im wohlerfaßten Goetheschen Sinne, nur »von demjenigen Rechte, das« die Frage (oder leider nie die Frage) sein. Es ist allerdings ein »anderes« Recht als die bereits gesetzten, aber eines, das erst begrifflich bestimmt wird. Es ist das »mit uns geborne Recht«, auch »das andere, das mit uns geborne Recht« (welches aber nicht verwechselt werde mit dem »andern mit uns gebornen Recht«). Dagegen bedeutet, wie schon seinerzeit ausgeführt, » vom Rechte, das« (welches): daß von einem absoluten Recht die Rede ist und nebenbei gesagt wird, daß es mit uns geboren sei. Also nicht, wie es richtig wäre: von dem mit uns gebornen Recht, sondern: von dem mit uns gebornen Recht (im Gegensatz zu anderen mit uns gebornen Dingen, etwa der Pflicht). Das »Recht« zieht eine ihm nicht gebührende Tonkraft an sich. Das ganze Problem löst sich in der Durchschauung des Artikels, der dem führenden Wort vorangeht. »Der Mann, den ich bekämpft habe«: wenn »Der« hinweisenden Charakter hat wie »Ein«, »Ein solcher«, »Derjenige«, so wird der Begriff des Mannes durch den Relativsatz mit »den« bestimmt. Ist es bloß der Artikel zu einem bereits begrifflich gesetzten »Mann«, so tritt nur ein Merkmal hinzu: »welchen ich bekämpft habe«. Die Verschmelzung der Präposition mit dem Artikel ist dort, wo er hinweisenden Charakter hat und ein bestimmender Relativsatz nachfolgt, unmöglich, denn die Beziehung hängt vom Artikel ab, dessen Kraft wieder so stark ist, daß sie das Komma aufzehren kann. Dagegen könnte dieses nicht fehlen, wo die Verschmelzung möglich ist und der Relativsatz nur eine absondernde Bedeutung hat. (Da könnte es sogar dem Doppelpunkt weichen. Siehe die obige Wendung, die auch so gesetzt sein könnte: »die Beziehung hängt vom Artikel ab: dessen Kraft wieder so stark ist ...«.) Um also zum ersten Beispiel zurückzukehren: »Von dem ältesten Wein(,) den ich gekostet habe« und »Vom ältesten Wein, welchen ich gekostet habe«. Hier ist es der älteste Wein überhaupt, dort der älteste unter denen, die usw. Hier ist die Rede »vom ältesten, von mir gekosteten«, dort »von dem ältesten von mir gekosteten«. Nun könnte in diesem schwierigsten aller Abenteuer der Sprache immer wieder der Einwand auftauchen: Sollte bei richtiger Erfassung des Unterschieds nicht die verkehrte Anwendung der Pronomina statthaben? »Welcher« bezeichnet doch eher etwas wie die Kategorie, die Gattung, die Sorte, determiniert doch eher (als daß es bloß beifügt), siehe die Verbindung »derjenige, welcher« (welche ich für bedenklich halte). Richtig, aber erst innerhalb des hinzutretenden Umstandes, nach erfolgter Bestimmung des allgemeinen Begriffs. Das wird am deutlichsten, wenn dieser selbst eine Gattung bezeichnet: »Der Löwe, welcher der König der Tiere ist« [attributiv] und: »Der Löwe, der entsprungen ist«, also das Individuum Löwe, dessen Vorstellung ich erst durch diese Aussage bestimme [determinativ]. (Dagegen: »Der [eine] Löwe, welcher entsprungen ist« – im Vergleich mit einem andern Individuum Löwe, von welchem anderes ausgesagt wird [attributiv und nur scheinbar determinativ, da dem schon gesetzten Begriff bloß ein unterscheidendes Merkmal beigefügt wird].) In die Apposition gebracht: »Der Löwe, der König der Tiere (Komma!)« und »Der entsprungene Löwe«. (Im Vergleich wieder: »Der Löwe, der entsprungene«.) Sollte sich nun nicht für »welcher« eine Rechtfertigung aus dem fragenden »welcher« ergeben? Wie gelangten wir zu ihr? »Der Löwe, welches Tier der König der Tiere ist« (und im Beispiel des Vergleichs: »Der Löwe, welcher Löwe entsprungen ist«). Hierin ist das fragende »welcher« enthalten. Das bezügliche Fürwort »welcher« tritt dort ein, wo ihm bei voller Entwicklung des Sinnes der Aussage das fragende »welcher« entspricht. Also: Welches Tier ist der König der Tiere? Der Löwe. (Und im Vergleich der zwei Löwen: Welcher Löwe ist entsprungen? Der afrikanische.) Dagegen: »Der Löwe, der entsprungen ist, stammte aus Afrika« läßt keine analoge Frage (mit »welcher«) aus dem Begriff des Relativsatzes zu, nur aus dem des Hauptsatzes: Woher stammte er? Also auch: Welchen Wein habe ich gekostet? Den ältesten. Im andern Falle (»Der älteste Wein, den ich gekostet habe ...«) nur aus dem Begriff des Hauptsatzes, etwa: Wie hat er geschmeckt? – Wir sind also wie bei dem Problem der Zusammenziehung des Vorworts mit dem Artikel zu einer Unterscheidung zwischen dem koordinierten und dem subordinierten Relativsatz gelangt: dort ist die Zusammenziehung möglich, hier unmöglich; dort »welcher«, hier »der«. Eine Bestätigung des dargelegten Unterschieds als solchen empfange man noch aus dem Vergleich von »was« (trotz dessen weiterer Bedeutung) und »das«. Sollte man ihn nicht erkennen, was ich bedauerlich fände, so würde ich das (Axiom), das ich aufgestellt habe, gleichwohl nicht zurückziehen. Doch dürfte die Unterscheidung schon so deutlich sein, daß sie auch den Fachleuten einleuchten wird, vielleicht sogar den Schriftstellern, welchen ich freilich die Befassung mit den Problemen des Wortes weder zumuten noch zutrauen darf.
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»Der Bediente, der die Pflicht hat, zu chauffieren« (kann leicht etwas im Zimmer vernachlässigen) und »Der Bediente, welcher die Pflicht hat, das Zimmer aufzuräumen« (ist für die Reinheit der Möbel verantwortlich). »Die einzige, die ich damals kennen gelernt habe« (war Frau X.) und »Die Einzige, welche ich damals kennen gelernt habe« (pflegte zu sagen). »Das Mädchen, das er liebte« (war zwanzig Jahre alt) und »Das Mädchen, welches er liebte« (war zwanzig Jahre alt). Hier ist überall der Relativsatz eingeschaltet. In den Fällen, wo er bloß ein Merkmal und nicht den vollen Begriff darstellt, könnte die Absonderung auch durch Gedankenstriche vollzogen werden: »Der Bediente – welcher die Pflicht hat, das Zimmer aufzuräumen – ist ...«. Wenn der älteste Moselwein der von 1810 ist und ich ihn getrunken habe, so werde ich sagen: Der älteste M., welchen ich getrunken habe, ist von 1810. Wenn der älteste, den ich getrunken habe, einer von 1870 ist, so werde ich sagen: Der älteste M., den ich getrunken habe, ist von 1870. (Im ersten Fall auch: – welchen ich getrunken habe –.) Dort handelt es sich ums Datum, hier ums Trinken. Man beachte den Wechsel der Begriffsgestalt, den in allen diesen Beispielen dasselbe den Relativsatz regierende Subjekt – einmal auch mit demselben Hauptsatz – durchmacht. Nach der Aufstellung des Unterschiedes zwischen »der« und »welcher« habe ich – nebst vielen Proben bei Schopenhauer – seine konsequente Einhaltung bei Jean Paul (Vorschule der Ästhetik) gefunden, von wenigen Stellen abgesehen, wo sichtlich und hörbar aus Gründen des Wohlklangs eine Abweichung erfolgt ist. Ferner auch in der Urfassung meiner eigenen Schriften, in deren späteren Auflagen manchmal Redigierungen gegen das Grundgefühl vorgenommen erscheinen. Nachdem eben die erste Textierung gefühlsmäßig richtig durchgeführt war, ist später, lange vor dem Bewußtwerden des Prinzips, aber nach dem Bekanntwerden der Marotte des »Wustmann«, aus bloßer Abneigung gegen diese, häufig auch dort »welcher« gesetzt worden, wo es eine klangliche Rücksicht nur irgend rechtfertigen mochte. Wie immer man nun zu dem Problem sich stellte, und gewänne man ihm auch keine Verpflichtung zu konsequenter Praxis und keinen andern Wert ab – der der höchste wäre – als den des Zwangs, es durchzudenken, so bliebe doch hinreichend absurd die deutsche Geltung und Möglichkeit eines Katechismus, der das Wort »welcher« aus der Sprache ausjäten will, weil man es »nicht spricht«. Gerade das Widerstreben gegen die Erleichterungen der »Umgangssprache«, eines Instruments, das jedermanns Mundstück ist, mag die saubersten Stilisten verführt haben, das begrifflich engere »welcher« auch dort anzuwenden, wo es keinerlei Funktion hat und nicht einmal einem Bedürfnis nach Klang und Abwechslung Genüge leistet.