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Ein klassisches Zeugma

(Verbannung des Subjekts)

Verehrlicher Verlag!

– – Im Augustheft der Fackel findet sich ein Artikel »Zwei, die über mich herzlich gelacht haben« (S. 145), worin mir die tödlich treffende Bemerkung zu dem Satz: »Daß er in den Jargon ausrutscht ...« helle Freude bereitet hat. Die Kennzeichnung der Ihering'schen Sprachsünde als »Inzucht von Subjekt und Objekt« ist von unübertrefflicher Prägnanz.

Nun aber finde ich auf Seite 183 ein Zitat mit dem Zusatz: »Gegen Ehrenstein? Nein, von!« Hier ist »Ehrenstein« zwar beidemale Objekt, aber das einemal im 4., das anderemal im 3. Fall. Auch diese Inzucht von Akkusativ und Dativ erscheint mir unzulässig. Dies wird sofort klar, wenn man das Satzfragment in's Lateinische übersetzt. »Contra Ehrensteinum! Non, ab!« ist nach meinem Empfinden unmöglich. Es würde mich interessieren zu hören, ob hier ein Übersehen des Herrn K. vorliegt oder ob er die erwähnte Sprachbildung mit irgendwelchen mir nicht bekannten Gründen rechtfertigen kann. In diesem Zusammenhang verweise ich übrigens auf einen Schiller'schen Satz, der an dem gleichen Übel krankt. Der Titel seiner Antrittsvorlesung in Jena lautete: »Was ist und zu welchem Ende studieren wir Universalgeschichte?« (Ich zitiere aus dem Gedächtnis.)

In Erwartung einer wahrscheinlich lehr- und aufschlußreichen Erwiderung des Herrn K. zeichne ich ergebenst – –

 

Im allgemeinen ist es gewiß schon viel, daß Leser sich eines Problems bewußt werden, wenn sie gleich nicht die Lösung finden. Hier aber scheint es fast schwieriger, das Problem zu sehen, als die dann selbstverständliche Lösung zu finden. Es bedarf natürlich nicht der Übersetzung ins Lateinische, um mir klar werden zu lassen, daß »Ehrenstein« dort ein Akkusativ, da ein Dativ ist, also an und für sich nicht von verschiedenen Verhältniswörtern abhängen kann. Die Schiller'sche Wendung, die dasselbe Wort als Nominativ und als Akkusativ fungieren läßt, ist natürlich nicht besser als die des Herrn Ihering. Derselbe Grammatikfehler in der Wendung »Gegen Ehrenstein? Nein, von!« ist keiner, sondern ein stilistischer Vorzug. Der Fehler wäre vorhanden, wenn es hieße: »Nicht gegen, sondern von E.!«, wenn es sich also um eine ernsthafte Aussage handelte. Bei Schiller und bei Ihering handelt es sich um eine solche, um einen Satz, den der Autor sagt. Im andern Fall liegt geradezu das Schulbeispiel jener satirischen Darstellung vor, die so offenkundig, parodierend fast, das Fehlermaterial verwendet, daß man gar nicht versteht, wie der Leser an Bewußtheit und Absicht des Autors zweifeln und hier noch etwas entdecken kann. Es ist eine satirische Abbreviatur, ganz wie die Wendung »fünfzig Jahre alt und ebensooft hervorgerufen werden«, die jenem Schmock, der von der Alchimie meines Wortes etwas zu wissen vorgab, als ein »Lapsus« erschien, der eine Glosse in der Fackel verdiene, welche denn auch erschienen ist. Und auch hier wäre der Zweifler, wie jener, der solche Großmut nicht verdient hat, auf einen weiteren Fehler der Wendung aufmerksam zu machen: wie kann denn ein Satz mit »von« enden? Aber sollte diese Summe von Nichtgrammatik und Namensmißhandlung – eines Namens, der freilich so deklinabel ist wie der des Herrn Ehrenstein – nicht die stilistische Absicht einer grammatischen Mißgeburt klar machen? Es ist nicht uninteressant, daß der Bemängler von »fünfzig Jahre alt und ebensooft hervorgerufen werden« das Musterbeispiel einer Inzucht (»werden« in zweierlei Verwendung) als freiwillige Draufgabe erhielt, und eben in dem Heft, wo sie Herrn Ihering verübelt wurde. Ich bin mir also offenbar solcher Mißbildungen mit äußerster Klarheit bewußt. Trotzdem und deshalb mußte mir das mit Ehrenstein passieren! Aber ich nehm's dem Leser, der bemerkt hat, was nicht zu verbergen war, durchaus nicht übel. Ich würde mich auf solche Beschwerden ja überhaupt nicht einlassen, wenn ich sie nicht als einen Beweis redlichsten Anteils würdigte, ja als den Maßstab für ein Leserniveau, das ganz gewiß an keinem andern Knotenpunkt des geistigen Verkehrs heute anzutreffen ist, und wenn ich einmal von Lesern als lästigen Begleiterscheinungen der Fackel gesprochen habe, so bin ich umso dankbarer für die erfreulichen. Sie haben den Mut, zu jenen Sorgen kleinsten Formats zu stehen, auf die diese ganze mißratene Zeitungswelt mit Verachtung herabsieht, weil sie ihnen nicht gewachsen ist.

*

Im letzten Dezemberheft der ›Fackel‹ ereiferte sich einer Ihrer Sprachschüler – übrigens ganz unbegründet, wie ich glaube und wie Sie es ja nachweisen – über die sprachliche Unzulässigkeit der Zusammenstellung »gegen Ehrenstein? Nein, von!« Er weist im gleichen Zusammenhange auf einen Satz Schillers hin, der, wie er sagt, »an dem gleichen Übel krankt«. Seine Schlußbeifügung in Klammern, daß er aus dem Gedächtnis zitiere, war freilich sehr am Platze, zugleich aber auch ein Beweis allzu rascher Verurteilung der Schiller'schen Sprachlehre. Zudem war das Zitat unrichtig. Der Titel der Antrittsrede Schillers lautet nicht: »Was ist und zu welchem Ende studieren wir Universalgeschichte?«, sondern: » Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?« Schon vor etwa 25 Jahren, in meiner Gymnasialzeit, hat mich dieser Schiller'sche Satz intensiv und unaufhörlich beschäftigt, und immer wieder habe ich mir den so unschönen, so verdächtig jargonähnlichen, dem inneren wie dem äußeren Ohr mißfallenden Anfang dieses Satzes nicht recht erklären können. Denn auch im richtigen Zitat: » Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?« sieht es so aus – und sah es auch für mein Studentenauge so aus –, als ob hier ein Subjekt »Was« und ein Objekt im Akkusativ »Universalgeschichte« gleichzeitig vom Verbum »heißt« abhängig gemacht sei, was auch Sie, sehr geehrter Herr K., gerechterweise als fehlerhaft bezeichnen. Erst viele Jahre später bin ich daraufgekommen, daß Schiller grammatikalisch hier ganz im Rechte war (wenn auch vielleicht nicht phonetisch). In seinem Satze ist zweifellos das Wörtchen »man« als das gemeinsame Subjekt für beide durch »und« verbundenen Sätze aufzufassen und das Verbum »heißt« bloß als eine transitive Ersatzform für die Wendung »nennt man«. Die Fassung müßte, um Undeutlichkeit zu vermeiden, genau also lauten: »Was heißt man und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?« und diese Verdoppelung von »man« hat Schiller offenbar als unschön vermeiden wollen. Das Wort »Was« steht bei Schiller genau so wie »Universalgeschichte« im Akkusativ, nicht im Nominativ. – Dem Dichter Schiller grammatikalische Fehler anzukreiden, dürfte übrigens weitaus schwerer fallen als etwa den Dichtern Kleist, Hebbel und A. W. Schlegel. Auch in der oft bemängelten Stelle aus dem Tell-Monolog »Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen« ist von Schiller sicherlich wohl überlegt der Dativ statt des gebräuchlichen Akkusativs verwendet worden. In der Fortsetzung »... Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet« ist leicht die Erklärung dafür zu finden, daß Schiller nicht auf die Frage »wohin sich setzen« antworten wollte, sondern auf die Frage, was an der Stelle, wo sich Tell gerade befindet, dieser nun außer dem Warten gerade unternehmen soll. Und er antwortet sich gleich dann selber: er will irgendwo kurze Rast halten. Zu langer Ruhe legt man sich, zu kurzer Ruhe setzt man sich, aber man stellt sich nicht auf die Bank oder man steht nicht auf ihr, weil sie eben nur für's Sitzen »zur kurzen Ruh bereitet« ist. Eine Wendung wie aus Kleists »Penthesilea«: »Was geht dem Volke der Pelide an?« dürfte man bei Schiller vergeblich suchen. Ebenso das von Hebbel oft mißbrauchte »größer wie« statt »größer als«. Aber Vielen wird es wohl auch entgangen sein, daß die folgende berühmte Stelle aus » Hamlet« in der Schlegel'schen Übersetzung grammatikalisch unmöglich ist:

»Gewiß, der uns mit solcher Denkkraft schuf,
Voraus zu schaun und rückwärts, gab uns nicht
Die Fähigkeit und göttliche Vernunft,
Um ungebraucht in uns zu schimmeln.«

Die Konjunktion »um« könnte grammatikalisch in zwei Ausdrücke aufgelöst, nur auf das Subjekt des Hauptsatzes zurückbezogen werden, das hier gemeint ist, nämlich auf Gott: Er, der uns mit solcher Denkkraft schuf, gab uns nicht die Fähigkeit und göttliche Vernunft, damit er ungebraucht u. s. w. Das gäbe natürlich gar keinen Sinn. Bei Schlegel aber ist der mit »um« eingeleitete Nebensatz d. h. das in der Konjunktion »um« versteckte Subjekt »wir« auf die Objekte »Fähigkeit« und »Vernunft« bezogen, was grammatikalisch unzulässig ist. Man müßte die Stelle etwa so ergänzen: sondern er gab sie uns, damit wir sie richtig gebrauchen oder, damit er uns eben dadurch vom Tiere unterscheiden könne. Mit andern Worten: Die Akkusativ-Objekte »Fähigkeit« und »Vernunft« des Hauptsatzes dürfen in dem (mit »um«) abgekürzten Kausalnebensatze auch nur im Sinne eines Akkusativs versteckt sein, und nach Auflösung des Nebensatzes in »damit wir sie ...« muß auch das Ersatzwort »sie« im Akkusativ stehen. –

Nicht, weil ich in der ›Fackel‹ Sprachlehre treiben möchte, sondern nur, um Schiller vor ungerechten Vergleichen eines aus schwachem Gedächtnis Zitierenden zu schützen, bitte ich Sie, sehr geehrter Herr K., diese Richtigstellung im nächsten Hefte – nach Belieben verkürzt oder unverkürzt – zu veröffentlichen.

In besonderer Hochachtung und Verehrung

Ihr ergebener – –

 

Hier ist manches gut, aber nicht richtig gemeint, mehr noch unrichtig begründet oder gesagt, doch alles bietet dankenswerten Anlaß, vieles zu sagen und zu begründen. Zunächst muß, ob der Einsender Recht oder Unrecht mit seiner Verteidigung des Schiller-Satzes habe, dieser in das Recht seines Wortlautes eingesetzt werden. Das bekannte Zitat war also falsch; aber daß es so plausibel echt klingt, daß ich der Fahrlässigkeit schuldig wurde, es nicht zu überprüfen, ist doch ein Beweis dafür, daß die Auffassung, im Original sei ein grammatikalischer Fehler enthalten, fast schon einer Zwangsvorstellung entstammt, und so interessant die Entdeckung der Funktion des »man« ist, sie wird dieser Auffassung kaum den Garaus machen. (Wäre übrigens das »man« entscheidend, so hätte der Einsender gar nicht sagen dürfen: » Zudem war das Zitat unrichtig«, sondern die Unrichtigkeit des Zitats, die Reklamierung des »man« wäre ja das Um und Auf seiner Verteidigung der grammatikalischen Richtigkeit des Originals.) Wenn das Zitat richtig gewesen wäre, bliebe der traditionelle Tadel des klassischen Zeugmas zweifellos im Recht. Er ist aber auch nicht durch die Herstellung des Wortlauts entkräftet und bei der Wahl, die diese noch übrig läßt: zwischen einem schlichten grammatikalischen und einem komplizierteren (und auch stilistischen) Fehler Schillers, möchte ich lieber für jenen entscheiden, der wohl einer ist, aber bei einer chiffrehaft verkürzenden Titelgebung – mag solche auch eher einem kommerziell und telegraphisch bestrebten Zeitalter anstehen – immerhin als Absicht denkbar. Gewiß ist die Deutung »Was heißt man« möglich, aber als Rettung des Satzes doch fragwürdig. Was dabei herauskommt, wäre nur die Erkenntnis, daß diese Abkürzung, für das schärfere Ohr, gleichfalls auf Kosten der Grammatik erfolgt, daß sie aber vor allem eine Überschätzung der stilistischen Tragfähigkeit bedeutet, also einen Stilfehler. In die Begründung führe ich am besten ein, wenn ich vorerst den Einsender darüber aufkläre, daß der grammatikalische Fehler durchaus nicht darin gelegen ist, daß »ein Subjekt ›Was‹ und ein Objekt im Akkusativ ›Universalgeschichte‹ gleichzeitig vom Verbum ›heißt‹ abhängig gemacht« wird, »was auch ich gerechterweise als fehlerhaft bezeichne«. Das tat ich keineswegs, vielmehr habe ich die gleichzeitige Funktion eines Wortes als Nominativ und als Akkusativ als fehlerhaft bezeichnet, die des Wortes »Universalgeschichte«: also die Verwendung dieses Wortes als Subjekt und Objekt. Denn »Universalgeschichte« ist das Subjekt des ersten Satzteils und nicht »Was«, wie der Einsender glaubt, welches vielmehr das Prädikat des ersten Satzteils ist. Jener Satzteil, konstruktiv niedergeschrieben, lautet: »Universalgeschichte heißt: was?«. Antwort: Weltgeschichte, oder die oder jene Wissenschaft. Dies natürlich nur dann, wenn »heißt« » bedeutet« bedeutet. Was heißt (oder bedeutet) »heißt« aber sonst noch? » Wird genannt« oder »führt den Namen«. In diesem Fall, also in: Was heißt Universalgeschichte = Was wird Universalgeschichte genannt?, tritt die Umkehrung ein: »Was« ist nun tatsächlich Subjekt geworden, »Universalgeschichte« jedoch Prädikat. In beiden Fällen ist »Universalgeschichte« ein Nominativ, also unmöglich als solcher aus der späteren akkusativen Funktion der Universalgeschichte herstellbar, unmöglich mit ihr zusammenlegbar. Das hatte ich gemeint. Der Schiller'schen Wendung – wenn man sie jenseits jener Möglichkeit des »man« durchdenkt – liegt offenbar eher »bedeutet« als »wird genannt« zugrunde. Aber wenn selbst das zweite der Fall, also »Was« tatsächlich Subjekt wäre, bliebe noch immer die Angabe unverständlich, es werde an der Schiller'schen Wendung ausgesetzt, daß dieses Subjekt und jenes Objekt »gleichzeitig vom Verbum ›heißt‹ abhängig gemacht« sei. Das wäre an und für sich ganz unmöglich, denn »heißt« hat doch nur eine Funktion im ersten Satzteil. Also keine Gemeinsamkeit zwischen dem »Was« und der »Universalgeschichte«, sondern ausschließlich eben deren, der Universalgeschichte, Gemeinsamkeit für zwei Aussagen (heißen und studieren) bildet den Fehler. (Wenn der Einsender – ehedem – »Was« so ohneweiters für ein Subjekt hielt, konnte er am Ende auch annehmen, »Universalgeschichte« sei das Akkusativobjekt des ersten Satzteils, was zwar keinen Sinn ergäbe, aber dafür die Verbindung grammatisch ermöglichte.) Zu Schillers Zeiten war aber die Diskrepanz eher noch größer als heute. Denn in der Bedeutung »heißt = bedeutet«, die ich dem ersten Satzteil zugrunde lege, war da wohl noch ein rechtschaffenes Akkusativobjekt vorhanden: nicht in der »Universalgeschichte« – da wäre ja die Abkürzung gestattet –, sondern im »Was«, welches heute ein Nominativprädikat ist. »Universalgeschichte heißt die oder jene Wissenschaft«: das war in sprachdenklicherer Zeit ein transitiver Gedanke, mit einer deutlichen Zielbeziehung von Subjekt zu Objekt, die heute nur noch (und kaum fühlbar) in »bedeutet« vorhanden ist, während an »heißt« einfach ein Nominativ oder etwas Unflektierbares angegliedert wird. Es mag ja schon etwas (Nominativ) heißen oder etwas (Akkusativ) bedeuten, daß heute selbst die Grammatiker nichts darüber aussagen, daß bei solcher Bedeutungsidentität zweier Worte ein Tausch von Prädikat und Objekt stattfindet und daß bei dem unmerklichen Bedeutungswechsel eines und desselben Wortes (»heißt« = »bedeutet« und = »wird genannt«) eine gänzliche Umkehrung von Subjekt in Prädikat platzgreift. Dieses »heißen« hat freilich seine Geheimnisse und Tücken, die man ohne heißen Kopf kaum durchdenken kann. Die so leichte Möglichkeit, auch bei dem »heißt« im Sinne von »bedeutet« das »Was« als Subjekt anzunehmen, was natürlich falsch ist, ermöglicht leicht die doppelte Verwendung der »Universalgeschichte«. Sie ist aber in Wahrheit nicht möglich, und ganz ebenso wenig bei »wird genannt«. Sehen wir zu, ob sie bei »heißt man = nennt man« grammatikalisch gelingen kann. Damit wären wir zu der Deutung des Einsenders gekommen, daß dieses »heißt« nicht vom intransitiven, sondern vom transitiven »heißen« (von »nennen«, nicht von »genannt werden«) genommen sei, welches ja gleichfalls vorhanden ist. (Nebstdem daß es auch noch anderes bedeutet, wie »befehlen« oder »es geht die Rede« im formelhaften »es heißt«.) Also: »Was heißt man Universalgeschichte?«. Das ist gewiß die kommodeste Art von »heißen«. »Was« wäre dann das Objekt des ersten Satzteils, »man« das gedachte Subjekt, und »Universalgeschichte« das gedachte akkusative Prädikat. Nun, die Vereinigung eines solchen mit dem ausgesprochenen Objekt des zweiten Satzteils, oder vielmehr seine Beziehung aus diesem bliebe noch immer ein grammatikalisches Problem, und für gelungen würde ich die Doppelverwendung hier bei weitem nicht halten. Nur wenn der Sinn des ersten Satzteils der gerade umgekehrte wäre – und die Gefahr, ihn mitzudenken, liegt verteufelt nahe –: Als was bezeichnet man Universalgeschichte? Wie nennt man sie? Wie oder was heißt man sie? Etwa: »Das Weltgericht« oder »Eine Wissenschaft, die leichter ist als Sprachlehre« – nur dann wäre es grammatikalisch tadellos, zu verbinden: Was heißt man und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Wobei ich keineswegs auf die Verdoppelung des »man« verzichten möchte.) Und etwa die Antwort: »Weltgericht heißt man und zu frommem Zweck studiert man Weltgeschichte«. Schiller fragt aber: Was wird Universalgeschichte geheißen, oder: Was ist es, das man Universalgeschichte heißt, und zu welchem Ende studiert man sie. Er will eine Definition und nicht eine Bezeichnung für sie; er fragt, was es ist, das man so nennt, und nicht, wie man sie nennt. (Hier wird sich gewiß bei den meisten Lesern das Bedürfnis nach einem kalten Umschlag geltend machen; aber Kompressen sind nur nötig, weil man so lange Pressen aufgelegt hatte und einen Kopf bekam, der so frei war, eben das, was man spricht, nicht zu denken.) Die Passivkonstruktion dürfte die Unmöglichkeit der Verschmelzung des Prädikats mit dem Objekt (noch dazu eines Gedachten mit einem Konkreten) klarer machen: »Was wird Universalgeschichte geheißen und zu welchem Ende studiert man sie«. In dem bei Schiller gegebenen Sinne jedoch wäre eine grammatische Parallelität der Objekte nur so erzielt: » Was heißt man Universalgeschichte und zu welchem Ende studiert man es?« Aber nehmen wir getrost an, daß ein so unbeschwerter Akkusativ wie der prädikative und ein so gewichtiger wie das Objekt grammatisch verschmelzen können, so bliebe nichts übrig als die stilistische Fragwürdigkeit dieser Verwendung und dazu der Aussparung des »man«. Ich glaube nicht, daß Schiller das intransitive »heißt« im Sinne von »wird genannt« (oder »führt den Namen«) gedacht hat, und auch nicht, daß er das transitive »heißt« gedacht hat, also »nennt man«. Gewiß nicht in einer Frage, die mit »Was heißt« beginnt und die aus ihrer klischeehaften Natur jede Deutung vorweg abweist außer der einen: »Was bedeutet«. Es ist einfach unmöglich, daß ein Stilist einen Satz mit »Was heißt« anfängt und im Vertrauen auf ein postumes »man« erzwingen will, daß ein »Was heißt man« gedacht werde. Das Typische der Formel, die Nominativkraft des »Was« als Auftakt der Frage schließt eine solche Fortsetzung einfach aus. Bewußt vorgenommen, würde sie aber das Bewußtsein der natürlichsten, hier so hinderlichen Assoziation des Lesers vermissen lassen, also einen Stilfehler bedeuten. Ja, so fest haftet das Abschlußhafte der Wendung »Was heißt«, daß für ihr Verständnis selbst die gegenteilige Möglichkeit, daß ein Leser das »man« hinzudenken könnte, keine Gefahr wäre und von dem empfindlichsten Bewußtsein des Autors, dem sie einfiele, getrost abgewiesen werden könnte. Kommt dazu die immerhin vorhandene Bedenklichkeit der Stellvertretung eines Prädikats durch ein späteres Objekt, so bildet die Wendung ein stilistisches Monstrum im Vergleich zu jenem grammatischen Willkürakt der mechanischen Verkürzung. Und nicht zuletzt wäre zu sagen, daß auch die Doppelverwendung des »man« eine stilistische Bedenklichkeit insoferne bedeutet, als derselbe Faktor, der sich über das Wesen der Universalgeschichte schon im Klaren ist, nicht so ohneweiters identisch mit dem sie erst studierenden sein könnte. Da ist es doch natürlicher und stilistisch erlebter, die Definition zu sondern und an sie die Frage nach dem Zweck des Studiums anzuschließen, mag dies auch mit einer grammatikalischen Unebenheit erkauft sein, die den Fehler durch die Handlichkeit einer ja doch verständlichen und eben nur in einem Titel gebrauchten Chiffre wettmacht. (Würde doch auch jenes zu antizipierende »man« eine der Abknappungen vorstellen, wie sie im Zeitalter der literarischen Kopisten und Synkopisten üblich sind und etwa aus dem verbreiteten Glauben der Schriftsteller sich ergeben, daß ein und dasselbe »ist«, das nicht ein und dasselbe ist, Verbindungen stützen kann wie: »X., der sein Freund und ihm zu Hilfe gekommen ist«.) So verführerisch also die Version durch ihren Einfall sein mag, so würde ich sie doch ablehnen und keineswegs zur höheren stilistischen Ehre Schillers gelten lassen.

Was diese Bank von Stein betrifft, möchte ich eher Dante zitieren, um jene zu warnen, die sich grammatikalisch auf ihr, sagen wir niederlassen wollen; denn da ist jede Hoffnung verloren. An das Wohlüberlegte des Dativs glaube ich nicht und in der kurzen Ruh des Wanderers die Erklärung leicht zu finden, fällt mir schwer. Wenn an der Stelle, wo sich Tell befindet, »dieser nun außer dem Warten gerade etwas unternehmen« will und sich wie in der jüdischen Anekdote auch hundertmal fragt: »Also was tun mr jetzt?« (die ihm ja nach dem Hinweis »auf dieser Bank« geläufig zu sein scheint), und wenn er selbst den Gedanken ablehnte, sich auf die Bank zu stellen oder auf ihr zu stehen, ja ganz mit Recht erkennte, daß man sich zu langer Ruh legt und zu kurzer setzt, so wird er als richtiggehender Schweizer doch nicht umhin können, sich in diesem Fall auf sie und nicht auf ihr zu setzen, weil er ja auch im andern Fall sich nicht auf ihr legen wird. Den Erlebnisvorgang, den der Einsender nach der Betrachtung der Bank einzuschalten scheint, in Ehren: aber selbst wenn der Wanderer die Bank noch so lange betrachtet, um bei der Wahl zwischen der langen Ruhe und der kurzen, zwischen »sich legen« und »sich setzen«, für dieses zu optieren, wird ihm (und wiewohl bereits seine Gedanken auf ihr ruhen mögen) gar nichts anderes übrig bleiben, als sich regelrecht auf sie zu setzen. (Der Entschluß, es auf ihr zu tun, setzt einen Schwebezustand voraus. Eher wäre es, wenn das Stadium des Sitzens erledigt ist, möglich, sich auf ihr zu legen. Wobei ja auch dahingestellt bleiben mag, warum die Bank, obschon sie nur zur kurzen Ruh »bereitet« sein mag, nicht ein Lagern gestatten soll, welches ja auch nicht von langer Dauer sein muß. Daß sie, weil sie zur kurzen Ruh bereitet ist, ihrer Beschaffenheit nach einer langen widerstreben sollte, ist gewiß nicht der Fall und daß etwa in der hohlen Gasse die Anlagen dem Schutze des Publikums empfohlen waren und infolgedessen das Sichniederlegen verboten, dafür gibt es doch gar keinen Anhaltspunkt bei Schiller.) Nein, viel einfacher wird es schon sein, an einen Druckfehler oder – und das müssen die Literarhistoriker wissen – an einen mechanischen Schreibfehler zu glauben. Ich entscheide für den Schreibfehler, den die gewissenhafte Profession anzutasten scheute, sie, die sich vor der »Pandora« entschlossen hat, aus Pietät für Goethe den Urtext, den sie nicht verstand, »rasch vergnügt« durch die eigene Dummheit zu ersetzen. (Auf die Bitte eines Lesers will ich – die Gelegenheit ist günstig – auch gern dahin wirken, daß in Goethes »Grenzen der Menschheit« statt der »segnenden Blitze«, die eine pietätvolle Literaturwelt, kindliche Schauer treu in der Brust, bis heute aus rollenden Wolken empfangen hat, was sie gar nicht genierte: endlich einmal »sengende Blitze« gedruckt werden, der Anschauung des Vorgangs zu Ehren und weil jene zwar dem Verstand eingeleuchtet haben, aber das Furchtbare doch noch tiefer auf die Knie zwingt als der Segen.)

Was nun der Einsender zur Hervorhebung Schiller'scher Sprachreinheit an abschreckenden Beispielen bei anderen Dichtern anführt, erscheint mir gleichfalls weder glücklich gewählt noch glücklich dargestellt. Daß man eine Wendung wie die aus Kleists »Penthesilea«, in der »angehen« mit dem Dativ konstruiert ist, bei Schiller vergeblich suchen würde, kann weder für diesen noch gegen jenen Autor das geringste beweisen, sondern nur, daß Schiller die alte, heute längst ungebräuchliche Dativform der Wendung eben nicht gebraucht hat, was unter Umständen bedauerlich ist. Dieser stärkere Dativ dürfte manchem heutigen Ohr vielleicht auch in der Form »es kostet mir« oder gar im faustischen »Wer ruft mir?« verdächtig klingen. Sprachkritisch wird man wohl die »Penthesilea« im Ernst nicht untersuchen wollen, wenn die »Jungfrau von Orleans« in der Nähe steht. Dagegen möge es gestattet sein, an ein Abenteuer mit dem Kleist'schen Gedichte »Der Schrecken im Bade« zu erinnern, wo eine stilistische Unbedachtsamkeit dazu führt, diesen selbst zu übertrumpfen. Kleist gebraucht als den Genitiv von Mai »des Mais«, was keineswegs falsch ist, aber gerade in der Stelle:

Nun heiß, fürwahr, als sollt' er Ernten reifen,
War dieser Tag des Mais und, Blumen gleich,
Fühlt jedes Glied des Menschen sich erschlafft

eine falsche Vorstellung herbeiführt. Gedacht, gesagt. Achtzehn Zeilen später lese ich:

        – und lauert
Dem Hirsch auf, der uns jüngst den Mais zerwühlte.

Ein stilistisches Verhängnis, dem zu entrinnen es eben doch an etwas gefehlt hat. Das Hebbel'sche »wie« nach dem Komparativ, statt »als«, ist natürlich falsch (»mißbraucht« ist aber hier eigentlich nicht das »größer wie«, sondern nur das »wie«); doch kommt es auch bei anderen berühmten Autoren vor und wäre das geringste, was gegen die Sprache bei Hebbel einzuwenden ist. Da und von da abwärts, etwa bei Grillparzer, hätte man fast Vers für Vers weiß Gott anderes zu bemerken, staunend über eine Literaturwelt, die dergleichen Papierschmuck als Dichtung fortschleppt. Aber so wenig wie dort, wo die Sprache kaum mehr als Oberfläche hat, der Außenfehler in Betracht kommt, so hebt er sich in tieferen Regionen von selbst auf. Es könnte da dem Sprachgefühl, wenn es sich nicht gewaltsam auf den Anspruch einer Sittenpolizei herabsetzt, unmöglich gelingen, solche Abnormitäten als Minus und nicht als Plus wahrzunehmen. Darum mag die in der Schlegel-Übersetzung des »Hamlet« zwar »vielen entgangen sein«, aber hoffentlich manchen nicht als Vorzug. Was der Einsender, der für seinen anregenden Eifer gewiß allen Dank verdient, da einwendet, ist an und für sich halb richtig; wäre es ganz richtig, gelangte es doch nicht an die Sphäre, in der der Gedanke sein volles sprachliches Leben nicht nur trotz dem beanstandeten Konstruktionsfehler bewahrt, sondern durch ihn erst empfängt. Doch wollen wir, ehe der Vorzug bewiesen sei, den Fehler untersuchen. Zuerst würde man glauben, daß hier etwas Richtiges vorgebracht sei, dessen Geltung auf der Ebene rationaler Sprachkritik nur durch die Begründung gefährdet wird. Denn bei Schlegel ist das in der Konjunktion »um« versteckte Subjekt nicht »wir«, sondern, wenn das gedachte Subjekt reklamiert werden soll, »Fähigkeit und Vernunft«, das syntaktische: »Gott«. Die Stelle muß auch gar nicht »etwa so« oder anders ergänzt werden. Aber da man nicht versteht, warum der einzig mögliche grammatikalische Einwand solche Umwege braucht, ersieht man plötzlich, daß hier die Kritik auf dem eigensten Gebiete fehl geht. Denn die Forderung ist einfach die, daß bei einem »um zu« mit dem Infinitiv das Subjekt des Finalsatzes (der kein »Kausalsatz« ist) identisch sei mit dem des Hauptsatzes, so daß also bei Schlegel tatsächlich Gott ungebraucht in uns schimmeln müßte, »um« die Konstruktion zu rechtfertigen, während dies doch von dem Objekt des Hauptsatzes (Fähigkeit und göttliche Vernunft) gelten soll. Der Einsender verlangt aber, »um« den Fehler zu beheben, daß dieses Objekt im Finalsatz »auch nur im Sinne eines Akkusativs versteckt« sei. Das Objekt des Hauptsatzes braucht jedoch im abhängigen Satz weder so noch anders versteckt noch überhaupt vorhanden zu sein, sondern im strengen grammatikalischen Sinn ist nur unerläßlich, daß das Subjekt wiederkehre. Der Einsender wäre also befriedigt, wenn Schlegel konstruiert hätte: »Gott gab uns nicht die Fähigkeit, um sie ungebraucht in uns schimmeln zu lassen« (nämlich: damit wir sie schimmeln lassen); denn er verlangt, daß das »uns« als »wir« wiederkehre, was aber dem »um zu«-Infinitiv ganz egal ist, indem er viel zu zielstrebig ist, »um« auf so etwas Wert zu legen. (Und die Gefahr der Zweideutigkeit wäre größer, da hier bei grammatisch korrektem Anschluß die Handlung des Nebensatzes dem Subjekt des Hauptsatzes, Gott, ohne jeden Aberwitz zuzutrauen ist, während doch gemeint sein soll, daß wir schimmeln lassen.) Ohne Zweifel hat der Einsender, der eine sehr ermäßigte Forderung stellt und einen im strengen grammatikalischen Sinn ebenso verpönten Fehler gelten ließe, das richtige Gefühl gehabt, daß hier eine normwidrige Konstruktion vorliegt, und nun zwar im Negativen – des Nonsens vom schimmelnden Gott – den Fehler erkannt, aber von seiner Interpretierung des Sinns eine positive grammatische Forderung abgeleitet, deren Unzulänglichkeit er nicht mehr fühlte. Hätte er aber selbst radikal die Abweichung von der Regel, daß die Subjekte identisch sein müssen, als den Fehler der Stelle erkannt, so hätte er noch immer stilkritisch Unrecht. Denn was in der Prosa, selbst in der gestaltenden und nicht bloß gesprochenen, unmöglich oder doch bedenklich wäre, ist im Shakespeare-Schlegel'schen Versbereich eben nicht nur möglich, sondern wirklich. Hier darf und soll die Unregelmäßigkeit, daß in der »um zu«-Konstruktion statt der beiden Subjekte das Objekt des Hauptsatzes und das gedachte Subjekt des Nebensatzes identisch seien, statthaben. Also das Akkusativobjekt »Fähigkeit und Vernunft« und das gedachte »sie«, nicht aber das Dativobjekt »uns« und ein gedachtes »wir«. Diese Sinnrichtigkeit wäre hier, wenn sie Vers werden könnte, nicht nur banal, sondern weit mißverständlicher und gleichfalls unrichtig. Die ganze Kraft der Stelle liegt in der grammatikalischen Verbiegung, die, ohne die geringste Sinnverschiebung zu bewirken, dem »um«-Vers zu einem Eigenleben verhilft. Die Absicht, diesen Regionen, in denen die Sprache sicherer nachtwandelt als sie auf Erden richtiggeht, mit grammatikalischen Maßen nahezutreten, negiert nebst dem Ur-Recht der künstlerischen Zeugung jene sprachliche Macht, der sich die Regeln irgendeinmal verdanken, und vor ihr bestünde keine »Helena«, keine »Pandora« und nicht der vom Zauber Shakespeares begnadete Schlegel (den durch andere Übersetzungen verdrängen zu wollen, nur der kunstgewerblichen Spielerei einfallen kann oder der textvergleichenden Gewissenschaftlichkeit, die mit ihrem Unverstand immer die Quelle verunreinigt). Denn im Mutterschoß der Sprache trägt sich alles jenseits von Richtig und Unrichtig zu. Wie sollten ihr von der Vorschöpfung geringere schöpferische Möglichkeiten aufbewahrt sein als der Liebe? Die ästhetische Gerechtigkeit, die den Bestandteil prüft, reicht an die erotische Willkür, die ihn verwandelt, nicht hinan. »Dein Fehler, Liebste, ach ich liebe ihn, weil du ihn hast« – dies würde auch allem Sprachgebilde gelten, wenn hier die Liebe nicht doch die Schranke hätte: daß die Häßlichste mir nicht »durch ihn erglänzen wird«. Die bleibt den Vorschriften unterworfen. Und etwas anderes ist es, dem Sprachgeheimnis, es unter die Verantwortung der Regel stellend, nahezutreten, oder ihm nahezukommen, indem man die Regel selbst zur Rechenschaft zwingt. Denn es gibt keine, und schiene sie noch so äußerlich, der sich nicht das Innerste von jenem Wesen absehen ließe, an das sie nicht herankommt.


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