Josef Kastein
Eine Geschichte der Juden
Josef Kastein

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Die heroische Zeit

Wenn die Legionen Jerusalem zerstören konnten, das Judentum selbst konnten sie nicht zerstören. (Mommsen)

Wenn wir uns entschließen, die Zeit vom Aufstieg des Hasmonäergeschlechts bis zur Vernichtung des jüdischen Staates durch Rom heroisch zu nennen, sind wir uns bewußt; daß wir damit zugleich Vorgänge glorifizieren, die das reine Bild des Juden, der in der Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit der Theokratie verharren und dem Stumpfsinn der Gewalt die Unüberwindbarkeit des Geistes entgegensetzen will, zuweilen trüben und verzerren. Wir müssen das in Kauf nehmen. Wir spätgeborenen Nachfahren jener Menschen, die wir vom Intellekt und von der Verehrung des Nützlichen in der Welt vielfach berührt sind, schulden als ein Geringes jener Vergangenheit den Respekt, den noch heute eine mindere Entschlossenheit, sich für eine Idee zu opfern, uns abnötigt. Wenn wir es uns auch nicht zum persönlichen Verdienst anrechnen dürfen, in der Reihe von Vorfahren zu stehen, deren Heldenmut in aller Geschichte ohne Vergleich und Beispiel ist, so mag doch hier der rückschauende Blick manches Juden, der sich vor der dümmsten Demütigung seiner Umgebung zu beugen bereit ist, lernen, daß nichts aus seiner ererbten Vergangenheit ihn zu einer solchen Haltung des Verzichts und der Schwäche zwingt. Wir verlangen aber auch, wenn wir von dieser Zeit als einer heroischen sprechen, von denen, die sich mit ihr aus irgendeinem Anlaß beschäftigen, jenes Mindestmaß an Achtung und Ehrerbietung, zu dem ein auch nur geringes menschliches Verständnis 169 verpflichtet und das sie jedem Volke und jedem Befreiungskriege im Übermaß zu geben bereit sind . . . wenn es sich nicht gerade um das jüdische Volk handelt. (Hier soll nicht Apologie getrieben werden. Aber hier wird menschlicher Anspruch auch an diejenigen gestellt, deren Glaubenswelt aus dieser Sphäre des Heroischen ihren ersten Ursprung nahm: an die Christen.)

Wenn man die Haltung betrachtet, die das jüdische Volk vom Angriff des Griechentums bis zu diesem Augenblick eingenommen hat, wird verständlich, daß bei diesem Schlußakt der Tragödie die dramatischen Gestalten und Ereignisse sich häufen. Sie gehen weit über das Individuelle hinaus und in das Typische hinein. Was hier gelebt wird, ist nicht Geschichte von Einzelnen, sondern die Geschichte einer Idee. Nur werden mit dem Schicksal, das die Idee erleidet, auch die Menschen dramatischer, tragischer, ungebundener, brutaler und verworrener. In ihnen sind die Zuckungen der Idee, die wilden und unrhythmischen Ausschläge des Pendels nach hüben und drüben. Die Extreme reißen auf. Da ist der Kampf gegen die Römer, die Abwehr der dumpfen, stumpfen, geistlosen Brutalität. Da ist der Versuch, den ewig zeugenden Kern des Volkes dem Wirrsal des äußeren Geschehens ganz zu entziehen und ihn durch Vertiefung und Bindung der geistigen Haltung zu retten. Da ist endlich der Versuch, Welt und Volk ganz zu verneinen und in einem »Reiche nicht von dieser Welt« eine Existenz der Seele zu garantieren.

Die Parteien bekommen eine seltsame Zwischen-Färbung zwischen Politik und Religion. Sie sind an sich noch die gleichen wie in der herodianischen Zeit; aber wollte man sie benennen, müßte man sagen: auf der einen Seite stehen die Theokraten, auf der anderen die Parteigänger Roms. Aber unter den Theokraten differenziert sich wieder die Auffassung vom Sinn des Widerstandes. Die Mehrheit ist noch eine Sekunde vor Ausbruch des Freiheitskrieges für den passiven Widerstand. Eine Minorität ist für den aktiven. Je drückender 170 die Herrschaft Roms wird, je brutaler der Vernichtungswille und die Verachtung alles Menschlichen in die Erscheinung treten, desto schärfer wird das Ausweichen nach den Extremen hin: auf seiten der passiv Widerstrebenden bis zum Messianismus, auf seiten des aktiven Widerstandes bis zu den Sicariern, den Leuten mit dem Dolch im Mantel. Beide haben ihren Heroismus. Beide leisten und tragen das Äußerste für ihre Freiheit und für ihre seelische und geistige Unabhängigkeit. Auch die Dolchverschwörer sind religiöse Patrioten. Wie sie Rom den Krieg erklären, tun sie es mit einer aus dem Gebiete des Religiösen stammenden Manifestation: sie beschließen, von Nichtjuden keine Opfergaben mehr anzunehmen. Das bedeutet praktisch die Verweigerung der Opfer zu Ehren des römischen Kaisers.

Dieselbe Zeit, die aus der seelischen Überbelastung den Menschen hervorbringt, der nur noch den Dolch handhaben kann, bringt auch zugleich den Menschen hervor, der unendlich weit abrückt von aller rohen Technik des Daseins und seinen Willen zu Volk und Welt und Gott in einem wunderbaren Aufblühen der klaren Lebensethik zum Ausdruck bringt. In der Figur des Hillel hat diese geistige Bewegung ihre vollendete Vertretung gefunden. Er sieht, daß das Streben nach Absonderung den Menschen immer mehr mit Vorschriften, Anweisungen, Gesetzen umgibt. Er will verhindern, daß sie Selbstzweck werden. Mit ganz schlichter Gebärde rückt er darum ihr Gewicht an den rechten Ort. Er begriff in dem Nebeneinander von Ethik und Gesetzen die innewohnende Relation von Sinn und Technik, vom Tun und vom Motiv des Tuns, vom Inhalt und von der Form. Das Gesetz hat der Idee zu dienen. Es ordnet das menschliche Zusammenleben und bedeutet erst von hier aus eine Devotion gegen Gott. Darum kommen in der Reihenfolge des Wertes und der Notwendigkeit erst die Pflichten gegen den Menschen und dann erst die Pflichten gegen Gott. Da enthüllt sich, daß die Juden ihren Gott geschaffen haben, um sich selber 171 zu verpflichten; nicht – wie noch die Griechen – um sich in die bedingungslose, nur durch Skepsis und Müdigkeit zuweilen aufgelockerte Abhängigkeit zu begeben. Die Religion ist um des Menschen willen da, nicht um des Gottes willen. In ganz knapper Formulierung hat Hillel diese Gedanken und die darin beschlossene Liebe zu den Menschen ausgedrückt. Nach der objektiven Seite: »Was dir selbst unangenehm ist, das tue keinem anderen. Das ist der Grundgehalt der Thora, alles andere ist nur eine Erklärung dafür.« Und nach der subjektiven Seite: »Wenn ich nichts tue für mich, wer dann für mich? Wenn ich es aber nur für mich allein tue, was bin ich? Und wenn ich es nicht jetzt tue, wann dann?«

Hillel ist kein Neuerer, sondern ein Beschließer. Nur die Formulierung eines schon längst erkannten Prinzips wird jetzt notwendig, weil die Überbetonung des Gesetzes und der Form überhaupt gerügt werden mußte. Die Evangelien hatten höchstens für die Heiden, nicht aber für die Juden, nötig, den Lebenssinn der Pharisäer zu fälschen. Was gegen deren Auswüchse zu sagen war, hat das Judentum selbst in zahllosen Bekundungen der Zeit ausreichend gesagt.

Das Auftreten einer Erscheinung wie Hillel ist schon ein Hinweis auf den Fortgang des lebendigen religiösen Lebens. Der Gestaltungsprozeß ruht nicht, trotz aller schweren äußeren Erschütterungen. Alle Gruppen, selbst die Sadduzäer, sind daran beteiligt. In diesem Jahrhundert sind die »Psalmen Salomos« entstanden, hymnische Dichtungen aus einer Zeit voll Unruhe. Aus ihren Klagen um das Leid der Zeit erhebt sich gläubige Zukunftshoffnung, die Erwartung eines königlichen Messias aus dem Dawidischen Geschlecht. Man merkt: sie haben aus der Geschichte gelernt. Sie formen ihn wieder als einen Funktionär der theokratischen Idee. »Der Herr selbst ist unser König, immer und ewig.« Sie erwarten von ihm, daß er ihnen den gerechten Vollstrecker seines Willens schicke. »In seinen Tagen geschieht kein Unrecht, weil sie alle heilig sind.« 172 Die Abwehr gegen Rom hat den Blick noch nicht so eng machen können, daß nicht Raum bliebe für eine ungemein farbige Entfaltung der Erlösungsidee. So sinnverbunden, so im Gang einer Weltordnung begründet und so jenseits alles Zufalls oder alles griechisch-römischen Götterneides begreifen die Menschen ihr Geschick, daß sie auch die Auflösung nur in der Ordnung begreifen können, derjenigen Ordnung, die ihnen im Weltplan beschlossen scheint: der Verklärung des Menschen in einer neuen Gemeinschaft, in einem neuen Reiche. Um die Gestaltung dieses Reiches kreisen die gestaltenden Gläubigkeiten und Visionen und Hoffnungen und zuweilen magisch betonten Anrufungen. Die Essäer, vom Leben unberührt und an ihm nicht mehr orientiert, nicht mehr zu ihm hin, sondern von ihm weg lebend, besetzen den Weg zum Himmel oder zu dem kommenden Reiche mit einer Schar von Engeln und Dämonen. Zwischen Mensch und Gott steht hier der Vermittler zum erstenmal auf: der Menschensohn oder der Sohn Gottes, verschiedene Begriffe für die gleiche Rolle; beide auch Bekenntnisse dafür, daß der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Menschen und seinem Gott schon aus der Müdigkeit und Verzweiflung und Weltentfremdung zerbrochen ist und nach der ausgleichenden Kraft einer Mittelsperson sucht. Da setzt eine unjüdische Idee ein. Selbst der Priester war kein Vermittler. In solcher Eigenschaft hatte ihn schon das babylonische Exil als entbehrlich erwiesen.

Fanden sich schon in den Äußerungen eines Jeheskel, eines Sacharia und Daniel aus dem Visionären her eschatologische Elemente, so werden sie in dem dieser Zeit entstammenden Buche »Henoch« noch klarer und sichtbarer. Dieses Werk, aus pharisäischen und essäischen Elementen gemischt, ist in seiner Art auch ein typisches Dokument der heroischen Zeit, des geistigen Heroismus. Denn auch das ist als seelische Haltung heroisch, in dieser Zeit der äußersten Not den Glauben in das Unbedingte hinein zu steigern, aus der Versklavung des Körpers und 173 der Unterdrückung der Seele nicht zu vertieren, sondern ihre Befreiung zu begreifen und bis zu der Gewalt einer verpflichtenden Glaubenslehre zu steigern. Noch mitten in der Anarchie und mitten in der Unbedenklichkeit politischer Gewaltakte wird die Idee von der menschlichen Willensfreiheit aufrechterhalten. »Die Sünde ist nicht auf die Erde geschickt worden, sondern die Menschen haben sie von sich selbst aus geschaffen.« Dagegen sagt Euripides: »Der Mensch darf sünd'gen, wenn ein Gott es schickt.« Nicht umsonst hat das Christentum gerade dieses Buch mit seinen Bearbeitungen und Einfügungen bedacht. Es lag in seiner Linie des Anfangs.

Aber auch die weltenfernsten Ideen vermögen sich in dieser Zeit dem Angriff der Wirklichkeit nicht zu entziehen, und es kommt ein Tag, an dem die Gewalt des feindlichen Druckes so roh und übermächtig wird, daß sie alle Elemente, auch die nachgiebigen und passiven, zu einem Paroxismus der Gegenwehr zusammenschweißt. Dabei sind die Vorgänge, die dazu führen, von einer quälenden Einförmigkeit. Es geschieht immer dasselbe: ein Volk wird mit einem erstaunlichen Raffinement der Roheit und Dummheit mißhandelt. Es wehrt sich mit jeder Möglichkeit, bis zum Meuchelmord und bis zur Tollkühnheit, bei der der klare Verstand schon ausgeschaltet ist und nur noch die fixe Idee des Widerstandes regiert.

Die römische Verwaltung nimmt ihren Sitz in Cäsarea. Dort stehen die Truppen, die Stütze Roms für die Verwaltung seiner Provinzen. Judäa besitzt zwar noch eine gewisse innere Autonomie, insbesondere auf religiösem Gebiete, aber selbst die wird von den römischen Prokuratoren verletzt. Zum Teil tun sie es aus Schikane, so, wenn sie das priesterliche Ornat zu sich in die Burg Antonia holen und es nur zum jedesmaligen Gebrauch herausgeben, um es dann wieder unter Verschluß zu nehmen. Zum Teil tun sie es aus Verständnislosigkeit, weil sie, diese einwandfreien Besieger der Welt, nicht begreifen, warum dieses winzige Volk so überaus subtile Rücksichtnahme auf seine 174 religiösen Eigenarten verlangt. Auf den jüdischen Münzen darf das Bild des römischen Herrschers nicht sichtbar werden, weil die Bevölkerung die Münzen sonst nicht annimmt. Die römischen Truppen dürfen in Jerusalem ihre Feldzeichen mit den Kaiserbildern darauf nicht öffentlich zeigen. Die Juden erklären sich zwar bereit, für den Cäsaren und das römische Volk im Tempel ein Opfer darzubringen, aber sie bestehen darauf, daß das Betreten des inneren Tempelhofes durch einen Römer oder sonst einen Heiden ohne weiteres mit dem Tode bestraft werde. Das alles sind Dinge, in denen die Römer nur Verachtung und Widersetzlichkeit erblicken müssen. Sie antworten mit Verachtung und Bedrückung. Zu allen hohen Festen begibt sich der Prokonsul mit seinen Truppen nach Jerusalem und stellt während der Feier rings in die äußeren Säulengänge seine Soldaten, weil er nicht nur von jeder Volksansammlung in Jerusalem Unruhen befürchtet, sondern auch weiß, daß die Juden gerade ihren Tempel als Ort der Willensbildung und für die Entfesselung von Unruhen und Revolten benutzen. Im übrigen betrachten sie das Volk als Objekt ihrer persönlichen Bereicherung, so daß selbst Tacitus zugibt, daß schon unter den ersten Prokonsuln das Land völlig ausgesogen gewesen sei.

Der erste Prokonsul leitet sein Amt ein mit der Veranstaltung des Census, der Ermittlung der Kopfzahl der Bevölkerung und des Grundbesitzes. Da wird den Judäern das Ausmaß ihrer Abhängigkeit sichtbar. Es setzt sofort die Revolte ein. Während in Jerusalem die Vernunft noch einmal siegt, entsteht in Galiläa, diesem Brutherd der judäischen Revolutionen, als Antwort eine neue und für die Zukunft sehr bedeutsame Parteibildung: die Gruppe der Eiferer oder Zeloten. Sie sind die Extremisten und Fanatiker der politischen Freiheit. Von den Pharisäern aller Schattierungen trennt sie nicht die religiöse Idee, sondern die Erwägung, daß nicht darauf gewartet werden dürfe, bis Gott hilft und einen Messias schickt. 175 Man muß sich selber helfen. In ihnen überschlägt sich der Haß gegen die Ungeistigkeit und Brutalität Roms bis zum Paroxismus. Sie werden die Amokläufer im Kampfe zwischen Idee und Gewalt. Es war ihnen auch keine andere Auseinandersetzung möglich. Griechenland hatte wenigstens bei seinem Zusammenstoß mit Judäa etwas geben wollen: Kultur, Religion, Denken, Lebensformung, Kunstgestaltung. Rom hatte nichts zu bieten, es sei denn, man denke an sein Bürgerrecht. Im übrigen forderte es nur aus der hypertrophierten Idee seines Imperialismus. Es forderte Unterordnung, und vor allem Geld. Und dann forderte es Anbetung seiner Kaiser als Gottheiten, eine Idee, die zuerst von dem Schwachkopf Caligula ausging. Die Judäer hatten nicht den mindesten Anlaß, etwa die besondere politische und organisatorische Begabung der Römer als Qualitäten zu schätzen. Wenn die Politik keine andere Idee zum Ziel hat als die Ausübung von Macht zu eigensüchtigen Zwecken, und wenn die Organisation nur dazu dient, aus der erworbenen Macht den denkbar größten Gewinn zu ziehen, erübrigt sich eine Auseinandersetzung vom Geistigen her. Nicht nur bei den Judäern, sondern auch in der gesamten Heidenwelt standen damals ganz andere und weit wichtigere Dinge zur Debatte: das Problem der Verankerung des Menschen im All. Aber das konnte Rom unmöglich verstehen.

Die einzelnen Prokuratoren sind fast ohne Ausnahme von einer unvorstellbaren Geldgier und Gewalttätigkeit, so daß ständig Anlaß zur Unzufriedenheit und zu Unruhen gegeben wird. Eine besondere Rolle spielt der aus den Evangelien bekannte Pontius Pilatus, der eine Willkürherrschaft sondergleichen ausübt und der gegen das ihm überwiesene Volk so voller Mißachtung und Grausamkeit ist, daß nur die Tendenz der Evangelien ihm andichten konnte, er habe Jesu gegenüber »seine Hände in Unschuld gewaschen«. Gegen die religiöse Empfindlichkeit der Juden hat er einen besonderen Haß. Um sie zu reizen, läßt er nachts heimlich Truppen aus Cäsarea 176 mit Kaiserbildern an den Feldzeichen in Jerusalem einmarschieren. Wie diese Verhöhnung am anderen Tage entdeckt wird, begibt sich sofort eine Abordnung nach Cäsarea und verlangt Entfernung der Feldzeichen. Fünf Tage lang belagern sie sein Haus, dann läßt er sie in die Rennbahn locken, läßt sie von Truppen umstellen und ihnen androhen, daß er sie umbringen lassen werde, wenn sie ihren Einspruch nicht aufgeben. Der Einspruch wird nur noch stürmischer. Pontius Pilatus läßt die Truppen vorrücken. Die Judäer legen sich stillschweigend auf die Erde und entblößen in Erwartung der Schwerter ihren Nacken. Vor dieser Entschlossenheit wird Pilatus feige; er läßt die Feldzeichen entfernen. Er versucht noch ein zweites Mal seinen Willen, indem er im Palast des Herodes goldene Schilde mit dem Namen des Kaisers aufstellen läßt, aber schon dieser Hinweis auf eine Kaiserverehrung genügt, das Volk zum Protest beim Kaiser selbst zu veranlassen. Die Schilde müssen entfernt werden.

Diese Differenzen aus der religiösen Sphäre her verschärfen sich, wie Caligula Kaiser wird. In ihm ist das römische Machtbewußtsein schon einwandfrei Größenwahnsinn geworden. Während Augustus sich noch damit begnügt hatte, die Konsekration seines Pflegevaters Cäsar beim Senat durchzusetzen und ihm den Titel Divus, der Göttliche, zu erwirken, verlangt Caligula schon zu seinen Lebzeiten, daß man ihn Deus, Gott, nenne und als solchen verehre. Aber die Judäer haben weder den Gottmenschen im Kaiser noch in sonst jemandem begreifen wollen. Sie weigern sich auch jetzt, einen römischen Kaiser, zudem einen Menschen von mehr als schwachen Qualitäten, zu verehren. Caligula gibt dem syrischen Statthalter Petronius den Auftrag zur Aufstellung seines Bildes im Jerusalemer Tempel. In richtiger Erwartung des Widerstandes gibt er ihm zwei Legionen bei. Eine Deputation der Judäer zieht Petronius entgegen und erklärt ihm, er könne die Bilder erst dann aufstellen, wenn kein Judäer mehr lebe. Petronius, zwar 177 bedenklich gemacht, aber an seinen Auftrag gebunden, zieht zögernd weiter gegen Jerusalem. In Tiberias muß er vor seinem Hause eine Demonstration von 40 Tagen erleben, die das Volk unter Vernachlässigung der Ackerbestellung vollführt. Auch aus Jerusalem kommt eine Abordnung mit dringenden Warnungen. Da verzichtet Petronius auf eigene Verantwortung auf die Ausführung.

Nur solche unmittelbare Gefahr der Volkserhebungen konnte der Römer einsehen, nicht aber den Sinn dieses erbitterten Widerstandes. Die Judäer leisteten ihn, weil sie begriffen, daß es der Anfang vom Ende sei, wenn sie eine Durchbrechung ihres Prinzipes des bildlosen Kultes zuließen. Seit mehr als einem Jahrtausend hatten sie die Schicksale an sich selbst und an ihrer Umgebung sich erfüllen sehen, die aus dem Leben mit Göttern als Bildwerken erwuchsen. Es waren immer Untergangsschicksale, ein Sterben der Eigenart, dadurch bedingt und beschleunigt, daß nichts aus der Anbetung von Götzen diejenige klare seelische Position ergibt, aus der ein Leben über den Sinn des Einzeldaseins hinaus aufgebaut, begründet und dauernd gemacht werden kann.

Die römische Herrschaft erleidet eine kurze Unterbrechung. Agrippa I., ein Enkel des Herodes, wird von Claudius, dem er wichtige Dienste zur Erlangung der Kaiserwürde geleistet hat, zum König von Judäa ernannt. Selbst dieser letzte Herodianer begreift schon nach kurzer Zeit, um was es im Lande geht und welche ungewöhnlichen Energien hier zur Explosion bereit liegen. Er bemüht sich, das Volk zu beruhigen und es nach seinen Wünschen zu regieren. Er stirbt aber schon im vierten Jahr seiner Regierung, als seine nationale Politik von Rom schon unliebsam vermerkt war.

Nach diesem freundlichen Intermezzo verschärfen sich die Zustände noch mehr. Die geringsten Vorfälle unter den neuen Prokuratoren enden unweigerlich mit Blutvergießen. Nicht das Geringste kann mehr harmlos aufgenommen werden. So 178 geraten Juden und Römer immer mehr in einen Zustand der Überreiztheit. Auch messianische Manifestationen explodieren. Unter dem Prokurator Fadus kann ein Schwärmer namens Theuda große Volksmengen zum Jordan führen, um sie zu Zeugen von Wundervorgängen zu machen. Da die Römer solche religiösen Exaltationen nur als Bestandteil der allgemeinen politischen Volksunruhen verstehen konnten (und im Grunde mit Recht), ließ Fadus diese Wundersüchtigen überfallen und viele erschlagen und hinrichten.

Trotz der Grauenhaftigkeit in der Art der Bedrückung und in der Art der Abwehr ist immer noch eine Übersteigerung nach beiden Seiten möglich. Die drei Namen der Prokuratoren Felix, Albinus und Florus bedeuten eine auf steigende Linie bösartigster und skrupellosester Roheit. Von Felix sagt Tacitus: »In aller Grausamkeit und Lüsternheit hat er königliches Recht mit sklavischer Sinnesart gehandhabt«, und von Albinus: »Es gab keine Bosheit, die er nicht verübte.« Aber gegen Florus, einen geborenen Griechen, waren seine Vorgänger noch brave und rechtschaffene Leute. Unter ihm setzt eine Massenauswanderung von Judäern ein. Um diesen Verlust an Objekten der Ausplünderung auszugleichen, läßt er Diebe und Räuber straflos, sofern sie nur mit ihm und seinen Agenten die Beute teilen.

Die gewaltsame Verfolgung der Zeloten zeitigt in ihnen eine verhängnisvolle Übersteigerung. Es entstehen aus den Extremisten unter ihnen die Sicarier, die Dolchfreunde, die sich durch geheimen Mord nicht nur an den Römern fortgesetzt rächen, sondern durch das gleiche Mittel die noch widerstrebenden Judäer zum aktiven Kampf gegen Rom zwingen wollen. Gegen ihre Organisation, die in ihrer Heimlichkeit nur immer das Erfassen von Einzelnen möglich macht, sind selbst die Prokuratoren machtlos.

Die Vorgänge unter Florus bringen endlich den seit langem vorbereiteten allgemeinen Aufstand und darüber hinaus den 179 Freiheitskrieg zum Ausbruch. Der letzte äußere Anlaß lag in den Vorgängen in Cäsarea, wo die alten Differenzen zwischen Griechen und Juden zu blutigen Auseinandersetzungen führen. Florus, zur Intervention angerufen, lehnt sie ab, nachdem er sich zunächst dafür Gelder hat zahlen lassen. Er verlangt im Gegenteil noch Zahlung eines großen Goldbetrages für den kaiserlichen Fiskus. Jeder weiß, daß der Unersättliche Geld für sich haben will. Das erbitterte Volk läßt Körbe durch die Straßen Jerusalems tragen und zu einer Pfennigsammlung für den »armen unglücklichen Florus« aufrufen. Florus kommt mit Truppen, um sich dafür zu rächen. Er hält im Mai 66 (der heutigen Zeitrechnung) ein reguläres Standgericht und läßt viele Juden an das Kreuz schlagen. Aber nun ist die Empörung nicht mehr zu unterdrücken. Die Bevölkerung bewaffnet sich, greift die römischen Truppen an und drängt sie in den Palast zurück. Florus entzieht sich der Verantwortung durch die Flucht. Das ist der Beginn des Freiheitskrieges.

Die Entscheidung über die Aufnahme dieses Krieges, den ein winziges und militärisch nicht organisiertes Volk gegen die Beherrscherin der Welt führen will, zwingt zum Austrag der letzten Parteidifferenzen. Sie müssen in dieser Zeit der allgemeinen Auflösung und der Übersteigerung der Leidenschaften naturgemäß blutig und grausam sein. Es kommt hinzu, und es ist für die gleichzeitige religiöse Bewegung sehr wohl zu beachten, daß die geistige Elite, die sowohl dem Widerstande wie der Meinungs- und Ideenbildung hätte Richtung geben können, entweder ausgerottet oder zur Auswanderung gezwungen war oder sich von jeder Beteiligung an den Dingen der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Die Frage: Krieg gegen Rom oder nicht, führt unter diesen Umständen einstweilen zum Bürgerkrieg. Die Oberstadt, von den Zurückhaltenden besetzt, und der Tempel mit der unteren Stadt, von den Zeloten besetzt, kämpfen gegeneinander. Die Zeloten bekommen Zuzug durch die Sicarier. Ihre erste Tat in Jerusalem ist gleichsam ein 180 historisch-revolutionäres Symbol: sie verbrennen den Palast des Agrippa, des letzten überlebenden Herodianers, und zugleich das Archiv, in dem die Schuldbriefe aufbewahrt sind. Dann erstürmen sie die Burg Antonia. Die römische Besatzung wird restlos vernichtet (August 66 der heutigen Zeitrechnung), Cestius Gallus rückt mit seinen Legionen und den Hilfstruppen des Agrippa zur Bestrafung an, alles auf seinem Wege verwüstend. Die Zeloten ziehen ihm entgegen, schlagen die Vorhut, besetzen die Pässe und bringen sein Heer in Verwirrung. Cestius nimmt einen neuen Anlauf, überrennt alle Hindernisse und greift die Oberstadt Jerusalems an. Die Abwehr ist so entschlossen, daß Cestius sich zurückzieht. Die Zeloten verfolgen ihn. Die Nachhut wird aufgerieben, das Hauptheer wird in den Schluchten von Bethoron von dem Zelotenführer Simon bar Giora angegriffen und fast vernichtet. Dabei werden alle Kriegsmaschinen erbeutet.

Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Für einen Augenblick schweigen die Parteidifferenzen. Die Organisation des Befreiungskrieges beginnt mit der Bildung einer provisorischen Regierung, in der auch die passiven Pharisäer, die Aristokratie und die Tempelpriesterschaft vertreten sind. In einer Volksversammlung werden Vertreter gewählt zur Verteidigung der einzelnen Gebiete. Für das wichtige Aufruhrland Galiläa ist es Joseph ben Matathias, der später als Josephus Flavius in die Geschichte eingegangen ist.

Seine Wahl war ein verhängnisvoller Fehler und vielleicht die entscheidende Ursache für den katastrophenreichen Ausgang des Freiheitskrieges. Josephus stammte aus dem geistigen Bezirk der Pharisäer. Er hatte auch einige Jahre unter den Essäern verbracht. Auch Rom hatte er kennengelernt. Er war ein großer Bewunderer des politischen Genies Roms, zu unleidenschaftlich, um nicht die Chancen eines Widerstandes kühl abzuwägen und daher in seiner Entschlußfreudigkeit von vornherein gehemmt. Man kann von ihm sagen, daß er bewußt 181 der erste römische Staatsbürger jüdischen Glaubens gewesen sei. Diese Zweiteilung seines Wesens ist wohl verantwortlich für die überaus zweideutige Rolle, die er in diesem Kriege spielte. Auch wenn man annimmt, daß seine kühle Vernunft über den Patriotismus siegte, muß er als ein passiver Verräter bezeichnet werden. Eine Volkswehr von 100 000 Mann stand ihm zur Verfügung. Aus Unentschlossenheit und Unfähigkeit und Unwilligkeit hat er diese Kräfte verzettelt. So war Galiläa ohne genügenden Widerstand, als Flavius Vespasian im Jahre 67 als der größte Feldherr der Zeit mit der Führung des Krieges gegen Judäa beauftragt wurde. Vespasian sammelte sein Heer in Antiochia, sein Sohn Titus brachte von Alexandrien aus Legionen heran, so daß sich in Ptolemais 60 000 Mann regulärer Truppen zusammenfanden. Damit konnte Vespasian Galiläa besetzen. Josephus mußte sich zurückziehen. In der Bergfestung Jotapa sammelt sich der Hauptteil der jüdischen Krieger. Auch Josephus zieht sich dorthin zurück. Wie die Festung nach einer Verteidigung von eineinhalb Monaten fällt, beschließen 40 überlebende Krieger, unter ihnen Josephus, sich selbst zu töten, um sich nicht den Römern ergeben zu müssen. Josephus bringt es zuwege, daß die Reihenfolge der gegenseitigen Tötungen durch das Los erfolgt. Dabei gelingt es ihm, der Überlebende zu bleiben. Vielleicht hat das Schicksal ihn aufgespart, damit wenigstens einer die Geschichte seines Volkes aus dieser Zeit schreibe.

Nach ungewöhnlichen Anstrengungen und erbitterten Metzeleien, die sich auf Booten und Flößen im Tiberiassee fortsetzen, erobern die Römer Tarichea und Gamala. Wie dieser Ort erstürmt wird, stürzt der Rest der judäischen Besatzung sich in die Schluchten, um sich nicht den Römern ausliefern zu müssen.

Die schweren Kämpfe haben die römischen Truppen so erschöpft, daß Vespasian sie zunächst in die Winterquartiere führen muß. Inzwischen werden in Jerusalem die letzten Parteistreitigkeiten ausgetragen. Das Beispiel Galiläas hat die 182 Zeloten davon überzeugt, daß die Teilnahme der Aristokratie an dem Freiheitskriege die ganze Bewegung mit einem unzuverlässigen und unentschlossenen Element belastet. Das Ergebnis der Kämpfe in Jerusalem ist die fast vollständige und rücksichtslose Ausrottung der Aristokratie. Jochanan von Gis'chala wird Diktator der Hauptstadt, Simon bar Giora wird Diktator der Provinz. Zwischen diesen beiden entbrennt auch innerhalb Jerusalems der Kampf um die Führung. Erst am Vorabend der Belagerung einigen sie sich zu gemeinsamer Abwehr.

Die Situation für die Judäer ist von allem Anfang an hoffnungslos. Die Verteidiger waren nur zu einem Teil ausgebildete Krieger; die Stadt war überfüllt, da für das Passahfest dieses Jahres (70 der heutigen Zeitrechnung) viele Wallfahrer nach Jerusalem gekommen waren. Bei den Parteikämpfen waren riesige Bestände aufgespeicherter Nahrungsmittel verbrannt. Was übrigblieb, mußte dazu dienen, mehr als eine halbe Million Menschen zu ernähren. Dagegen waren die römischen Truppen mit allem Erdenklichen versehene Berufssoldaten. Mit vier Legionen und vielen Hilfstruppen wurde der Angriff begonnen. Vespasians Angebot der freiwilligen Übergabe wird abgelehnt. Angriff und Verteidigung sind von besonderer Heftigkeit. Hüben und drüben arbeiten Kriegsmaschinen. Der Angriff geht, wie immer, vom Norden aus. Nach einem Sturm von 14 Tagen fällt die Mauer. Hinter ihr sehen die Römer plötzlich eine zweite Mauer aufragen. Der Kampf wird noch erbitterter und geht Tag und Nacht ununterbrochen weiter. Die zweite Mauer wird gestürmt, muß wieder aufgegeben werden und wird von neuem gestürmt. Dann wird der Angriff von vier Legionen auf die Oberstadt und die Burg Antonia gerichtet. Gegenüber der wilden Abwehr läßt Vespasian es noch einmal versuchen, durch Flavius Josephus, der bei ihm im Lager weilt, eine freiwillige Übergabe zu erreichen. Josephus wird niedergeschrien. Nicht einmal die Hungersnot, die inzwischen in der Stadt ausgebrochen ist, kann zum 183 Nachgeben bewegen. Viele Nichtkämpfer, die vom Hunger getrieben aus der Stadt fliehen, werden von den Römern zur Beeinflussung der Stimmung mit abgehauenen Händen in die Stadt zurückgeschickt oder sie werden vor den Mauern ans Kreuz geschlagen, in einer Massenhaftigkeit, daß es bald weder Holz für die Kreuze noch Platz zu deren Aufstellung gab.

Wie alles zum entscheidenden Sturm vorbereitet ist, bricht Gis'chala durch unterirdische Gänge aus und zerstört alle Dämme und Belagerungsmaschinen. Vespasian kommt zu der Erkenntnis, daß er die Eroberung nur durchführen kann unter Zuhilfenahme eines gefährlichen Bundesgenossen: des Hungers. Die ganze Stadt wird mit einem steinernen Wall eingeschlossen. Posten achten darauf, daß niemand die Stadt verläßt.

Dieses Mittel wirkt. In Jerusalem ist ein Massensterben und ein Pestgeruch von verwesenden Leichen. Nach solcher Vorbereitung kann Vespasian den Sturm wagen. Er zerstört die Mauer der Antonia. Aber inzwischen haben die halbverhungerten Krieger eine zweite Mauer aufgerichtet. Wie sie endlich fällt, ziehen sich die Verteidiger in den Tempel zurück und verwandeln ihn in eine Festung. Noch einmal macht Vespasian den Versuch, den Rest der Besatzung zur Kapitulation zu bewegen. Nur einige Priester gehen zu ihm über. Die Kämpfe gehen weiter. Die Belagerten locken die Römer in eine Falle, bei der sie in vorbereitete Scheiterhaufen stürzen. Auch Vespasian arbeitet jetzt mit Feuer. Die Säulengänge des Tempels gehen in Flammen auf. Die Juden ziehen sich in das Innere des Tempels zurück. Am 10. Ab, im August des Jahres 70 der heutigen Zeitrechnung, wird bei einem der jüdischen Ausfälle Feuer in den Tempel geworfen. Er wird vollständig eingeäschert. Die Römer morden sinnlos. Viele Juden, die den Untergang ihres Heiligtums nicht überleben wollen, stürzen sich in die Flammen. Ein kleiner Rest unter Gis'chala kann sich in die Oberstadt hinaufretten, die von Simon bar Giora verteidigt wird. 184

Angesichts der fast unmöglichen Aufgabe, mit beinahe verhungerten Menschen, die zudem durch die Zerstörung ihres Tempels einen entscheidenden seelischen Choc erlitten haben, noch eine Verteidigung zu führen, erbitten die Führer freien Abzug. Vespasian verlangt Kapitulation. Das wird abgelehnt. Der Kampf geht weiter. Im September des Jahres 70 können die Legionen in die Oberstadt eindringen. Sie ermorden alles, was sie an lebendigen Menschen finden. Haufen von Verhungerten liegen umher. Die Stadt geht in Flammen auf. Bis in die unterirdischen Gänge geht der Kampf. Aus allen Trümmern bleiben nur vom Herodespalast drei Türme stehen und eine Mauer, die Kotel Maarabi, von der die Gläubigen sagen, daß es ein Rest der Tempelmauer sei.

Die Sieger feiern die Niederwerfung dieses kleinen Volkes durch große Festlichkeiten und Gladiatorenkämpfe, bei denen viele Tausende jüdischer Gefangener getötet werden. Ein Teil von ihnen wird in dem großen Triumphzug mitgeführt, in dem Titus sich und die erbeuteten Tempelgeräte zeigt. Simon bar Giora wird am Tempel des Kapitolinischen Jupiters hingerichtet. Die Kriegsbeute an Tempelgeräten wird dem Tempel der römischen »Friedensgöttin« übergeben.

Noch fast drei Jahre dauert es nach dem Fall Jerusalems, bis das Land von den letzten jüdischen Truppen und Insurgenten gereinigt ist und bis die drei noch von Juden besetzten Festungen (Herodeion, Machärus und Masada) genommen werden können. In Masada haben sich die letzten Fanatiker einen Eid geleistet, sich nicht zu ergeben. Wie den Römern nach langen Angriffen die Einnahme gelingt, finden sie noch zwei Frauen und fünf Kinder lebend vor. Der Rest hat sich selbst getötet.

Vespasian erklärt Judäa zum eroberten Gebiet und zu seinem persönlichen Eigentum, das er an Römer, Griechen, Veteranen und den Rest der noch vorhandenen Bevölkerung verteilt. Er läßt zur Feier seines Sieges besondere Münzen 185 schlagen mit der Aufschrift: »Judaea devicta, Judaea capta«, das besiegte Judäa, das gefangene Judäa. Von seinem Standpunkt als Römer konnte er das sagen, weil er nur den äußeren Sinn der Vorgänge begriff. In Wahrheit hat er nicht den Geist vernichten können, der sich keinem minderen Geiste gefangengibt als dem, der im Sinn dieses Befreiungskrieges beschlossen lag.

 


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