Josef Kastein
Eine Geschichte der Juden
Josef Kastein

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Die Makkabäer-Kriege

Diese ausführliche Darlegung des Prinzipiellen in der Begegnung der beiden Kulturen scheint notwendig, um das 134 nachfolgende historische Geschehen verständlich zu machen, insbesondere die Makkabäerkriege. Ihnen ist mit landläufigen Begriffen von Heldenmut und Freiheitskämpfen nicht beizukommen. Sie stellen – zum mindesten in ihrer ersten Epoche – etwas Ungewöhnliches dar: das theophorische Volk in Waffen für die Verteidigung der Theokratie; Kampf um des Friedens willen; Gewaltanwendung, um ein Leben in der Gewaltlosigkeit zu garantieren.

Die Einwirkung des Griechentums auf Judäa geht, so lange die Herrschaft der ägyptischen Ptolemäer dauert (320–198), von den Griechen und griechischen Mischlingen selbst nur passiv aus, eben durch die Tatsache ihrer Anwesenheit. Das ändert sich, wie der Seleucide Antiochius III., der Große, die Ägypter aus Cölesyrien vertreibt und Judäa damit ihm zufällt. Nunmehr ist Judäa gewissermaßen die südlichste Provinz Griechenlands geworden, es ist Bestandteil der mazedonisch-hellenistischen Wirkungssphäre im Orient, beherrscht von den Seleuciden, die für die friedliche wie für die gewaltsame Hellenisierung des Morgenlandes die leidenschaftlichsten Vertreter waren. Alle Nachbarschaft Judäas, die Küste, Galiläa, das samaritanische Gebiet und Transjordanien mit seiner Mischung aus Griechen, Syriern und Samaritanern unterliegt einem immer heftiger und schleuniger werdenden Prozeß der Hellenisierung. Die griechische Sprache verdrängt die aramäische. Der griechische Handel durchzieht den Orient mit seinen Straßen und reißt die alten Grenzen ein. Das Griechentum ist im Begriff, aus dem Orient ein einheitliches kulturelles Gebilde zu machen.

Auch in Judäa verstärkt sich der Hellenisierungsprozeß. Dieses ständige Leben in der Anspannung und Gebundenheit, verschärft um die Strenge des Rituals, verlockt zum Ausbrechen in die Erregungen, Genüsse und Ablenkungen von Kleidung, Tafelfreuden, Theater, Volksbelustigungen, Sport und Wettkämpfen. Es bleibt da nicht bei einer unschuldigen 135 Nachahmung, denn in einer Gemeinschaft wie der judäischen, wo alles auf letzte Konsequenz und auf das Prinzip gestellt ist, ist von der äußeren zur inneren Angleichung nur ein halber Schritt. Die Nachahmung der Sitte wird Assimilation an den Sinn der Sitte. Und diejenigen, die sich ablehnend verhalten, können nicht bei der Ablehnung verharren, sondern müssen sich darin bis zur Aggressivität überschlagen. Während so, im Laufe einer ganz kurzen, aber turbulenten Entwicklung, die Partei der Hellenisten zum völligen Verzicht auf Absonderung und Eigenart, zur bedingungslosen Akzeptierung des Hellenismus bereit ist, verschärfen die Gegner, die Konservativen, die Chassidäer, Schritt um Schritt die bindenden, absondernden Ritualgesetze und verbieten letztlich jede Beziehung und jeden Verkehr mit Griechen und Griechischem überhaupt. Aus der Verschiedenheit von Wertung und Auffassung sind Parteiungen geworden.

Die Umgebung, mit der Judäa lange Zeit nicht mehr gerechnet hat, wird jetzt wieder aus der Feindschaft gegen das abgesonderte, verschlossene, in seiner Selbstsicherheit etwas hochmütige Volk lebendig. Dabei ist zum ersten Male der griechische Einschlag ganz deutlich. Der Grieche beginnt überhaupt jetzt erst, da er den gegen sich gerichteten Widerstand spürt, den Juden zu entdecken. Und es versteht sich, daß er da nur den Barbaren findet, zudem einen Barbaren mit Anmaßung, weil er sich überlegen und ablehnend verhält. Daß der Grieche die ungepflegte, rauhere Sitte, die geringere Lebenskultur, den Mangel an Farbigkeit und Form als verachtenswert empfinden muß, versteht sich weiter. Aber was ihn zornig macht und ihn in einen Paroxismus der Wut treibt, wird aus dem Unterbewußtsein her ausgelöst: der Grieche begegnet in Glaube, in Ethos und in Gemeinschaftsform der anderen Seite, dem Extrem seiner selbst; dem, was er zwar nicht lieben kann, was ihm aber doch versagt ist. Und dieses Gebilde aus den entgegengesetzten Möglichkeiten seines 136 Wesens, das ihm die Erkenntnis nahebringen konnte, wie man sich zu Welt und Himmel verhalten müsse, mußte er aus dem Drang zur Selbsterhaltung mit Notwendigkeit zu zerstören versuchen. Es ist von Historikern dieser Epoche gesagt worden, das Judentum sei für die Aufnahme des Griechentums noch nicht reif gewesen. Die Sache liegt anders: das Judentum bedurfte des Griechentums nicht, und was es dennoch von ihm aufnahm, hatte gegenüber seinem eigenen geistigen Bestand nicht die Kraft, ihm die Gesetze seiner Entwicklung vorzuschreiben. Der Inhalt seiner Existenz war dem Judentum längst gegeben. Der Kampf, der jetzt einsetzt, ist ein Kampf um die Form.

Der Vollstrecker des griechischen Machtwillens ist zu dieser Zeit Antiochus IV. Epiphanes. Er verbringt die entscheidenden Jahre seiner Entwicklung als Geisel in Rom und wird eine bedenkliche Mischung von Grieche und Römer in seiner ganzen geistigen Haltung. Er benutzt gerne die Möglichkeit, sich in die inneren Verhältnisse Judäas einzumischen. In Jerusalem amtet der Hohepriester Onias III. Sein Bruder Josua, der sich Jason nennt, ist Hellenist und strebt nach dem Amt seines Bruders, weil er zu Recht davon ausgeht, daß sich nur durch Beherrschung dieser Position Entscheidendes für die Gräzisierung tun lasse. Gegen eine entsprechende Geldleistung und die Zusage, in Jerusalem ein Gymnasium einrichten zu wollen, erreicht er (174) seine Einsetzung als Hoherpriester.

Nun dieses Amt einmal den Hellenisten ausgeliefert ist, kann es nicht ausbleiben, daß sie es so auswerten, wie sie es in den fortgesetzten Streitigkeiten ihrer hellenistischen Umgebung sehen: als Grundlage für persönliche Machtentfaltung. Einer der Hellenistenführer, Onias, der sich Menelaos nennt, verspricht Epiphanes eine noch höhere Geldleistung, wenn er Jason absetzen und ihn selbst einsetzen will. Der Seleucide hat kein Bedenken, das zu tun. Da Menelaos die versprochene Kaufsumme nicht leisten kann, bestiehlt er kurzerhand den Tempelschatz. Den verdrängten Hohenpriester Onias III., der 137 ihn wegen Tempelraubes anklagt, läßt er ermorden. Während er sich zu seiner Rechtfertigung zu Epiphanes begibt, setzt sein Bruder Lysimachos in seinem Auftrage den Raub an den Tempelschätzen fort. Das Volk in Jerusalem rebelliert und erschlägt Lysimachos. Der Prozeß vor dem Seleuciden läuft so aus, daß der Tempelräuber und Mörder freigesprochen wird, dafür aber die judäischen Ankläger hingerichtet werden. Judäa bekommt den Geist zu spüren, der dem Leben in der griechischen Polis so oft sein Gepräge gab.

Während Antiochus Epiphanes sich zur Eroberung Ägyptens anschickt und ganz Judäa den Ausgang dieses Zuges mit Spannung erwartet, verbreitet sich die Nachricht von seinem Tode. Sofort ergreift das Volk die Gelegenheit, die Tyrannei schon in den Anfängen zu ersticken. Die Hellenisten wehren sich. In Jerusalem tobt der Bürgerkrieg. Aber Epiphanes lebt noch. Rom hat ihm den energischen Wink gegeben, Ägypten zu räumen. Er zieht ab und entlädt seine Wut über diese Niederlage und über den Widerstand der Judäer durch die Überrumpelung Jerusalems. Der Vollstrecker griechischer Kultur mordet wie ein Wahnsinniger in der Stadt. Er dringt in den Tempel ein und stiehlt, was seine Schützlinge noch nicht gestohlen haben. Aus griechischer Phantasie oder griechischer Verlogenheit läßt er verbreiten, die Judäer beteten in ihrem Tempel einen goldenen Eselskopf an, und er habe dort einen Griechen auf dem Bett gefesselt vorgefunden, der zu Opferzwecken gemästet worden sei. (Später wurden daraus Christenkinder.) Eine syrische Garnison bleibt in Jerusalem zurück, um Menelaos und die Hellenisten zu schützen. Aber damit macht die Hellenisierung noch keine Fortschritte. Im Gegenteil. Epiphanes hat durch seine Barbarei sich und dem Griechentum erbitterte Feinde geschaffen. Immer mehr Menschen entweichen aus Judäa und entfliehen nach Ägypten unter den Schutz der Ptolemäer. Die Anwesenheit der Juden bekommt der Seleucide zu spüren, wie er (168) einen zweiten Feldzug gegen Ägypten 138 unternimmt. Wieder fällt ihm Rom in die Arme, und wieder rächt er sich an den Judäern. Es beginnt unter der Exekutive seines Feldherrn Apollonius ein erneutes Massenmorden in Jerusalem. Frauen und Kinder werden in Haufen auf die Sklavenmärkte geschickt. Die Stadtmauern werden eingerissen. Statt dessen wird inmitten der Stadt ein Festungsbau für die griechischen Truppen geschaffen, die Akra. Denn Epiphanes hat beschlossen, jetzt mit den Judäern und ihrem Widerstand gegen die Hellenisierung Schluß zu machen. Von der Verfolgung der Judäer geht er zur Verfolgung des Judaismus über. Er nimmt Judäa die Autonomie. Er hebt die Staatsverfassung des Landes, die Thora auf. Er verbietet die Befolgung des jüdischen Religionsgesetzes, besonders nachdrücklich die Vornahme der Beschneidung, die Feier des Sabbat und die Einhaltung der Speisevorschriften. Dagegen befiehlt er die sofortige Annahme des griechischen Staatskultes und den Vollzug von Opfern vor den griechischen Göttern. Um den Judäern die griechische Religion eindringlich zu machen, befiehlt er die Opferung von unreinen Tieren, insbesondere von Schweinen. In Jerusalem und allen Städten des Landes werden griechische Beamte eingesetzt, um den Vollzug dieser Maßnahmen zu überwachen und zu erzwingen. Der geringste Widerstand wird mit dem Tode bestraft. Gebethäuser werden zerstört, Thorarollen vernichtet oder verunreinigt, Menschen massenweise ermordet. Das religiöse Märtyrertum hat durch den Angriff Griechenlands auf Judäa seine besondere Form und seinen besonderen Inhalt bekommen.

In Jerusalem wird, im Dezember 168, der Tempel Jahves durch Aufstellen eines Götterbildes dem olympischen Zeus geweiht und ihm zu Ehren ein Schwein geopfert. Vor diesem »Greuel des Entsetzens«, dem Schikuz meschoman, weichen immer mehr Menschen aus. In ganz kurzer Zeit ist Jerusalem eine halb verödete Stadt. Die griechischen Soldaten und Beamten und die jüdischen Hellenisten sind unter sich. 139

Aber in den Schlupfwinkeln am Toten Meere, in der Wüste und in den Gebirgshöhlen rüsten sich die Flüchtlinge und die Vertriebenen zu einem leidenschaftlichen Widerstand, ohne Erwägungen über das Mißverhältnis der Kräfte anzustellen. Eine Auseinandersetzung mit der griechischen Religion überspringen sie, weil es bei solch abgründiger Verschiedenheit nur das Ja oder das Nein gibt. Ja sagen die Hellenisten, Nein sagt die große Masse des Volkes, von den Chassidäern zu einem sinnlosen, aber heroischen Widerstand aufgestachelt. So verbreiten sich passive und aktive Gegenwehr über das ganze Land. Immer wieder werden Märtyrer geschaffen, weil sie es ablehnen, sterbenden und sinnlosen Göttern zu opfern. Immer wieder brechen aus den Verstecken Eiferer, die die fremden Altäre einreißen, Beamte verjagen und griechische Soldatentrupps überfallen. Epiphanes läßt ihnen bis in ihre Schlupfwinkel nachjagen und sie vertilgen, wo er sie findet. Er ist jetzt entschlossen, sie auszurotten. Aber durch diese Bedrohung gibt er dem Widerstand erst die rechte Kraft und Organisation. Die Familie der Hasmonäer macht sich zum Mittelpunkt des auf Wiedererlangung der religiösen Unabhängigkeit gerichteten Kampfes gegen Epiphanes und die von ihm vertretene griechische Kultur.

Der Stammvater dieser Familie, der Priester Mattathia ben Jochanan aus Modin, gibt zusammen mit seinen fünf Söhnen durch Tötung des königlichen Beamten und seiner Truppe und Niederreißung des griechischen Altars das Signal zu offenem Aufstand und zur Sammlung der Kräfte. Es wird mit allen im Lande Versprengten die Verbindung hergestellt. Es wird mit Rücksicht auf die vielen Chassidäer, die Strengfrommen, der Beschluß gefaßt, im Interesse der Sache notfalls auch am Sabbat zu kämpfen. Dann ergeht der Aufruf zum heiligen Kriege. Es ist einstweilen ein Kleinkrieg, der in dem schnellen Hervorbrechen und dem schnellen Verschwinden judäischer Kriegstrupps besteht. Aber er wird mit einer 140 solchen Zähigkeit und wachsenden Sammlung der Kräfte geführt, daß Epiphanes sich dazu entschließen muß, ein reguläres Heer unter der Führung des Apollonius ins Treffen zu führen. Die Judäer, von dem Hasmonäer Juda, genannt Juda Makkabäus (der Hämmerer), geführt, nehmen den Kampf auf und bestehen ihn. Ein zweites, noch größeres Heer, das ihnen im gleichen Jahre unter Heron entgegengestellt wird, schlagen sie bei Bethoron (166). Ein drittes Heer unter Georgias, das zur völligen Vernichtung der Judäer bestimmt ist und das in sicherer Erwartung des Sieges gleich Sklavenhändler mit Geldbeuteln und Fesseln ins Lager kommen läßt, wird in der Nähe von Emmaus besiegt. Die Schar des Juda Makkabäus wächst auf 10 000. Damit kann er im folgenden Jahre, 165, wie Epiphanes ein viertes Kriegsheer unter seinem Vertreter Lysimachos abschickt, bei Bethzur einen entscheidenden Sieg erringen und das ganze Land Judäa säubern. Er ist Herr des Landes. Der Weg nach Jerusalem ist frei. Er besetzt die Stadt, schließt die Hellenisten und den Rest der griechischen Besatzung in der Akra ein und besiegelt den Sinn seiner Kämpfe durch eine feierliche Neueinweihung des geschändeten Tempels. Von da an wird in der Judenheit das Chanuka, das Fest der Einweihung, der Erneuerung gefeiert.

Die Ruhepause, die das syrische Reich ihm infolge des Verlustes von vier Heeren notwendig gewähren muß, benutzt Juda Makkabäus zu einem organisatorischen Akt, der wie ein Symbol der Sammlung und Konzentration gegen die Auflösungstendenz der Hellenisten wirkt. Er schickt seinen Bruder Simon mit einem Teil des Heeres nach Galiläa, um die dort seßhaften, von der griechischen Umgebung bedrückten und befeindeten Juden zu befreien und zur Ansiedlung nach Judäa zu führen. Er selbst zieht mit dem gleichen Ziel zur Befreiung der Juden in das Gebiet von Gilead im Ostjordanland. Nach dieser Konzentration der Kräfte sorgt er dafür, daß das Land vor der aufgehetzten Nachbarschaft Ruhe bekommt. Zuletzt macht er 141 sich an die Eroberung der Akra, der letzten griechischen Position im Herzen Judäas.

Epiphanes ist inzwischen, wahrscheinlich im Wahnsinn, gestorben. Sein Nachfolger, Antiochus V., setzt alles daran, diesen letzten griechischen Stützpunkt, die Akra, zu erhalten. Es rückt das fünfte Heer unter Lysias an. Die Judäer sind dadurch im Nachteil, daß gerade das Schemita-Jahr angebrochen ist, in dem das Feld nicht bebaut werden darf. Folglich sind die Nahrungsmittel knapp, die Truppen geschwächt und der militärischen Übermacht des Lysias nicht gewachsen. Sie müssen eine Belagerung Jerusalems hinnehmen. Immerhin reicht ihr Widerstand bis zu einer Zeit, in der Lysias wegen Unruhen an der parthischen Grenze abziehen muß. Es kommt (163) ein Friedensschluß zustande, in dem alle Verordnungen des Epiphanes aufgehoben werden und Judäa seine volle Religionsfreiheit garantiert wird. Dagegen muß es seine Befestigungen schleifen. Die griechische Besatzung verläßt die Akra; mit ihr ziehen die extremen Hellenisten ab. Die jüdische Theokratie hat de facto seine Widerstandskraft gegen den hellenistischen Polytheismus bewiesen.

Aber damit ist die innere Parteiung noch nicht erledigt. An die Stelle der extremen sind die gemäßigten Hellenisten getreten. Ihr Führer Alcimus veranlaßt erneut die Einmischung Antiochiens, wo jetzt Demetrius die Dynastie führt. Er erreicht unter dem Schutz syrischer Truppen die Einsetzung zum Hohenpriester. Juda Makkabäus antwortet sofort darauf, indem er Jerusalem verläßt und hartnäckig das Land zum erneuten Kampf aufruft. Ein Heer unter Nikanor rückt als Strafexpedition ein. Juda schlägt es bei Kephar-Salama (161). Nikanor kommt mit einem verstärkten Heer zurück. Er wird geschlagen und getötet (160).

Diese beiden letzten Kämpfe, die als solche eine ganz erhebliche militärische Leistung darstellen, bedeuten zugleich den entscheidenden Umbruch in der Zielrichtung der 142 Hasmonäerkämpfe. Mit dem Friedensschluß vom Jahre 163 und der Aufhebung der Religionsbeschränkung hatte an sich das Ziel der Bewegung als erreicht zu gelten. Der frühere Zustand der inneren Autonomie, unter dem sie fast vier Jahrhunderte gelebt hatten, war wiederhergestellt. Insbesondere die Chassidäer vertraten diesen Standpunkt und waren geneigt, sich mit der politischen Oberhoheit der Seleuciden abzufinden, wie sie sich mit den vorhergehenden abgefunden hatten. Aber die Wucht der Reaktion gegen den griechischen Angriff schießt über das Ziel hinaus. Der Begriff der Freiheit wird von den Hasmonäern auf das Gebiet der politischen Freiheit, also der staatlichen Selbständigkeit, ausgedehnt. Während die Formgestaltung aus dem religiösen Prinzip her wachsen will, wächst doch zugleich das weltliche, das antitheokratische Element, also letzthin doch ein griechisches.

Juda Makkabäus leitet dieses Bestreben ein, indem er mit dem römischen Senat ein Schutzbündnis eingeht. Aber ehe es sich auswirken kann, greift ihn, den man jetzt als einen Verletzer des Friedensvertrages und als Rebellen betrachten kann, ein neues syrisches Heer unter Bakchides an. Die Einstellung der Chassidäer bringt ihn um den größten Teil seiner kämpfenden Anhänger. Mit 3000 Mann muß er sich 20 000 Mann zum Kampf stellen. Er unterliegt und fällt bei Alasa (Eleasa) im Frühjahr 160.

Bakchides verfolgt die zersprengten Anhänger bis in die letzten Schlupfwinkel hinein. Aber die Hasmonäer sind eine Familie von unerhörter Zähigkeit. An die Stelle Judas tritt sofort sein Bruder Jonathan. Er ist nicht der Kriegsheros, sondern der gelassene und geduldige Diplomat. Er verschwindet mit dem Rest der Anhänger in den Wüsten am Toten Meer. Er schweigt und sammelt Truppen. Bakchides hält seine Mission für erledigt und zieht ab. Sofort rührt sich Jonathan, verfolgt die Hellenisten im Lande und vermehrt dabei seine Anhänger. Verdrossen muß Bakchides zurückkommen. In einer 143 endlosen Reihe von kleinen Fehden, Angriffen, Hinterhalten und Überrumpelungen wird der Feldherr zermürbt und seine Armee beinahe aufgerieben. Zu einer Schlacht stellt Jonathan sich nie. Drei Jahre treibt er diese Zermürbungstaktik. Dann bietet er dem Syrer Einstellung der Feindseligkeiten an. Der greift gerne zu. Es wird ein Vertrag abgeschlossen, wonach die Hasmonäer die syrische Oberhoheit anerkennen, aber im Inneren von jeder Einmischung frei bleiben, insbesondere von jeder Einwirkung auf das Hohepriesteramt. Nach Jerusalem freilich darf Jonathan nicht hinein. Dort sitzt eine syrische Garnison und beschützt eine Regierung, die keine ist. Die wahre Regierung zieht mit Jonathan in Mikmas ein.

Dort wartet der Hasmonäer und bereitet sich auf die nächste Gelegenheit vor. Sie muß kommen, denn diese zerfahrenen Machtverhältnisse im Seleucidenreich, dieser unorganischen Anhäufung von eroberten und gewaltsam beherrschten Gebieten, müssen Katastrophen hervorbringen. Schon nach wenigen Jahren (153) tritt gegen Demetrius ein falscher Demetrius auf, Balas Alexander aus Smyrna. In diesem Kampf braucht Demetrius die in Judäa zurückgelassenen Truppen. Er gestattet Jonathan eigene Truppenwerbung zum Zwecke der Landesverteidigung. Jonathan nimmt diese Gunst an und besetzt sofort Jerusalem. Aber auch Balas Alexander wirbt um ihn und ernennt ihn zum Hohenpriester. Auch das nimmt Jonathan an. Er vereinigt damit das höchste Amt im Lande mit der Führerschaft der nationalen Partei. In richtiger Abschätzung der Kraftverhältnisse unterstützt er den falschen Demetrius und wird nach dessen Thronbesteigung formell zum Oberhaupt Judäas eingesetzt.

Wie Balas Alexander vom Schauplatz abtritt, ist Jonathans Machtstellung schon so gewachsen, daß der neue Herrscher, Demetrius II., ihn nicht einmal an der Belagerung der Burg Akra zu hindern wagt. Im Gegenteil braucht er die Hilfe des Hasmonäers zur Niederwerfung eines Aufstandes der 144 Bevölkerung in Antiochien. Er verspricht ihm dafür weitere Freiheiten und Räumung der Akra. Da er, aus der ärgsten Bedrängnis befreit, sein Versprechen widerruft, kündigt ihm Jonathan die Gefolgschaft. Mit dem neuen Kronprätendenten Antiochus VI., der von Trypho bevormundet wird, schließt er einen Vertrag, wonach ihm alles gewährt wird, was Demetrius II. ihm versprochen hat. Dagegen hat er dem Prätendenten militärischen Beistand zu leisten. Die Erfolge, die er in Judäa und den angrenzenden Gebieten erzielt, sind so auffällig, daß Trypho ängstlich wird. Er lockt Jonathan unter dem Vorwand freundschaftlicher Verhandlungen in sein Lager, nimmt ihn gefangen und tötet ihn.

Sofort ist der nächste Hasmonäer-Bruder, Simon, auf dem Plan. Er läßt sich vom Volke in Jerusalem offiziell als Führer wählen und wirft Tryphos Heer zurück. Dem Demetrius II. bietet er seine Hilfe an, aber nicht mehr als Vasall, sondern als freier und selbständiger Bundesgenosse. Demetrius nimmt die Hilfe unter der gesetzten Bedingung an. Judäa wird offiziell von jeder Tributleistung befreit. Seine Anerkennung als unabhängiger Staat ist vollzogen (142). Das letzte, an Unfreiheit erinnernde Bollwerk, die Akra, wird belagert und eingenommen (141). Das Volk besiegelt den neugeschaffenen Zustand, indem es Simon zum Hohenpriester ernennt, ihm die weltliche Gewalt der Heerführung überträgt und ihn mit dem Titel »Fürst« an die Spitze des Gemeinwesens stellt.

Damit hat, soweit Judäa in Frage kommt, die Begegnung zwischen Griechentum und Judentum vorläufig ihren Abschluß erreicht.

 


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