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Auf einen Arzt, der seine Kranken mit strenger Diätetik quälte
Warum lässest du den Hunger die Wirkung deiner Arzneien beschleunigen? warum bist du nicht einmal so mitleidig, wie die Richter, die dem armen Sünder vor seiner Hinrichtung doch noch die Henkersmahlzeit gönnen;?
Auf Balbus, der zugleich dichtet und rezensirt
Bald sizt er auf dem Pegasus, um zu fliegen, bald auf dein Buzephal, um zu morden; er singt und beisset mit demselben Schnabel, und schlägt mit den Flügeln, womit er flattert. Gleich dem Kantor mischet er die Bestrafung der unmündigen Sänger in seinen Gesang, und seine Hand löset seine Kehle ab. Er stiehlt Fehler, und tadelt Schönheiten; er raubt, wie die Harpyen, was er nicht besudelt, und lasset nur den, den er plündern wil, unverwundet, wie iener Husar in seinem Feind nur seinen Diebstahl schonte.
Das Übel blos ertragen können, ist nicht genug; man mus es auch abwerfen wollen. Gleiche dem Salamander, der das Feuer nicht nur aushält, sondern auch auslöscht; und gleiche nicht dem Türken, der genug Philosoph ist, sein Haus ohne Verzweiflung brennen zu sehen, aber es zu wenig ist, sich um dessen Rettung zu bekümmern.
Den Weg zum Himmel zu gehen haben die am wenigsten Zeit, die ihn repariren, und wer die Laterne trägt, stolpert leichter, als wer ihr folgt.
Ein alter Kritikus kan sich schwerlich von Fehlern an Schönheiten erhohlen, immer mischet er in den Genus der leztern den Nachgeschmak der erstern, und immer schneidet er gleich ienem Anatomiker, mit demselben Messer den Kadaver und die Speise, oder auch gleich einem faulen Bedienten, die Zwiebel und die Äpfel.
Der Philosoph beweist oft, ohne zu verschönern; der Poet thut das leztere oft ohne das erstere, und der Theolog thut oft keines von beiden. Um dem Lehrsaz des Leztern von der Auferstehung der Toden wenigstens eine kleine Verschönerung zu leihen, könte man so sagen: gleich den meisten Raupen, kriecht der Mensch eine Zeitlang auf der Erde umher, wird dan von der Erde in der hölzernen Verpuppung des Sarges aufgenommen, ruhet da einen Winter, durchbricht endlich am Frühling die Puppe, und flattert aus der harten Erde mit neuen und unverletzten Schönheiten hervor.
Vertheidigung der Autoren, die ihre Werke dem schönen Geschlecht zueignen
Warum solten sie es nicht dürfen? machten ia schon die Römer die Venus zur Aufseherin über die – Leichen.
Über die Anonymität der Rezensenten
Ausser ihnen und den Scharfrichtern in England, exekutirt, meines Wissens, wohl niemand weiter verlarvt.
Man beurtheile doch grosse Theologen nicht blos nach ihren Schriften, sondern auch nach ihren Handlungen
Denn selbst die Jäger beurtheilen das Wild nicht blos nach seiner Löhsung, sondern auch nach seiner Fährte.
Liebe der Schönen zu den Dichtern
Sonderbar! daß ihr immer in der Nachbarschaft der Dichtkunst Liebe vermuthet, und gleich dem Geheimenrath Kloz,wie ihm Lessing in seiner Untersuchung: »wie die Alten den Tod abgebildet«, vorwirft. Zur Verständlichkeit des Folgenden wird man sich erinnern, daß die Alten den Tod und Schlaf als Jünglinge mit Flügeln gestalteten. ieden geflügelten Knaben für einen Amor haltet! Aber glaubt mir, dieses geflügelte Ding ist nicht selten der Tod, wenigstens immer der Schlaf.
Roms Schicksal konte man sonst aus dem Gesange der Vögel weit unsichrer weissagen, als man es heutzutage aus dem Gesange der Operistinnen und Kastraten kan.
Die Zoten der kaum zweimahl aufgelegten Raritäten des Küsters von Rummelsburg sind das Ohrenschmalz aus langen Ohren.
Auch der grosse Mann bleibt oft von den Angriffen des Neides verschont; dan nämlich, wenn ihn niemand sonderlich ehret. So nahmen die Christen von den Kunstwerken, die ihre fromme Wuth zerstöhrte, wenigstens die Statüen aus, welche die Heiden nicht angebetet hatten.
Phax lieset den Roman von W., nicht um seine Wisbegierde, sondern um andre Begierden zu sättigen, und in der entblösten Heldin des Buchs wil er nicht den Menschen, sondern das Geschlecht kennen lernen. So besucht eben dieser Phax, der kein Arzt werden mag, ein anatomisches Kollegium, um mit seinen Augen nicht die Zerschneidung, sondern die Entblössung eines schönen weiblichen Kadavers zu nüzen. Und alsdan beklagt er sich, daß man seine keuschen Augen mit nakten Reizen geärgert; stat daß der Schüler der Anatomie über die Zerstöhrung der Schönheit die Almacht derselben vergist.
Hr. A. wil seine Gattin, wie arme Katholiken die h. Jungfrau Maria, lieber anbeten, als aufpuzen.
Die ähnliche und seltne Statüe
Einst zerbrach eine Statüe aus Marmor, die die höflichen Unterthanen ihrem Fürsten hatten sezen lassen, und aus ihrem zertrümmerten Kopfe kroch eine – Kröte hervor.Es ist nichts seltnes, daß man Kröten in Marmorblökken, Bäumen u. s. w. findet. Woraus iederman deutlich sah, daß diese Statüe, (welches einem Kunstwerk sonst nur selten gelingt,) nicht blos den Körper, sondern auch die Sele ihres gekrönten Urbilds kentbar vorstellte.
Kein dummer Leser braucht sich vor einer guten Satire zu fürchten. Vor den Stacheln des Spots, wie der Nesseln, sichert ihre tölpische Betastung ihre Fäuste; denn beide stechen nur die Hände, welche sie leise berühren. Folglich liegt es bei den meisten Lesern gar nicht an ihrem Herzen, wenn Satiren sie nicht bessern, und sie können für ihre so oft getadelte Beharlichkeit in Fehlern wenig oder nichts.
Der Nuzen des gelehrten Schimpfens
Manche Autoren würden über ihre gelehrten Gegner das Feld behalten haben, wenn sie sich auf das Schimpfen etwas mehr verstanden hätten. Daher wüst' ich nichts, wovor ein polemischer Gelehrte sich mehr zu hüten hätte, als vor dem Geiz in Schimpfwörtern, und man kan ihm nicht genug einschärfen, daß er seinen Gegner, gleich den Talglichtern, nicht blos erleuchten, sondern auch anschwärzen müsse. Es ist vielleicht nicht überflüssig, diese Behauptung durch ein Gleichnis, wo nicht zu erweisen, wenigstens zu erläutern. Das Stinkthier ersezt durch Gestank die Kraft und durch Harn die Zähne; es beschüzt den unbewafneten Kopf mit dem bewafneten Hintern, und schlägt seinen Feind, indem es ihn besudelt. Möchte das Stinkthier doch bald unter unsern Gelehrten mehrere Nachahmer erwekken!
Die Gemählde von den alten deutschen Sitten gefallen uns; Reliquien davon, d. h. Männer, die etwas von ienen Sitten noch an sich tragen, gefallen uns nicht, und wir ähnlichen den Katholiken nur darin, daß wir die Bilder, nicht aber, daß wir die Reliquien der Heiligen verehren.
Die Macht der Alchymie
Schon das ist viel, daß sie den dumsten Kopf zum aufgeklärtesten machen kan,Wer mir es nicht glaubt, beliebe nur sich bei einem solchen Kopfe zu erkundigen, ob er nicht seit seiner Einweihung in die Alchymie lebhaft empfinde, daß er alle die grossen Männer übertreffe, die sonst ihn übertroffen. Fals er ein ächter Goldmacher ist, wird er die Frage zu beiahen gewis nicht anstehen. so wie sie auch unedle Metalle in edle verwandelt; aber das, denk' ich, ist doch noch mehr, daß sie den besten Kopf in einen schlechten umschaffen kan, so wie Boyle stat der grossen Kunst Gold zu machen, die noch grössere, Gold zu degradiren, versteht.
Nicht iede Unsterblichkeit ist wünschenswerth; auch die Verdamten sind unsterblich. Der Ruf mus den Nahmen, wie die Ägypter toden Körpern, nicht blos Unverweslichkeit, sondern auch Wohlgeruch schenken.
Wer misset nicht willig in den Meinungen ienes Denkers eine Deutlichkeit, die nur den Nichtdenkern die Verkezerung derselben erleichtern würde? Wer verschmerzt nicht gerne die Verdunklung, womit die Laterne das Licht umgiebt, über den Schuz, den sie ihm gegen das Blasen der Winde verleiht?
Über die Zensoren, deren es, wenn ich mich nicht irre, noch vor achtzig oder neunzig Jahren einige gab
Ehe das damahlige Publikum ein gutes Buch zu lesen bekam, musten es schon vorher unwissende und partheiische Zensoren gelesen gehabt haben. So liessen die Ophiten (Schlangenbrüder) im zweiten Jahrhundert das Brod des h. Abendmahls (das so gut wie die Bücher Selenspeise ist) von den Zungen der Schlangen belekken, eh' es auf die Zungen der Kommunikanten kommen durfte.Da ich fürchten mus, daß man das Dasein der Zensoren bezweifeln und mir vorwerfen möchte, ich hätte sie blos zum Behuf des Gleichnisses geschaffen: so berufe ich mich auf den 1. Band der »Beiträge zur Geschichte der Erfindungen«, wo H. Bekman Seit. 100 unwidersprechlich erweist, daß schon 1479 Zensoren gelebt. Denn daraus, daß es iezt keine mehr giebt, läst sich auch nicht folgern, daß es nie welche gegeben. Die Rezensenten selbst scheinen mir nichts als eine Spielart dieser alten Zensoren zu sein. Indes ersezen die Rezensenten ihre Stelle nicht so ganz, und es wäre, besonders zur Unterstüzung der sinkenden Orthodoxie, sehr zu wünschen, daß man diese Art von Leuten, welche sonst, gleich den römischen Zensoren, dem Luxus des Verstandes so gut gewehret, wieder aufbrächte.
Wink für einige deutsche Satiriker und Nachahmer des Sterne
Ich fragte bei meinem neulichen Aufenthalt in Berlin meinen berühmten Freund, den H. Verfasser der Charlatanerien, wie er es angefangen, daß er bei seinen Talenten, welche das Talent zur Satire gänzlich ausschliessen, sich doch einen so grosen Namen unter den Satirikern erworben. Er sah mich schalkhaft an und antwortete: ich schrieb Pasquille. Ich lass' unentschieden, ob mein Freund dieses in Scherz oder in Ernst gemeint; genug, daß diese Antwort einen heilsamen Rath für die deutschen Spötter enthält. Oft bedauerte ich es, daß mancher seine Talente, mit denen er im Pasquil wirklich viel leisten würde, ihrer Bestimmung zuwider in der Satire abnuzt, für die sie doch nicht geschaffen worden, und in der er gleich dem Stachelschwein, mit seinen Pfeilen doch nur rasselt und nicht schiest. Wolte man also mir und dem H. Kranz folgen, so schrieben die, welche zeither Satiren geschrieben, künftig Pasquille. Eine ähnliche Klugheit hat schon Pauw an den Völkern bemerkt, die kein Eisen haben, und folglich Holz zu ihren Waffen nehmen müssen. Um nämlich auch mit schlechtem Werkzeugen nicht weniger Feinde zu morden, vergiften sie die hölzernen Waffen, weil sie nicht wie eiserne sich schärfen lassen.
Wem gleicht ein Dichter, der schmuzige Gedanken in harmonische Verse kleidet?
Einem Sänger, der seinem stinkenden Athem Wohlklang abnöthigt, der die Luft mit Gestank und Harmonie zugleich belädt, und unsere Ohren auf Kosten unsrer Nase unterhält.
Auf einen, der ein freigeschriebnes Buch nicht der Gedanken, sondern der wizigen Einkleidung wegen las
Du suchest von diesem Buche nicht erleuchtet, sondern blos ergözt zu werden. Aber behandelst du sonach das Licht der Wahrheit anders als die Fledermaus das Talglicht, die ebenfalls den Schein desselben flieht und nur sein Fet abnagt; die ebenfals den Abscheu ihrer Augen zum Vergnügen ihres Gaumen macht?