Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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Wir musten aufhören zu lachen; weil unsre Schönen aufhörten, zu weinen. Wer nur vor zehn Jahren der deutschen Satire auf den Zahn fühlte, der gestand die Nothwendigkeit, ihr Gebis durch verbessertes Futter zu schärfen; wer kurz darauf noch einmahl fühlte, der fand eine neue Schärfe, und rieth auf die Wirksamkeit des Empfindungswesen. Daher gab der Untergang des lezten der Satire einen unheilbaren Stos und das Mittel, das Sterne in seiner Empfindsamkeit den Deutschen anbot, die Engländer in der Satire zu erreichen, gefiel den deutschen Schönen zu unserm unersezlichen Schaden nur auf eine kurze Zeit. Nicht zwar als ob man der Empfindsamkeit das ganze Bedlam aufgekündigt hätte; allein sie logirt doch nur noch parterre, schwellet stat der Herzen unter unbedekten Busen, doch nur noch Herzen unter groben Halstüchern, klagt nur in der weichen Köchin über die harte Madame und quillet nur aus aufrichtigen Thränendrüsen. Was bleibt uns sonach übrig? nichts als die Fortsezung unsrer Satiren. Ungeachtet das Miserere der Augen nachgelassen, so müssen wir doch mit unsern Purganzen noch hausiren gehen. So wie der Teufel in dem Körper des Studenten, den er getödet hatte, auf Befehl des Magikers Agrippa einige Zeit die Stelle der Sele vertrat, und mit den fremden Füssen einen Tag spazieren gieng; eben so schenkt unsre Ironie der Empfindsamkeit, die sie hingerichtet, verlängertes Leben, und redet die tode Sprache der weinerlichen Makulatur. Ja die Verminderung des satirischen Stofs hat noch überdies eine unglükliche Vermehrung der Satiriker nach sich gezogen. Ein guter Theil der Autoren nämlich, welche sich vom Schimpfen auf uns länger nicht ernähren konten, schlugen sich zu uns, um ihre Ebenbilder zu geiseln; die Armuth hatte ihre Gallenblase gegen ihr Herz aufgewiegelt und dem Kiele stat der Thränen, die weniger Goldkörner als bisher aus dem Beutel der Verleger herauszuspühlen anfingen, nahrhafte Galle eingeflösset; und derselbe Hunger weinte im zwanzigsten Jahre mit den Weinenden und lachte im dreissigsten mit den Lachenden. So diente iener Eselskinbakken dem Simson sowohl zur verwundenden Waffe als zur wasserreichen Quelle. Auch die Schönen lachen iezt über ihre vorigen Thränen, belohnen die »physiognomischen Reisen« mit lachenden Zähren, satirisiren über ihre Nachahmerinnen, und lassen den Pankrazius Selmar den Siegwart von der Toilette schieben. So weinen die Reben Wasser, bevor sie die Trauben liefern, die unser Gleichnis versäuert, oder den Wein, den es zu Essig kocht. So versteht das Kind sogleich nach seiner Geburt zu weinen, aber das Lachen lernt es erst später fremden Gesichtern ab. Von dieser scheinbaren Ausschweifung kommen wir auf den Versuch zurük, die zu sehr verschriene Empfindsamkeit von ihrer verkanten Seite darzustellen; und das schöne Geschlecht zu überreden, daß es auch sein eigner Vortheil sei, so viel wie sonst zu weinen. Das stärkste, womit man die Empfindsamkeit angepriesen und was wir iezt wiederhohlen, ist unstreitig dies, daß sie die Bevölkerung, auf welcher das Wohl eines ieden States ruhet, nicht wenig befördere. Wie bei der Beschneidung, so ist es bei ihr nur das kleinere Verdienst, die Sele geheiligt zu haben; wenn man es mit dem zweiten vergleichet, die Fruchtbarkeit des Körpers vernichtet zu haben; wenigstens nüzen beide der Erde eben soviel wie dem Himmel. Die arithmetische Fortsezung unsers Beweises überlassen wir einem zweiten Süßmilch, auf den wir uns hier im voraus beziehen. Wahrscheinlich blieb dieser Vortheil der Empfindsamkeit, der alle ihre übrigen Unbequemlichkeiten aufwiegt, manchen harten Schönen unbekant; und vielleicht wäre dieselbe ohne den Widerstand des Vorurtheils noch allgemeiner geworden, daß man den Mond anbete, ohne seine schöne Anbeterin mit anzubeten, und daß die Diana keine andern Bitten gewähre als die Bitte um ewige Jungferschaft. Erhöret ia doch diese Schwester Apollo's schon auch die, die um Hebammenhülfe flehen, um Makulatur zu gebähren.Nach der Mythologie ist die Diana oder Luna Hebamme und ewige Jungfer. Zwar müssen wir gestehen, daß unsre Zeiten dem schönen Geschlecht willig den nonnenartigen Schleier erlassen, den es sonst über die Mittheilung seiner Reize werfen müssen, daß in unsern Tagen die Liebe iede Larve und folglich auch die Empfindsamkeit entbehren könne; allein wir glauben unsern schönen Leserinnen eine keusche Verachtung solcher Freiheiten und eine Erhebung über die Zügellosigkeit ihrer Zeitgenossen, zutrauen zu dürfen, und wir hoffen, daß wenigstens die meisten von ihnen zu edel denken werden, ihre höchsten Freuden nicht mit dem Schleier von Religionsempfindungen zu heiligen, da selbst heidnische Mädgen nur dem Priester, der sich für den Got ausgab, die Umarmung erlaubten; die Tugend zu sehr lieben werden, ihr ein schönes Sterbekleid von weissem Atlas und von rothen Bändern zu versagen, und die büffonsche Liebe zu innig hassen werden, als daß sie nicht über dieselbe, um sich ihren widrigen Anblick zu erspahren, die Larve der platonschen hängen solten. Jedes Glied des Weibes ist zu schön für eine Enthüllung; aber vorzüglich wird das Herz desselben durch Naktheit entstellet, und solte eine Schöne den Busen unbekleidet tragen dürfen, so darf sie doch das Herz, zu dessen schöner Larve ihn die Natur geschaffen, nicht allen Augen Preis geben. Kehret also, ihr deutschen Mädgen, die ihr euch über die grössere Anzahl erheben wolt, wieder zur vernachlässigten Diana zurük und zaubert, gleich andern Zauberinnen, künftig wieder nur zu Nachts. Verrathet eure Geschiklichkeiten nicht mehr dem geschwäzigen Phöbus und lasset ihn künftig bei euch, zur Stillung seiner Neugierde nach euren Reizen, höchstens nur eine späte Morgenvisitte im Bette abstatten; aber nur die Luna freue sich der Vertraulichkeit derer, mit denen sie das Geschlecht theilet, nur ihren matten Schimmer lasset dem Haus Zeuge dessen sein, was er zu keusch und zu kalt ist zu verrathen und niemand als nur die Liebhaberin des Endymions wisse von euch, daß ihr sie nachahmet. – Wir wiederhohlen noch einmahl die obige Versicherung, daß nicht Eigennutz uns diesen Rath diktire. Gerade das Gegentheil würde uns dieser diktiren; er würde allen Schönen die Keuschheit anzupreisen versuchen, über die man in unsern Tagen, ungeachtet sie unter die abgelegten Thorheiten gehört, dennoch mit grösserm Beifal zu spotten hoffen darf als über die Hurerei, deren Rükken der Schmuk verpanzert und die Mode bewacht. Eine Hure nüzet uns warlich wenig: denn lächerlich ist sie höchstens nur dan uns, so wie der ganzen Stad, wenn sie so unglüklich ist, keine mehr zu sein, wenn entweder ein kleiner Engel diese Gotheit, ein kleiner Amor diese Venus entgöttert und der gereifte Samen den Sallat um die Gunst eines ieden Gaumens gebracht hat, oder wenn die Meisterin der Schülerin das Laster abtreten müssen, oder wenn die Zeit die Schönheit skelettirt hat. Indes kan demungeachtet eine Person, für deren Tugend ihre Juwelen und vergoldete Wägen Bürgschaft leisten, dem gemeinen Wesen nüzlich sein. Denn stat daß man sonst die Gunst eines Ministers erst aus der Hand seiner Gemahlin kaufen muste, kan man iezt dieses Umwegs entübrigt sein, wenn man sich sogleich an seine H- wendet. Den H- der Könige, die zu Priamus Zeiten regierten, kan man ein solches Lob nicht zugestehen; denn nach den Berichten der damahligen Schriftsteller war selten eine Königin, sondern immer eine H-, die der Staub gebohren hatte, schuld, daß ein König sein Land vernachlässigte und sich ihm entzog; so wie der Erde der Mond (Weib) seltner als ihre eignen Dünste die Sonne (Man) verschatten und trübe Tage häufiger als Sonnenfinsternisse sind. Glüklicher sind unsre Zeiten, wo die Keuschheit auf die Thronen und die Asträa zu den Sternen geflohen! – Man wird sich freilich wundern, daß die Schönen, welche dem deutschen Parnasse die griechischen Musen so gut zeither ersezten, indem sie mit ihren Reizen sowohl den Pinsel unserer Anakreons als auch den Pinsel Rabners bereicherten, der Satire zu sizen und derselben mit ihren entkleideten Schönheiten zu Modellen zu dienen sich almählig zu weigern anfangen. Die Verwunderung mus bei dem noch höher steigen, der die deutschen Schönen schon vor dem Zeitpunkte ihrer Verfeinerung und ihrer Vernünftigkeit zu kennen das Glük hatte. Denn von allen Thorheiten der vorigen Schönen, z. B. des Tages sich nur einmahl anzukleiden, alle die Reize, welche für mehrere blühen, von einem einzigen brechen zu lassen, und die Schönheit, die zur Untreue bestimt ist, durch häusliche Geschäfte für den Man abzunuzen, das feine Gefühl der Sele und der Hände durch arbeitsamen Geiz abzuhärten, nicht blos gemeinen Menschenverstand, sondern auch eine unpolirte Sprache zu haben, an Gedichten so wenig Geschmak zu finden wie an Dichtern, und in der Litteratur und den Moden gleich unwissend zu sein, u. s. w. von allen diesen und noch andern Thorheiten, sagen wir, wird man iezt in der schönen Welt mit Erstaunen wenig oder keine Spuhren finden. Noch mehr: an die Stelle dieser abgelegten Thorheiten hat man nicht einmahl neue treten lassen und die inwendige Seite der vorigen Weiber haben die iezigen uns nicht einmahl durch die äussere ersezt: denn was den Puz oder die äussere Seite anbelangt, so können wir gegen die gemeine Meinung erweisen, daß er im höchsten Grad vernünftig und zum Belachen daher nicht tauglich sei. Wir wünschten freilich selbst lieber, denen beipflichten zu können, die den Chamäleontismus der weiblichen Moden für die lächerlichste Narheit erklären; allein folgende Betrachtung zwingt uns, hierin andrer Meinung zu sein und der allgemeinen Überzeugung von der Lächerlichkeit der Moden unsre unbedeutende Stimme zu versagen. Den ganzen Irthum hätte man durch eine genauere Entwiklung der Verschiedenheit, die zwischen den Bestimmungen der zwei Geschlechter vorwaltet, ohne Mühe abwenden können. Allein man vergas über die Wahrheit, der Man ist für seinen Geist geschaffen, die eben so gewisse Wahrheit, die Frau ist für ihren Körper geschaffen; und wiewohl einige französische Dichter den lezten Saz wenigstens den Weibern, in Madrigalen einzusingen suchten, so glaubte man ihn dennoch nicht und sezte ihn blos zu einer französischen Schmeichelei herab. Eine Schmeichelei zwar ist er, ja, aber keine französische, sondern eine wahre. Von dieser Meinung nun irre geführt, kont' es freilich nicht anders kommen, als daß man am schönen Geschlechte eben das tadelte, was man hätte loben sollen und die Bestimmung desselben in etwas anderm als in der Verschönerung des Körpers suchte. Zu einer langen Widerlegung fehlet uns hier der Raum; auch ist unser Saz, daß die weibliche Sele von dem weiblichen Körper sichtbar übertroffen werde, und sie folglich, so grosse Ansprüche sie auch auf Ausbildung und Hochschäzung machen könne, dem leztern doch noch grössere zugestehen müsse, eine von den Wahrheiten, die sich selbst beweisen. Zu anstössige Lükken indessen in unserm Erweise dieser Wahrheit werden die Schönen, wenn sie in Geselschaften unsre Bitschrift rezensiren, selbst zu ergänzen so gütig sein; und die bekante Beredsamkeit ihrer Reize sichert uns schon im voraus eine so allgemeine Annahme unsrer Meinung zu als sie verdient. Alle Rektoren bekennen einmüthig, daß man einen Knaben so erziehen müsse, als ob er keinen Körper hätte, und alle Gouvernanten fügen noch hinzu, daß man umgekehrt ein Mädgen so erziehen müsse, als wenn ihm die Sele fehlte; und von diesen alten Grundsäzen entfernen sich denn beide auch nur selten. Hätte also auch nicht die Natur dem weiblichen Körper die überwiegende Vortreflichkeit gegeben, die wir ihm zusprechen, so würde er sie doch durch die Erziehung erhalten haben, die über die bessere Verschönerung desselben lieber seine Sele ganz vergessen wil. Auch die ersten Christen, die uns in keinen Höflichkeiten gegen das andre Geschlecht nachstehen als in den geringfügigern, waren so galant, dem herlichen Körper des Weibs die schuldige Achtung zu entrichten und ihm den Vorrang vor der Sele sogar in Religionssachen, wo man sonst nur auf den Werth der leztern sieht, zuzugestehen. Sie nanten nämlich, schmeichelhaft genug, die weiblichen Märtyrer Callimartyres, schöne Märtyrer. An manchen Orten heist man einen schlechten Porträtmahler einen Selenmahler. Diese Benennung, die Sulzer nicht zu rechtfertigen wuste, läst sich ungezwungen durch das Übergewicht des weiblichen Antlizes über das weibliche Gehirn, der sichtbaren Reize über die unsichtbaren, veranlagt denken: denn der Mahler mahlet nämlich allerdings das Angesicht einer Schönen schlecht, welcher durch dasselbe den Geist, den es eben verlarven sollen, durchschimmern und die geistigen Reize die körperlichen schwächen läst; seinen Endzwek der Verschönerung sezt er bei einer solchen Verrätherei gänzlich aus den Augen. Beiläufig! wie sehr beschämt auch hier die Natur die Kunst! Kaum daß dieser das Gehirn mit einer Aussenseite nur zu bedekken gelingt, so kan iene es damit sogar verschönern, kan den Kopf mit lügenden Reizen tapezieren, kan zwischen die Lippen die schlangenförmige Schönheitslinie eines schlangenartigen Wizes wallen heissen, der, gleich den mit Queksilber angefülten Nachtschlangen aus Glas, glänzet und drohet und nicht beisset, und kan Augen, denen kein Gehirn entspricht, zu blinden Fenstern ausmahlen, welche den innern Bewohner nicht erleuchten, und doch zu erleuchten scheinen. Aus unsrer Behauptung läst sich auch ferner die Häslichkeit der gelehrten Schönen begreiflich machen, der Sappho z. B., deren Sele ihre Gestalt so weit hinter sich gelassen; wie nicht minder die Gehirnlosigkeit der Stuzer, welche sich nach der äussern Gestalt des andern Geschlechts so glüklich bilden. Daraus folgt weiter, daß den Werth ieder Schönen schon der erste Anblik entscheidet und daß die, welche am Nachttisch die Geliebte stat zu loben, erforschen wollen, ziemlich unschiklich die Heroldskanzlei in eine Entzifferungskanzlei verwandeln. Daraus folgt endlich das, um was uns hier am meisten zu thun gewesen, die Rechtfertigung des Puzes nämlich: denn sobald die sichtbaren Reize des Meisterstüks der Schöpfung einen so erwiesnen und so beträchtlichen Vorzug vor seinen unsichtbaren haben, so ist auch seine Verbindlichkeit zur Verschönerung seines edlern Theils ins alte Licht gesezt. Daß aber der Körper keine andre Verschönerung als die des Puzes annehme, wird man uns gern zugeben. Folglich fordert es die von der Natur so gewählte Bestimmung einer Schönen, daß sie auf die Bekleidung alle ihre Neigungen zu richten suche, und derselben wenigstens die meisten Stunden und die besten Kräfte widme, daß sie über geringere Arbeiten nie die edlere und ihren Fähigkeiten mehr angemessene Beschäftigung, sich zu puzen, vergesse, und Langweile, Verdrus und Ausgaben, die die Vervolkomnung des Körpers so oft erschweren, lieber mit Gedult ertrage, als dadurch in der Erfüllung ihrer Pflichten lasser werde. Wir wollen iezt, um die vielen Pasquille auf den weiblichen Puz in allen ihren ungerechten Seiten bloszustellen, und auf eine gewisse Art unsern Spot, den uns die Schönen so oft vorgeworfen, durch ihre Vertheidigung gut zu machen, die Schritte, welche das weibliche Geschlecht in der Ausbildung seines Körpers thut, mit den ähnlichen, welche das mänliche in der Ausbildung seiner Sele thut, vergleichen und rechtfertigen. Kleider sind dem schönen Geschlecht, was dem unsrigen Gedanken sind; der Kleiderschrank ist die Bibliothek, das Ankleidezimmer die Studierstube desselben. Schäzen wir einen Leibniz wegen seiner Erfindungen; so schäzt die Frau eine Puzhändlerin nicht weniger wegen der ihrigen und der Volkommenheit wird sie von dieser vielleicht noch näher als wir von ienem gebracht. Es gereicht dem Mann nicht zur Schande, daß er den Autoren Frankreichs die wizigste Einkleidung seiner Gedanken ablernt; es kan daher der Frau zu nichts anders als zur Ehre gereichen, wenn sie, ihrerseits, die Puppen Frankreichs, wie Antiken studirt, sie zum Muster sich wählet und mit der geschmakvollen Kleidung derselben auch ihren Körper zu verschönern strebt. Fast alle unsre Autoren lassen sich von den Franzosen zu einer glänzenden Verschwendung des Wizes hinreissen; dieser Fehler ist ihr einziger und ein liebenswürdiger. Solte man es nun den deutschen Schönen weniger zu gute halten, daß sie die Schminke, die iezt in Paris für antiken Firnis gilt, nicht als eine überflüssige Verschönerung von ihren Wangen abgewiesen? weniger zu gute halten, da sie vor den Autoren einige Entschuldigungen noch voraus haben? Diese nämlich, daß sie nur an die Stelle der Rosen, welche die Sense der Zeit von den Wangen abgemähet, Vorstekrosen kleben, oder daß die Schamhaftigkeit manchem Gesichte zu schön lasse, als daß es von derselben nicht iährlich ein Par Töpfgen verbrauchen dürfe, und endlich, daß man nur aus Liebe zu den schönen Künsten dem Zeuxis den Pinsel entwende, um hungrige Vögel mit gemahlten Trauben anzuködern. Ein guter Kopf lässet nicht selten die Worte die Gedanken spielen und den Schmuk an die Stelle des gesunden Verstandes treten; warum solte eine Schöne mit minderm Beifal ihren Kopfpuz, wie hohe Häupter ihre Krone, den Kopf ersezen lassen? Ein Dichter, der gleich einem musivischen oder musaischen Mahler nach und nach aus gefärbten Steingen und bunten Glasscherben d. h. aus entlehnten Metaphern ein Gemählde zusammenklebt, wird in unsern Zeiten der verbesserten Kritik dem weit vorgezogen, der sein Gemählde nur – mahlt, dessen Schöpfung nur auf einmal von dem Pinsel fliest. Um derselben Ursache willen kan eine Schöne, deren Reize nicht weit her sind, nicht den Ruhm einer andern fordern, die an jedes Glied eine besondre ausländische Schönheit anzieht, die vom Schwanze des Pferdes und des Straußes den Schmuk des Kopfs entlehnet, die gleich dem Spiritus einsprizenden Anatomiker, den unsichtbaren Adern eine blaue Farbe und der leren Zahnlade stat des beinernen einen goldnen Zahn zu schenken weis und die den Seidenwurm die Seite des Walfisches mit seinem Gespinst zu schliessen heist.Eine Anspielung auf den Ausdruk, »er schloß die Stätte zu mit Fleisch.« Daß man hier von den Posche, seiner Nachahmung der mänlichen Pumphosen rede, werden die meisten von selbst sehen. Für die meisten geistigen Thätigkeiten leihen körperliche Dinge figürliche Namen her; umgekehrt führen die modischen Puzarten Benennungen, die geistigen Eigenschaften gehören; ein neuer Beweis, daß bei der Frau der Körper die Sele spiele.Alles, was iezt folgt, spielt auf die sonderbaren Benennungen der weiblichen Moden an. Die wizige Schalkheit hat der Man, wenn er sie hat, im Gehirn; die Frau in einer bekanten Koeffüre. Die Melancholie, die beim Manne nur das Herz aufschwelt, ist bei der Schöne in den Kopfpuz genähet und in die Frisur gebauet. Der Geist jenes Kammerhern, und der Hut seiner Mätresse haben beide etwas Erhabenes und es ist zweifelhaft, ob das Herz dieses Jünglings oder die Robbe seiner Geliebte die meiste verliebte Standhaftigkeit besizt. Auch hat von der Minerva dieser mänliche Kopf und dieser weibliche Kopfpuz viel Ähnlichkeiten geschenkt bekommen; die Orthodoxie hat endlich Gehirne gegen Koeffüren vertauscht und orthodoxe Nadeln stechen anstat orthodoxer Federn. – Wir müssen die Vergleichung der verschiednen Ausbildung der beiden Geschlechter noch etliche Schritte weiter begleiten: denn so unwidersprechlich, wie wir hoffen, wir auch die Vernunftmäßigkeit des weiblichen Puzes dargethan, so ist doch noch die Veränderlichkeit desselben zu rechtfertigen übrig. Und eben um die Wechsel der Moden dreht sich gemeiniglich der ungerechte Spot auf das schöne Geschlecht. Allein wenn Verschönerung des Körpers so sehr Bestimmung der Frau ist, als des Mannes Ausbildung der Sele: so mus iener eine neue Mode, diesem eine neue Meinung ihre unähnlichen Bestimmung gleich sehr erfüllen helfen und ein höherer Schuhabsatz hebt die eine auf keine niedrigere Staffel von menschlichen Werth als den andern eine vermehrte Auflage eines guten Buchs. Die Schönen können sich eben so wenig als andre Menschen über das Lob der endlichen Wesen, zu grössern Volkommenheiten erst von kleinern aufzusteigen, hinwegsezen und die Moden vom Jahre 1782. konten unmöglich das Reizende, das Geschmakvolle und Natürliche schon haben, das erst das 1783ste Jahr den seinigen gegeben. So sind z. B. die Bänder der erstern würklich schön; aber der letzern ihre haben freilich eine sanftere Farbe: die erstern frisirten (besonders gewisse Arten von Schürzen) immer gut genug, aber uns dünkt ein wenig zu schmal, welches erst die leztern glüklich vermieden; auch gaben manche von den erstern den Seitenlokken reizende Lagen; allein wir fragen jeden Perükkenmachersjungen, ob sie von den iezigen nicht in falschen Touren übertroffen werde? Oder wil man auch von den iezigen schon die Volkommenheit fordern, zu der erst sie den Weg gebahnet, und die freilich die Moden, welche der auerbachische Hof in der künftigen Michaelismesse gebähren wird, unsern schönen Leserinnen (dies können wir ihnen im voraus versprechen) so unwiderstehlich aufdringen mus, daß sie die brünstigste Liebe gegen die iezigen Moden werden fahren lassen müssen? Das obige fordern hiesse von den Autoren der vergangenen Ostermesse denselben Scharfsin und denselben Wiz schon fordern, den wir erst an den Autoren der künftigen Michaelismesse bewundern werden; hiesse dem ersten Theil eines Buchs die künftige Volkommenheit seines zweiten zumuthen. Nur das Thier erhält sich immer auf derselben Stuffe; aber darum auch auf einer so niedrigen. Denn was hebt den Man über den klugen Urangutang anders hinaus als die unaufhörliche Erweiterung seiner Ideen? Eben so; wodurch würde sich die Frau, die für die Bekleidung ihres Körpers gebohren wurde, von der Motte, die ebenfalls dafür gebohren wurde, unterscheiden, wenn es nicht durch den Wechsel der Moden wäre? Aber eben dieser Wechsel rükt sie hoch über die in ihre abgelegten Kleider gekleidete Motte hinaus, die Son- und Werkeltage und lebenslang denselben Rok, dessen Zuschnit zuerst im Paradies erschien, zu tragen vom Instinkt gezwungen wird. Neue Meinungen zu konfisziren steht dem Fortgange der Menschheit also nicht mehr entgegen als neue Moden zu konfisziren und nur wer das mänliche Geschlecht auf symbolische Bücher schwören zu lassen sich unterstünde, könte auch das weibliche in eine Nazionalkleidung gefangen zu nehmen sich unterstehen. Folglich sind die Moden so lächerlich gar nicht als sie einige fanden, und eine größere Abwechselung derselben ist vielmehr ein Wunsch, den jeder Gutgesinte mit uns, aber so lange umsonst, thun wird, als man die Erfinder von Dingen, worauf die Vervolkomnung der halben Menschheit beruht, nicht besser zu belohnen und zu unterstüzen anfängt. Und so lange gehört denn auch der Wunsch einiger Städte, Paris einzuhohlen, das im Jahre 1782. zweihundert Arten von Modehauben und zwei und funzig Manieren von Kleiderbesazungen zählte, noch unter die Neuiahrswünsche, die so wenig als Flüche in Erfüllung gehen. Daß iede neue Mode ein neuer Schrit in der weiblichen Vervolkomnung sei, vergessen wir doch oben gegen einige Einwürfe, die unverdientes Gewicht bey manchen haben könnten, zu erweisen. Man stöst sich erstlich an die Auferstehung veralteter Moden. Allein ist eine Mode, die schon einmal getragen worden, darum weniger werth, iezt getragen zu werden? So müste auch ein Saz, weil ihn Jacob Böhme geglaubt, darum unwerth sein, von heutigen Köpfen geglaubt zu werden. Verdienen aber Jacob Böhme's Meinungen den neuen Beifal unserer Autoren, so verdienen auch alte Moden den Beifal der iezigen Weiber. Sollen die Poschen z. B. ihre allgemeine Hochschäzung etwan deshalb nicht verdienen, weil sie schon zu den Zeiten der Kreuzzüge, wo man sie den Morgenländern abgesehen, Mode gewesen? und sol man über ihr Alter ihre schäzbare Tauglichkeit vergessen, selbst ungestalte Hüften zu verschönern, selbst die magerste Taille zu heben und an den weiblichen Körpern die schöne Fettigkeit, die die genanten Morgenländer so lieben, wenigstens scheinbar zu ersezen? Sol man das? so mus man auch, um sich in thörichten Urtheilen gleich zu bleiben, den Autoren die Aufnahme einer andern alten Mode, die figürlich der obigen in allem gleicht, verübeln: d. h. in seine geschmaklose Verurtheilung auch alle die vortreflichen Männer mit einschliessen, welche die Schwülstigkeit der Morgenländer aus ihrer unverdienten Verachtung zu reissen so viele Mühe sich gegeben und es wenigstens dahin zu bringen gesucht, daß der Deutsche durch prächtige Worte die morgenländigen Gedanken (wie die Schönen durch Kleider die morgenländische Fettigkeit) erseze. – Neue Moden von niedern Ständen entlehnen kan man, ohne den Endzwek der Mode zu vernachlässigen, ebenfalls: Denn diese Stände hatten sie selbst erst von den höhern bekommen. So senken sich die Gipfel mancher Bäume auf die Erde herunter, wurzeln in dem niedrigen Boden ein, und wachsen dan aus demselben zur alten Höhe wieder hervor. Doch sind die Schranken, die sich unsre Schriftsteller in der Nachahmung der bäuerischen Sprache eigenhändig sezen, auch in der Nachahmung des bäurischen Puzes anzuempfehlen und wir bemerken mit Vergnügen, daß doch die meisten Schönen sich weniger die Landleute als die Wilden zum Muster ihres Anzugs wählen, welche es auch in der Verschönerung der obern Theile des Körpers am weitesten gebracht. Nur müssen die Schönen, ihren wilden Lehrmeisterinnen schon alles abgelernt zu haben, sich noch nicht schmeicheln und es fehlen ihnen zur volkomnen Ähnlichkeit mit einer gepuzten Wilden zwar nicht viele, aber doch noch einige Zierrathen; daher der noch ungedrukte und viele Kupfer fodernde Aufsaz unsers Mitbruders  * * betittelt: »Beschreibung und Abbildung derjenigen Theile des Puzes der Wilden, die von unsern Damen noch nicht nachgeahmt worden,« alle Unterstüzung des schönen Geschlechts verdient und neben den Kalendern mit den Abbildungen der neuesten Damenmoden, vielleicht das nüzlichste Geschenk ist, das ein Man seiner Frau am künftigen Neuiahrstag machen kan. – Diese Gründe, die einer noch grösseren Schärfe fähig sind, reichen, wie uns dünkt, zur Rechtfertigung der Moden völlig zu. Die Ausbildung des Körpers ist folglich das Vernünftigste, was die Schönen nur vornehmen können; und sich lächerlich zu machen, bleibt ihnen sonach nichts übrig als die Ausbildung der Sele, indem sie nämlich Journale lesen und die Theaterzeitung in Berlin, indem sie poetische Blümgen pflükken und zusammenbinden, und den neuesten Almanach nicht sogleich vergessen und den Versen Reime geben oder auch keine. Um alles dieses werden wir sie weiter unten bitten, wo wir zugleich Gründe beizubringen hoffen, die sie vielleicht überreden werden. Nun solten wir noch von ihrem Eigensin, von ihrer Veränderlichkeit, von ihrem Stolze über Schönheit, und von ihrer Eitelkeit aus Häslichkeit, von ihrer Verstellungssucht, von ihrem Hasse gegen das Ernsthafte u. s. w. beweisen, daß alle diese Eigenschaften sehr leicht mit der Vernunft sich aussöhnen lassen. Allein fodern auch wohl die Schönen oder ihre Anbeter diesen Beweis? sind die erstern nicht selbst überzeugt, daß jene Dinge keine Thorheiten sind? und haben nicht die andern sie sogar zu ihren Reizen gezählet? Unsre gewöhnliche Bitte werden sie errathen und auch, da sie so gerecht ist, erfüllen. Wir haben überdies, weil wir die Almacht des Lobs über die Schönen sehr gut kennen, uns des Tadelns ganz enthalten, und wenn iener Wundarzt die Leute verwundete, um sie salben zu können, so hoffen wir das umgekehrte Verfahren gegen sie beobachtet zu haben. Wir verlassen sie, bis wir sie unten wieder sehen, beugen nicht nur unsern Rükken und küssen ihre Hände, wie oben, sondern schwören auch, daß wir sie anbeten, und gehen mit dem schmeichelhaften Gedanken fort, sie zu ihrer Bereicherung an Thorheiten vielleicht bald durch das freimüthige Geständnis ihrer Armuth daran wenigstens die ersten Schritte machen zu sehen.Die Fortsezung dieser Bitschrift wird im dritten Bändgen folgen und es vielleicht wol füllen. Solte man das Versprechen in der Vorrede, in der Vereinigung der starken Schreibart mit der ironischen einen erbärmlichen Versuch zu machen, noch zu wenig gehalten finden, so wisse man, daß wir erst im künftigen Theile der Bitschrift zu den Materien kommen werden, die eine bessere Erfüllung ienes Versprechens erlauben. Noch steht es bei den Kunstrichtern, uns durch eine gute Rezension dieses Theils der Bitschrift die künftige Bitte um Vermehrung ihrer Thorheiten zu ersparen.


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