Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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VI.
Über die Konfiskazion der Bücher

Ein Brief

Mein Herr!

Hier haben Sie Ihr Manuskript wieder, von dessen Güte mich Ihr Ruhm schon zum voraus überzeugte. Sie haben in demselben fast zu viel Gründe angeworben, und könten also einige abdanken. Kurz Ihr Buch stelt die Schädlichkeit der Bücherkonfiskazion in ein solches Licht, daß ich dasselbe nach seiner Herausgabe so schleunig als möglich konfisziren wil. Ich bin diese kleine Gefälligkeit unserer Freundschaft schuldig. Damit es nämlich gelesen werde, wil ich verbiethen, es zu lesen und diesen Gift durch Bekantmachung seines Daseins in den Mund vieler Käufer spielen; dieses sol den Nuzen eines Privilegiums vertreten. Denn eine Schrift gewinnet durch die Verbannung in den Buchladen des Verlegers, in kurzer Zeit weit mehr Ruhm als in einer längern durch den Zulas seines freien Umlaufs. So sol ein junges Fohlen durch Einsperrung in den Stal in einem Jahre mehr Luder auf den Leib bekommen, als in zweien durch die Weide auf der Wiese. Aber zu diesem Verfahren verbindet mich auch das Wohl der Kirche. Das Wachen über die reine Lehre, die vor etlichen Jahrhunderten auf einmal rein wurde, ist die Pflicht eines jeden, der mehr für den Himmel als für seine Vernunft besorgt ist, und das gröste Verdienst dessen, der dafür besoldet wird. Die Reinigung der Glaubenslehren von neuem anfangen, ist nun unerlaubt, weil sie blos vom Jahre 1483 an bis 1546 erlaubt war; und völlig unnüz, da man damals durch Hülfe weniger Männer, durch Mangel einer gesunden Exegese und einer richtigen Philosophie mehr sehen, mehr auspuzen und festsezen konte, als jezt bei der Vereinigung vieler Gelehrten, beim Lichte einer bessern Exegese und bei der Anleitung einer freiern Philosophie. Darum verehr' ich gleich den Ägyptern, die die alten Kazen anbeteten und die jungen ersäuften, jeden alten Reformator, und schade, daß ich die jungen nicht verbrennen wenigstens ersäufen kan. Gold darf nicht zu wenig, ein Buch nicht zu viel wägen. Auf der Rathswage nämlich, wie natürlich. Wie sonst bei den Hexen, so wird jezt bei den Büchern das zweifelhafte Dasein des Teufels erforscht. Das Sinken im Wasser rettete jenen das Leben und das Schwimmen auf demselben, verurtheilte sie zum Scheiterhaufen. – Eben so wird umgekehrt ein Buch durch seine Leichtigkeit einer öffentlichen Bibliothek und durch seine Schwere des höllischen Feuers werth. So weissagen die Angekoks der Grönländer aus der Schwere des Kopfes eines Kranken seinen Tod und aus der Leichtigkeit desselben seine Wiederherstellung. Die Aufseher des Parnasses erlauben den Armen, gleich den Aufsehern der Wälder, nur die Fällung kleiner, verwachsener, untauglicher Bäumgen; aber grosse und schöne zu fällen, wird billig durch gesezliche Drohungen verboten und durch die Erfüllung derselben bestraft. Zwar gleicht ein böses Buch dem Stinkholz; es äussert seinen kezerischen Geruch am meisten, wenn man es verbrent; allein über diesen kleinen Nachtheil sieht ein heiliger Eifer hinweg. – Mein Enkel der Kandidat Z. brachte mir neulich eine Piece, in welcher er eine neue Lesart eines dictum probans, und in deren Zuschrift an den Hrn. Superintend, er eine verstekte Bitte um ein Amt und eine Frau (nämlich um dessen Tochter) wagte. Zu seinem Glükke überredete ich ihn, daß die Erhaltung des Amtes auf der alten Lesart beruhe, und das Ja der bezielten Tochter nur von dem μη in Röm. V, 14. abhange. Kurz er schrieb eine Widerlegung seiner eignen Behauptung, und machte durch Rechtgläubigkeit sein Glük. Nun läst er die Musen Musen sein, und macht blos seine Frau fruchtbar; nun füllet er blos die Wiege, aber nicht das Schreibepult. Bei Ihnen ists umgekehrt. Ihre Kezerei macht Ihr Glük, und sie wird es am meisten machen, wenn Sie diesen Brief Ihrem Verleger, des Honorariums wegen, zeigen. Ich bin ungeachtet Ihres zukünftigen Unglüks in der andern Welt, und Ihres Glüks in der jezigen,

Ihr
Freund etc.


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