Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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III.
Epigrammatischaphoristische Klagen

eines Rezensenten an und über die Autoren, welche die Rezensionen ihrer Werke entweder selbst verfertigen, oder doch mit nichts als einem Exemplar bezahlen

Viri praenobilissimi atque doctissimi, Auditores spectatissimi!

Von meiner frühen Jugend an rezensirte ich schon; aber da waren bessere Zeiten. Die damahligen Autoren übertrafen fast meistens ihre Kinder noch an Kopf und an Herz. In meinem Alter, wo ich öfter zensire als rezensire, sind die Zeiten schlechter und Sie, meine Herren taugen nicht einmahl so viel wie ihre Bücher. Aus tausend Beweisen wil ich für heute nur zween ausheben.

Sie schenken mir Ihr Buch, um es nicht zu tadeln. Aber meine Herren eine Lobrede auf lange Ohren wird durch ein par lange Ohren sehr schlecht bezahlt, die man mir vielleicht wohl noch unfrankirt, zuschikt. Wenn der Teufel, Got sei bei denen, die ihn glauben! an seinen Portraitmahler Kallot, dem er oft gesessen, folgende Anrede gehalten hätte, die ich aus dem Französischen ins Deutsche vertiren wil: »Monsieur Kallot! mahlet mich doch nicht mehr so kohlschwarz als ich euch erscheine, sondern kreidenweis, wenigstens weis! Seht! dafür lass' ich euch mein schwarzes Fel zu Beinkleidern. Haltbar ist es und in der Hölle könt ihr es noch tragen.« – Würde nicht Mons. Kallot dem Teufel geantwortet haben: »aber es ist nicht schön! zu einem Par modischen Hosen fehlt ihm eben die Farbe, womit ich es schminken sol. Ich mahl' dich also noch ferner schwarz.« Der Teufel zwar wird darauf verstummen und stat des Felles nur seinen ordinären Gestank zurüklassen; aber Sie bitte ich, meine Herren, an mir die Zurüksendung Ihrer Bücher nicht mit epigrammatischem Gestank zu rächen.

Ihre Bücher verdienen das Lob zu wenig, als daß sie dasselbe bezahlen könten; sie bezahlen höchstens den Tadel; mortis suae merces sagt Velleius Paterkulus vom Reichen, der seinen Fal durch Reichthum verschuldet: den Mord ihres geistigen Kindes kan sein Kleid (so nenne ich des folgenden Gleichnisses wegen das Papier des geschenkten Exemplars) nicht abwenden; sondern nur bezahlen; so wie der Henker in England sich die Kleidung des armen Sünders zueignet.

Kurz, meine Herren, Sie müssen es wie die Philister machen, die von der Unpäslichkeit ihrer Hintern die Israeliten durch goldne unterrichteten; schikken Sie mir etliche goldne Köpfe, so kenne ich den Zustand, ihres eignen und nenne sie daher vor der ganzen Gelehrtenrepublik Schriftsteller aureae aetatis. Wolten Sie mir aber, in Ermanglung des Geldes, zwar Exemplare aber im Preise der Makulatur zuschikken, so werd' ich vor der Welt, nachdem ich meine zwei Schreibefinger auf irgend eine Ästhetik gelegt, mit schreklichen Eidschwüren versichern, daß Ihre Makulatur nie Makulatur werden könne.

Aber Sie, meine Herren zur linken Seiten, möcht' ich mit meiner Dinte vergiften, und nicht blos anschwärzen. Sie rezensiren sich selbst? was sollen denn die Rezensenten rezensiren? doch nicht Rezensionen. Oder sollen wir verhungern? Die Autoren müssen wenigstens vorher verhungern, und dan nur erst die Rezensenten. Wenn alle Diebe sich im Gefängnisse selber hiengen, so müsten die Henker, aus Hungersnoth, entweder auch stehlen, oder sich auch aufhenken. Oder wenn die Götter ihre Nase an ihrem eignen wohlriechenden Athem sättigen wolten: wozu dienten denn die Priester mit Rauchfässern?

Sie, mein Herr, z. B. sind Verfasser und Rezensent, vielleicht auch Leser des gegenwärtigen Buchs. Sie wollen vielleicht ein ganzes Alphabet von Bogen durch ein einziges Blat, durch ein kleines Rezept, unsterblich machen; aber

Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas
Regumque turres.

d. h. Bände in folio und in sedecimo, dikke Bücher und ihre dünnen Rezensionen stossen im Kramladen aufeinander und der Tod schneidet ihre ungleichen Blätter für dasselbe Gewürz zu Pyramiden. Die eine Seite der Dütte sagt zwar: »die andre Seite wird nie eine Dütte; sondern sie lebt ewig« allein welcher Käufer sieht der halben Dütte die Unsterblichkeit und eine Gleichheit mit dem Herkules an, dessen eine Hälfte sterblich und dessen andre unsterblich gewesen?

Auch ist Ihr eignes Lob zu schlecht, um wahr zu sein. Nicht blos Ihr Kopf ist unfähig, Lorbern zu tragen; sondern auch Ihre rechte Hand ist unfähig, sie zu brechen; dieses wird Ihnen deutlicher werden, wenn Sie nicht blos, wie Sie bisher thaten, Ihren Kopf mit dem Kopfe des Esels vergleichen, dem seine zween langen Ohren dem doppelgipflichten Parnas ähnlich machen, sondern auch wenn Sie ihre Hand mit dem ungeschmeidigen Huf desselben vergleichen. Kan wohl die Öfnung, die übelriechende Excremente liefert, besserriechenden Wind oder Weihrauch liefern? Und mus nicht die Rezension so arg stinken wie das Buch?

Doch diesem widersprach ich durch folgendes: Sie wollen das Lob nur besizen, aber nicht verdienen; daher blasen Sie die erste Trompete der Fama mit dem Munde, und die dichterische Flöte nur mit dem entgegengesezten Orte und ihre laute Kehle akkompagnirt und überschreit den Mastdarm, stat daß Sie es umkehren und mit der zwoten Trompete der Fama über die Flöte richten solten?Die Fama hat nämlich, nach Buttler, zwo Trompeten; mit der einen bläst ihr Mund Lob und Ehre, mit der andern ihr Hintrer Tadel und Schande aus.

Allein, meine Herren, scheint Ihnen auch das Publikum durch das Vergessen des Urtheils kein Urtheil zu fällen; hält Sie auch vor der Verewigung Ihrer Schande der Seraph nicht zurük, der mit flammendem Schwerd den Baum des Lebens vor den ersten Eltern bewachte, damit sie nicht davon essen und leben ewiglich: so wir Ihnen doch die Unmöglichkeit, mit eignen Kräften die Einbalsamirung Ihrer Ohren und die Einrostung Ihrer Schellen zu bewerkstelligen, das Selbstrezensiren verleiden. Überlassen Sie es daher einem Rezensenten, der Sie nicht nur tod, sondern auch eben darum unverweslich machen kan; und dessen kritische Dinte Sie, wie scharfer Spiritus kleinere Insekten zu töden und zu konserviren zugleich im Stande ist.

Ich könte Ihnen die epigrammatischen Widersprüche Ihres Betragens vorhalten und sagen: Sie gleichen einem heidnischen Bildhauer, der dem götlichen Kinde seines eignen Meisels Weihrauch bringt und sein Geschöpf zu seinem Schöpfer erhebt.

Ferner: Ihre prahlerische Rezension widerspricht Ihrer demüthigen Vorrede, und sie loben das Buch, worin Sie sich tadeln.

Endlich könt' ich noch die Weissagung beifügen, daß der Knabe, den der vortrefliche Verfasser der unnachahmlichen Satire »Beweis, daß man den Körper sowohl für den Vater der Bücher als der Kinder anzusehen hab«Von dieser Satire ist der Verfasser der satirischer Skizzen sowohl Verfasser als Rezensent. mit beiden Händen schreiben lehrt, vielleicht mit der linken die rechte rezensiren wird, Ihres Beispiels und des Sprichworts wegen manus manum lavat.

Allein die Figur der Präterizion, nach der Zeno unter dem Spaziergehen in seiner Stoa die Bewegung läugnete, wird Sie eben so wenig rühren als andre rhetorische Figuren. Ihr origineller Magen knurret mir eine laute Widerlegung vor, und seine Lerheit macht ihn, wie die Lehrheit Köpfe, zum Disputiren nur desto fähiger. Aus Ihren Minen entziffere ich noch folgenden Ausruf: »Her Rezensent! wir loben uns nur, um uns zu sättigen; wir hängen unsre toden Geburten in wohlriechenden Rauch auf, nicht um ihre Dauer, sondern um ihren Preis zu vermehren. Ach! wenn uns das phlegmatische Publikum nur nicht blos das gäbe, was wir uns selbst geben können, nur nicht dem Verleger das gäbe, was er uns nicht giebt, nur nicht unsern Magen bei der Schwelgerei der Nase darben liesse! So wie vom Opfer die Götter nur den Wohlgeruch, ihre Priester aber das Solide genossen, so riecht der Autor das Lob und der Verleger verzeret den Gewinst des Buchs! Ach daß man so oft für eine Juno eine Weihrauchswolke, für eine Daphne einen Lorberbaum in die dürren Arme schliest! Glükliches Sina oder China, oder Schina, bei dir kan der Arme vom Verkaufe seiner körperlichen Excremente leben; nur im elenden Deutschland kan er es nicht einmahl von seinen geistigen, sondern mus vielleicht an der Dyssenterie und am Hunger zugleich sterben.« Hierinnen, meine Herren, haben Ihre Minen Recht; ich wil daher schlüslich Ihrentwegen auf meine Kniee fallen, und so zum Apollo beten: »Apollo, Adam deiner schwarzen und weissen Musensöhne, du begabtest die Herren da! mit dem Kopf eines Strausses und mit dem Magen eines Strausses; fülle ihnen doch wenigstens den leztern, wie es auch deine Schwester von anno 1770 bis 1780 that und gieb ihnen Brod, da du ihnen keine Verse giebst. Ich flehe dich darum, Amen!« Und hiemit meine Herren ist mein heutiges Autorenverhör geendigt, wie die vossischen Rezensentenverhöre insgesamt.


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