Jean Paul
Grönländische Prozesse
Jean Paul

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Endlich haben dir deine Komödien und Romanenschreiber schon längst deinen Mangel an originellen Thoren vorgeworfen, bei dem auch unsre Zunft künftighin unmöglich mehr bestehen kan. Alle deine Narheiten verschreibst du dir aus Paris und London; und doch zankst du mit uns, den Spot auf diese Thorheiten auch aus London und Paris verschreiben zu müssen. Allein auswärtige Thorheiten können wir so wenig belachen, wie du, weil wir sie ebenfalls wie du bewundern; wenigstens mus die ausländische Narheit erst in eine deutsche verdolmetschet worden sein, eh' unsre Bewundrung in Belachung übergehen kan. Der Mangel an Satire vergrössert überdies wiederum deine Empfänglichkeit für fremde Narheiten: Denn die Ökonomen haben bemerkt, daß nur Vieh, welches man mit Nesseln gefüttert, unter epidemischen Krankheiten ohne Anstekkung lebe. – Wir glauben nun in diesem Präludium unser Recht, dich um Thorheiten zu bitten ausser Zweifel gesezt zu haben; und gehen daher mit der Hofnung, du werdest sie vermehren, so bald du von der Wenigkeit derselben nur genugsam überzeuget worden, zur Bewerkstelligung des leztern über. Vielleicht möchtest du uns den Erweis deiner Vernünftigkeit schenken; vielleicht warst du wohl schon längst von deiner Armuth an den Thorheiten überzeugt; allein die Richter zwischen uns und dir, die Ausländer, welche dich blos nach deinen bessern Gliedern, nach den reisenden Edelleuten nämlich schäzen, sind von dieser Armuth weniger überzeugt. Diese davon zu überzeugen, möchte vielleicht auch schwerer sein, als dich zu überzeugen, der du die Leichtheit unsrer Gründe mit deiner noch allein übrigen Thorheit, nämlich dem Stolze volwichtig zu machen die Güte hast. Fürchte endlich nicht, daß wir, gleich den Selensorgern, deine Vernünftigkeit über die Gränzen der Wahrheit schildern werden. Vielmehr werden wir gerecht genug sein, für iede Handlung, welche du aus Liebe für die deutsche Satire und aus Has gegen die Vernunft gethan, das gehörige Lob dir abzutragen. Denn unser eigner Vortheil gebietet es, jede Gelegenheit, durch gerechte Lobsprüche dich zur häufigern Verdienung derselben, auffodern zu können, nach unsern Kräften zu benüzen, und die Vernunft fordert es, unsre Bitschrift nicht durch eine partheiische Algemeinheit im Tadeln, als die sein würde, wenn wir deine besten Handlungen, auf welche dein Stolz am meisten trozt, (z. B. das neuliche Geniewesen) zu vernünftigen heruntersezen wolten, verdächtig zu machen. Würden wir schlüslich unserm eignen Ziele nicht den Rükken zukehren, wenn wir die Einwurzelung des gesunden Menschenverstandes in derselben Schrift vergrösserten, die zur Ausrottung desselben aufmuntern sollen? Würden wir euch die Besiegung eines Feinds zumuthen, den wir für sehr mächtig hielten oder zu halten vorgäben? Leider! daß wir zu den ersten Gegenständen unsrer Klagen dieienigen machen müssen, die uns durch ihr Beispiel so viel nüzen könten. Denn ihre eigne Thorheiten dürfen wir höchstens nur an ihren Nachahmern verspotten; eine königliche Narheit hält durch Krone und Szepter, aber nicht ihre Kinder durch Stern und Kommandostab, die Satire von sich ab und stat, daß (nach Pope's Bemerkung) der Reiche seinen güldnen Schenktisch nur im Spiegel zu bewundern wagt, bewundern wir umgekehrt die goldnen Schellen einer Krone selbst, und belachen erst ihre zurückgeworfne Abspiegelung an den Hofleuten. Spot also zwar nicht, aber doch Klagen über grosse Häupter gestattet man ihren Unterthanen; und den Schriftstellern sind die Fürsten, wie den Kaldäern die Sterne, nicht blos Gegenstände der Anbetung, sondern auch der astronomischen Beobachtung, wiewohl beides in einer knieenden Stellung geschehen mus. Auf dieses alte Recht wagen wir denn das freimüthige Geständnis, daß wir fast ein wenig bestürzt, auf den Thronen eben so viele Köpfe als Diademe und mehrere Szepter als gnädige Tazen zählen. Freimüthig allerdings mus dieses Geständnis dem vorkommen, der mit den Pflichten der Könige vertrauter ist: denn es schimmert durch dasselbe der Vorwurf hindurch, daß sie ihre Pflichten nicht so gut wie ihre Minister, ia nicht einmal so wie die Könige der vierfüssigen Thiere so wohl als der befiederten erfüllen, welche alle drei (Minister und Löwe und Adler) nie vergessen, daß sie Raubthiere sind. Sonst gab es noch Höfe, wo niemand klug war, als der Hofnar und wo die Schätze Amerika's noch mit gekrönten Thorheiten und Köpfen gestempelt von den Thronen auf die Unterthanen herunterrollen; allein iezt scheinen die königlichen Schatzkammern erschöpft, wenigstens verschlossen zu sein. Die Satire kan mit keinen gemünzten Schellen mehr prahlen; und ihr Nachtrab, das Pasquil, stiehlet nur noch den Goldstükken die Ränder, um daraus mit lügenden Händen falsche Münzen zu prägen. Wer uns die iezige Seltenheit fürstlicher Thorheiten nicht glaubt, der frage Leute, die ihm unpartheiischer und grösser scheinen z. B. die Favoriten, Hofprediger und Hoftänzer iedes Fürsten. Alle werden ihm die Vernünftigkeit des ihrigen mehr genugsam schildern können. So gar iede gedruckte und gepredigte Lobrede auf einen Fürsten treten auf unsre Seite und gehen nur darin von uns ab, daß sie dem Gegenstande ihres Lobs, nicht nur viele, sondern auch alle Thorheiten absprechen. Selbst der Sprachgebrauch spricht für uns und vervielfältigt die vernünftigen Handlungen der Potentaten. Denn wenn ein Fürst die Vorschläge seiner Minister unterschreibt, so hat er sie, fals man den Sprachgebrauch nicht gänzlich Lügen strafen wil, erfunden; wenn er den Akkerbau durch nichts, als die Jagd erschweret, so behaupten so gar die Landleute, daß er ihn unterstüze; und iedes Getraide, das er ihnen nicht wegerntet, verdanken sie ihm als gesäet, wenn er am Tage stat zu donnern schläft, so rühmen nicht blos übertreibende Dichter, sondern auch ernsthafte rectores magnifici, daß er die Nacht für das Wohl des schlummernden Stats durchwache; kurz wenn er kein Henker, sondern ein Stiefvater des Vaterlands ist, so ist er, nach der Versicherung eines ieden klugen Mannes, ein Vater desselben. Daher auch die Erde gekrönte Tyrannen zwar oft bedekt, aber nie getragen hat; und fals auch ein Henker eine königliche Gruft zu erben glüklich genug war, so hatte doch noch keiner das Glük einen königlichen Thron zu erben. Die wenigen Fehler, die mancher Fürst etwan noch hat, kan man, sobald er sie nicht über den Zaun der Klugheit hinauswachsen lässet, sehr gut für ausgerottet erklären; so wie selbst Christus die Bezähmung sündiger Gliedmassen der Ausrottung derselben gleichschäzt, und die eine unter der andern versteht. Was haben wir nun zu thun? alle Potentaten um Thorheiten zu bitten? Nein! einige zwar, aber nicht alle; aber nicht die, welche die Bitte um Vermehrung ihrer Thorheiten ihren beredten Hofleuten schon zu oft abgeschlagen haben, als daß wir sie mit grösserm Glükke zu wiederhohlen hoffen dürften. Sondern diese bitten wir blos um die Erlaubnis, auf sie, da sie die Satire mit keinem Stof begnadigen, wenigstens Pasquille schreiben zu dürfen. Auch waren schon Friedrich und Joseph so gnädig, ungebeten uns durch diese Erlaubnis für ihre Tugenden zu entschädigen. Nur die übrigen hohen Häupter, welche keine Satire, geschweige ein Pasquil auf sich dulden können, flehen wir mit der unterthänigen Knechtschaft, die uns geziemt, um die gnädige Erlaubnis an, auf sie zwar keine Pasquille, aber doch Satiren machen zu dürfen, ohne iedoch wie zeither besorgen zu müssen, ihr goldhartes Szepter werde an unsern harichten Rükken die ungekrönten Opfer unserer Geiseln hart zu rächen belieben. Solten sie aber auf diese Bitte in einem gnädigsten Reskript antworten, daß fürstliche Thorheiten gleich den römischen Bürgern, das Recht haben, nicht gegeiselt zu werden: so wenden wir uns an ihre Kronerben und tragen denselben in aller Unterthänigkeit vor, uns ein Privilegium zu verleihen, kraft dessen ausser dem Leibarzt niemand als wir ihre glorwürdigsten noch iezt lebenden Vorfahren nach ihrem Tode anatomiren darf.

Da wir gezeigt, daß die Fürsten, gleich ihren Unterthanen, arm an Thorheiten sind, so haben wir zugleich erwiesen, daß ihre Hofleute es auch sind. Denn alle Lächerlichkeiten, die iene abgelegt, verbergen diese und verlarven alle die schäzbaren Fehler, denen sie treu bleiben, in die Tugenden der erstern wenigstens. Sonach können wir ihnen freilich nicht vorwerfen, daß sie keine Thoren sind, allein doch dies, daß sie keine mehr zu sein scheinen. Ein Unterschied, der uns wenig nüzt! Weit besser war es sonst, als es noch keinen Montesquieu und keinen Voltaire und folglich keine Fürsten gab, die von ihnen verführt waren; als noch der Hofman von seinem Oberhaupte die Schellen geliehen bekam, die er uns auszahlte, als noch die Krone für Sterne und Bänder, wie das Genie für Nachahmer, verschönernde Flekken erfand, und die Gunst des Fürsten noch für Weteifer in seiner Lieblingsschwachheit feil stund. Jezt stellen sich die Hofleute nicht wie sonst lasterhaft, sondern tugendhaft, und gleichen dem Chamäleon, das (nach Linnee) alle Farben nachäffet, die schwarze ausgenommen. Zwar ähnlichen sie hierin gewissen Wilden, welche ihre unehrbaren und empfindlichen Glieder nicht aus Liebe zur Tugend, sondern aus Furcht, sie zu verlezen, verhüllen; allein die Wirkung bleibt für den, der gern einen Priapus abzeichnen möchte, immer gleich verdrüslich. Ja die Schädlichkeit dieser Larven nimt noch durch den Umstand zu, daß wir alle deutsche Höfe, ohne daß sie uns ie gesessen haben, mit unsrer Galle, (wie der Mahler mit Fischgalle,) abmahlen, und Rükken, die wir selbst geschnizt, mit unsern lauten Peitschen röthen müssen. Denn nur selten sind wir so glüklich, mit unsern eignen Augen den Hofman, wie der Geizige den Affen und den Bären aus der nassen Fensterscheibe der Dachstube auf der Gasse beobachten zu können; am seltensten gerathen uns Bücher in die Hände, in denen wir stat der Höfe die Gemählde derselben studieren könten, so wie Delaporte nicht in den Ländern, sondern nur auf ihren Karten zum Behuf seiner Reisen durch die Welt, herumzureisen pflegte. Denn der Romane, die den Höfling mit wahren Farben schildern, haben die Deutschen ia nur wenige, vielleicht nur einen , den vom phlegmatischen Publikum seit vier Wochen schon vergessenen Roman nämlich, der uns von den Höflingen freilich nebst vielen falschen und alten Zügen doch den neuen und wahren liefert, daß ein Hofman, zufolge einer etwas schärfern Beobachtung, sich nicht selten – verstelle. Eines solchen Blick in das hofmännische Herz hätte man sich vom Verfasser dieses Romans, der als Kandidat der Gottesgelahrheit noch keinen Hofman kennen zu lernen Gelegenheit gehabt als den Haman, der zu den Zeiten der apokryphischen Autoren gehangen worden, am wenigsten versehen sollen. Allein nur desto mehr läst sich von ihm versprechen, nur desto grössere Talente sagen uns die Hofnung zu, er werde Lichtenberg's Klagen über den Mangel an Menschenkentnis künftig stillen und zum Besten des noch blinden Beobachtungsgeistes, seine Feder zu einer Starnadel zuspizen. Dem Mangel einer solchen Bekantschaft mit euch ihr Höflinge, müsset ihr es freilich auch anrechnen, wenn wir in der Unzufriedenheit mit der Anzahl eurer Schellen zu weit gehen; und vielleicht ist blos bald Mangel des Lichts schuld, daß wir manche eurer Thorheiten übersehen, bald falsches Licht, daß wir noch mehrere entschuldigen. Gänzlicher Mangel des Lichts und völlige Unwissenheit der Höfe mag vielleicht schuld sein, daß wir noch bis iezt glauben, daß ihr einen Gott, dessen Nichtsein schon die ersten Grundsäze der Vernunft euch lehren, darum noch annehmet, weil der Wiz und Voltaire und euer Herz für dessen Dasein sprechen; von iener Unwissenheit rührt vielleicht auch unsre Überzeugung her, daß ihr ein Herz habt; daß ihr nur dan eine wichtige Mine machet, wenn ihr einen wichtigen Gedanken auf euer Gesicht übertragen wollet; daß ihr euren schönen Gebieterinnen beynahe eben so wenig schmeichelt wie eurem Gebieter und die Weyhrauchswolken nur darum aufsteigen lasset, um dadurch für den Kopf des Fürsten das Licht dioptrisch zu vervielfältigen und von den Herzen der Damen die Erwärmung abzuhalten; daß ihr bei andern euren Fürsten mehr aus Liebe zu ihm als zu euch so lobet; daß ihr eure Freundschaft mit andern Zeichen ausdrükket als eure Feindschaft und den Feind nur darum umarmet, um ihn zu erwürgen, aber nicht um ihn zu liebkosen; und endlich erzeugte wohl blos die Unbekantschaft mit eurem Werth unsern alten Wahn, daß die Hälfte von euch nicht, wie man gewöhnlich glaubt, verdiene gehangen zu werden, sondern vielmehr Ordensbänder anstat des Striks zu erhalten werth sei. Ein falsches Licht aber ists vielleicht, das einer noch grössern Anzahl eurer Thorheiten glänzende Seiten in unsern Augen leihet. So verliehrt z. B. eure lächerliche Ähnlichkeit mit den Schlangen, welche kriechen, allen Nuzen für uns, so bald der Verfolg der Ähnlichkeit uns zu dem Umstand leitet, daß die Schlangen auch springen, um sich der nahen Beute zu bemeistern. Denn so feig die Gewohnheit ist, im Frieden mit stummen Windbüchsen auf den Feind zu schiessen, so muthvol ist die, womit sie gut gemacht wird, nämlich auf ihn im Kriege mit lauten Kanonen zu feuern. So käme uns ferner eure Satire, womit ihr in Geselschaften gewöhnlich fechtet, wirklich stumpf und daher lächerlich vor, wenn nur uns nie einfiele, daß ihr sie an eurem harten Herzen schleift. Denn so lächerlich das Unternehmen ist, wie die Schlangen mit lokkern Zähnen zu beissen; so vernünftig wird es durch den Umstand, daß ihr und die Schlangen den Vorwurf der Unmacht schon durch den Gift vermeidet, dem die lokkern Zähne den Weg nur haben bahnen sollen. Eure schlüpfrigen Erzählungen entschuldigen wir immer mit dem Zustande derer, die ihr damit unterhalten wollet. Um ihnen das Vergnügen an solchen Erzählungen abzugewöhnen, denken wir, freilich vielleicht eben aus Unbekantschaft mit euren Zuhörern, müste man das Vermögen zu den Lastern, deren schwaches Echo iezt nur die Ohren sind, ihren Lenden erst wieder eingiessen. Ihr redet viel; allein da wir uns einbilden, daß ihr eben darum viel redet, warum die Wilden sich einbilden, daß die Affen nichts reden, um nämlich nicht arbeiten zu dürfen; so können wir euch nicht im geringsten mehr lächerlich finden. Euer Hang, Neuigkeiten zu hören und zu erzählen, scheint, unsers Bedünkens, euch als Priestern der Fama zu geziemen: denn diese ist auch gleich den Harpyen, mit einem ewigen Hunger und ewigen Durchfal behaftet, und hat eben so viele und eben so unermüdliche Ohren als Zungen. Da wir weiter aus Unkentnis der Höfe glauben, daß man daselbst am Hofman, wie am Biere, die Gestalt früher als den Geschmak prüfe, so können wir natürlich nichts als Spuren der Vernunft in eurer Sitte entdekken, zum wizigen Kopfe ein wiziges Kleid zu paren, so wie an den schwarzen Kazen die Augen und das Fel im Finstern leuchten. Vielleicht, daß wir auch den Gehalt eures Verstandes in einem falschen Lichte sehen: denn sonst würden wir eure Sucht nach Wiz weniger vernünftig finden, und nicht mit dem Beispiele der klugen Wirthe entschuldigen, die das trübe Bier gern in Schaum verlarven. Wenn wir vermuthen, daß ihr darum in Bildergallerien mit artistischen Termen um euch werft, um die Unbekantschaft mit ihrem Gegenstande selbst euch nicht merken zu lassen; so verfallen wir vielleicht in die gewönliche Täuschung, von sich auf andre zu schliessen: denn gerade so machen wir es, wenn wir die Namen von Grossen, die wir nicht kennen, hersagen, um die Voraussezung ihrer Bekantschaft bei andern zu erschleichen. Wahrscheinlich verleitet uns die Entbehrung eurer Gesellschaft auch vom Vorwurfe lächerlicher Schmeicheleien euch loszusprechen: denn wir sind der Meinung, daß ihr in euren schmeichelhaften Gefälligkeiten Masse zu halten wisset, daß ihr andern zwar schöne Pas, aber nicht saure Schritte opfert, zwar die Höflichkeit, aber nie eine fremde Bürde euren Rükken krümmen lasset, und zwar mit Versprechungen, aber doch nicht gar mit Erfüllungen, nicht mit Handlungen, sondern nur mit ihren Bildern, den Worten, wie die armen Ägypter ihren Göttern stat der Schweine die Bilder derselben opferten, schmeichelt. Zwar lasset ihr oft andre an euch sich anhalten, und reichet auf eurer Höhe denen, deren künftige Undankbarkeit euch wenig verschlagen kan, die Hand zum Nachsteigen; allein dafür scheint ihr uns den Grundsaz zu befolgen, daß es gleich ungerecht und gefährlich ist, eines fallenden Favoriten oder eine fallende Bundeslade zu halten. Wenn ihr einer H- die Entmannung des Fürsten übertraget, so scheint ihr für die Satire zu sorgen: denn was ist lächerlicher als ein gekrönter Kastrat? Aber wenn uns das gemeine Gerücht sagt, daß ihr ihm auch das Ruder des Stats entreisset, so wie Jupiter dem Saturn nicht blos die Hoden, sondern auch den Szepter nahm, so wie man den Kapaunen auf einmal Kam und Hoden raubet, so verschwindet die lächerliche Farbe dieses Verhaltens auf den ersten Blik, und wir müssen das angefangene Lächeln wieder aufgeben. So leiht unsre Unwissenheit selbst eurer neuen Thorheit, der Verstellung nämlich, welche der obige Kandidat zuerst bemerkte, und dem Spotte Preis gab, ein Gegengift gegen die Satire. Dieser Menschenkenner behauptet zwar deutlich, daß Hofleute, gleich dem berühmten Marchiali, eiserne Larven, die sie niemahls ablegen, tragen, stat daß andre nur wächserne und diese nur auf Redouten gebrauchen. Allein auch dieser neue Zuflus hilft unsrer Galle wenig oder nichts: denn wir können uns nicht erwehren, die immerwährende Fortdauer eurer Verstellung zu bezweifeln, weil wir uns Fälle möglich denken, worinnen eine gläserne Maske, welche das Gesicht so wohl zeigt als beschüzt, unentbehrlich ist. Ja wir träumen uns Gönner, welche allen Schein des Verstandes so beneiden und fürchten, daß ihr die Gunst derselben nur durch eure Entlarvung, nur durch den Kunstgrif, nichts anders zu scheinen als was ihr seid, erringen zu können scheint. Und unbekant mit eurer Stärke, trauen wir eurem Herzen zwar, aber nicht eurem Kopf das Vermögen zu, die beständigen Rezidive der Natur zu verheimlichen. So gar den Thieren fält dieses unmöglich. Das Thier z. B. das, wie Plinius von ihm rühmt,Hist. N. L. 8. c. 34. als ein lebendiges Farbenklavier, auf seiner Oberfläche alle Noten der Farbenleiter zu geben weis, sol doch häufig zu seiner natürlichen, d. h. zur Eselsfarbe zurükzukommen die Schwachheit haben. So weit unser langer Beweis, daß ihr die Satire mit keinen Narheiten beschenket, wenigstens nur unter der dritten Hand damit beschenket. Da wir zu höflich sind, um nicht der leztern Vermuthung beizupflichten, so enthalten wir uns unsrer gewöhnlichen Bitte um Narheiten und hoffen, von der Unnöthigkeit derselben durch die Erfüllung der folgenden noch fester überzeugt zu werden. Um für eure unbekanten Gefälligkeiten gegen die Satire Dank uns künftig abzugewinnen, so krönet sie mit einer neuen; leget nämlich euren alten Kaltsin gegen deutsche Gelehrte einmal ab, und widerlegt durch eure Geselschaft die Klagen unsrer Bitschrift. Zwar läuft schon iezt das Gerücht auf gelehrten Zungen herum, daß man an deutschen Höfen deutsche Gelehrte zu dulden anfienge und ihr eure Muttersprache zu erlernen versuchtet; allein solche Gerüchte glaubt man nur einer wiederhohlten Bestätigung, die aber zu beschleunigen unsre Bitte vielleicht wirksam genug ist. Solte auch unser Umgang den eurigen nicht verdienen, so hat doch der Niedrige vielleicht noch einige Tugenden, womit er für die Thorheiten des Grossen dankbar sein kan, und beide können einander mit ihren entgegengesezten Eigenschaften wechselseitigen Stof zum Spot anbieten.


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